Medienspiegel 18. Mai 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++APPENZELL
Das Asyllager mit Integrationscharakter – Drei Suizidversuche im «Sonneblick»
Im St. Galler Asylzentrum «Sonneblick» ist es innerhalb von acht Monaten zu drei Suizidversuchen gekommen. Die migrantische Selbstorganisation ROTA macht mit einer Kundgebung darauf aufmerksam. Doch die zuständigen Behörden zeigen sich uneinsichtig. Ein Besuch vor Ort.
https://www.ajourmag.ch/das-asyllager-mit-integrationscharakter/


+++SCHWEIZ
Asylstatistik April 2021
Im April 2021 wurden in der Schweiz 850 Asylgesuche eingereicht, 91 weniger als im Vormonat (-9,7 %). Gegenüber April 2020, der stark vom europaweiten Lockdown aufgrund von Covid-19 geprägt war, ist die Zahl der Asylgesuche um 518 gestiegen, bleibt aber dennoch deutlich unter dem langjährigen Mittel.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-83562.html
-> https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/fluechtende-asylgesuche-liegen-weiterhin-deutlich-unter-dem-langjaehrigen-mittel-ld.2138601


+++ITALIEN
Cassibile, das Spektakel der Ausbeutung
Die Eröffnung des Camps in Cassibile wurde durch die Festtagsreden der Vertreter*innen von Institutionen und die rassistische Wut der Einheimischen erzählt.
https://www.borderlinesicilia.it/de/monitoring/cassibile-das-spektakel-der-ausbeutung/


+++GRIECHENLAND
Offener Brief: This is not Disneyland
Flüchtlinge aus Moria richten sich angesichts steigender Corona-Zahlen im Lager erneut an die europäische Öffentlichkeit.
https://www.medico.de/this-is-not-disneyland-18199


+++SPANIEN
Anführer der Westsahara-Unabhängigkeitsbewegung: Spanien greift offenbar Verfahren gegen Polisario-Chef wieder auf
Polisario-Chef Brahim Ghali wird aktuell in einem spanischen Krankenhaus behandelt. Marokko ist darüber empört – und hat wohl auch deshalb tausende Migranten nach Ceuta passieren lassen. Madrid reagiert nun auf den Druck.
https://www.spiegel.de/ausland/marokko-spanien-greift-verfahren-gegen-anfuehrer-der-westsahara-unabhaengigkeitsbewegung-wieder-auf-a-92a66419-bff6-4e4e-ae54-e175c370221a


Marokko lässt Migrant:innen passieren: Schwimmend nach Ceuta
Mehrere tausend Marokkaner:innen sind durch das Mittelmeer zur spanischen Nordafrika-Enklave Ceuta geschwommen.
https://taz.de/Marokko-laesst-Migrantinnen-passieren/!5772707/
-> https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/migranten-ceuta-103.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1152143.flucht-und-migration-nach-europa-tausende-schwimmen-nach-ceuta-in-die-eu.html
-> https://www.srf.ch/news/international/migration-nach-spanien-es-gibt-zwei-stellen-wo-man-uebers-meer-schwimmen-kann
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/tausende-migranten-erreichen-spanische-enklave-ceuta?id=4940d623-9b09-4fc0-a8fa-f7f06613b081
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/flucht-nach-ceuta-weshalb-schauten-die-behoerden-weg?id=f2cb9728-dc02-46e9-9af7-ad0814c04352
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/tausende-migranten-erreichen-spanische-exklave-ceuta?urn=urn:srf:video:7a82b77d-ef3e-4764-b9b5-2fae626806a5
-> https://www.spiegel.de/ausland/flucht-uebers-mittelmeer-chaos-in-ceuta-a-13f3a7dd-d97e-430e-9dcd-6e13045a6d21
-> https://www.spiegel.de/ausland/ceuta-gefluechtete-werden-vorerst-in-stadion-untergebracht-a-fc0d75a7-0cb2-44f9-8efb-a5535e551a77
-> https://www.heise.de/tp/features/EU-Exklave-Ceuta-Grenzkontrolle-als-Druckmittel-Marokkos-6048559.html
-> https://www.spiegel.de/ausland/eu-migrationspolitik-gewalt-aus-prinzip-a-6818928b-6be9-4904-a784-7894d5852672
-> https://www.jungewelt.de/artikel/402637.flucht-in-die-eu-milit%C3%A4r-gegen-fl%C3%BCchtlinge.html
-> https://taz.de/Fluechtlinge-in-spanischer-Exklave-Ceuta/!5767623/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/international/fluechtlingssturm-marokkos-koenig-raecht-sich-mit-6000-migranten-an-den-spaniern-ld.2138963
-> https://www.luzernerzeitung.ch/international/fluechtlinge-marokko-laesst-migranten-passieren-mehr-als-5000-menschen-schwimmen-in-die-spanische-exklave-ceuta-ld.2138544


+++MITTELMEER
Rotes Kreuz: 57 Geflüchtete vor der Küste Tunesiens gestorben
Boot mit 90 Menschen an Bord war auf dem Weg nach Italien, als es in Seenot geriet
https://www.derstandard.at/story/2000126740989/rote-kreuz-57-gefluechtete-sterben-vor-der-kueste-tunesiens?ref=rss
-> https://www.nau.ch/news/ausland/wahrscheinlich-mehr-als-50-migranten-vor-tunesiens-kuste-ertrunken-65929606


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Interpellation SP: Warum sind die Fahrenden nur im Kanton Bern?
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-e6064f85fe614a079d04c2a4072a7452.html


