Medienspiegel 28. März 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Sans-Papiers: Wie lebt man anonym in der Schweiz?
Das Leben ohne Aufenthaltsbewilligung bedeutet für viele ein Leben in Anonymität. In der Schweiz gibt es schätzungsweise 100’000 Sans-Papiers und sie putzen Wohnungen oder bauen Häuser, aber verstecken sich vor den Behörden, weil sie Angst haben, ausgeschafft zu werden.
https://www.srf.ch/radio-srf-virus/unzipped/unzipped-reportage-sans-papiers-wie-lebt-man-anonym-in-der-schweiz


Leben als Sans Papiers
In der Schweiz leben rund 100’000 Sans-Papiers. In der Stadt Zürich geht man von ungefähr 10’000 Menschen aus, die ohne Aufenthaltsberechtigung hier leben. Wir waren zu Besuch bei der SPAZ, der Sans-Papiers Anlaufstelle Zürich. Dort haben wir uns mit Fanny Flores unterhalten, die 11 Jahre illegal in Zürich gelebt hat.
https://tsri.ch/zh/leben-als-sans-papiers-zuerich-spaz/


«Die Schweiz hat Platz: Jetzt Geflüchtete aus Lesbos aufnehmen!»
29. March 2021, 10:30 – 19:30
Am 29. März ist der Oster-Appell ein Jahr alt. 2020 wurde die Kampagne «Evakuieren Jetzt» lanciert, um die Aufnahme von Geflüchteten aus Lesbos zu erreichen. Eine Petition wurde von mehr als 50’000 Personen unterschrieben. Es fanden zahlreiche Aktionen und Demonstrationen statt. Politische Vorstösse wurden eingereicht und behandelt. Zahlreiche Städte und Kirchengemeinden bekundeten ihre Aufnahmebereitschaft.
Entgegen all dieser Bemühungen haben Mario Gattiker und Karin Keller-Sutter alle Möglichkeiten ergriffen, um nennenswerte Aufnahmen von geflüchteten Menschen aus Lesbos zu verhindern, wie Recherchen der WOZ zeigen.[1]
Wir fordern weiterhin: Die Schweiz muss mehr Geflüchtete aufnehmen! Am 29. März veranstaltet «Evakuieren Jetzt» eine Pressekonferenz mit einer Reihe von Städten, die sich für die Aufnahme von mehr Geflüchteten einsetzen. Gleichzeitig werden mehr als 700 Stühle vor dem Bundeshaus aufgestellt, die symbolisieren: Wir haben Platz.
https://seebruecke.ch/event/die-schweiz-hat-platz-jetzt-gefluechtete-aus-lesbos-aufnehmen/


+++GRIECHENLAND
Unterbringung von Geflüchteten: Neues Lager auf Lesbos wird nicht rechtzeitig fertig
»Keine Morias mehr«: Bis September sollte auf Lesbos ein neues Flüchtlingscamp entstehen, das europäischen Ansprüchen genügt. Doch hinter den Kulissen gibt es Streit um die Ausstattung.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/lesbos-neues-fluechtlingslager-auf-lesbos-wird-nicht-rechtzeitig-fertig-a-84116738-f80a-4608-8ec3-61f09d89f56c


+++MALTA
El Hiblu 3: Flucht zum Verbrechen erklärt
Rückführung nach Libyen verhindert: In Malta sind drei junge Männer seit zwei Jahren wegen Terrorismus angeklagt
https://www.jungewelt.de/artikel/399530.el-hiblu-3-flucht-zum-verbrechen-erkl%C3%A4rt.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1150123.seenotrettung-legitime-notwehr.html


+++GASSE
Corona-Armut: Hilfskette wegen explodierter Nachfrage am Anschlag
Seit 2019 holt der Verein «Hilfskette» Lebensmittel von Migros und Coop, die sonst im Müll landen würden, und verteilt sie kostenlos an Bedürftige. Seit Corona kämpfen immer mehr gegen die Armut. Deshalb kommt nun auch das Hilfswerk an seine Grenzen.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/corona-armut-hilfskette-wegen-explodierter-nachfrage-am-anschlag-141350025


