Medienspiegel 19. Mai 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++LUZERN
Hürden bei der Corona-Impfung in Luzern: «Ich kenne noch keinen Sans-Papiers, der geimpft ist»
Der Impfplan nimmt im Kanton Luzern Fahrt auf. Von den Sans-Papiers in Luzern dürften bis anhin allerdings nur wenige geimpft worden sein. Ein Ansturm ist auch nicht zu erwarten – die einen fürchten aufzufliegen, für die anderen gibt es komplexere Hindernisse.
https://www.zentralplus.ch/ich-kenne-noch-keinen-sans-papiers-der-geimpft-ist-2089275/


+++SCHWEIZ
Amnesty fordert Ende von Menschenrechtsverletzungen in Bundesasylzentren
Amnesty International hat Berichte über Gewalt gegen Asylsuchende in Schweizer Bundesasylzentren eingehend untersucht. Die Recherche deckt Verstösse durch das Sicherheitspersonal auf, die auf schwere Misshandlungen hinweisen. Amnesty International schlägt Alarm angesichts der Menschen-rechtsverletzungen gegen Asylsuchende – darunter unbegleitete Minderjährige – und ruft die Behörden auf, dringend Massnahmen zu ergreifen, um den Missbrauch zu stoppen.
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/dok/2021/amnesty-fordert-ende-von-menschenrechtsverletzungen-in-bundesasylzentren
-> https://www.fluechtlingshilfe.ch/medienmitteilungen/gewaltvorfaelle-behoerden-muessen-ihre-verantwortung-wahrnehmen
-> https://beobachtungsstelle.ch/news/besorgniserregender-bericht-von-amnesty-international-schweiz-ueber-gewalt-in-bundesasylzentren/
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/misshandlungen-in-bundesasylzentren?id=e7d29879-ce02-42ef-812e-d8de3bbbee15
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/amnesty-erhebt-unter-anderem-gegen-stgaller-bundesasylzentrum-schwere-vorwuerfe-00158466/
.> https://www.blick.ch/politik/gewalt-gegen-asylbewerber-amnesty-spricht-von-folter-in-schweizer-asylzentren-id16532697.html
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/190480/
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/amnesty-international-prangert-zustaende-in-bundesasylzentren-an-141977560



nzz.ch 19.05.2021

Gewalt in Bundesasylzentren: Amnesty wirft dem Bund schwere Versäumnisse vor

Amnesty International zeigt sich alarmiert über Misshandlungen durch Sicherheitspersonal in Asylzentren. Von Menschenrechtsverletzungen und sogar von Folter ist die Rede. Die Organisation wirft dem Bund vor, nicht genug zu tun, um solches zu verhindern. Dieser wehrt sich.

Frank Sieber

Es ist nicht das erste Mal, dass der Bund mit irritierenden Berichten über die Zustände in den Bundesasylzentren konfrontiert ist. Verschiedene Medien rapportierten schon Vorfälle, die den Umgang der Sicherheitsleute mit den Asylbewerbern in schlechtem Licht erscheinen liessen. Es ging um übertriebene körperliche Gewalt und andere unangemessene Zwangsmassnahmen. Die Vorwürfe waren derart gravierend, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) reagieren musste. Vor zwei Wochen leitete es eine externe Untersuchung ein, die klären soll, was tatsächlich passiert ist.

«Alarmierende Situation»

Diesen Versuch hat auch Amnesty International schon unternommen und legt jetzt einen Bericht zu Fällen vor, die sich zwischen Januar 2020 und vergangenem April ereigneten. «Die Situation ist alarmierend», bilanziert Alicia Giraudel, Juristin bei Amnesty. Die Organisation spricht von Menschenrechtsverletzungen und schwerem Missbrauch, der in einzelnen Fällen den Tatbestand der Folter erfüllen und die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz verletzen könnte. Zudem wirft sie den Behörden «systemische Versäumnisse» vor und verlangt umfassende Massnahmen, damit die Asylbewerber nicht weiter dem Risiko von Misshandlungen ausgesetzt seien.

Die laufende externe Untersuchung der Vorfälle ist Amnesty also nicht genug. Die Organisation richtet eine Reihe zusätzlicher Empfehlungen ans SEM, die diese «systemischen Mängel» beseitigen sollen. Dazu gehört, die Überwachung in den Asylzentren zu stärken, die Rechte des Kindes besser zu schützen, den Zugang zu medizinischer Behandlung zu garantieren und einen effektiven Whistleblowing-Mechanismus für die Angestellten einzurichten. Und Amnesty empfiehlt auch, Massnahmen zu ergreifen, um rassistische Einstellungen und negative Stereotype zu bekämpfen und Vorurteile gegenüber Menschen vor allem nordafrikanischer Herkunft abzubauen. Die derzeit geltenden Regeln in den Bundesasylzentren beruhten nämlich auf der Annahme, dass dort untergebrachte Menschen potenziell gewalttätig und gefährlich seien.

Amnesty stützt seine Forderungen auf Interviews mit 32 Personen, unter ihnen Opfer von Misshandlungen sowie gegenwärtige und ehemalige Sicherheitsangestellte, Rechtsvertreter, Betreuer und Sozialpädagogen, die Zeugen von Missbrauch waren. Zusätzlich hat die Organisation ärztliche Berichte, Strafanzeigen und andere Dokumente ausgewertet. Sechs der Opfer von Misshandlungen mussten demnach im Spital behandelt werden. Zwei Betroffenen wurde ausserdem eine medizinische Behandlung verweigert, obwohl sie um Hilfe gebeten hatten. Laut Amnesty berichteten Betroffene etwa über Gewaltanwendungen, die die Atmung stark einschränkten, über Pfefferspray-Einsatz bis hin zur Ohnmacht, Tritte gegen den Kopf oder das Einsperren in einen Metallcontainer bei Minustemperaturen, das zu einer Unterkühlung führte. Auch Minderjährige wurden laut dem Bericht Opfer massiver Gewalt.