+++FREIRÄUME
„Forever Sihlquai“ bleibt ein Wunschtraum
Im Zürcher Kreis 5 kämpft eine kleine Gruppe von Mieter:innen gegen die Verdrängung aus ihren Wohn- und Gewerberäumen durch Coop Immobilien. Es ist eine Geschichte über schlechte Kommunikation, mangelnde Transparenz und fragwürdige Methoden.
https://daslamm.ch/forever-sihlquai-bleibt-ein-wunschtraum/


+++GASSE
Internet brauchen sie auch nicht: Randständige bekommen den Piks auch ohne Krankenkasse
In der Schweiz bekommen Randständige und Sans-Papiers ganz einfach einen Piks gegen Corona – auch ohne Krankenkassenchärtli, Handy oder Computer. Zürich ist da besonders vorbildlich.
https://www.blick.ch/politik/internet-brauchen-sie-auch-nicht-randstaendige-bekommen-den-piks-auch-ohne-krankenkasse-id16530859.html


Von Zufriedenheit bis zu vorsichtiger Skepsis: Reaktionen auf das geplante, weitgehende neue Bettelverbot in Basel.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/wegen-veruntreuung-von-kirchen-geld-vor-gericht?id=11986166
-> https://telebasel.ch/2021/05/18/das-sagen-die-parteien-zum-ausgedehnten-bettelverbot
-> https://www.20min.ch/story/wird-betteln-bald-wie-strassenprostitution-geregelt-994425755135



bernerzeitung.ch 18.05.2021

Burgdorf schafft Sonderregelung ab: Sozialhilfebezüger müssen künftig volle Hundetaxe bezahlen

Bislang profitierten jene, die am Existenzminimum leben, von einer reduzierten Gebühr. Dem setzt der Stadtrat ein Ende.

Regina Schneeberger

Es ist nicht umsonst, dass der Hund als bester Freund des Menschen gilt. Und gerade für jene, die am Rande der Gesellschaft stehen, kann er mehr als nur treuer Gefährte sein. Er wird zur sinnstiftenden Aufgabe, das regelmässige Gassigehen gibt dem Alltag Struktur. Doch so ein Hund kostet: Tierarztrechnungen und Futter können ins Geld gehen. Eine Auslage wird Bezügern von Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen in Burgdorf aber bis anhin reduziert. Sie müssen für die Hundetaxe jährlich lediglich 5 Franken berappen. Eine Ausnahmeregelung, welche die meisten Berner Gemeinden nicht kennen.

Nun soll sie mit der Revision des städtischen Hundereglements auch in Burgdorf abgeschafft werden. Fortan soll von allen der volle Betrag gefordert werden – 100 Franken pro Jahr. Der Grund: Die bisherige Regelung führe zu übermässigem Verwaltungsaufwand, wie Gemeinderat Peter von Arb (SP) an der Stadtratssitzung am Montagabend festhielt.

Bezügern von Ergänzungsleistungen, deren IV- oder AHV-Rente nicht für den Lebensunterhalt reicht, kann die Stadt zwar mit relativ geringem Aufwand entgegenkommen. Ihre Adressdaten kann die Verwaltung ermitteln und ihnen eine reduzierte Rechnung schicken. Bei den Sozialhilfebezügern sind die Daten jener, die Anrecht auf eine Vergünstigung haben, jedoch nicht so einfach herauszufinden. Sodass sie eine ordentliche Rechnung bekommen und dann mit einer amtlichen Bestätigung beim Schalter der Stadt vorbeigehen müssten, um nur 5 Franken zu bezahlen.

«Viele Bezüger versäumen diese Möglichkeit», heisst es im Bericht der Einwohner- und Sicherheitsdirektion. Der gewünschte Effekt bleibe aus und verursache beim Eintreiben der Gebühren unverhältnismässig viel Aufwand.

Rechnung nicht bezahlt

Den administrativen Aufwand würde man sich trotz Änderung des Reglements nicht ersparen, ist SP-Stadtrat Peter Hauser überzeugt. Denn auch künftig würden viele die Rechnung nicht bezahlen und müssten betrieben werden. Hauser unterbreitete dem Stadtrat einen Abänderungsantrag, der das Problem nach Ansicht der SP lösen könnte. Der ersten Mahnung sollte ein Schreiben beigelegt werden. Im Brief sollten die Sozialhilfebezüger darauf hingewiesen werden, dass sie ein Gesuch für den Erlass der Hundetaxe einreichen könnten.

Diese Menschen würden am Existenzminimum leben, so Hauser «Der Hund kann gerade für sie sehr wichtig, gar lebensrettend sein.» Zwar sei die Haltung eines Hundes im Grundbedarf inbegriffen. «Wer ein Haustier hat, bekommt deshalb aber nicht mehr Sozialhilfe.»

Ohne Hundetaxeeinnahmen der Bezüger würden für die Stadt jährlich Einbussen von 5000 Franken entstehen – ein relativ geringer Betrag, wie Hauser findet. Für die Betroffenen seien die 100 Franken aber viel Geld.

Erschwinglich für alle

«Grundsätzlich ist die reduzierte Hundegebühr eine schöne Idee», sagte Jürg Grimm von der FDP. Trotzdem sprach er sich dagegen aus. Auch er führte den administrativen Aufwand ins Feld. Und die Hundetaxe sei in Burgdorf bereits tief angesetzt. «Sie sollte weiterhin niedrig bleiben und für alle erschwinglich sein», so Grimm.

