Medienspiegel 18. März 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BASEL
Neue Gesundheitsbroschüre von „3 Rosen gegen Grenzen“:
Gesundheit im Bundesasyllager Basel. –  “Zustände, die inakzeptabel und schädlich für die menschliche Gesundheit sind”
https://3rgg.ch/wp-content/uploads/2021/03/Gesundheit_im_Lager_2021.pdf

Gerne teilen wir mit euch unsere neuste Arbeit, und zwar eine Broschüre zur miserablen Gesundheitsversorgung in Asyllagern. Wir freuen uns sehr, wenn ihr mit den Texten weiterarbeiten oder die Broschüre verbreiten könnt! Wie immer ist sie auch als Printversion kostenlos bei uns bestellbar.

Menschen aus dem Bundesasyllager Basel berichten uns immer wieder davon, dass sie keine oder unzureichende gesundheitliche Versorgung erhalten. Betroffene sagen aus, dass die Gesundheitsversorgung im Camp sich am Asylstatus der Betroffenen orientiert anstatt an deren gesundheitlichem Zustand. Menschen werden krank aufgrund von schlechter Ernährung und untragbaren hygienischen Standards, leiden unter psychischem Stress, werden bei Krankheiten nicht behandelt oder können sich nicht vor dem Corona-Virus schützen. Insbesondere das Fehlen von psychologischer Betreuung im Camp 50 zieht sich durch die Texte unserer Gesundheitsbroschüre hindurch. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) und die private ORS Service AG zeigen einmal mehr, dass sie den Profit vor die Gesundheit der von ihnen “betreuten” Menschen geht.

Kein Zugang zu einer würdigen und ausreichenden Gesundheitsversorgung zu haben, ist Teil des gewaltvollen Lagersystems der Schweiz!

Solidarische Grüsse aus Basel,
Eure Rosen


Inhalt der Broschüre Gesundheit im Bundesasyllager Basel. “Zustände, die inakzeptabel und schädlich für die menschliche Gesundheit sind”
1. Gesund sein im Bundesasyllager?
2. Schwangerschaft im Camp 50. Interview mit einer jungen Frau (28.1.2021)
3. “Handlangerin von einem solchen System?” Interview mit einer ehemaligen Krankenpflegerin im Camp 50
4. Corona, das Bundesasyllager Basel und Rassismus
5. Kampagne #ShutDownORS Bern
(https://3rgg.ch)


+++SCHWEIZ
10 Jahre Migrationspartnerschaft: Bundesrätin Keller-Sutter auf Arbeitsbesuch in Nigeria
Bundesrätin Karin Keller-Sutter nimmt am 23. März 2021 in der nigerianischen Hauptstadt Abuja am Anlass zur Würdigung des zehnjährigen Bestehens der Migrationspartnerschaft mit Nigeria teil. Diese Migrationspartnerschaft hat sich zu einem Erfolgsmodell der schweizerischen Migrationsaussenpolitik entwickelt. Der Arbeitsbesuch dient auch der weiteren Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Nigeria.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-82732.html


+++TÜRKEI
Schutzlos: Afghanische Flüchtlinge in der Türkei
Völlig auf sich allein gestellt – so lässt sich die Situation afghanischer Schutzsuchender in der Türkei zusammenfassen. Eine von der Stiftung PRO ASYL in Auftrag gegebene Expertise unterstreicht: Die Türkei bietet keine Sicherheit.
https://www.proasyl.de/news/schutzlos-afghanische-fluechtlinge-in-der-tuerkei/


+++BALKANROUTE
Wie weiter in Bihać?
Vor zwei Monaten ist das Frachkollektiv nach Bosnien gereist, um direkte Hilfe für Menschen auf der Flucht zu leisten. Jetzt soll aus dem kurzfristigen Hilfseinsatz ein langfristiges Projekt werden.
https://wemakeit.com/projects/wie-weiter-in-bihac


+++EUROPA
Warum der Flüchtlingspakt zwischen EU und Türkei „in der Luft hängt“
Nur in Teilen werden die Bestimmungen des Vertrages, der am 18. März 2015 abgeschlossen wurde, heute umgesetzt. Es hapert zumeist am politischen Willen
https://www.derstandard.at/story/2000125114550/warum-der-fluechtlingspakt-zwischen-eu-und-tuerkei-in-der-luft?ref=rss


EU: Neuer Flüchtlingsdeal mit Erdogan?
Die Schockwellen von 2015 sind noch da. Der türkische Präsident nutzt jede Chance, seine Macht zu festigen
https://www.heise.de/tp/features/EU-Neuer-Fluechtlingsdeal-mit-Erdogan-5992278.html


Lager wie Moria sind das Ergebnis politischen Kalküls
Politologe Maximilian Pichl: Staaten wie Deutschland schieben Verantwortung der Flüchtlingsaufnahme ab
Die überfüllten Flüchtlingslager auf den griechischen Ägäis-Inseln sind nach Einschätzung des Politologen Maximilian Pichl das Ergebnis einer Migrationspolitik, die seit 30 Jahren Verantwortung weiterreicht.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1149690.fluechtlingspolitik-lager-wie-moria-sind-das-ergebnis-politischen-kalkuels.html


+++GASSE
Notschlafstelle für Jugendliche: Sie wollen eine «Lücke im System» schliessen
Ein Verein will in Bern eine Notschlafstelle für Jugendliche mit entsprechendem Betreuungsangebot schaffen. Kein einfaches Unterfangen, wenn die Stadt sparen muss.
https://www.derbund.ch/sie-wollen-eine-luecke-im-system-schliessen-197509176091



derbund.ch 18.03.2021

Vom Obdachlosen zum Helfer: Wie der «chillige» Charly von der Gasse wegkam

Charly Biner lebte als Teenager mehrere Jahre auf der Strasse. Nun setzt sich der 23-jährige Berner selber für Randständige ein und unterstützt einen Verein bei der Gründung einer Notschlafstelle für Jugendliche.

Fabian Christl

Charly Biner war in der Berner Innenstadt am Betteln, als ihn eine ältere Frau anraunzte. Wieso er denn nicht arbeite, wollte sie wissen. Er wolle schon, entgegnete Biner, «aber mich will niemand». Ein Satz wie ein Stich ins Herz.

Doch er sollte sich täuschen. Die Frau entpuppte sich als Geschäftsführerin des Brockenhauses Emmaus in Bern-Bümpliz – eine Institution, die Randständige beschäftigt. Noch an jenem Nachmittag bekam er von ihr eine Stelle.

Das war vor drei Jahren. Heute ist der 23-Jährige verantwortlich für den Laden und betreut die sechs Angestellten. Zudem unterstützt er den Verein Rêves Sûrs, der in Bern eine Notschlafstelle für Jugendliche betreiben möchte (lesen Sie an dieser Stelle: «Sie wollen eine ‹Lücke im System› schliessen»).