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Winterthur: Housing Action Day 2021
Offener Brief an die Terresta AG, Tochterfirma der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG
Warum ein offener Brief an die Terresta AG, Tochterfirma der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG in Winterthur?
Die Immobilienfirma Terresta hat vor kurzem angekündigt, im Auftrag der von Bruno Stefanini gegründeten SKKG eine Milliarde Franken auszugeben.
Dieser riesige Betrag soll in Sanierungen, in Überbauungen (Abriss) und in Neuüberbauungen fliessen. Allein in Winterthur sind über 200 Häuser mit über 1700 Wohnungen davon betroffen.
Der unten dokumentierte offene Brief von BewohnerInnen von Stefanini-Häusern richtet sich an leitende Angestellte der Terresta, die für das Portfoliomanagement zuständig sind.
https://barrikade.info/article/4341


Nach St.Galler Krawallen: Politiker fordern mehr Toleranz
https://www.tvo-online.ch/aktuell/nach-st-galler-krawallen-politiker-fordern-mehr-toleranz-141348455


tagblatt.ch 28.03.2021

«Wir wollen nicht, dass es wieder knallt» – die erste Nacht in St.Gallen nach den Krawallen

Sie wüteten mitten in der St.Galler Altstadt, warfen Scheiben ein und gingen auf die Polizei los: Gewaltbereite Jugendliche, die eigentlich zum Feiern in der Stadt waren. Woher kam der Frust? Eine Spurensuche 24 Stunden nach den Geschehnissen auf der neuen Ausgehmeile: dem Roten Platz.

Raphael Rohner

Keine 24 Stunden sind vergangen, seit die Polizei in der Stadt St.Gallen den Roten Platz geräumt hat und es zu wüsten Auseinandersetzungen kam. Und schon sitzen wieder Jugendliche überall in der Stadt und trinken Schnaps mit Orangensaft in Plastikbechern, Bier und anderes. Die Stimmung ist an diesem Abend aussergewöhnlich. Überall in der Stadt sind einzelne Gruppen anzutreffen, die sich skeptisch umschauen, während eine zivile Patrouille der Stadtpolizei vorbeifährt.

«Läuft heute was?», fragt einer seine Kollegin. Diese guckt auf ihr Smartphone: «Keine Ahnung, Alter. Die anderen sind sonst irgendwo. Aber sie kommen noch her», sagt die junge Frau beim Klosterplatz. In der Nacht zuvor wurden hier Scheiben eingeschlagen und Barrikaden aus Gartenstühlen und Topfpflanzen gegen die Polizei errichtet. «Schon krass, was da gelaufen ist, irgendwie gruselig», sagt die junge Frau.

Polizei hält sich bedeckt über Einsatzdispositiv

An diesem Abend sind in der St.Galler Innenstadt mehr Polizeifahrzeuge als gewöhnlich unterwegs. Dionys Widmer, Mediensprecher der Stadtpolizei St.Gallen, hält sich mit Auskünften über das Einsatzdispositiv bedeckt: «Wir sind sicher vor Ort präsent und behalten die Lage im Auge. Mehr kommunizieren wir aus polizeitaktischen Gründen nicht.» Die Präsenz von zivilen Polizisten wird bei den jungen Erwachsenen auf der Strasse schnell bemerkt: «An jeder Ecke hat es heute Cops», sagt Marco* aus St.Gallen.

«Die sind völlig durchgedreht!»

Der 21-jährige Marco war am Freitagabend mit seinen Freunden auf dem Weg zu den Drei Weieren. Er, zwei Kolleginnen und drei Kollegen wollten endlich wieder einmal raus und andere Leute treffen. Da kam die Einladung per Social Media zu einer grossen Party bei den Drei Weieren gelegen. «Als wir losgingen, hätten wir nie damit gerechnet, dass es dermassen ausartet», sagt Marco und schaut sich Bilder der Krawalle in der Gallusstrasse an.

Einige seiner Kollegen, die am Abend ziemlich viel getrunken haben, seien ganz vorne dabei gewesen: «Die sind völlig durchgedreht am Freitagabend, das war wirklich crazy. Aber ich kann sie irgendwie verstehen. Über ein Jahr waren wir eingesperrt. Wir lassen uns das Feiern nicht mehr verbieten – wo sollen wir denn sonst hin?»