Die Abstimmung im Rat führte schlussendlich zu einem knappen Ergebnis. 17 Stadträtinnen und Stadträte stimmten dem Abänderungsantrag der SP zu, 19 waren dagegen, und 3 enthielten sich. Die Idee der Sozialdemokraten scheiterte also an wenigen Voten. Das revidierte Hundereglement verabschiedeten die Parlamentsmitglieder dann trotzdem einstimmig. Künftig werden demzufolge alle Burgdorferinnen und Burgdorfer eine gleich hohe Hundetaxe bezahlen müssen.
(https://www.bernerzeitung.ch/sozialhilfebezueger-muessen-kuenftig-volle-hundetaxe-bezahlen-530857477844)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Aktionstag «Strike for Future» in Thun
Am 21. Mai finden im Rahmen des schweizweiten Klimastreiks an verschiedenen Orten in der Schweiz Veranstaltungen statt. Auch die Regionalgruppe Klimastreik-BEO organisiert einen Aktionstag, bei welchem es coronakonforme Kundgebungen und kleine dezentral organisierte Aktionen geben wird.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/190441/


Sihlquai: Die Häuser denen, die drin leben!
Flyer der Stadtgruppe Zürich zum Häuserkampf am Sihlquai 280/282.
Der nachfolgende Flyer wurde vergangenes Wochenende in hundertfacher Auflage in Briefkasten im Quartier rund um die umkämpften Häuser verteilt.
https://barrikade.info/article/4498


ÖKOLOGIE HEISST KLASSENKAMPF!
Ob Coronakrise oder Klimakrise, es wird immer deutlicher, dass das kapitalistische System nicht in der Lage ist die brennendsten Probleme unserer Zeit zu bewältigen.
https://barrikade.info/article/4497


Widerstand gegen Sparpläne: «Berner Zeitungsmodell» bei Protestaktion symbolisch zersägt
Die Redaktionen der Zeitungen «Bund» und «Berner Zeitung» fordern vom Tamedia-Verlag auf einen Teil der geplanten Entlassungen zu verzichten.
https://www.derbund.ch/berner-zeitungsmodell-bei-protestaktion-symbolisch-zersaegt-175275215567
->  https://www.bernerzeitung.ch/berner-zeitungsmodell-bei-protestaktion-symbolisch-zersaegt-625850029937
-> https://keinehalbensachen.ch/
-> https://twitter.com/DennisBuehler/status/1394591209906180098
-> https://twitter.com/edi_schwarz/status/1394613224239157248
-> http://www.kleinreport.ch/news/tamedia-proteste-das-berner-modell-fallt-mit-lautem-krachen-97063/


+++KNAST
Basler Zeitung 18.05.2021

Dicke Luft im Waaghof: Basler Behörden beenden «Folter» im Gefängnis nach zehn Jahren

Mindestens zehn Jahre lang litten Insassen des Waaghofs an heissen Tagen, weil die Behörden ein grosses Problem mit Pflästerli-Lösungen angehen wollten.

Mirjam Kohler

Seit Jahren leiden Inhaftierte im Basler Untersuchungsgefängnis Waaghof im Sommer unter Hitze, hoher Luftfeuchtigkeit und schlechter Luft: «0.45 Uhr – an Schlaf ist nicht zu denken, die Zelle ist immer noch total überhitzt, geschätzte 40°. (…) Ich bin nass wie in einer Sauna. (…) Diese unmenschlichen Missstände erfüllen den Tatbestand der Folter», schrieb ein Häftling im Sommer 2018 an die Gefängnisleitung, wie SRF öffentlich machte.

Passiert ist seither kaum etwas. Nun kommt Bewegung in die Angelegenheit: Das Justiz- und Sicherheitsdepartement hat den Auftrag für die Erneuerung der Lüftungsanlage im Gefängnis ausgeschrieben. 5,5 Millionen Franken sollte der Umbau ursprünglich kosten. Weil in diesem Zusammenhang auch Flachdächer der Anlage saniert werden müssen, kommen nochmals 1,7 Millionen Franken dazu.

Die Belüftungssituation sei «besonders problematisch»

Recherchen dieser Zeitung zeigen: Die Behörden wissen seit Jahren von den Luftproblemen im Waaghof. Erstmals öffentlich dokumentiert wurde die Problematik vor zehn Jahren, als die neu geschaffene Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) dem Untersuchungsgefängnis einen Besuch abstattete. Die Kommission hat den Auftrag, zu prüfen, ob in Gefängnissen Menschen- und Grundrechte eingehalten werden. Sie beanstandet 2011 die Luft- und Lichtverhältnisse im Waaghof. Die Antwort des damaligen Regierungspräsidenten Guy Morin lautete Anfang 2012, dass neue Fenster ab 2014 für mehr Licht und Frischluft sorgen sollten.

2014 findet dann der nächste Besuch der NKVF statt. Die Kommission wird in ihrem Bericht dazu deutlich: Die schlechte Luftqualität sei nicht nur der Delegation aufgefallen, sondern werde auch von Inhaftierten und Mitarbeitenden bestätigt. Die Belüftungssituation sei «besonders problematisch.»

Regierungspräsident Guy Morin antwortet in einer Stellungnahme: «Die Problematik der schwachen Lüftung ist bekannt. Die bestehende Infrastruktur lässt keine optimale Lösung zu.» Die Lüftung werde aber mindestens einmal jährlich gewartet und der Filter gewechselt. Nach zwanzig Jahren Einsatz werde die Lüftung nun gründlich gereinigt. Davon erhoffe man sich eine bessere Durchlüftung. Morin verweist wieder auf die neuen Fenster, die im Frühjahr 2015, als Morin der Kommission schreibt, noch immer nicht eingebaut sind.