Doch wie ist es dazu gekommen, dass der augenscheinlich kluge junge Mann überhaupt auf der Gasse landete? Angefangen habe es mit dem Auszug aus der Pflegefamilie, gleich nachdem er 18 Jahre alt geworden ist, sagt er. «Ich dachte, ich wüsste alles besser.» Falsch gedacht. Zuerst kam er zwar in einer Mansarde im Gebäude seines Lehrbetriebs, einer Bäckerei, unter. Doch bald verlor er auf einen Schlag Lehrstelle und Mansarde – wenige Monate vor Lehrabschluss; er war zu oft nicht zur Arbeit erschienen.

Auf der Gasse suchte Biner Anschluss bei anderen Jugendlichen. Zuerst schloss er sich einer Gruppe Punks an. «Wir verbrachten die Tage auf der grossen Schanze, tranken Bier und kifften», sagt er. Doch dann gabs Krach.

So wechselte er zu einer anderen Gruppe. Die neuen Leute waren auch härteren Drogen nicht abgeneigt. Auch Biner liess sich mitreissen: «Nicht selten begann der Tag mit einer Linie Speed, am Nachmittag folgte LSD, und am Abend gingen wir an eine Party und konsumierten Ecstasy.» Einzig Heroin habe er nie angerührt.

5-Sterne-Menü für einen Fünfliber

So ging es weiter. Tag für Tag. Ab und zu wechselte er die Gruppe oder zog eine Zeit lang alleine durch die Strassen. Sein Auskommen sicherte er sich mit Betteln. «Ich brauchte 20 Franken pro Tag.» Dafür musste er jeweils bis zu drei Stunden auf seiner Decke sitzen. «Es wäre leichter gegangen, wenn ich die Passanten direkt angesprochen hätte.» Doch Scham und ein zurückhaltendes Wesen hinderten ihn daran.

Geschlafen hat er in dieser Zeit meistens draussen, etwa nahe der Äusseren Enge unter der Autobahnbrücke. Um sich aufzuwärmen, ist er manchmal stundenlang Tram gefahren, ohne Billett, versteht sich. Eine Busse war beinahe erwünscht. «Dann konnte ich zwei Tage ins Gefängnis und hatte ein Dach über dem Kopf.»

Eine Notschlafstelle für Jugendliche, das hätte ihm damals schon geholfen, sagt er. «Im ‹Sleeper› habe ich jeweils höchstens ein Auge zugetan, aus Angst, beklaut zu werden.» Dafür sei dort das Essen ausgezeichnet. «Für einen Fünfliber gibt es ein 5-Sterne-Menü.»

Keine Zahlen vorhanden

In Bern ist niemand gezwungen, auf der Strasse zu leben. Mehrere Institutionen bieten Jugendlichen Unterstützung oder betreutes Wohnen an. «Ich wollte aber weder dem Staat auf der Tasche liegen noch Sozialhilfe beantragen, die ich dann später zurückzahlen müsste», sagt Biner.

Wie viele Jugendliche es in Bern wie Biner handhaben, ist unklar. Zahlen sind rar. In einer 20 Jahre alten Studie ist die Rede von rund 100 obdachlosen Jugendlichen.

«Alle von uns treffen im Berufskontext immer wieder junge Menschen an, die nicht wissen, wo sie die Nacht verbringen sollen», sagt Eva Gammenthaler von Rêves Sûrs, die sich beruflich bei der kirchlichen Gassenarbeit engagiert. Einige wollten nicht nach Hause, etwa weil sie dort Gewalt fürchteten. Andere seien aus einer Institution abgehauen oder hätten einfach die Wohnung verloren.

Die netten Denunzianten von Pinto

Unterstützung für Obdachlose bietet in der Stadt Bern auch die «mobile Interventionsgruppe» Pinto. Biner äussert sich dazu ambivalent. «Sie wollen helfen, und sie können auch tatsächlich helfen.» Erst kürzlich habe Pinto einem seiner Mitarbeiter eine Reise in sein Herkunftsland ermöglicht.

Als Biner selber noch auf der Gasse lebte, war sein Verhältnis zu Pinto aber distanzierter. «Ich hielt sie für nett, aber auch für Denunzianten.» So habe er einmal einem Pinto-Mitarbeiter seinen Schlafplatz verraten. «In der folgenden Nacht wurde ich dort von Polizisten geweckt, obwohl der Schlafplatz sehr abgelegen war.» Die Verantwortlichen von Pinto waren aus Krankheitsgründen für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Biner hat diese Zeiten hinter sich gelassen. Er wohnt nun mit einer 31-jährigen Frau in einer Wohngemeinschaft ausserhalb von Bern. Und er hat Pläne: «Ich möchte eine Ausbildung als Sozialarbeiter machen, um meine Angestellten besser zu betreuen», sagt er. Allerdings gelinge ihm das bereits jetzt sehr gut. Sein Rezept: «Ich sage immer allen, dass sie es super machen.» Schliesslich bräuchten Menschen in Not Anerkennung – und nicht Tadel. «Ausserdem bin ich einfach ein chilliger Typ.»
(https://www.derbund.ch/wie-der-chillige-charly-von-der-gasse-wegkam-801035306787)



Soup & Chill beklagt soziale Kälte
Seit mehr als zehn Jahren erhielt Soup & Chill Geld der GGG und der Christoph Merian Stiftung. Doch nun ist Schluss – damit fehlen über 100’000 Franken.
https://telebasel.ch/2021/03/18/soup-chill-beklagt-soziale-kaelte/?channel=105100



Basler Zeitung 18.03.2021

Konflikt eskaliert: Wer hat Anrecht auf Gratisessen bei Soup & Chill?

Die CMS und die GGG steigen als Geldgeber bei Soup & Chill aus. Auch die kantonale Subvention wird kaum erneuert. Hauptgrund für das Zerwürfnis ist die Frage, wer die Wärmestube überhaupt nutzen darf. Was steckt dahinter?

Dina Sambar

Jeden Abend bietet das Soup & Chill randständigen Menschen eine warme Mahlzeit und einen Ort zum Verweilen. Der Kanton Basel-Stadt, die GGG und die CMS unterstützten die soziale Institution bisher in den Wintermonaten. Doch nun ist es zu einem grossen Knall gekommen. Die beiden Stiftungen streichen ihre jährlichen Beiträge von 50’000 respektive 34’000 Franken. Auch die Subvention des Kantons wird kaum erneuert. Was ist geschehen?