Die Mehrheit der befragten Sicherheitskräfte kritisierte laut Amnesty die Ausbildung des Wachpersonals. Sie hätten sich schockiert gezeigt über die Anweisung von Vorgesetzten, schnell zu Gewalt und Zwangsmassnahmen zu greifen. Vorgesetzte sollen demnach aggressives und respektloses Verhalten einiger Wachleute gegenüber Asylbewerbern toleriert oder sogar gefördert haben. Als problematisch erachten einige Sicherheitskräfte etwa den Einsatz des zellenartigen «Besinnungsraums». Dort soll es auch zu Übergriffen gekommen sein. Ausserdem wird auch im Amnesty-Report wie zuvor schon in Medienberichten der Vorwurf erhoben, dass Sicherheitsangestellte Berichte zu Gewaltvorfällen gefälscht hätten.

Der Bund weist die Vorwürfe zurück

Das SEM seinerseits verwahrt sich gegen den Vorwurf, in den Bundesasylzentren würden systematisch Menschenrechte verletzt und Asylsuchende «gefoltert». Das habe nichts mit der Realität in den Zentren und der Rechtssicherheit zu tun, die allen in der Schweiz lebenden Menschen zuteilwerde, schreibt das SEM. Es akzeptiere keinen unverhältnismässigen Zwang gegenüber Asylbewerbern und bestrafe unkorrektes Verhalten konsequent. Allfällige Schwachstellen würden laufend korrigiert.
(https://www.nzz.ch/schweiz/gewalt-in-asylzentren-amnesty-kritisiert-den-bund-scharf-ld.1625898)



Der Bundesrat genehmigt das Resettlement-Programm 2022–2023
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 19. Mai 2021 das Resettlement-Programm für die Jahre 2022 und 2023 genehmigt. Nach Konsultation der zuständigen Kommissionen und der Begleitgruppe Resettlement hat er beschlossen, in diesem Zeitraum bis zu 1600 Flüchtlinge aufzunehmen, die sich im Erstaufnahmeland in einer prekären Lage befinden. Hinzu kommt ein Kontingent von bis zu 300 Flüchtlingen, die wegen der pandemiebedingten Verzögerung nicht im Rahmen des vorhergehenden Programms aufgenommen werden konnten.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-83573.html
-> https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/resettlement-schweiz-muss-mehr-schutzbeduerftige-aufnehmen


+++DEUTSCHLAND
Wie Europa gegen Schutzsuchende aufrüstet – Ausstellung GRENZERFAHRUNGEN
Panzer, Stacheldraht und Schlagstöcke – mit der Ausstellung GRENZERFAHRUNGEN zeigen PRO ASYL, EAK und pax christi die brutalen Folgen von Abschottung und Aufrüstung und fordern: Menschenrechte durchsetzen, Flüchtlinge schützen!
https://www.proasyl.de/news/wie-europa-gegen-schutzsuchende-aufruestet/
-> Video Vernissage: https://www.youtube.com/watch?v=ImmMDuf-QLM


+++BELGIEN
Ärmelkanal: 49 Migranten vor belgischer Küste gerettet
Belgische Behörden haben 49 Menschen in Seenot gerettet. Das Boot mit größtenteils aus Vietnam stammenden Menschen war wahrscheinlich zuvor in Frankreich gestartet.
https://www.zeit.de/arbeit/2021-05/belgien-migranten-aermelkanal-grossbritannien-seenotrettung-fluechtlinge


+++DÄNEMARK
Dänemark: Umstrittene Abschiebung syrischer Geflüchteten
Die dänische Regierung will syrische Geflüchtete in Gebiete zurückschicken, die nun wieder als „sicher“ betrachtet werden. Diese politische Entscheidung sorgt für Empörung. In Dänemark leben seit 2015 35.000 syrische Geflüchtete.
https://www.arte.tv/de/videos/103886-000-A/daenemark-umstrittene-abschiebung-syrischer-gefluechteten/


+++ITALIEN
Verfahren gegen Sea-Watch-Kapitänin Rackete auf Sizilien eingestellt
Gegen die Deutsche wurde wegen Widerstands gegen die Polizei ermittelt, sie habe aber „aus humanitären Gründen gehandelt“
https://www.derstandard.at/story/2000126780738/verfahren-gegen-sea-watch-kapitaenin-rackete-auf-sizilien-eingestellt?ref=rss
-> https://www.rnd.de/politik/sea-watch-3-verfahren-gegen-kapitaenin-carola-rackete-eingestellt-V3CNKHI3EGIUQHYG6LXPMHUINU.html
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-05/carola-rackete-sea-watch-3-verfahren-eingestellt-italien-seenotrettung
-> https://www.spiegel.de/ausland/carola-rackete-italiens-justiz-stellt-verfahren-gegen-deutsche-seenotretterin-ein-a-26ba6cbb-1a27-495c-b79e-00cc03030596
-> https://www.jungewelt.de/artikel/403022.italien-verfahren-gegen-seenotretterin-rackete-eingestellt.html