Belüftungsschlitze sollen es richten

Wie wenig diese Massnahmen zumindest mittelfristig gebracht haben, wird 2018 im Zusammenhang mit massiver Kritik an den Bedingungen im Gefängnis öffentlich. Die Luft- und Wärmesituation sei bekannt, sagen Sprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartements (JSD). Eine deutliche Verbesserung der Luftsituation sei nur «mit grösseren Eingriffen hinsichtlich der Belüftungskonzeption» möglich. Dazu sei eine Machbarkeitsstudie angesetzt. Kurzfristig sollten Belüftungsschlitze in den Zellentüren Abhilfe schaffen, verspricht das JSD.

Doch auch diese Massnahme hilft nicht. Man habe mit den neuen Belüftungsschlitzen, die bei zwei Türen versuchsweise für 10’000 Franken angebracht wurden, nicht den gewünschten Effekt erzielen können, sagt der Gefängnisleiter 2019. Dafür liegen inzwischen die Resultate der Machbarkeitsstudie zur Erneuerung der Lüftungsanlage vor. Entsprechend informiert das JSD, dass man 2020 mit den Arbeiten beginnen werde. Im Sommer 2021 sollten die Anlagen in Betrieb genommen werden.

Doch auch wegen der nötigen Dachsanierung verschiebt sich das ganze Vorhaben erneut. Im September 2020, kurz nach dem dritten Besuch der NKVF, bei der die Luftqualität als «nach wie vor ungenügend» kritisiert wird, spricht die Regierung den Kredit für die Dachsanierung, die Ausschreibung zum Auftrag läuft aktuell. Mit der Installation der Lüftung rechne man ab Ende Oktober, schreibt das JSD auf Nachfrage. Das Schwitzen der Häftlinge dauert also noch einen Sommer länger.

Nun handelt das JSD – weil die Sommer wärmer sind

Doch warum dauerte es mindestens zehn Jahre, bis in der Angelegenheit konsequent gehandelt wurde? «2011 gingen die Fachleute davon aus, dass bei der bestehenden Infrastruktur keine wesentliche Verbesserung erreicht werden kann», schreibt JSD-Sprecher Martin Schütz auf Anfrage. Der Wille, dies zu ändern und grundlegende Verbesserungen zu erzielen, lässt sich aus den Dokumenten von damals nicht erkennen.

Inzwischen habe sich das geändert, unterstreicht Schütz: «In Anbetracht der deutlich wärmeren Sommer der letzten Jahre wurde die Situation nochmals eingehend analysiert und verschiedene Optionen geprüft. Das Resultat ist das nun geplante Bauprojekt, das eine substanzielle Verbesserung bringen sollte.»
(https://www.bazonline.ch/zehn-jahre-behoerden-eiertanz-um-die-sauna-zellen-336440299837)


+++ANTITERRORSTAAT
tagblatt.ch 18.05.2021

Beim Anti-Terror-Gesetz sind sie Gegner: Warum HSG-Professorin Monika Simmler ihrem SP-Parteifreund Fredy Fässler widerspricht

Die HSG-Professorin und SP-Kantonsrätin Monika Simmler sieht im Anti-Terror-Gesetz eine Bedrohung für den Rechtsstaat. Der St.Galler Sicherheitsdirektor Fredy Fässler (SP) hingegen erhofft sich mehr Handlungsspielraum für die Polizei im Kampf gegen den Terrorismus. Die Positionen der Parteigenossen könnten unterschiedlicher nicht sein.

Enrico Kampmann

Seit einigen Wochen schon reist Bundesrätin Karin Keller-Sutter durch die Schweiz, um für das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) zu werben. Wenn jemand zum terroristischen Gefährder wird und die Sicherheit in unserem Land bedroht, muss die Polizei einschreiten können, um die Tat zu verhindern, so ihr Hauptargument, wie sie es kürzlich auch am Tagblatt-Podium zum Thema sagte. Es gehe beim PMT um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger.

Die Gegner des Gesetzes befürchten jedoch, dass das Anti-Terror-Gesetz, wie es auch genannt wird, die Bürger nicht schützen, sondern ihre Grundrechte aushöhlen würde. So fürchtet das Referendumskomitee, dass neben Islamisten auch «unliebsame Politiker, Journalisten, Staatskritiker, Klimaaktivisten und sogar Kinder ab 12 Jahren als Terroristen gelten» könnten.

Eine schwammige Definition von Terrorismus

Der Knackpunkt in den Diskussionen um das PMT ist die schwammige Definition von Terrorismus, die dem Gesetz zugrunde liegt, und die damit verbundene Unsicherheit, was genau einen Gefährder ausmacht.

So warnte die UNO-Sonderbeauftragte Fionnuala Ní Aoláin davor, dass das PMT gegen internationale Menschenrechtsstandards verstosse und einen gefährlichen Präzedenzfall für die Verfolgung von Oppositionellen weltweit schaffen würde. Denn es könne unter entsprechender Auslegung auch legitime Aktivitäten von Journalisten, der Zivilgesellschaft und von politischen Aktivisten umfassen.

In der Schweiz kommt vor allem aus dem linken Lager massive Kritik, aber auch von Jungparteien beider Seiten sowie von Rechtsprofessorinnen und -professoren. Zu ihnen gehört auch Monika Simmler, Professorin für Strafrecht an der Universität St.Gallen (HSG). Auch für Simmler liegt das Grundproblem beim Gefährderbegriff. Es sei nicht klar definiert, was ein terroristischer oder anderweitig gewaltbereiter Gefährder sei. Juristisch gebe es hier noch sehr viel Graubereich, der Status des Gefährders sei somit sehr schwammig. «Doch wenn jemand einmal als Gefährder eingestuft wird, kann dies an eine breite Palette von teils massiven Eingriffen in Grundrechte geknüpft sein».