Einer der Hauptgründe für das Zerwürfnis ist die Klientel, die das Soup-&-Chill-Angebot nutzen. Wer hat Anrecht auf eines der Gratis-Abendessen? Der Kanton fordert, dass sich das Angebot auf die randständigen Menschen beschränke, die sich rund um den Bahnhof SBB aufhalten. Ihnen soll in den Wintermonaten ein warmer Ort zur Verfügung gestellt werden. Doch im Soup & Chill gehen Randständige aus der ganzen Stadt, aus dem Baselbiet und mittlerweile auch rumänische Bettler ein und aus. «Dies führt dazu, dass nicht in erster Linie die beabsichtigte Zielgruppe erreicht wird, sondern eine breite Sogwirkung entsteht», schreiben CMS und GGG.

«Den Leuten, die zu uns kommen, geht es schlecht»

«Was ist eine falsche Zielgruppe? Noch dazu in Zeiten von Corona?», fragt Soup-&-Chill-Präsidentin Claudia Adrario de Roche – und gibt die Antwort: «Das ist doch jeder, der in Not gerät. Den Leuten, die zu uns kommen, geht es schlecht. Das sieht man. Das sind keine Sozialschmarotzer.» Corona habe viele Menschen aus dem unteren Mittelstand an oder unter die Armutsgrenze gebracht. Kamen an einem Wochentag im Schnitt 90 Personen ins Soup & Chill, erhöhte sich die Zahl während Corona auf 120. «Ich bin froh, dass diese Leute zu uns kommen. Es macht viel mehr Sinn, ihnen mit Nahrungsmitteln zu helfen, als sie in die Sozialhilfe zu stopfen, aus der sie auch nach Corona kaum mehr herauskommen», sagt Claudia Adrario de Roche. Zu den Bedürftigen gehören für sie auch die rumänischen Bettler: «Diese Menschen haben nicht wir nach Basel geholt. Wenn wir ihnen nichts zu essen geben, betteln sie noch mehr. Wir werden hier für etwas verantwortlich gemacht, das wir nicht angezettelt haben.»

Für Dieter Erb, Geschäftsführer GGG Basel, hat Soup & Chill eine Dimension angenommen, die so mit der GGG nie abgesprochen worden sei. «Wir würden niemals sagen, dass es sich bei den Leuten um Sozialschmarotzer handelt. Doch wenn man keine Ahnung hat, für wen und unter welchen Bedingungen unsere Beiträge verwendet werden, ist es schwierig zu wissen, ob die Hilfe bei den richtigen Personen ankommt.»

Es brodelt schon lange

Ähnliches sagt Ruedi Illes, Leiter der Sozialhilfe Basel-Stadt: «Es war nie die Absicht des Kantons, eine zweite Gassenküche oder ein ‹Wohnzimmer› für Basel und Umgebung zu finanzieren. Das Angebot von Soup & Chill wurde beispielsweise mit Gratisessen, Gratiskleidern, Gratisschlafsäcken fortlaufend ausgebaut – und zwar für alle Personen, die kommen, unabhängig von ihrer persönlichen Situation und ihrem Wohnort.» Schwierig findet er die Aussage, dass Soup&Chill so Menschen vor der Sozialhilfe bewahre: «Bei frühzeitiger professioneller Intervention der Sozialhilfe können Probleme oft einfacher und schneller gelöst werden, als wenn damit zugewartet und die Situation komplexer wird.»

Laut Claudia Adrario de Roche waren die Ausweitungen jedoch schlicht notwendig: «Eine Gassenküche, die am Wochenende oder zwischen Weihnachten und Neujahr schliesst, das geht doch nicht! Wir stopfen nur die Löcher.»

Hinter den Kulissen brodelt es zwischen den drei Geldgebern und Soup &Chill schon lange. Deshalb wurde eine externe Betriebsanalyse in Auftrag gegeben. Fazit: Der Tagesbetrieb der Wärmestube funktioniere gut, doch strukturell sei einiges verbesserungswürdig. Laut Claudia Adrario de Roche wurde dies inzwischen bereinigt.

Das sehen Kanton und die beiden Stiftungen anders. Der Kanton verlangt für weitere Subventionen unter anderem ein klares Betriebskonzept, in dem Angebot und Zielgruppen präzisiert werden, und einen realistischen Finanzplan. «Schliesslich haben wir zur Bedingung gemacht, dass der Zutritt zum Angebot reguliert und für die Essensausgabe ein minimaler Unkostenbeitrag verlangt wird, wie dies in anderen Institutionen auch der Fall ist», sagt Illes.

Soup & Chill will keine Beweise für Armut einfordern

Claudia Adrario de Roche erachtet es als eine Demütigung, von den Gästen Beweise zu verlangen, dass sie aktuell «bedürftig genug» sind. Überhaupt bezahle der Kanton zu wenig, um sich so stark ins operative Geschäft einzumischen. Von den 350’000 Franken, die der Betrieb in den Wintermonaten koste, habe der Kanton jeweils 50’000 beigesteuert: «60 Prozent unserer Gäste sind aus Basel. Der Kanton, aber auch die CMS und die GGG haben somit nicht einen Teller Suppe an einen Nicht-Basel-Städter bezahlt», so die Soup-&-Chill-Gründerin.

Ruedi Illes rechnet nicht damit, dass Soup & Chill auf die Forderungen des Kantons eingeht. «Aufgrund der bisherigen Erfahrungen müssen wir damit rechnen, dass unsere Vorstellungen und diejenige von Soup & Chill weiterhin weit auseinandergehen.» Der Kanton suche nun nach alternativen Möglichkeiten für ein neues Angebot.

Claudia Adrario de Roche hat tatsächlich nicht vor, einen neuen Budgetvorschlag einzureichen. «Wir werden den Weg der Freiheit wählen.» Der Sommerbetrieb sei gewährleistet. Für den Winter hoffe sie auf andere Geldgeber.
(https://www.bazonline.ch/wer-hat-anrecht-auf-gratisessen-bei-soup-chill-924322018910)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Nach ungenutzter Frist: Polizei räumt besetztes Haus in Berner Wasserwerkgasse
Drohnen, Hunde, Spezialeinheit: Die Polizei hat am Donnerstagmorgen in einer gross angelegten Aktion das seit Montag besetzte Haus an der Wasserwerkgasse 17 in Bern geräumt.
https://www.derbund.ch/polizei-raeumt-besetztes-haus-in-berner-wasserwerkgasse-385407291447
-> http://www.journal-b.ch/de/082013/politik/3849/Besetztes-Haus-in-der-Matte-wird-ger%C3%A4umt.htm
-> https://www.bernerzeitung.ch/polizei-raeumt-besetztes-haus-in-der-matte-861127122432
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/polizei-raeumt-besetztes-haus-an-der-wasserwerkgasse-141224928
-> Medienmitteilung Besetzer*innen: https://barrikade.info/article/4301


Solidaritätsaufruf Besetzung an der Wasserwerkgasse
Wir haben am Montag das Haus an der Wasserwerkgasse 17 in Bern besetzt. Die Eigentümerin, Energie Wasser Bern, hat es nicht für nötig gehalten, sich unsere Anliegen ernsthaft anzuhören.
https://barrikade.info/article/4301



bernerzeitung.ch 18.03.2021

Illegale Party in Bern: Er rannte der Polizei davon, nun muss er zahlen

Im September eskalierte eine illegale Party auf der Kleinen Allmend. Vier Anzeigen verteilte die Polizei, darunter an einen 25-Jährigen, der fliehen wollte.