+++SPANIEN
Migrationskrise in Ceuta: Bereits 4.800 Menschen wieder abgeschoben
Rund 8.000 Menschen waren Montag und Dienstag in Ceuta und damit faktisch in die EU eingedrungen. Marokko hatte die Grenze als Art Vergeltungsaktion gelockert
https://www.derstandard.at/story/2000126764380/migrationskrise-mit-spanien-marokko-rief-botschafterin-zurueck
-> https://www.heise.de/tp/features/Wie-man-Spanien-und-die-EU-erfolgreich-erpresst-6049587.html
-> https://www.derstandard.at/story/2000126759326/8-000-fluechtende-in-ceuta-angekommen
-> https://www.blick.ch/politik/tausende-stranden-in-ceuta-und-lampedusa-kommt-jetzt-der-fluechtlingssommer-id16533587.html
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-05/ceuta-spanien-marokko-migration-grenze-abschiebung-fluechtlinge
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1152168.migrationspolitik-die-eu-hat-es-selbst-in-der-hand.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/402715.eu-abschottungspolitik-spanien-l%C3%A4sst-sich-erpressen.html
-> https://taz.de/Krise-zwischen-Spanien-und-Marokko/!5767922/
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/spanien-erhoeht-druck-auf-marokkanische-behoerden?urn=urn:srf:video:5067c7fe-a9f6-433a-9d0c-de9ac35e8e04


+++GASSE
«Wie wollen Sie das Bettelverbot durchbringen, Frau Eymann?»
Schluss mit bedingungslosen, spontanen Demos und ein enges Bettelverbot: LDP-Regierungsrätin Stephanie Eymann stellt sich mit kantigem Profil der Debatte.
https://telebasel.ch/2021/05/19/wie-wollen-sie-das-bettelverbot-durchbringen-frau-eymann



bzbasel.ch 19.05.2021

Das Bettelverbot stösst überraschend auf kaum Widerstand im Grossen Rat

Noch wirken die Basler Sozialdemokraten unentschieden. Die restlichen Fraktionen haben ihr Votum zum regierungsrätlichen Ratschlag zum Bettlerverbot gefasst.

Silvana Schreier, Nora Bader

Die ersten Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten: Am Montagmorgen veröffentlichte die Basler Regierung den Ratschlag zum Bettelverbot. Die SVP sprach sich sogleich dafür aus und forderte eine dringliche Behandlung im Grossen Rat. Dem folgen die LDP und FDP.

Gleichzeitig haben sich die Grünen und Basta bereits kampfwillig gezeigt: «Je nach Auslegung des Gesetzes wird das Betteln an nahezu allen öffentlichen Orten verboten. Im Minimum sollen Bettelnde von allen Orten vertrieben werden, in denen es möglich ist, mit Betteln über die Runden zu kommen», schreiben die Parteien in einer Mitteilung.

EVP und Die Mitte positionieren sich deutlich

Die Fronten sind damit klar. Ein Blick in den Grossen Rat zeigt, dass voraussichtlich die Fraktionen in der Mitte der politischen Skala das letzte Wort haben werden. Etwa Die Mitte und die EVP. «Die EVP setzt sich für eine dringliche Behandlung des Ratschlags ein», sagt Grossrat Thomas Widmer-Huber zur bz. «Es muss jetzt vorwärtsgehen, die halbe Stadt ist seit Monaten in Aufruhr aufgrund der Bettlerthematik.»

Seine Partei will sich gleichzeitig für eine höhere Summe für die Entwicklungshilfe einsetzen, um den von Armut betroffenen Menschen in deren Heimatländern zu helfen. Ihm ist dabei im Falle einer Gesetzesänderung bewusst: «Ganz verbieten kann man die Bettelei nicht, aber Einschränkungen sind wichtig. Mit einem griffigen neuen Gesetz soll Basel unattraktiv werden für Bettelnde.» Auch Die Mitte wünscht sich laut einer früheren Medienmitteilung «eine möglichst strenge Umsetzung» eines Bettelverbots.

Grünliberale freuen sich über den «Basler Weg»

Wie sieht es also bei den Grünliberalen aus? Die noch junge Fraktion mit acht Mitgliedern hatte bereits mehrmals die Rolle des Züngleins an der Waage. Auch beim Bettelverbot? Fraktionspräsident David Wüest-Rudin macht aus der Meinung seiner politischen Mitstreitenden keinen Hehl: «Die GLP unterstützt die dringliche Behandlung. Der Ratschlag entspricht unserem Basler Weg, den wir in unserem Vorstoss schon skizziert haben. Er verfolgt damit die richtige Stossrichtung.»

Seiner Fraktion sei es wichtig, dass man nun keine Zeit verliere. Das Gesetz soll noch in den Sommermonaten in Kraft treten. «Danach fordern wir flankierende Massnahmen mit verschiedenen Vorstössen ein», kündigt der Grossrat bereits jetzt an.

Denn laut GLP-Grossrätin Sandra Bothe-Wenk hat die Regierung im vorliegenden Ratschlag diese nur am Rande erwähnt. «Für die gesetzliche Umsetzung braucht es Ressourcen für die Behörden und Begleitmassnahmen, um die Menschenwürde zu wahren. Wir wollen darum prüfen, wo Handlungsbedarf besteht.»

Sozialdemokraten könnten Debatte bestimmen

Entspricht der Grosse Rat der dringlichen Behandlung, überspringt der Ratschlag einen Schritt im politischen Prozess: die Debatte in der zuständigen Kommission, für die es keine Fristen gibt. Mit der dringlichen Behandlung hat der Grosse Rat die Möglichkeit zu entscheiden, dass die Vorlage direkt behandelt wird. Dann käme es voraussichtlich am 23. oder 24. Juni zur Debatte.