Es muss keine Straftat vorliegen

Fredy Fässler, Präsident der kantonalen Sicherheitsdirektoren, St.Galler Regierungsrat und selbst Jurist, ist ein Befürworter des PMT. In einer schriftlichen Stellungnahme zur Frage, wer im Kanton St.Gallen auf einer sogenannten Gefährderliste lande und nach welchen konkreten Kriterien dies geschehe, schreibt Fässler: «Es gibt keine eigentliche Gefährderliste im Kanton St.Gallen.»

Weiter schreibt er, bei Gefährdern sei zu unterscheiden zwischen zur Gewalt neigenden Personen und jenen, von denen eine Gefahr mit Terrorhintergrund ausgehe. Bei beiden Personengruppen handle es sich um Menschen, bei denen aufgrund des bisherigen Verhaltens ­– zum Beispiel durch Beiträge in einschlägigen Facebook-Gruppen – Hinweise auf mögliche Gefährdung oder Gewaltexzesse bestünden. Fässler sagt: «Es kann sich dabei mit anderen Worten um legales Verhalten handeln, das aber im Gesamtkontext auf eine konkrete Gefährdung durch eine terroristische Aktivität hinweist.»

Ein «Paradigmenwechsel»

Doch dass bereits grundsätzlich legale Handlungen zu Strafen führen können, ist für Simmler äusserst problematisch. Sie sagt: «Wir haben es hier mit einem Paradigmenwechsel zu tun.» Bis jetzt habe in der Schweiz stets die Unschuldsvermutung gegolten, eines der Grundprinzipien des Rechtsstaats. Man sei unschuldig gewesen, bis man sich etwas zu Schulden habe kommen lassen.

Unter der heutigen Gesetzgebung könne man noch nicht alle möglichen Informationen über eine Person zusammensammeln und Massnahmen ergreifen, wenn keine Straftat oder zumindest die Vorbereitung einer schweren Straftat vorliege, sagt Simmler. Mit dem Inkrafttreten des Anti-Terror-Gesetzes würde es reichen, dass man potenziell eine Gefahr darstelle. Ausserdem führe die mangelnde juristische Definition eines Gefährders dazu, dass dieser kaum Rechte habe.

«Es ist eigentlich absurd: Wenn ich beschuldigt werde, ein Mörder zu sein, habe ich eine ganze Palette an Rechten: Das Recht auf einen Verteidiger, das Recht zu schweigen.» Gefährder hingegen hätten praktisch keine Rechte, obwohl sie eigentlich mehr haben müssten, da sie nichts verbrochen hätten. «Das Problem ist, dass wir noch keine Ungefährlichkeitsvermutung haben. Wir haben also die Grundrechtseinschränkungen vorverlagert, aber nicht unsere Grundrechte».

Fredy Fässler sieht darin kein Problem. Bei den PMT-Massnahmen gehe es nicht um Strafrecht, sondern um Prävention im Sinne der Verhinderung von strafbaren Handlungen. Auch der Vorwurf, die Massnahmen würden die Unschuldsvermutung verletzen, stiesse damit ins Leere.

«Vergleichbare freiheitsbeschränkende Massnahmen kennen wir seit langem bei häuslicher Gewalt, Hooliganismus oder auch fürsorgerischer Unterbringung, ohne dass deren Rechtmässigkeit in Frage gestellt werden.» Hausarrest kenne man im Übrigen auch im Zusammenhang mit Covid-19, in Form der Isolation. «Terroristen wollen unsere Grundrechte ausser Kraft setzen»

Doch würde das PMT tatsächlich vor Terroristen schützen?

Sanija Ameti, Juristin und Koordinatorin des PMT-Referendumskomitees, wirft dem Gesetzesentwurf in einem Schreiben vor, es sei «einerseits sehr übergriffig, andererseits aber sehr wenig griffig». Fässler widerspricht: «Das PMT ist aus meiner Sicht griffig und schafft Sicherheit.» Es greife zwar unbestrittenermassen in Freiheitsrechte ein. Freiheitsrechte würden allerdings nicht unbedingt gelten, sondern könnten eingeschränkt werden, wenn eine gesetzliche Grundlage und ein öffentliches Interesse bestehe und die Massnahmen verhältnismässig seien.

«Terroristen wollen unsere rechtsstaatliche, demokratische und liberale Rechtsordnung und damit auch unsere Grundrechte ausser Kraft setzen», sagt Fässler. «Es ist meines Erachtens selbstverständlich, dass Grundrechte beschränkt werden können und müssen, um sie selbst zu schützen.»

Allerdings müsse festgehalten werden, dass auch die PMT-Massnahmen keine hundertprozentige Sicherheit bieten könnten.

Rechtswissenschaftlerin Monika Simmler ist weitaus weniger optimistisch. «Ich glaube, dass es sich bei der PMT tatsächlich um ein falsches Versprechen handelt.» Man müsse aufpassen, dass man den Menschen mit diesem Gesetz nicht ein falsches Gefühl von Sicherheit vermittle.

«Selbst im totalen Polizeistaat wären wir nicht zu 100 Prozent sicher. In jeder Gesellschaft hat es immer Kriminalität und Arten von Terrorismus gegeben. Da hilft auch noch so viel Macht in den Händen der Polizei nichts.»

Sie frage sich immer wieder, wieso wir dieses Gesetz überhaupt bräuchten. Schliesslich könne man Vorbereitungshandlungen für schwere Straftaten jetzt schon strafrechtlich verfolgen und dementsprechend präventiv eingreifen. Ihr komme kein terroristischer Akt in den Sinn, der nicht unter die Bezeichnung «schwere Straftat» fallen würde.