Michael Bucher

An einem lauen Septemberabend im letzten Jahr wurde die Kleine Allmend in Bern zu einer grossen Freiluftparty. Mehrere Hundert Jugendliche und junge Erwachsene fanden sich am Stadtrand ein und feierten um ein grosses Feuer herum. Die meisten werden die illegale Party wohl besucht haben, um nach monatelangem Corona-Blues wieder mal auf den Putz zu hauen.

Doch eigentlich hatte die Veranstaltung Kundgebungscharakter. Das Kollektiv hinter der Fete wollte auf politische Missstände aufmerksam machen: Konsumzwang, Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes, Gentrifizierung der Quartiere. Dadurch wurde auch die Polizei hellhörig. Diese beobachtete die Situation vor Ort und schritt ein, als sich der Tross Richtung Innenstadt aufmachte. Eine Gruppe warf daraufhin Steine und Flaschen gegen die Polizisten. Auch kam es zu Sachbeschädigungen. Die Polizei reagierte ihrerseits mit Gummischrot, Reizgas und Wasserwerfer.

Fingerabdrücke abgenommen

Die strafrechtliche Ausbeute der Krawalle war trotz Grossaufgebot und Einsatz von Drohnen gering, wie sich nun zeigt. Zwar kontrollierte die Kantonspolizei 44 Personen, angezeigt wurden allerdings nur vier davon, wie die Staatsanwaltschaft mitteilt. Die genannten Gründe – Gewalt und Drohung gegen Behörde und Beamte, Hinderung einer Amtshandlung und Littering – lassen darauf schliessen, dass die eigentlichen Krawallmacher entkommen konnten.

Was droht den wenigen Verzeigten? Dieser Zeitung liegt ein Strafbefehl gegen einen 25-jährigen Berner vor, der in jener Nacht an der illegalen Party teilnahm. Nachdem sich die Lage etwas beruhigt hatte, war dieser zusammen mit rund 30 anderen unterwegs Richtung Galgenfeldquartier, im Schlepptau dabei: ein Soundmobil. Als Polizisten auftauchten, um die Gruppe zu kontrollieren, nahmen diese allesamt Reissaus.

Auch der 25-Jährige wollte sich aus dem Staub machen. Weit kam er allerdings nicht, so rannte er doch bei der nächsten Seitenstrasse in eine Polizeisperre. Das Wegrennen hat ihm eine Anzeige wegen «versuchter Hinderung einer Amtshandlung» eingebracht. Die Geldstrafe von 150 Franken wurde zwar nur bedingt auf zwei Jahre ausgesprochen, doch muss er Gebühren von 500 Franken zahlen. Darüber hinaus wurde er erkennungsdienstlich erfasst, was bedeutet, dass ihm Fingerabdrücke abgenommen wurden.

Holzwagen wurden entsorgt

Kleine Randnotiz: Die Kantonspolizei stellte nach der Party sieben Holzwagen – einer davon mit Stromgenerator und integriertem Lautsprecher – sicher. Gemäss einer Publikation im Amtsblatt hatten allfällige Besitzerinnen oder Besitzer zwei Monate Zeit, die Gegenstände bei der Polizei abzuholen. Laut Kantonspolizei erhob jedoch niemand Anspruch darauf, woraufhin die Wagen entsorgt wurden.
(https://www.bernerzeitung.ch/er-rannte-der-polizei-davon-nun-muss-er-zahlen-597528842794)



Contre le béton et son monde, toustes à la Colline contre l’expulsion de la ZAD !
L’évacuation de la ZAD de la Colline est prévue pour fin mars. Quelques infos avant la tempête.
https://renverse.co/infos-locales/article/contre-le-beton-et-son-monde-toustes-a-la-colline-contre-l-expulsion-de-la-zad-2977


Offener Brief: Klima-Aktivisten wollen auch ohne Bewilligung streiken
Am Freitag gehen Klimastreikende in 15 Schweizer Städten auf die Strasse. Mit Ausnahme von Zürich hätten alle Städte dafür eine Bewilligung erteilt, kritisieren die Zürcher Organisatoren.
https://www.tagesanzeiger.ch/klima-aktivisten-wollen-auch-ohne-bewilligung-streiken-904888870908
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-klima-aktivisten-wollen-auch-ohne-bewilligung-streiken-00154727/


Nächste Verhandlung im «Basel Nazifrei»-Prozess: Beschuldigter zu sieben Monaten bedingt verurteilt
Ein 31-Jähriger musste sich am Donnerstag vor Gericht verantworten. Er sei an der Anti-Pnos-Demonstration vor zwei Jahren vorne mit dabei gewesen und habe Steine in Richtung der Beamten geworfen. Das sei seine erste und letzte Demo gewesen, sagte der Beschuldigte vor Gericht aus.
https://www.bzbasel.ch/basel/strafgericht-basel-er-hat-steine-als-symbolischen-akt-geworfen-ld.2116077


+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
«Teuer und Kontraproduktiv»: SVP lehnt kurdische Übersetzungen auf Website der Stadt Bern ab
Die Berner SVP spricht sich gegen eine erweitere städtische Kommunikation auf Kurdisch aus. Kurdische Kulturvereine erachten ein Annahme der Motion hingegen als wichtig.
https://www.20min.ch/story/svp-lehnt-kurdische-uebersetzungen-auf-website-der-stadt-bern-ab-177453829822
-> RaBe-Info: https://rabe.ch/2021/03/18/warum-kein-kurdisch/
-> http://www.journal-b.ch/de/082013/politik/3848/Kurdinnen-und-Kurden-sprechen-Kurdisch.htm


+++JUSTIZ
Nationalrat will Revision der Strafprozessordnung beraten
Der Nationalrat will die Strafprozessordnung in einigen Punkten anpassen. Gegen den Willen der SVP hat er am Donnerstag entschieden, die Vorlage zu beraten und nicht zurückzuweisen. Nun beginnt das Feilen an den Details.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210318100217149194158159038_bsd078.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2021/20210318043012689194158159038_bsd015.aspx


+++MENSCHENRECHTE
Factsheet zum Übereinkommen der UNO über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK)
Das Übereinkommen der UNO über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK) soll sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen in den vollen Genuss ihrer Rechte und Grundfreiheiten kommen und nicht diskriminiert werden. Das Factsheet des SKMR illustriert einige Rechte der BRK und kantonale Umsetzungsbeispiele.
https://www.skmr.ch/de/themenbereiche/institutionelle-fragen/publikationen/uno-brk-recht-selbstbestimmtes-leben.html?zur=2