Und an dieser ist die SP gefragt: Bisher begrüsste sie zwar eine Bettelordnung, es brauche jedoch Begleitmassnahmen. Damit könnten die Sozialdemokraten den Ausschlag geben.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt-das-bettelverbot-stoesst-ueberraschend-auf-kaum-widerstand-im-grossen-rat-ld.2138780)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Non à la répression de la grève pour le climat
De nombreuses amendes ont été distribuées par la police après la grève pour le climat du 15 mars 2019 à Genève. Mise à jour 17.05.21 : Le mercredi 19 mai à 8h du matin aura lieu, à Genève, le procès des « 15 de la Treille ». Amnistie pour les personnes amendées sur la Treille !
https://renverse.co/infos-locales/article/non-a-la-repression-de-la-greve-pour-le-climat-2323


Klimastreikende seilen sich für Strike-for-Future-Mobilisierung ab
Am Freitag findet der schweizweite Streik- und Aktionstag “Strike for Future” statt. Über 120 Aktionen, Veranstaltungen, Demonstrationen und Streiks werden durchgeführt. Zur Mobilisierung für den Strike for Future haben sich zwei Kletterinnen abgeseilt und ein grosses Transparent im Bahnhof Bern befestigt.
https://mailchi.mp/climatestrike/klimastreikende-seilen-sich-fr-strike-for-future-mobilisierung-ab
-> https://www.blick.ch/schweiz/behoerden-greifen-durch-klimabewegung-montiert-riesen-banner-im-berner-bahnhof-id16534403.html
-> https://www.bernerzeitung.ch/die-neusten-nachrichten-aus-der-stadt-bern-354633507199


Klimastreik: Keine im Stich lassen
Diesen Freitag, an den landesweiten Aktionen der Klimabewegung unter dem Slogan «Strike for Future» sind auch die Gewerkschaften dabei: Ein ökologischer Umbau der Wirtschaft ist nur mit umfassenden sozialen Veränderungen möglich.
https://www.woz.ch/2120/klimastreik/keine-im-stich-lassen


+++ANTITERRORSTAAT
Was Justizministerin Keller-Sutter im Abstimmungskampf verschweigt
Bundesrätin Karin Keller-Sutter behauptet, das geplante Anti-Terror-Gesetz ändere an der bisherigen Terrorismus-Definition nichts. Das stimmt so nicht, sagt eine Rechtsprofessorin: Die Justizministerin unterschlage den alles entscheidenden Punkt.
https://www.republik.ch/2021/05/19/was-justizministerin-keller-sutter-im-abstimmungskampf-verschweigt


Abstimmungskampf PMT: Als ob ihr die Gegenseite stets im Nacken sässe
Karin Keller-Sutter auf einer ganz persönlichen Tour de Suisse: Während ihrer Werbefahrt für das geplante Antiterrorgesetz PMT kommt sie kaum zur Ruhe.
https://www.woz.ch/2120/abstimmungskampf-pmt/als-ob-ihr-die-gegenseite-stets-im-nacken-saesse


Angst vor Willkür – Das sagen die Gegner zum Anti-Terror-Gesetz
Gegner des Anti-Terror-Gesetzes sehen in der Gefährder-Definition einen Wegbereiter für Willkür. Sie befürchten, dass die Massnahmen übers Ziel hinausschiessen.
https://telebasel.ch/2021/05/19/angst-vor-willkuer-das-sagen-die-gegner-zum-anti-terror-gesetz/?utm_source=lead&utm_medium=carousel&utm_campaign=pos%200&channel=105100


+++POLICE BE
Kanton Bern: Kantonspolizei Bern stellt sich auf den Prüfstand
Die Kantonspolizei Bern wird in den kommenden Wochen die Bevölkerung des Kantons Bern zum Sicherheitsempfinden und zur Wahrnehmung der Polizeiarbeit befragen. Ziel ist es, Erkenntnisse darüber zu erhalten, wie sicher sich die Einwohnerinnen und Einwohner im öffentlichen Raum fühlen und wie die Polizeiarbeit noch weiter auf deren Bedürfnisse ausgerichtet werden kann.
https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=37a1b0c9-18ff-49c0-b7d9-5d7022ce3ea2
-> https://www.derbund.ch/berner-kantonspolizei-lanciert-umfrage-in-eigener-sache-437587198386
-> https://www.bernerzeitung.ch/berner-kantonspolizei-lanciert-umfrage-in-eigener-sache-778230688832


+++POLIZEI BL
bzbasel.ch 19.05.2021

Baselland hat die teuersten Polizeilehrlinge weit und breit – und ist daran nicht ganz unschuldig

Die Polizeischule Hitzkirch stellt dem Landkanton die höchsten Rechnungen pro Aspirant. Das hat einerseits mit dem komplizierten Berechnungsschlüssel zu tun. Aber auch damit, dass Baselland bei der Ausbildung seiner Polizeischüler geizt.

Benjamin Wieland

Baselland hat die teuerste Polizei im halben Land – zumindest bei der Grundausbildung. Der Landkanton schickt sein Polizeipersonal in die Interkantonale Polizeischule im luzernischen Hitzkirch. Dorthin überweist «Liestal» pro Absolventin und Absolvent im langjährigen Mittel 70’000 Franken. Im Schnitt berechnet Hitzkirch den Mitgliedskantonen aber nur rund 56’000 Franken für jede Schülerin und jeden Schüler. Im Fall Basel-Stadt schlägt die Polizeilehre sogar nur mit 47’000 Franken zu Buche.