Am Samstagabend sind erneut rund hundert Jugendliche am Roten Platz, um zu feiern. Die Stimmung ist angespannt. Die Jugendlichen sind verunsichert: «Wir wollen nicht, dass es wieder knallt, das ist einfach scheisse und bringt nichts», sagt ein 21-jähriger Kampfsportler aus der Stadt. Die Polizei ist permanent vor Ort und kontrolliert unter anderem einige Autoposer vor den Augen der Partygänger.

Anders sieht das Didi*. Der 18-Jährige findet Gewalt auf der Strasse völlig legitim: «Da sehen Sie nur mal, wem die Strassen wirklich gehören: uns!» Er wird aggressiv bei der Frage, ob er dabei gewesen sei bei den Ausschreitungen am Freitag: «Das macht keinen Unterschied. Wir wurden für über ein Jahr eingesperrt, und niemand hat sich dafür interessiert, was aus uns wird. Die Skifahrer dürfen auch in die Berge, und so weiter. Die Polizei kann uns gar nichts!» Mehr will er nicht sagen und geht mit seinem Kumpel davon in Richtung Roter Platz. Dort drehen die beiden ihre Runde – ohne mit irgendwem zu reden und ohne etwas zu trinken.

Gewissensbisse bei Chaoten, die Scheiben eingeschlagen haben

Einer, der am Freitagabend mittendrin in den Krawallen war, ist der 17-jährige Leon*. Er zeigt Videos und Bilder davon, wie er Scheiben einschlägt und Gegenstände herumwirft . Erst habe er die Bilder direkt online geteilt, sie dann aber wieder gelöscht. «Was wir getan haben, war dumm. Wir haben uns von der Polizei provozieren lassen.» Er zeigt Gewissensbisse: «Es war falsch, ja. Aber die Polizei hat angefangen. Wir fühlen uns einfach missverstanden und haben genug von den Massnahmen.» Leon denkt allerdings daran, sich bei den Lädelern zu entschuldigen, deren Scheiben er eingeschlagen hat und ist damit nicht allein: «Es war für einige einfach eine sehr sehr grosse Dummheit.»

Marcos Kollegin Sarah* ist 17 Jahre alt. Sie hatte am Freitag grosse Angst: «Die Polizei schoss mit Tränengas und Gummischrot auf uns, während sich die anderen Idioten aus dem Staub gemacht haben – es traf wieder einmal die Falschen.» Das Verhalten der Leute, die sich daraufhin Strassenschlachten mit der Polizei geliefert und randaliert haben, finden Marco und Sarah alles andere als in Ordnung: «Wir wollten eigentlich nur raus und feiern, mehr nicht.» Sarah und ihre Kolleginnen kritisieren die Aggressionen der hauptsächlich jüngeren Männer: «Das hat mit Feiern und Partymachen gar nichts mehr zu tun. Vielmehr mit Frust ablassen, wenn man betrunken ist.»

Polizei feuerte Gummischrot gegen Partyvolk

Am Roten Platz war die Stimmung am Freitagabend schon zu Beginn aufgeheizt. Die feiernden Jugendlichen wurden von den Drei Weieren weggewiesen und suchten daraufhin die Konfrontation mit der Polizei. Es flogen schon früh Gegenstände gegen die Polizisten vor Ort, immer wieder waren «ACAB»-Rufe zu hören (engl. all cops are bastards).

Marco und Sarah waren mittendrin: «Einige haben bestimmt ein Ventil gesucht, um ihren Frust abzulassen. Es waren alle wütend auf die Polizei. Es wurde auch immer wieder dazu animiert, gegen diese vorzugehen. Die meisten von uns fanden das aber blöd.» Schliesslich räumte die Stadtpolizei den Roten Platz mit Gewalt. Dabei seien auch Jugendliche verletzt worden, ist am Samstagabend immer wieder zu hören. «Es flogen Glasflaschen, und manche rannten einfach wie blind umher. Dann kamen die Polizisten in ihren Monturen. Meine Kollegin wurde zu Boden geworfen, und einige haben sich an Scherben verletzt.» Ebenso seien viele Jugendliche vom Gummischrot der Polizei getroffen worden. Petar* zeigt seine Wunde am Kopf: Ich wollte eigentlich weg und wurde dann getroffen.» Das macht die Jugendlichen hässig: «Die haben angefangen mit der Gewalt! Dann müssen sie halt auch mit Flaschen und Zoff in der Stadt rechnen», sagt ein Frischling halbstark.