+++KNAST
Covid-19 in Gefängnissen – Situation für Inhaftierte spitzt sich zu
Gefangene auf der ganzen Welt wurden während der Covid-19-Pandemie vergessen. Das zeigt ein neuer Bericht von Amnesty International. Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus führten zu Menschenrechtsverletzungen wie exzessiver Einzelhaft. Viele Inhaftierte können sich nicht ausreichend vor dem Virus schützen.
https://www.amnesty.ch/de/themen/coronavirus/dok/2021/covid-19-in-gefaengnissen-situation-fuer-inhaftierte-spitzt-sich-zu/


+++BIG BROTHER
Zürcher Stadtparlament ist gegen Videokameras am Seebecken
Die Zürcher Stadtpolizei überwacht probehalber mit 18 Kameras das Geschehen am Utoquai, auf dem Sechseläutenplatz und beim Bahnhof Stadelhofen. Obschon es dort immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt, ist das Stadtparlament gegen den weiteren Einsatz der Kameras.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/zuercher-stadtparlament-ist-gegen-videokameras-am-seebecken?id=11950972


Schengener Informationssystem: Größte europäische Polizeidatenbank jetzt mit Irland
Vermutlich wegen der Corona-Pandemie ist die Zahl der Abfragen im SIS II drastisch gesunken. Auch irische Behörden nehmen jetzt an dem System teil, dürfen aber nur rund ein Drittel der dort eingetragenen Fahndungen nutzen.
https://netzpolitik.org/2021/schengener-informationssystem-groesste-europaeische-polizeidatenbank-jetzt-mit-irland/


+++POLICE BE
Rücktritt des Kommandanten der Kantonspolizei
Der Regierungsrat des Kantons Bern hat vom Rücktritt von Dr. Stefan Blättler als Polizeikommandant Kenntnis genommen. Stefan Blättler wird die Kantonspolizei nach seiner rund 15-jährigen Tätigkeit als Polizeikommandant per 31. Dezember 2021 verlassen. Der Regierungsrat dankt Stefan Blättler für die geleisteten Dienste und wünscht ihm für die Zukunft alles Gute.
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.mm.html/portal/de/meldungen/mm/2021/03/20210317_1642_kurzinformation_ausdemregierungsrat#portalnavrrcsubeleme_985721090


+++POLIZEI ZH
tagesanzeiger.ch 17.03.2021

Repression bei der Stadtpolizei Zürich: Wenn die «Rambo-Truppe» die Demo stoppt

Bei Demonstrationen sind häufiger Elitepolizisten im Einsatz. Dass die Stadtpolizei vermehrt auf rigoroses Durchgreifen setzt, stösst auch im Korps auf Kritik.

Corsin Zander

Die Liste der Vorwürfe linker Organisationen und Parteien gegen die Zürcher Stadtpolizei ist lang. Sie soll Demonstrantinnen am 6. März bei der unbewilligten Frauendemo aus nächster Nähe Pfefferspray ins Gesicht gesprüht haben, eine Frau bei der Verhaftung mehrfach gegen den Kopf geschlagen, sich rassistisch und sexistisch verhalten, Journalistinnen eingeschüchtert oder sogar Kinder drangsaliert haben. Noch länger ist die Liste der Unterschriften unter der entsprechenden Protestnote. Sie reicht vom feministischen Streikkollektiv, der studentischen Partei Kripo über das 1.-Mai-Komitee oder die Gewerkschaft VPOD bis hin zur Alternativen Liste.

Die Vorwürfe lassen sich nur teilweise verifizieren. Der wohl gravierendste Vorfall – ein Polizist soll eine Frau, die bereits am Boden lag, mehrfach gegen den Kopf geschlagen haben – wird momentan polizeiintern und später allenfalls von der Staatsanwaltschaft untersucht. Fotos und Videos der Vorfälle lassen darauf schliessen, dass gewisse Vorwürfe plausibel sind (lesen Sie hier mehr dazu).

Sondereinheit immer vorn mit dabei

Auf vielen dieser Bilder sind mit «BFE» beschriftete Polizisten zu erkennen. Der Polizist, der bei der Verhaftung zugeschlagen haben soll, gehöre allerdings nicht der BFE an, sagt Polizeisprecherin Judith Hödl.

BFE steht für «Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit». Sie gibt es seit 2005. Pro Jahr leistet sie etwa 20 Einsätze. 2020 waren es angesichts der wegfallenden Einsätze bei Fussballspielen und weniger Demonstrationen wegen der Pandemie bloss deren vier. Lange wurde die BFE kaum wahrgenommen, denn sie tritt erst seit 2017 deutlich beschriftet im sogenannten unfriedlichen Ordnungsdienst auf. So solle die taktische Einheit besser erkennbar sein, sagt Hödl.

Ein Polizist nennt die BFE im Gespräch «unsere Rambo-Truppe». Er möchte nur anonym Auskunft geben. Es wird korpsintern nicht gern gesehen, wenn Polizisten mit Medien sprechen. Für diesen Artikel haben es drei aktive und ein ehemaliger Polizist dennoch getan. Das hat mit einer Entwicklung zu tun, die polizeiintern teilweise kritisch gesehen wird.

Der Polizist bezeichnet die BFE als «Rambo-Truppe», weil sie nicht mit Kameras filmt oder anderweitig Beweise sichert, sondern als Festnahmespezialisten «dorthin gehen, wo es wehtut». Dafür werden bei der BFE auch Grenadiere der Interventionseinheit «Skorpion» eingesetzt. Diese wurde 2006 als schweizweit erste vollamtliche solche Spezialeinheit gegründet. Sie ist rund um die Uhr einsatzbereit und rückt etwa bei Geiselnahmen und Amokläufen aus. Oder wenn es darum geht, Gewaltverbrecher «unschädlich zu machen», wie es auf der Website der Stadtpolizei heisst.

In den vergangenen Jahren leistete die Einheit «Skorpion» durchschnittlich 330 solcher Einsätze. Ansonsten seien sie als «normale Polizisten» unterwegs, sagt Hödl. Sie wehrt sich gegen die Bezeichnung der BFE als «Rambo-Truppe». Es handle sich um Polizisten, die hohe Anforderungen im sportlichen, einsatztechnischen und mentalen Bereich erfüllten. Sie hätten es zum Teil «mit einer extrem aggressiven Gegenseite zu tun».
(-> Trailer Interventionseinheit Skorpion der Stadtpolizei Zürich: https://youtu.be/trVHcxtfRD8)

Jeden fünften Tag haben die momentan 74 Männer der Einheit «Skorpion» (Frauen gibt es in dieser Truppe keine) ein intensives Training. Der jüngste ist 27 Jahre alt, der älteste 52. Sie dürfen so lange in der Einheit bleiben, wie sie die jährlichen Sport- und Schiesstests bestehen «und auch alle anderen Arbeiten unter körperlichen Belastungen zu 100 Prozent ausgeführt werden können».