Dass Baselland so teuer ist, hat mit seinem im Vergleich zur Grösse bescheidenen Polizeikorps zu tun. Und damit, dass der Kanton eher wenige Leute nach Hitzkirch schickt. Denn bei der interkantonalen Einrichtung gilt der Grundsatz des Mengenrabatts: Je mehr Absolventinnen und Absolventen, desto günstiger wird’s für einen angeschlossenen Kanton.

Die Klassen aus dem Baselbiet waren in den Jahren 2007 bis 2020, für welche die oben genannten Zahlen berechnet sind, eher klein. 187 Baselbieterinnen und Baselbieter absolvierten die Grundausbildung. Zum Vergleich: Bei Basel-Stadt waren es 447 Absolventinnen und Absolventen.

Polizeidichte ist im Kanton Baselland tief

Einfach mehr Personal auszubilden, sei aber auch keine Lösung, heisst es seitens der Baselbieter Polizei. Dazu sagt Sprecher Adrian Gaugler: «Unter anderem aufgrund der tiefen Personalfluktuation – Pensionierungen, Abgänge und so weiter – kann die Baselbieter Polizei aktuell weniger Aspirantinnen und Aspiranten rekrutieren, was entsprechend zu diesem höheren Betrag führt.»

Es gibt einen weiteren Aspekt, der dagegen spricht, Polizeiangehörige auf Vorrat die Schulbank drücken zu lassen: Der Kanton bezahlt Aspirantinnen und Aspiranten nicht nur die Ausbildung, sondern auch Lohn. Nur schon deshalb ist die Polizei daran interessiert, dass alle bei ihr unterkommen.

Ein Stück weit hat Baselland die hohen Kosten aber auch sich selber zuzuschreiben. 2015 und 2016 strich die Sicherheitsdirektion je einen Lehrgang in Hitzkirch – aus Spargründen.

Die Teilnehmerzahlen alleine erklären die frappanten Kostenunterschiede bei der Ausbildung jedoch noch nicht. Die Kantone haben eine jährlich schwankende Pauschalabgeltung zu leisten. Sie wird zu zwei Dritteln auf der Basis von fixen Faktoren berechnet: Korpsgrösse, Einwohnerzahl und die beanspruchten Ausbildungsplätze in den letzten fünf Jahren. Die restlichen 30 Prozent der Pauschale machen die Ausbildungsplätze aus, die im vergangenen Jahr effektiv beansprucht worden sind. Die Pauschalabgeltung für Baselland betrug im Jahr 2020 total 843’096 Franken. Pro Lehrling waren das 70’258 Franken.

Dass Baselland eine tiefe Polizeidichte aufweist, ist Fakt. Kommandant Mark Burkhard warnte bei der Präsentation der kantonalen Kriminalstatistik 2020: Es könne nicht mehr bei jedem Notruf sofort eine Patrouille vorbeischauen. Im Baselbiet kommt eine Polizistin auf 592 Personen. Das ist Platz 18 unter den Kantonen. Auf dem ersten Rang steht Basel-Stadt mit 309 Personen. Im Schweizer Schnitt ist ein Gesetzeshüter für 446 Personen zuständig.

Die anderen Kantone stören die Differenzen nicht

Zwar erzielt die Polizeischule Hitzkirch regelmässig Gewinne. 2020 war es rund eine Million. Doch ihn dazu zu verwenden, die Leistungspauschale in der Höhe von rund 13 Millionen zu senken, das will auch das Kontrollorgan nicht, die für die Einrichtung zuständige Interparlamentarische Geschäftsprüfungskommission, in der Vertreter aller elf Mitgliedskantone sitzen. Das sind, neben beiden Basel, auch Aargau, Bern, Solothurn, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri und Zug.

Der Verteilschlüssel ist im Konkordatsvertrag festgehalten. Auch hier sind Baselland die Hände gebunden. «Bis 2035 kann der Vertrag nur durch Einstimmigkeit der Konkordatskantone geändert werden», schreibt Schuldirektor Alex Birrer auf Anfrage. Änderungen habe es bisher jedoch noch nie gegeben, sagt Birrer – weder beim Vertrag noch beim Verteilschlüssel.
(https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/sicherheit-baselland-hat-die-teuersten-polizeilehrlinge-weit-und-breit-und-ist-daran-nicht-ganz-unschuldig-ld.2139403)


+++POLIZEI LU
luzernerzeitung.ch 19.05.2021

«Willkür» und «schnoddrige» Beamte – der Umgang der Polizei mit Jugendlichen im öffentlichen Raum gibt zu reden

Die Polizei – dein Freund, Helfer oder Spielverderber? Luzerner Jugendliche klagen über willkürliche Kontrollen. Der Chef der Sicherheitspolizei hingegen sagt, man fahre in der Stadt eine bewusst defensive Strategie.

Robert Knobel

Die Jugendkrawallen in St.Gallen haben die Schweiz aufgeschreckt. Brodelt es möglicherweise auch in Luzern unter der Oberfläche? Wie fühlen sich die Luzerner Jugendlichen nach einem Jahr fast ohne Ausgehmöglichkeiten, mit Versammlungsverboten und Quarantänen? Um dies herauszufinden, hat die Stadt Luzern eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Zu dieser gehören Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre. Vertreten sind sämtliche Jungparteien sowie Jugendverbände. Ziel ist es, Austausch und Dialog mit der Stadt und den Behörden zu fördern.