Bei der Stadtpolizei St.Gallen hat man keine Kenntnisse davon, ob es Verletzte beim Einsatz gegeben hat. Viele hätten das Vorgehen der Polizei mit dem Smartphone gefilmt und die Videos direkt auf Snapchat, TikTok und Instagram geladen. Bei den Jugendlichen sorgen die Aussagen der Polizei für Aufregung. Die 18-jährige Silvana* ist ausser sich: «Da mussten einige zum Arzt – garantiert!»

Aufruf soll fremde Leute nach St.Gallen locken

Für die kommenden Wochenenden wurde bereits wieder zu Feiern in der Stadt St.Gallen aufgerufen: «Nehmen wir St.Gallen auseinander», steht in einer Snapchat-Einladung. Die Jugendlichen wollen die geplanten Partys nicht kommentieren. «Schauen wir mal, was noch kommt», sagt Silvana. Auf diversen Kanälen werden auch Leute aus Zürich und anderen Städten animiert, um nach St.Gallen zu kommen. Um «auszurasten».

Ruhige Stimmung am Samstagabend

Die Stadtpolizei hat soweit eine ruhige Nacht erlebt, wie Sprecher Dionys Widmer am Sonntagmorgen auf Nachfrage sagt. Obwohl sich auch wieder gegen 100 Personen beim Roten Platz aufgehalten hätten, sei die Stimmung diesmal friedlich gewesen. «Es war ein Kommen und Gehen. Die Personen haben sich hauptsächlich in Gruppen aufgehalten. Wir mussten seitens Polizei nicht einschreiten.»

* = Die Namen aller Protagonisten wurden geändert.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/reportage-gewalt-ist-bloed-und-macht-uns-den-ausgang-kaputt-die-nacht-nach-den-krawallen-in-stgallen-blieb-ruhig-ld.2119413)


+++POLICE BE
Sprayerin Rahel K. (†29) stürzt bei Flucht vor Polizei in Bümpliz BE tödlich – Freunde erheben Vorwürfe: «Es war nicht nötig, sie zu jagen!»
Drama am Bahnhof Bern-Bümpliz am Samstagmorgen. Sprayerin Rahel K. (†29) springt auf der Flucht vor der Polizei über eine Mauer, stürzt und verletzt sich tödlich. Die Polizisten hätten sie in den Tod gejagt, sagen Freunde. Die Polizei wehrt sich.
https://www.blick.ch/schweiz/bern/sprayerin-rahel-k-29-stuerzt-bei-flucht-vor-polizei-in-buempliz-be-toedlich-freunde-erheben-vorwuerfe-es-war-nicht-noetig-sie-zu-jagen-id16426621.html
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/polizei-untersucht-tod-von-29-jaehriger-141350182
-> https://www.20min.ch/story/freunde-trauern-um-tote-sprayerin-29-heftige-kritik-fuer-die-polizei-596230603533


+++RECHTSEXTREMISMUS
Hassverbrechen: Die zerstörerische Kraft der Vernetzung
Terror durch “sexuell frustrierte Männer”: Die Verzahnung von Rechtsextremismus und Anti-Feminismus sowie von Online- und Offline-Gewalt wird von Behörden zu wenig beachtet
https://www.derstandard.at/story/2000125379216/hassverbrechen-die-zerstoererische-kraft-der-vernetzung


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Gewaltbereitschaft der Corona-Skeptiker steigt: «Die Zeit der friedlichen Veranstaltungen ist vorbei»
Ein Teil der Massnahmen-Gegner radikalisiert sich. In Online-Chats planen Splittergruppen Gewalt, Übergriffe häufen sich. Der Bund ist besorgt.
https://www.blick.ch/schweiz/gewaltbereitschaft-der-corona-skeptiker-steigt-die-zeit-der-friedlichen-veranstaltungen-ist-vorbei-id16425458.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/massnahmen-kritiker-radikalisieren-sich-gewaltbereitschaft-steigt-255219122359