Kritik stösst auf wenig Gehör

Dass diese Grenadiere in einer 30 Kilogramm schweren Vollmontur an Demonstrationen eingesetzt werden, missfällt einem Polizisten, der schon mehrere Einsätze im unfriedlichen Ordnungsdienst geleistet hat: «Mit der Schutzausrüstung am ganzen Körper bin ich tendenziell aggressiver aufgetreten als sonst», sagt er.

Diese Haltung stösst bei den Verantwortlichen der Polizei offenbar aber auf wenig Gehör. Im Gegenteil: Beamte im unfriedlichen Ordnungsdienst tragen mehr Schutzausrüstung als noch vor einigen Jahren. Das Material wurde farblich immer dunkler, zuletzt wurde auch der Helm schwarz. «Das wirkt übertrieben bedrohlich», sagt der Polizist. Die Sicht der Demonstrierenden klingt ähnlich, wie ein Vertreter der Bewegung für den Sozialismus festhält: «Der Verdacht liegt nahe: Es geht um Einschüchterung und martialisches Auftreten.»

Polizeisprecherin Hödl sagt, es gehe um den Schutz der Polizisten. Sie würden bei Demonstrationen mit Raketen oder bei Fussballspielen mit Böllern angegriffen. Mit dem neuen Material habe man den Schutz verbessert. Bei der Beschaffung der neuen Helme seien verschiedene Farben geprüft worden. National und international seien dunkle Helme die Regel, sagt Hödl.

Rolle von Aufklärern wird geschwächt

Doch nicht nur mit ihrer Ausrüstung und Einheiten wie der BFE setzt die Stadtpolizei seit einigen Jahren vermehrt auf Repression. 2016 ist die Polizei im Rahmen des Projekts «Move» neu organisiert worden. Von dieser Umstrukturierung waren auch jene Polizisten betroffen, denen im Dialog mit Demonstrantinnen oder Fussballfans eine zentrale Rolle zukommt. Die sogenannten Aufklärer sind in Zivil unterwegs und beschäftigen sich etwa mit Linksextremen oder sogenannten «Risk-Fans». Als «Szenekenner» pflegen sie Kontakte zu den verschiedenen Gruppierungen. Das Vertrauen ging früher so weit, dass sie mit der Gegenseite Absprachen vornehmen konnten. Oder sie wirkten auf die Einsatzleitung ein, damit sich die Polizei zurückhält, um eine Eskalation der Gewalt zu verhindern. Viele Jahre lang habe das gut funktioniert, sagt ein ehemaliger Polizist. Exponenten der Fanszene bestätigen das.

Seither haben diese Aufklärer nun aber den gleichen obersten Vorgesetzten wie die Ermittler, die Straftatbestände festhalten und Befragungen durchführen. Ihr Pflichtenheft wurde zudem dahingehend angepasst, dass sie die Ermittler unterstützen müssen. So nehmen Aufklärer in Einzelfällen an Hausdurchsuchungen teil. Damit habe sich die Arbeit der Aufklärer deutlich erschwert, sagt ein Polizist. Die polizeilichen Kontaktpersonen würden bei der Gegenseite weniger Vertrauen geniessen.

Polizei setzt auf Dialogteams

2016 kam es unter anderem aufgrund dieser neuen Konstellation mehrfach zu heftigen und gezielten Angriffen auf Polizisten. Linksextreme wollten der Polizei so «eine Quittung ausstellen» für das zunehmend repressive Verhalten, berichtete damals die NZZ. Der damalige Sicherheitsvorsteher Richard Wolff lancierte deshalb das Projekt «Polizeiarbeit im urbanen Spannungsfeld». Daraus resultierten «Dialogteams», die seit 2018 an Grossanlässen und Demonstrationen eingesetzt werden. Polizisten in einer gelben Weste suchen seither den Kontakt zur Bevölkerung.

Eingesetzt werden dafür Polizistinnen und Polizisten aus den unterschiedlichsten Abteilungen – etwa aus der Verwaltungs- oder Personalabteilung. Diese haben teilweise wenig Erfahrung auf der Strasse. Sie werden zwar für diese Dialogeinsätze speziell ausgebildet, aber es fehlt ihnen der langjährige regelmässige Kontakt, den die Aufklärer früher hatten. Ein Dialog mit dem harten Kern von Aktivistinnen und Aktivisten ist so kaum möglich – zumal diese auch wissen, dass sie mit Vertretern der Dialogteams keine Vereinbarungen treffen können, wie das mit Szenekennern einmal der Fall war.

Verhärtete Fronten

Die Folgen dieser Entwicklung sind, dass sich die Fronten zwischen den beiden Lagern verhärten. Polizistinnen und Polizisten werden öfter direkt angegriffen – auch von Teilen der Frauenkampfbewegung. Auch wenn die grosse Mehrheit der Frauen weder militant noch gewaltbereit auftrete, sondern «wichtige Frauenanliegen mit Nachdruck vertritt», beobachte man, wie sich das linksextreme Umfeld radikalisiere, sagt Polizeisprecherin Hödl.

So waren am 6. März mehrere Frauen zu sehen, die Polizisten tätlich angriffen, nachdem die Polizei einzelne festnehmen wollte. Die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit reagiert wiederum mit Gewalt. Es gab Verletzte auf beiden Seiten.



Demos wegen Corona verboten

Trotz der Pandemie erlaubt der Bundesrat in seiner Covid-Verordnung Demonstrationen, weil diesen aus einer grund- und staatsrechtlichen Perspektive eine hohe Bedeutung zukämen. Der Zürcher Regierungsrat hingegen hat entschieden, Demonstrationen wie alle anderen Veranstaltungen zu behandeln, und begrenzt die Anzahl der erlaubten Personen auf 15. Er begründet das mit der epidemiologischen Lage, auch wenn er in anderen Bereichen eine Öffnung anstrebt.

Die Zürcher Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart hat dafür wenig Verständnis (lesen Sie hier mehr dazu). Ihre Polizisten müssen die Regeln dennoch durchsetzen, was sie zuletzt auch konsequent getan haben.

Dies hält aber gerade die Frauenkampfbewegung nicht davon ab, weitere Demonstrationen zu planen. Das sogenannte Niunamenos-Kollektiv ruft dazu auf, am Donnerstagabend auf dem Helvetiaplatz der Morde an Frauen zu gedenken. Auch für eine Frauendemo am Samstag wird mobilisiert. (zac)
(https://www.tagesanzeiger.ch/wenn-die-rambo-truppe-die-demo-stoppt-694644881655)



tagesanzeiger.ch 18.03.2021

Umstrittene Polizei-Kameras: Bodycams für Zürcher Polizei sind auf der Kippe

Seit über zwei Jahren beschäftigt sich eine Parlamentskommission mit den geplanten Körperkameras für die Stadtpolizei. Kurz vor Abschluss könnte das Geschäft noch scheitern.