Die Arbeitsgruppe traf sich vergangene Woche zum zweiten Mal via Zoom-Meeting. Dabei stand ein Thema im Zentrum, das angesichts der anstehenden Lockerungsschritte höchst aktuell ist: der Umgang der Polizei mit Jugendlichen im öffentlichen Raum. Und da liegt aus Sicht der Jugendlichen einiges im Argen. Vor allem die häufigen Kontrollen machen ihnen zu schaffen, wie Luna Freiburghaus von der Pfadi St.Michael erklärte: «Oft hat man keine Ahnung, weshalb man überhaupt kontrolliert wird.»

Wenn man die Polizisten frage, was der Anlass für die Kontrolle ist, erhalte man oft keine Antwort. Elias Balmer von der Juso spricht sogar von «Willkür» und Jona Studhalter (Junge Grüne) erzählt von «schnoddrigen Polizisten».

Michael Muther, Chef der Sicherheitspolizei Süd, die für die Stadt und Agglomeration Luzern zuständig ist, nahm ebenfalls am Treffen der Jugend-Arbeitsgruppe teil. «Wenn es keinen Grund für eine Kontrolle gibt, dann kontrollieren wir auch nicht», sagt Muther. Seine Polizisten, die schwerpunktmässig im Gebiet KKL-Inseli-Ufschötti präsent sind, hätten grundsätzlich die Anweisung, den Grund für eine Kontrolle zu nennen. Häufig seien es Beschwerden über Lärm oder Littering.

Sie kommen von auswärts, um in Luzern zu randalieren

Allerdings ist das Luzerner Seeufer auch ein Hotspot für Gewalt. Muther erwähnt Jugendliche und junge Erwachsene, die «gezielt auf Streitsuche sind». Häufig handle es sich dabei um ausserkantonale Jugendliche, welche die Anonymität der Stadt nutzen, um Probleme zu machen. Bei Kontrollen würden nicht selten gefährliche Gegenstände wie Messer, Schlagstöcke und sogar Softair-Guns gefunden. Muther sagt: «Unser oberstes Ziel ist die Vermeidung von Straftaten. Damit meine ich nicht Kiffen, sondern schwere Taten.»

Bei Jugendlichen, die bloss etwas über die Stränge schlagen, drücke die Polizei oft beide Augen zu. «Wir sind gerade jetzt während der Pandemie sehr kulant – selbst wenn Jugendliche die Massnahmen nicht immer zu hundert Prozent eingehalten haben.» Auch bei zu lauter Musik gebe es durchaus mehrere Ermahnungen, bevor die Musikbox beschlagnahmt wird. Und Wegweisungen, welche einige in der Runde ebenfalls als Problem bezeichneten, seien bloss das «letzte Mittel, wenn Sicherheit und Ruhe sonst nicht mehr gewährleistet wären», so Muther.

Michael Muther betont, dass die Begegnungen mit den Jugendlichen oft sehr positiv seien. «Zu einigen haben unsere Polizisten ein richtiges Vertrauensverhältnis, man kennt sich und ist sogar per Du. Da kommt es schon mal vor, dass sie von ihrem Leben erzählen und stolz ihren Lehrabschluss erwähnen.»

Besonders schön sei es jeweils zu sehen, «wie ehemalige Problemjugendliche zu pflichtbewussten Bürgern geworden sind». Und trotzdem: Was Erwachsene vielleicht unterschätzen, sei die Wirkung, welche die Polizei allein schon durch ihre Präsenz auf Jugendliche habe, sagt Elias Balmer: «Wenn sechs Polizisten mit Hund um 18 Uhr übers Inseli spazieren, gibt uns das kein Gefühl von Sicherheit, sondern eher von Einschüchterung.»

Roman Förster vom Jugendparlament erwähnt das Wissensgefälle: «Als Jugendlicher kennt man seine Rechte noch nicht so genau. Die Polizei hingegen weiss immer ganz genau, was sie tut.» Förster findet, dass die Polizei erst als letzte Möglichkeit herbeigezogen werden soll, wenn eine Situation eskaliert. Für blosse Ermahnungen wären «Dialogteams», wie sie an Demos jeweils im Einsatz sind, besser geeignet. In eine ähnliche Richtung zielt die städtische Einsatzgruppe SIP (Sicherheit, Intervention, Prävention), welche der Stadtrat weiter ausbauen will.

Dass viele Jugendliche ihre Rechte und Pflichten im Umgang mit der Polizei kaum kennen, ist auch für Tamina Kronenberg (Junge GLP) ein Problem. Für den Stadtluzerner Sozial- und Sicherheitsdirektor Martin Merki (FDP) und den städtischen Sicherheitsmanager Christian Wandeler, welche der Sitzung ebenfalls beiwohnten, ist klar, dass es bei der Aufklärung Verbesserungen braucht. Die Polizei müsse sich besser erklären, weshalb sie eine Kontrolle macht.

«Es braucht gerade in dieser Zeit von der Polizei Fingerspitzengefühl im Umgang mit Jugendlichen. Die Wahrnehmung der Jugendlichen ist uns wichtig. Wir werden uns für ihre Anliegen einsetzen», so Merkis Fazit. Seine Aufgabe ist es nun, die geschilderten Anliegen der Jugendlichen auch weiterhin bei den zuständigen Stellen der Polizei zu deponieren.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/stadt-luzern-willkuer-und-schnoddrige-beamte-der-umgang-der-polizei-mit-jugendlichen-im-oeffentlichen-raum-gibt-zu-reden-ld.2136432)


+++QUEER
Konversionstherapien sollen verboten werden
Der Basler Grosser Rat entscheidet über ein Verbot von den höchst umstrittenen Therapien, die Homosexuelle angeblich «heilen» sollen
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/konversionstherapien-sollen-verboten-werden?id=11986796