Einzelakte wären weiterhin schwer zu verhindern

Zudem glaubt Simmler nicht, dass das neue Gesetz massgeblich zur Verhinderung von Einzelakten wie dem Attentat von Lugano beitragen könne, als eine Frau, die den Behörden bereits als radikalisiert bekannt war, im November 2020 zwei Personen in einem Kaufhaus mit einem Messer verletzte.

Wenn man auch solche Einzelakte um jeden Preis verhindern wolle, bräuchte man eine vollumfängliche Datenüberwachung aller Menschen, sagt Simmler. Man müsste jeden Schritt mitverfolgen, jede SMS und jede E-Mail lesen. Doch selbst dann bliebe noch ein Restrisiko bestehen. Ausserdem bringe das ein sehr grosses Missbrauchspotential mit sich. «Plötzlich könnte selbst ein Journalist auf der Gefährderliste landen, weil er unbequeme Recherchen betreibt.»

Dafür gebe es ausserhalb der Schweiz ausreichend Beispiele. sagt Simmler.

In der Schweiz seien wir bisher weitgehend verschont geblieben von Terrorismus, sagt Simmler. Das liege aber nicht primär an unserer Polizei, sondern an unserer Gesellschaft und unserem Wohlstand. Der Schlüssel sei eine gute soziale Integration. Starke Bildungs- und Kinderschutzbehörden würden dafür sorgen, dass sich kaum junge Menschen radikalisierten. Auch Ausländer seien in der Regel sehr gut integriert. Soziale Faktoren seien entscheidend im Schutz vor Radikalisierung, nicht polizeiliche Massnahmen. «Wir müssen uns als Gesellschaft fragen, wie weit wir gehen wollen für ein Gefühl der maximalen Sicherheit. Wollen wir diese über alles andere stellen? »



Das Anti-Terror-Gesetz

Die Schweizerinnen und Schweizer stimmen am 13. Juni 2021 über das Anti-Terror-Gesetz ab. Gemäss dem umstrittenen Gesetz gelten als terroristische Aktivitäten «Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung» durch die «Begehung oder Androhung von schweren Straftaten» oder die «Verbreitung von Angst und Schrecken». Terroristische Gefährder können auf Antrag eines Kantons, des NDB oder allenfalls einer Gemeinde zu Gesprächen aufgeboten, unter Hausarrest gestellt, oder verpflichtet werden, sich regelmässig bei der Polizei zu melden. Das Gesetz gilt für Kinder ab 12 Jahren. Bis auf den Hausarrest kann die Polizei die entsprechenden Massnahmen ohne Zustimmung eines Gerichts eigenhändig anordnen und vollstrecken. (eka)
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/terrorismus-beim-anti-terror-gesetz-sind-sie-gegner-warum-hsg-professorin-monika-simmler-ihrem-sp-parteifreund-fredy-faessler-widerspricht-ld.2138492)


+++BIG BROTHER
Threema gewinnt vor Bundesgericht «gegen Überwachungsbehörden»
Der abhörsichere Schweizer Messenger muss keine zusätzlichen Nutzerdaten für den Geheimdienst und staatliche Ermittler erheben.
https://www.watson.ch/digital/schweiz/313346866-threema-gewinnt-vor-bundesgericht-gegen-ueberwachungsbehoerden


+++POLIZEI BS
«Es wird eine Verschärfung geben»
Lange war von der Polizeidirektorin nichts zu zwei der dringendsten Debatten der Stadt zu hören. Dann setzte sie gleich zwei Ausrufezeichen. Ein Interview über den künftigen Umgang mit Demonstrationen und die Wiedereinführung des Bettelverbots.
https://bajour.ch/a/Pj4jeF16ZQYeubAR/so-will-stephanie-eymann-das-demonstrieren-und-betteln-regeln
-> https://bajour.ch/a/3c7TIbrN1d022vdY/stephanie-eymann-greift-durch


+++QUEER
Ehe für alle: Zieht die Schweiz nach?
Das Parlament hat eine Änderung im Zivilgesetzbuch zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare angenommen. Damit holt die Schweiz in Sachen Gleichberechtigung einiges an Boden auf: Homosexuelle Paare sollen in Zukunft dieselbe eheliche Bindung eingehen können wie Personen in einer heterosexuellen Partnerschaft. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung ist, jedoch sehen sich homosexuelle Menschen in der Schweiz weiterhin mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. An erster Stelle steht dabei das Referendum gegen die Ehe für alle, welches im April 2021 zustande gekommen ist.
https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/lgbtiq/schweiz


«Die Dunkelziffer ist zweifellos hoch»: Die St.Galler Regierung will Hassdelikte gegen Minderheiten statistisch erfassen
Eine Motion der Jungen Mitte fordert, dass Verbrechen, die sich gegen Schwule, Lesben, religiöse Gruppen oder andere gesellschaftliche Minderheiten richten, in der St.Galler Kriminalstatistik ausgewiesen werden. Die Regierung unterstützt das Anliegen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/diskriminierung-die-dunkelziffer-ist-zweifellos-hoch-die-stgaller-regierung-will-hassdelikte-gegen-minderheiten-statistisch-erfassen-ld.2138621


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Coronavirus: Skeptiker verschätzen sich regelmässig bei Demos
Am Samstag wurde erneut gegen die Massnahmen gegen das Coronavirus demonstriert. Auf die Strasse gingen aber weitaus weniger Skeptiker als angekündigt.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-skeptiker-verschatzen-sich-regelmassig-bei-demos-65928497