Waren es Corona-Skeptiker? Polizei geht von Anschlag aus – In Bern brannte schon wieder eine 5G-Antenne!
Es ist schon wieder passiert: Erneut brannte im Kanton Bern eine Handy-Antenne. Laut Polizei soll der Brand vorsätzlich gelegt worden sein – von wem, ist unklar. Waren es Corona-Skeptiker?
https://www.blick.ch/schweiz/bern/waren-es-corona-skeptiker-polizei-geht-von-anschlag-aus-in-bern-brannte-schon-wieder-eine-5g-antenne-id16426141.html



Sonntagszeitung 28.03.2021

Vor Abstimmung zum Covid-19-Gesetz: Streit unter Massnahmen-Gegnern

Die «Freunde der Verfassung» haben innert kurzer Zeit zwei Referenden zustande gebracht. Nach einem Richtungskampf verlieren sie nun ihr wichtigstes Aushängeschild.

Rico Bandle

Es war die grösste politische Überraschung seit langem. Der zuvor kaum bekannte Verein «Freunde der Verfassung» brachte in Rekordzeit 85’000 Unterschriften gegen das im September verabschiedete Covid-19-Gesetz zusammen. Darin werden die vom Bundesrat per Notrecht gefassten Corona-Erlasse nachträglich legitimiert.

Quasi nebenbei sammelte die Bewegung auch noch 30’000 Unterschriften für das von linken Kreisen lancierte Referendum gegen das Terrorismusgesetz (PMT). Die Initianten nahmen die unerwartete Hilfe gerne entgegen – ohne sie wäre die nötige Unterschriftenzahl nicht erreicht worden –, distanzierten sich aber mit aller Deutlichkeit von den Corona-kritischen «Freunden der Verfassung».

Konflikt drehte sich ums Impfen

Am 13. Juni entscheidet das Volk über das Covid-Gesetz – doch statt sich auf den Abstimmungskampf zu konzentrieren, ist der Verein mit internen Richtungskämpfen beschäftigt. Gründungsmitglied und Aushängeschild Christoph Pfluger ist sogar per sofort aus dem Vorstand zurückgetreten.

Wichtigster Streitpunkt ist das Impfen. In der Bewegung spielen die Impfskeptiker eine wichtige Rolle; sie sind ausserordentlich engagiert, ohne sie wäre der Erfolg bei der Unterschriftensammlung kaum möglich gewesen. In der breiten Bevölkerung allerdings geniesst die Corona-Impfung grosse Akzeptanz – eine Abstimmung ist kaum zu gewinnen, wenn man Impfungen als unsicher oder gar als Teufelszeug darstellt.

Pfluger fand, solche taktischen Überlegungen dürften keine Rolle spielen. Er schlug vor, in einem halbseitigen NZZ-Inserat auf die markante Zunahme von «schwerwiegenden» Impfnebenwirkungen in der Statistik von Swissmedic aufmerksam zu machen. Der Kampagnenleiter der «Freunde der Verfassung», Sandro Meier, war strikt dagegen. Es kam zum Streit, Meier gewann den Machtkampf.

Wöchentlich kommen 200 Mitglieder hinzu

Vorstandsmitglied Marion Russek bestätigt den Konflikt. «Wir haben in der Folge beschlossen, dass das Impfen nicht unser Thema ist. Die Bevölkerung sollte sich in dieser Frage selber eine Meinung bilden.» Sie glaube aber nicht, dass dies entscheidend für den Austritt Pflugers war.

Tatsächlich unterlag Pfluger auch mit einem weiteren Anliegen: Er wollte eine Volksinitiative lancieren, die verhindern sollte, dass der Bundesrat bei einer zukünftigen Notsituation erneut die Macht dermassen stark an sich binden und die demokratische Kontrolle ausschalten kann. Auch damit unterlag er.