+++RECHTSEXTREMISMUS
Die Schweiz schliesst ihre Augen
Im Interview mit «element @__investigate__» nehmen Céline und Ananda den Rechtsextremismus in der Schweiz genau unter die Lupe und gehen der Frage nach, ob rechtsextremen Gruppierungen genügend Grenzen gesetzt werden.
https://vierseitig.ch/die-schweiz-schliesst-ihre-augen/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Coronavirus: Skeptiker haben internen Stunk wegen Demos
Vergangenen Samstag organisierten Skeptiker zwei Demos gegen die Massnahmen des Coronavirus. Sie fielen ziemlich ungleich aus – das sorgt intern für Zoff.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-skeptiker-haben-internen-stunk-wegen-demos-65929123


Stadt Solothurn erteilt keine Bewilligung für Corona-Demonstration
Die für den 29. Mai geplante Demonstration gegen das Covid-19-Gesetz in Solothurn wird nicht bewilligt. Die Stadt Solothurn warnt derweil Demonstrationswillige.
https://www.nau.ch/news/schweiz/stadt-solothurn-erteilt-keine-bewilligung-fur-corona-demonstration-65930485
-> https://www.stadt-solothurn.ch/grundlagen/info/1247944
-> https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/stadt-solothurn/abgelehntes-gesuch-keine-corona-demo-ende-mai-stadt-solothurn-lehnt-beschwerde-des-vereins-stiller-protest-ab-ld.2139265


Fast 200 Menschen an Kundgebung: Darum greift die Luzerner Polizei an den «Corona-Spaziergängen» nicht durch
In Luzern sind diesen Montag erneut fast 200 Personen an einer unbewilligten Kundgebung durch die Stadt Luzern gezogen. Die Polizei liess sie gewähren, hat die Rädelsführer inzwischen jedoch von sich aus bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.
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+++HISTORY
aargauerzeitung.ch 19.05.2021

Heute vor 40 Jahren kam es zur Razzia: Was die «Badener Bewegig» wollte

Während der Jugendunruhen in Zürich forderten junge Leute auch in Baden Freiräume für ihre Lebensexperimente – dafür besetzten sie leerstehende Häuser. Die «Badener Bewegig» war im Mai 1981 auf ihrem Höhepunkt, als die Polizei eingriff.

Patrick Zehnder

19. Mai 1981: An diesem freundlichen Dienstagmorgen stand die Polizei vor der Felsenstrasse 1 in Baden. Die Liegenschaft war den Ordnungshütern gut bekannt. Schon mehrfach musste sie wegen Nachtruhestörung eingreifen. Selten mit Erfolg, denn es handelte sich um ein besetztes Haus. Dieser frühmorgendliche Besuch jedoch sollte mit einer Razzia Klarheit schaffen. Abgesehen von einer Personenkontrolle ging es darum, illegale Gegenstände, Hehlergut und Drogen sicherzustellen. «Rauschgift» war der Schrecken jener Jahre.

Beim Haus an der Felsenstrasse handelte es sich um eine seit drei Jahren leerstehende Villa mit elf Zimmern auf drei Etagen. Im Leerstand verlotterten Haus und Garten. Ohnehin war ein Neubau mit mehreren Wohnungen geplant. 1909 vom Baubüro der Brown, Boveri & Cie. (BBC) realisiert, beherbergte es während einiger Jahre das italienische Vizekonsulat. In den wirtschaftlichen Verwerfungen nach 1973 verlor die Vertretung Italiens ihren Zweck weitgehend. Dass die Besetzung ausgerechnet eine Liegenschaft von BBC betraf, empfand man in Stadt und Region als Affront. Die Weltfirma, während Jahrzehnten der grösste private Arbeitgeber der Schweiz, gab in Baden immer noch den Ton an.

Villa und Brauerei Falken besetzt

Besetzt hatten die ehemalige Villa am 10. April 1981 rund ein Dutzend Jugendlicher und junger Erwachsener. In einem Flugblatt informierten sie die verängstigten Nachbarn über ihre Absichten: «Wir haben dieses Haus besetzt, um hier zu wohnen, zu leben. Wir finden es nicht in Ordnung, dass Menschen keine Wohnungen haben, während grosse Häuser leer stehen.»

Ihnen schwebte ein Mietvertrag mit BBC über fünf Jahre vor, zu einem symbolischen Preis von einem Franken monatlich. Dazu kam es nicht.

Vielmehr reichte die Besitzerin einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch ein. Doch gleichzeitig schalteten sich der Badener Stadtrat und die sozialdemokratische Ortspartei ein. Sie versuchten zu vermitteln und zu verhindern, dass es zu gewalttätigen Ausschreitungen wie in Zürich kam.

Dort tobten seit dem Opernhauskrawall von Ende Mai 1980 die «Achtziger Unruhen». Es war eine Jugendbewegung von den Niederlanden ausgehend quer durch Europa. Die Jugendlichen trugen bald in der ganzen Schweiz dieselben Anliegen vor wie jene in Baden: bezahlbarer Wohnraum und autonome Kulturzentren. In Zürich, Bern, Lausanne und weiteren Städten reagierten die Behörden mit harter Repression. Ruhe und Ordnung und Schutz des Privateigentums sollten mit polizeilichen und nachrichtendienstlichen Mitteln wiederhergestellt werden.