Coronavirus: Wogegen protestieren die Skeptiker überhaupt noch?
Die Anzahl der Massnahmen gegen das Coronavirus, gegen die man protestieren könnte, schrumpft. Dennoch gingen am Wochenende erneut Skeptiker auf die Strasse.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-wogegen-protestieren-die-skeptiker-uberhaupt-noch-65928467


Nach Demo in Rapperswil-Jona: Corona-Skeptiker kassieren Strafbefehle
Nach der illegalen Corona-Demo in Rapperswil-Jona SG Ende April haben zwei Protestler einen Strafbefehl kassiert. Beide Corona-Skeptiker stammen aus dem Berner Oberland.
https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/nach-demo-in-rapperswil-jona-corona-skeptiker-kassieren-strafbefehle-id16530505.html


Ermittlungen der Staatsanwaltschaft: Hildmann könnte aus Justizkreisen von Haftbefehl gegen ihn erfahren haben
Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Attila Hildmann wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Erfuhr er aus der Behörde von einem Haftbefehl?
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/attila-hildmann-koennte-aus-justizkreisen-von-haftbefehl-gegen-ihn-erfahren-haben-a-14f8def5-1121-4cf6-81a1-d8da897d20e5
-> https://taz.de/Haftbefehl-gegen-abgetauchten-Nazikoch/!5773466/


2/3 aller Anti-Impf-Theorien stammen von denselben 12 Personen
Die Corona-Impfung gilt für viele als der Hoffnungsträger für den Weg aus der Pandemie. Zeitgleich gibt es vehemente Impfgegner und Stimmen, die vor dem Pieks warnen. Eine Studie deckt auf, woher die Falschinformationen stammen.
https://www.watson.ch/international/usa/258217216-2-3-der-anti-impf-theorien-im-netz-stammen-von-denselben-12-menschen


Ebikoner Arzt und Coronaskeptiker kämpft weiter für seine Berufsausübungsbewilligung – und zieht vor Bundesgericht
Weil er sich in seiner Praxis nicht an die Schutzmassnahmen gehalten hat, wurde einem Arzt die Bewilligung zur Ausübung des Berufs entzogen. Das Urteil des Luzerner Kantonsgerichts ficht er nun an.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/corona-der-ebikoner-arzt-kaempft-fuer-seine-berufsausuebungsbewilligung-und-geht-vor-bundesgericht-ld.2138582
-> https://www.zentralplus.ch/luzerner-corona-skeptiker-heisler-akzeptiert-berufsverbot-nicht-2086809/


Angriffe bei Querdenken-Demos
Die schwierige Arbeit der Polizei
Immer wieder kommt es auf sogenannten Querdenken-Demos zu Handgreiflichkeiten und Angriffen gegenüber der Polizei. Zunehmend eskaliert die Situation, auch weil Pseudo-Journalisten die Arbeit der Einsatzkräfte behindern.
Aktivisten der Querdenken-Szene und Umstehende filmen die Ereignisse vor Ort, verbreiten die Bilder vermeintlicher Polizeigewalt dann über Social-Media-Plattformen und schüren damit Hass im Netz.
https://www.zdf.de/politik/frontal-21/querdenken-demo-angriffe-auf-polizei-100.html


+++HISTORY
“Wir sind 100 Jahre Antifa” – Demonstration in Frankfurt
Am 7. Mai 2021 zogen unter dem Motto “Wir sind 100 Jahre Antifa” rund 1500 Demonstrierende vom Saalbau Gallus zum Frankfurter Hauptbahnhof. Mit der Demonstration wurde nicht nur an die Gründung der „arditi del popolo“ am 7. Mai 1921 durch italienische Kommunist*innen und Anarchist*innen erinnert, der ersten antifaschistischen Gruppe, die sich dem Terror der faschistischen Schlägertrupps Mussolinis entgegenstellte. Die Redner*innen und Teilnehmer*innen der Demonstration betonten außerdem die Notwendigkeit von Antifaschismus heute und sprachen mit uns über einige Aspekte der Geschichte des Antifaschismus in Frankfurt:
https://www.youtube.com/watch?v=BmXE_vNj8lw



limmattalerzeitung.ch 18.05.2021

Wohlgroth bleibt ‒ nicht nur in den Erinnerungen eines Zeitgenossen

Vor genau 30 Jahren begann die Besetzung des Wohlgroth-Areals in Zürich. Es war die grösste Hausbesetzung der Schweiz ‒ mit Folgen bis heute.

Matthias Scharrer

Das Motto war optimistisch: «Wohlgroth bleibt», schrieben Demonstranten auf ihre Banner, als die Räumung dieser grössten Hausbesetzung der Schweiz im Herbst 1993 nahte. Wenig später begann der Abbruch der Wohnhäuser und des Fabrikgebäudes direkt beim Gleisfeld vor dem Hauptbahnhof Zürich. Der Schriftzug «alles wird gut», den die Besetzer gut sichtbar für Bahnreisende an eine Hauswand gemalt hatten, fiel; ebenso das «Zureich» im SBB-Blauweiss an einer anderen Fassade.

Was bleibt? Bilder im Kopf, Fotos sowie Videos, die man heute auf Youtube anschauen kann. Und mit den Bildern Erinnerungen. Ich war 19-jährig, als die ehemalige Wohlgroth-Fabrik vor 30 Jahren am 18. Mai 1991 besetzt wurde. An den Tag selbst erinnere ich mich nicht. Als Student, der im verschlafenen Vorort Wallisellen noch gut ein Jahr bei den Eltern wohnte, gehörte ich nicht zur Besetzer-Szene. Doch bald kam mir ein Wohlgroth-Flyer in die Finger. Und immer mehr Kollegen erzählten von diesem neuen, vielversprechenden Ort, an dem es Konzerte für fünf Franken Eintritt, billiges Bier und lange Nächte ohne Polizeistunde gab.