Zu den Meinungsverschiedenheiten kamen zwischenmenschliche Probleme. Zum Beispiel warf man sich gegenseitig vor, Interna aus dem Vorstand nach aussen getragen zu haben. Marion Russek betont aber, die Wertschätzung für Pfluger sei trotz der Auseinandersetzungen nach wie vor gross: «Er ist ein Visionär, ohne ihn wäre das Referendum gegen das Covid-Gesetz wohl nicht ergriffen worden.»

Keinen Einfluss hatte der Eklat auf den Zustrom: 6200 Mitglieder hat der junge Verein mittlerweile – wöchentlich kommen 200 neue hinzu.
(https://www.derbund.ch/streit-unter-massnahmen-gegnern-396021785607)



Andreas Thiel wettert über #NoLiestal-Kollegen
Der Satiriker Andreas Thiel wettert auf Facebook über seine Komiker-Kollegen, die bei der Online-Demo #NoLiestal mitgemacht haben.
https://www.nau.ch/people/aus-der-schweiz/andreas-thiel-wettert-uber-komiker-kollegen-65896180


Nachdem Liestal wegen der Demo von Corona-Gegner eine Woche lang in den Schlagzeilen war, äussert sich nun Stadtpräsident Daniel Spinnler (ab 03:32)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/basler-zunftordnung-soll-geschlechtsneutral-werden?id=11956534


+++SOZIALABBAU
Sonntagszeitung 28.03.2021

Corona-Urteil – Bundesgericht verweigert Frau wegen Homeoffice die IV-Rente

Tausende IV-Bezüger müssen jetzt damit rechnen, dass ihnen die Rente gestrichen wird. Experten bezeichnen das Urteil als «skandalös».

Mischa Aebi

Die höchsten Richter schaffen im Fall einer 50-jährigen Frau aus Zürich ein Präjudiz, das laut Experten für sehr viele Menschen «dramatische Folgen» haben dürfte. Betroffen sind künftige IV-Gesuchsteller, aber auch bisherige IV-Rentner. Der Kern der richterlichen Argumentation: Menschen, die wegen körperlicher oder psychischer Gebrechen nicht mehr im Büro arbeiten können, haben kein grundsätzliches Recht auf IV-Rente. Und zwar auch dann nicht, wenn ihre Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Betriebs von Gutachtern bestätigt ist.

Denn nach Ansicht der Richter ist es für Menschen aus kaufmännischen Berufen heute theoretisch möglich, eine Stelle zu finden, bei der man die gesamte Arbeit im Homeoffice erledigen kann. Allein die theoretische Möglichkeit, eine solche Arbeit zu finden, rechtfertigt es gemäss den Richtern, eine IV-Rente zu verweigern.

Die ehemalige KV-Angestellte, um die es im Urteil geht, hat eine lange Leidensgeschichte. Sie wurde mit einem defekten Hüftgelenk geboren. Zahlreiche Operationen in ihrer Kindheit und später als Erwachsene führten dazu, dass ihre linke Hüfte versteifte. Ebenfalls als Folge von medizinischen Eingriffen ist ein Bein 17 Zentimeter kürzer als das andere. Dazu kommen zahlreiche Folgebeschwerden. Die Frau kann kaum gehen und nur für kurze Zeit sitzen, leidet unter anhaltend starken Schmerzen im Rücken und in den Hüften. Weil sie aufgrund ihrer Gebrechen Probleme mit der Balance hatte, stürzte sie mehrmals und zog sich dabei Knochenbrüche zu, was ihren gesundheitlichen Zustand weiter verschlechterte. Dazu kommen psychische Probleme. Das Zürcher Sozialversicherungsgericht sprach ihr aufgrund der Befunde eine IV-Teilrente zu.

Doch die höchsten Richter sehen das anders. Sie halten fest, die Frau habe kein Recht auf Geld von der Invalidenversicherung. Die Bundesrichter folgten damit der Beurteilung der IV-Stelle des Kantons Zürich.