Demonstrationszüge der autonomen Jugend arteten in den Schweizer Grossstädten regelmässig in ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei aus. Grossflächiges Einschlagen von Schaufenstern, Zerstörung von Luxuslimousinen als angebliche Symbole der kapitalistischen Ordnung, Sprayereien und Anschläge mit Farbbeuteln auf Banken und Versicherungen gehörten zum Repertoire der jungen Leute. Derweil trat die Polizei in Krawallmontur von Anfang an martialisch auf, mit Gummischrot, Tränengas und Gummiknüppeln. Allein in Zürich wurden zwischen Mai 1980 und August 1981 gegen 4000 Personen festgenommen, anschliessend mit Bussen und Freiheitsstrafen belegt.

Manifestationen in der Badener Innenstadt

Der Gewaltausbruch kam überraschend und führte zu den heftigsten Strassenschlachten seit dem «Globuskrawall» von 1968. Zum Kristallisationspunkt der Zürcher Unruhen wurde das Autonome Jugendzentrum (AJZ) hinter dem Hauptbahnhof. «AJZ, und zwar subito!» lautete die Devise. Solche Verhältnisse galt es in Baden zu verhindern. Aber sollte man den viel zitierten Anfängen wehren oderdas Gespräch suchen?

Die Besetzer der Felsenstrasse 1 beschwichtigten: «Wir wollen ein Wohnhaus und kein AJZ.» Tatsächlich entfaltete sich dort während neun Monaten ein gesellschaftliches Labor, in dem gemeinschaftlich gelebt, diskutiert, gekocht, musiziert, gesprayt, gefeiert, gedichtet und gezeichnet wurde. Und immer wieder heckten die Jugendlichen Aktionen aus, um ihre Anliegen an die Öffentlichkeit zu tragen. Die Manifestationen in der Badener Innenstadt liefen nach einem ähnlichen Muster ab. «Rund 75 Jugendliche versammelten sich auf dem Bahnhofplatz zu dieser bewilligten Kundgebung und zogen vor die Migros und den Vilan, wo sie gegen den Bau von immer grösseren Einkaufszentren demonstrierten. Für einen Franken verkaufte die Bewegung die Erstausgabe ihres Publikationsorgans, den ‹Tauchsyder›. Die demonstrierenden Jugendlichen statteten auch einigen Verkaufsetagen von Migros und Vilan einen Besuch ab, ehe sie weiterzogen.» So berichtete damals das «Badener Tagblatt».

«Kultur im Falki statt Denner Alki»

Besorgte Kreise störten sich an den kapitalismuskritischen Slogans und vermuteten Hintermänner, welche die eigentlich brave Badener Jugend für ihre Zwecke manipulierten. Noch steckte die Welt tief im Kalten Krieg. Auch die Schweiz war auf der Hut und weitestgehend militarisiert. Die jungen Leute reagierten auf dieses Unbehagen mit Kreativität: Einer von ihnen zog bei einer Demonstration einen Metalldraht hinter sich her und deklarierte mit einem Kartonschild um den Hals gleich selbst als der «gesuchte Drahtzieher».

Der eigentliche Startschuss zur «Badener Bewegig» war jedoch schon zwei Monate vor der Besetzung an der Felsenstrasse erfolgt. Im Februar 1981 stiegen junge Männer und Frauen widerrechtlich in die ehemalige Brauerei Falken am Schulhausplatz ein, eine klassische Industriebrache. Das letzte Falkenbier schäumte in den Siebzigerjahren.

Die «Bewegig» nahm sich damit nicht nur den kulturellen Freiraum, sondern protestierte auch gegen das von der Denner AG geplante Einkaufszentrum. «Kultur im Falki statt Denner Alki» lautete die Parole. Ob sich Aargauer Denner-Besitzer Karl Schweri als «Rebell des Schweizer Detailhandels» insgeheim darüber gefreut hatte?

Jedenfalls gründete sich der Verein IG Falken, unter dessen Flügel autonome Arbeitsgruppen (AG) bestanden: AG Spunten, AG Info, AG Kinder, AG Musik, AG Film, AG, Malgruppe, AG Renovation und sogar AG Kulturrevolution. Daraus entwickelte sich mit den Jahren jener Teil der alternativen Badener Kulturszene, die über den städtischen Schlachthof ins ehemalige BBC-Areal zurückkehrte.

Wie alle Jugendproteste endeten auch die «Achtziger Unruhen» nach rund zwei Jahren. Jugendliche entwickeln sich rasant und wenden sich nach einiger Zeit anderen Fragen zu. In Baden wich die Villa an der Felsenstrasse 1982 einem Neubau. Die Brauerei Falken wurde 1983 unbenützbar gemacht. Ähnliches erfuhren Aktivistinnen und Aktivisten im Rest des Landes. Die bis zur Klimajugend letzte ernst zu nehmende soziale Bewegung in der Schweiz war zu einem Ende gekommen.

Zurück zu jenem Dienstag Mitte Mai 1981. Der Zufall wollte es, dass gleichentags eine Sitzung des Badener Einwohnerrats stattfinden sollte. Die Besetzer der Felsenstrasse verschafften ihrem Ärger über die morgendliche Polizeirazzia Luft und warfen Abfall in das Versammlungslokal im Schulhaus Pfaffechappe. Ab diesem Zeitpunkt standen die Anliegen der «Badener Bewegig» endgültig auf der lokalpolitischen Agenda. Und den meisten Exponenten war klar, dass nur Dialog und Kompromisse zum Ziel führen konnten. Tatsächlich blieb es in der Folge in Baden relativ friedlich.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/baden/baden-heute-vor-40-jahren-kam-es-zur-razzia-was-die-badener-bewegig-wollte-ld.2138801)