Martin Huber

Das Thema Videoüberwachung sorgt in Zürich derzeit wieder für Kontroversen. Wie etwa am Mittwochabend im Stadtparlament, wo es zu einer hitzigen Diskussion um die neu installierten Polizeikameras am Seebecken kam. Umstritten sind aber auch die geplanten Uniformkameras für Stadtpolizistinnen und -polizisten.

«Mit Bodycams 50 Angriffe weniger auf Polizisten», erklärten im April 2018 der damalige Stadtzürcher Sicherheitsvorsteher Richard Wolff (AL) und Stadtpolizei-Kommandant Daniel Blumer bei der Ankündigung des Plans, die Stadtpolizei definitiv mit Minikameras auszurüsten – als Mittel der Gewaltprävention und zur Beweissicherung. Die Kameras, so die Hoffnung, könnten auch bei umstrittenen Verhaftungsaktionen für mehr Klarheit sorgen (lesen Sie hier mehr zum Einsatz von Elitepolizisten bei Demonstrationen).

Mit «Video»-Schild gekennzeichnet

Im November 2018 präsentierte der Stadtrat dann die Verordnung für die Bodycams (lesen Sie hier mehr dazu). Demnach sollen die kreditkartengrossen Kameras an der Polizeiuniform bei Kontrollen im öffentlichen Raum zum Einsatz kommen – jedoch nur in Situationen, die zu eskalieren drohen oder bei denen Polizistinnen und Polizisten angegriffen oder beschimpft werden.

Polizeiangehörige mit Kamera wären mit einem «Video»-Schild gekennzeichnet und müssten jedes Mal ankündigen, wenn sie ihr Gerät einstellen. Auch kontrollierte Personen könnten das Anschalten der Kameras fordern, wenn sie sich unkorrekt behandelt fühlen. Gelöscht würden die Aufnahmen nach 100 Tagen.

Doch im Einsatz sind die Kameras in Zürich noch immer nicht. Weil der politische Bewilligungsprozess sich in die Länge zieht. Seit bald zweieinhalb Jahren beugt sich die vorberatende Parlamentskommission über die Bodycam-Verordnung, ohne dass sie sich zu einem Entscheid durchringen konnte.

«Emotional aufgeladen»

Zwar stand das Geschäft vorige Woche auf der Traktandenliste des Gemeinderats, wurde dann aber wieder abgesetzt, weil die Kommission die Beratung doch noch nicht abgeschlossen hat. Die Diskussion um einzelne Punkte dauere weiter an, sagt Kommissionspräsident Pascal Lamprecht (SP).

Das Geschäft sei «emotional aufgeladen», die Meinungen gingen selbst in den einzelnen Fraktionen teils weit auseinander. Doch nun sei man auf der Zielgeraden, die Kommission werde das Geschäft «in den nächsten Wochen abschliessen», gibt sich Lamprecht optimistisch. Die Abstimmung im Parlament soll noch vor den Sommerferien stattfinden. «Es dürfte knapp werden, die Vorlage steht auf der Kippe», sagt der SP-Gemeinderat.

Links-grüne Zweifel am präventiven Charakter

Bekannt ist, dass neben AL und Grünen auch viele SP-Gemeinderatsmitglieder den Körperkameras kritisch gegenüberstehen, vor allem wegen des Datenschutzes, aber auch weil sie am präventiven Charakter der Bodycams zweifeln. Die Grundsatzfragen drehen sich laut Lamprecht um die Aspekte Überwachungsstaat und Gewaltprävention.

Ein Gegner der Bodycams ist Luca Maggi von den Grünen. Er befürchtet einen weiteren Ausbau der Überwachung im öffentlichen Raum und einen zu grossen Eingriff in die Grundrechte angesichts eines eher bescheidenen Nutzens. Studien in den USA hätten keinen wirklich positiven Effekt der Bodycams belegen können.

Kritische Töne kommen auch von der SVP, allerdings aus ganz anderen Gründen. «Es gibt für uns rote Linien, wenn die überschritten werden, lehnen wir die Vorlage ab», sagt Stephan Iten. So etwa, wenn in der Verordnung festgehalten werden sollte, dass Drittpersonen über den Kameraeinsatz der Polizisten entscheiden oder Bodycams im unfriedlichen Ordnungsdienst nicht zum Einsatz kommen dürfen.

Polizeibeamtenverband ist dafür

Der Polizeibeamtenverband der Stadt Zürich steht laut Präsident Werner Karlen grundsätzlich hinter den Bodycams, auch wenn es im Korps kritische Stimmen gebe: «Wir sind für die Kameras, wenn sie als Arbeitsinstrument verwendet werden und der Polizist oder die Polizistin selber entscheiden kann, wann er oder sie die Kamera aktiviert.»

Aber man sei dagegen, dass die Kameras als Instrument zur Überwachung der Polizeiangehörigen genutzt werden. Solche Fragen soll die Verordnung regeln, über welcher die Kommission noch immer brüte. «Es wird langsam Zeit für einen Entscheid», sagt Karlen. Auch er rechnet mit einer «engen Kiste» bei der Abstimmung im Gemeinderat – und hofft weiter auf ein «Votum zugunsten der Einsatzkräfte».

Kantonspolizei: «Kein Thema»

Im Gegensatz zur Zürcher Stadtpolizei sind Bodycams für die Kantonspolizei Zürich «derzeit kein Thema», wie es auf Anfrage heisst. Dafür will die Berner Kantonspolizei künftig solche Kameras im Einzelfall einsetzen. Auch die SBB möchten laut der «NZZ am Sonntag» ihre Transportpolizei, die in Bahnhöfen und in Zügen zum Einsatz kommt, mit Körperkameras ausrüsten.
(https://www.tagesanzeiger.ch/bodycams-fuer-zuercher-polizei-auf-der-kippe-430542239273)


+++POLIZEI DE
Interview mit Rafael Behr: Cop Culture und Polizeigewalt
Rassistische Polizeigewalt und struktureller Rassismus innerhalb der Polizei ist mit der Ermordung von George Perry Floyd am 25. Mai letzten Jahres durch einen weißen Polizisten und mit der Black Lives Matter Bewegung zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dabei ist rassistische Polizeigewalt natürlich kein neues Phänomen. Rassistische Polizeigewalt gehört für POCs und Menschen mit Migrationshintergrund beispielsweise in Form von ‚racial profiling‘ zum Alltag.
https://rdl.de/beitrag/cop-culture-und-polizeigewalt