Gemäss Richtern gibt es kaufmännische Stellen mit vollständigem Homeoffice

Die unabhängigen Gutachter attestierten der Frau aufgrund ihrer körperlichen Beschwerden eine Arbeitsunfähigkeit von 40 Prozent. Doch die Verantwortlichen der IV-Stelle gaben sich damit nicht zufrieden. Sie hakten nach und fragten, ob die Frau denn auch arbeitsunfähig sei, wenn sie ihre berufliche Tätigkeit grösstenteils von zu Hause aus machen würde.

Die Gutachter erklärten, dass bei Tätigkeiten im Homeoffice die Arbeitsfähigkeit der Frau nur um 20 Prozent reduziert sei, unter anderem weil dann der für die Betroffene beschwerliche Arbeitsweg wegfalle.

Die IV-Stelle und später das Bundesgericht nutzten die Antwort der Gutachter auf die Ergänzungsfrage, um der Frau die beantragte Rente gleich ganz zu streichen. Denn bei einer nur 20 Prozent reduzierten Arbeitsfähigkeit muss die IV nicht zahlen.

Der Behinderten-Verband befürchtet Folgen für Tausende

Das Urteil der höchsten Richter ist unter Spezialisten hoch umstritten. Michael E. Meier, Spezialist für Sozialversicherungsrecht an der Uni Zürich, findet diese Argumentation «höchst bedenklich». Denn: «Die Wahrscheinlichkeit, eine Stelle zu finden, bei der man vollumfänglich im Homeoffice arbeiten kann, ist gleich null», sagt Meier. Der Entscheid sei ein weiterer Schritt des Bundesgerichts, sich bei der Beurteilung von IV-Fällen auf einen rein fiktiven Arbeitsmarkt abzustützen. Meier bringt die Corona-Krise ins Spiel: «Die Vermutung ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen», dass sich das Bundesgericht in seinem Urteil «von dieser Ausnahmesituation hat inspirieren lassen», schreibt Meier im Fachorgan «Jusletter».

Noch deutlicher wird Martin Hablützel, Anwalt und Spezialist für Haftpflicht- und Versicherungsrecht: «Ich bin ziemlich erschrocken, als ich dieses Urteil gelesen habe. Es dürfte für sehr viele IV-Bezüger dramatische Folgen haben. Ich finde das Urteil skandalös.» Denn es unterstelle, «dass invalide Personen mit einem kaufmännischen oder administrativen Beruf ihre Arbeit vollumfänglich im Homeoffice ausüben können».

Betroffen seien unter anderem «Menschen, für die ein Arbeitsweg eine zu starke Belastung wäre, oder solche, die häufig eine Pause einlegen müssen, zwischendurch stehen, gehen oder sich gar hinlegen müssen». Sie würden «kaum je eine Rente erhalten, weil das Gericht davon ausgeht, dass sie im Homeoffice ohne Einschränkungen arbeiten können», sagt Hablützel. «Auch viele, die bereits eine IV-Rente haben, sind betroffen. Denn die Situation von IV-Bezügern werde alle drei bis fünf Jahre überprüft, sagt der Versicherungsanwalt.

Beim Behinderten-Verband Inclusion Handicap ist man aufgeschreckt. «Das Urteil ist ein Präjudiz, das fatale Folgen haben könnte», sagt Petra Kern, Anwältin und Leiterin der Abteilung Sozialversicherungen. «Wer neu eine IV-Rente beantragt, muss damit rechnen, dass ihm die Rente verweigert wird mit dem Argument, dass er ja zu Hause arbeiten könne.» Sie sagt: «Es könnte für Tausende Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen Folgen haben.»

Bger Urteil 9C_15/2020
https://servat.unibe.ch/dfr/bger/2020/201210_9C_15-2020.html



Zahl der IV-Bezüger sinkt

In der Schweiz gibt es aktuell insgesamt 217’000 IV-Bezügerinnen und IV-Bezüger. 28’000 von ihnen leiden an einem Geburtsgebrechen, und 104’000 bekommen eine Rente aufgrund einer psychischen Erkrankung. Die Zahl der IV-Bezüger ist in den vergangenen Jahren leicht gesunken. Die Ausgaben sind hingegen seit 2015 von 9,3 auf 9,5 Milliarden Franken gestiegen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/bundesgericht-verweigert-frau-wegen-homeoffice-die-iv-rente-430089890874)