Wohlgroth-Besuche als Entdeckungsreisen

So wurde ich zum Wohlgroth-Gänger. Einer dieser Jugendlichen, die am Wochenende in Scharen kamen. Und die von den plus/minus hundert Besetzerinnen und Besetzern nicht nur gern gesehen waren. Letztere propagierten Lebensformen, die sich der kapitalistischen Logik entziehen sollten: Autonomie, Freiheit, Anarchie. Anliegen, die ich ideell durchaus teilte, zumindest teilweise. Doch faktisch stand für mich anderes im Vordergrund: Konzerte, billiges Bier, lange Nächte. Kollegen treffen. Was Jugendliche halt häufig so wollen. Wenigstens füllten wir die Bar- und Eintrittskassen der Hausbesetzer. Gleichzeitig wurden die Wohlgroth-Besuche zu prägenden Entdeckungsreisen.

Nur schon die kreativ umgestalteten Häuser: Üppige Skulpturen an bunt bemalten Fassaden, ausrangierte Sofas im Hof, in dem man die Seele auch auf einer Schaukel sitzend schwingen lassen konnte. Dazwischen waghalsig selbstgebaute Stege und Treppen in luftige Höhen und abgründige Tiefen.

Und dann das Innenleben der Wohlgroth: Der dunkle Konzertsaal, auf dessen Bühne Punk- und Hardcorebands lärmten. Mal vollgestopft mit Publikum, mal fast leer, dafür offen bis morgens um vier oder länger. Das gab es damals in Zürich sonst kaum.

Oder das Café im ersten Stock: Ein weitläufiger Saal mit notdürftig geflickten Industriehallenfenstern, durch die der Blick auf die vorbeifahrenden Züge schweifte. Das mosaikartige Schachbrett mit Figuren aus Schrauben. Ein verstimmtes Klavier, auf dem ich oft herumklimperte, bis das Barpersonal den Ghettoblaster aufdrehte. Nächtelange Folk-Gitarren-Sessions mit einem Freund, am Boden sitzend, in verrauchter Luft. An einer Wand stand: «Wer kotzt, wischt auf.»

Alles war möglich. Man musste es nur machen.

Unten im Keller wummerten die ersten Technopartys. Ging die Tür auf, leuchteten Stroboskopblitze aus dem Untergrund in die Nacht. Doch auch für die leisen Töne war Platz: Mal spielte ein schüchterner Junge im Jazzkeller Tom-Waits-Lieder. Mal veranstaltete ich im Treppenhaus spontan mit einem Kollegen eine Gitarre-Saxofon-Session. Alles war möglich. Man musste es nur machen.

Und dann dieses Ende: Als klar war, dass die Wohlgroth-Besetzer einem Neubauprojekt von Oerlikon-Bührle weichen mussten, überreichte ihnen Bührle-Konzernchef Hans Widmer den Schlüssel für eine leerstehende Fabrik in Zürich-Oerlikon. Verkleidete Besetzer nahmen das Geschenk entgegen – und reichten es weiter an Kulturschaffende. Später sagte Widmer in einem Interview mit dieser Zeitung: «Wir sahen in den Besetzern liebe, kreative Mitbürger, die etwas Auslauf brauchten oder besser: klauten.»

Aus Sicht der Besetzer war die zentrale Lage beim Hauptbahnhof essenziell für das Projekt Wohlgroth. Sie wollten sich nicht an den Stadtrand drängen lassen. Dennoch zogen sie ab: Als die Polizei am 23. November 1993 mit einem Grossaufgebot zur Räumung aufmarschierte und per Helikopter Grenadiere auf einem Wohlgroth-Dach absetzte, waren nur noch zwei Besetzer im Haus.

Vorreiter für das Aufblühen des Nachtlebens

Was bleibt? Rückblickend erscheint das Experiment Wohlgroth als Türöffner hin zu einer lebendigeren, vielfältigeren Stadt. Einer Stadt, die veränderbar ist, die man sich zumindest ein Stück weit aneignen kann, auch mit unkommerziellen Mitteln. So manche kreative Leute, die sich später als Kulturschaffende Namen machten, verkehrten in der Wohlgroth: Die Künstler Mark Divo und Ingo Giezendanner etwa, oder die Rapperin Big Zis. Die Schriftstellerin Melinda Nadj Abonji setzte der Wohlgroth in ihrem preisgekrönten Roman «Tauben fliegen auf» ein literarisches Denkmal.

Auch für das Aufblühen des Zürcher Nachtlebens mit den illegalen Bars der 1990er-Jahre, das später zur Liberalisierung des Gastgewerbes führte, spielte die Wohlgroth eine Vorreiterrolle. Obschon die darauf folgende weitreichende Kommerzialisierung des Nachtlebens nicht gerade im Einklang mit den Besetzer-Idealen steht.

Und nicht zuletzt etablierte sich mit dem Wohlgroth-Experiment die rot-grüne Zürcher Politik der längerfristigen Duldung von Hausbesetzungen, bis ein Neubauprojekt startklar ist. Relativ unbehelligt von der Obrigkeit trugen seither Besetzungen wie Ego-City, Kalkbreite, Binz und gegenwärtig jene im Koch-Areal dazu bei, dass in Zürich zumindest als Zwischennutzung auch eher unkommerzielle Kultur ihren Platz hat.

So gesehen hatten die Demonstranten 1993 recht. Wohlgroth bleibt.
(https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/hausbesetzung-wohlgroth-bleibt-nicht-nur-in-den-erinnerungen-eines-zeitgenossen-ld.2138618)