+++QUEER
SVP-Forderung abgelehnt: Weiterhin Besuche von Homosexuellen an Berner Schulen
SVP-Grossrätin Sabina Geissbühler wollte mit einer Motion ein Schulprojekt verbieten, das mit Klassen über Homosexualität spricht. Damit scheitert sie nun deutlich.
https://www.derbund.ch/weiterhin-besuche-von-homosexuellen-an-berner-schulen-804361705337
-> https://www.bernerzeitung.ch/weiterhin-besuche-von-homosexuellen-an-berner-schulen-428834095728
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/188964/


+++RASSISMUS
Nach Freispruch des «Mohrenkopf»-Verkäufers von Rorschach: Staatsanwaltschaft will Urteil «sehr wahrscheinlich» nicht anfechten
Markus Heim verkaufte letzten Sommer mit schwarz angemaltem Gesicht und Perücke «Mohrenköpfe» der Firma Dubler. Das Kreisgericht Rorschach sprach ihn vom Vorwurf der Rassendiskriminierung frei. Nun hat die Staatsanwaltschaft Berufung angemeldet und verlangt vom Gericht eine schriftliche Begründung des Entscheids. Es scheint aber so, als würde sie den Fall nicht weiterziehen wollen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/rassismus-verdacht-nach-freispruch-des-mohrenkopf-verkaeufers-von-rorschach-staatsanwaltschaft-will-urteil-sehr-wahrscheinlich-nicht-anfechten-ld.2116013
-> https://www.blick.ch/schweiz/ostschweiz/urteils-begruendung-verlangt-muss-der-mohrenkopf-provokateur-nochmals-vor-gericht-id16408044.html


Antiasiatischer Rassismus in Deutschland
Antiasiatischer Rassismus existiert nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Basierend auf tatsächlichen und imaginierten Besuchen Asiens, haben seit dem 13. Jahrhundert Europäer*innen Narrative konstruiert und verbreitet, die bis heute wirkmächtig sind. In ihnen erscheinen Asiat*innen als „anders“, „exotisch“ und „gefährlich“. Auch in Deutschland lässt sich anhand von historischen Beispielen eine klare Kontinuität und Systemimmanenz von antiasiatischem Rassismus aufzeigen.
https://www.korientation.de/antiasiatischer-rassismus-in-deutschland-apuz/


+++RECHTSPOPULISMUS
Markus Somm lanciert den «Nebelspalter» neu: Es ist eine Sturzgeburt
Der «Nebelspalter» erscheint seit heute online als konservative Meinungsplattform. Das traditionelle Satiremagazin der Schweiz verliert damit den Witz. Eine erste Betrachtung.
https://www.tagblatt.ch/schweiz/medienkritik-markus-somm-lanciert-den-nebelspalter-neu-es-ist-eine-sturzgeburt-ld.2115967
-> Rendez-vous: https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/tagesgespraech-wie-funktioniert-rechte-satire?id=675b9877-3acd-4114-9b82-3103ee33c92b


+++RECHTSEXTREMISMUS
Interpellation SVP: Anschlag auf Bieler Synagoge: Was kann der Kanton und was sollte der Bund dagegen tun?
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-5d41c296a46041cb982dc9d91a14c547.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Gemeinderat ruft zu Kundgebungsverzicht auf
Eine Bürgerinitiative ruft für Samstag, 20. März, zu einer unbewilligten Kundgebung in den Strassen und Parks der Stadt Bern auf, um gegen die in der Schweiz geltenden Coronamassnahmen zu demonstrieren. Der Gemeinderat hält diesen Aufruf für unverantwortlich und fordert die Organisatoren auf, diesen umgehend zurückziehen und auf die Kundgebung verzichten.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/gemeinderat-ruft-zu-kundgebungsverzicht-auf
-> https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/le-conseil-municipal-appelle-a-renoncer-a-la-manifestation
-> https://www.bernerzeitung.ch/berner-gemeinderat-ruft-zu-demo-verzicht-auf-316409657227
-> https://www.derbund.ch/polizeidirektor-nause-kritisiert-demo-plaene-von-massnahmen-gegnern-821680966684


Halbwahrheiten: «Man könnte auch sagen: Die QAnon-Verschwörung ist einfach sehr schlechte Literatur»
Alle reden vom postfaktischen Diskurs, Nicola Gess erklärt, wie er funktioniert. Die Literaturwissenschaftlerin zeigt, was der Hochstapler aus den 1920er Jahren mit den Trickstern von heute gemeinsam hat. Und wie die Rechten die Meinungsfreiheit missbrauchen.
https://www.woz.ch/2111/halbwahrheiten/man-koennte-auch-sagen-die-qanon-verschwoerung-ist-einfach-sehr-schlechte


Anschlagsserie im Kanton Bern – Militanter Kampf gegen 5G: Die Attacken nehmen zu
Es gibt immer mehr mutmassliche Attacken auf 5G-Antennen. Beim jüngsten Fall bei Thun entstand enormer Sachschaden.
https://www.srf.ch/news/schweiz/anschlagsserie-im-kanton-bern-militanter-kampf-gegen-5g-die-attacken-nehmen-zu


Migros gibt Maskenverweigerer fünf Jahre Hausverbot
Ein Telegram-Nutzer darf nicht so schnell wieder in der Migros einkaufen. Er soll sich beim Einkaufen in der Zentralschweiz geweigert haben, eine Maske zu tragen.
https://www.20min.ch/story/migros-gibt-maskenverweigerer-fuenf-jahre-hausverbot-408518148316


Wirbel um Behörden-Entscheid: Müssen Corona-Bussen nicht bezahlt werden?
Ende Januar entzieht sich ein Corona-Skeptiker in Wald ZH der Maskenpflicht und kommt ohne Strafe davon. Doch damit ist nun Schluss.
https://www.blick.ch/schweiz/wirbel-um-behoerden-entscheid-muessen-corona-bussen-nicht-bezahlt-werden-id16408261.html
-> https://linth24.ch/articles/57374-masken-verzeigung-stadthalteramt-kann-nicht-buessen


Nach KZ Vergleich – Spital trennt sich von Belegarzt
Nachdem der Belegarzt L. F. auf den sozialen Medien unter anderem das Impfzentrum Zürich mit einem KZ verglichen hatte, zieht das Kantonsspital Uri einen Schlusstrich. Die Zusammenarbeit mit ihm wird per Ende Jahr beendet.
https://www.20min.ch/story/nach-kz-vergleich-spital-trennt-sich-von-belegarzt-189689385318
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/uri/uri-nach-kz-vergleich-kantonsspital-beendet-zusammenarbeit-mit-umstrittenem-chirurgen-ld.2115953


Geschäfte machen mit der Pandemie: Die Verschwörungsindustrie
Für manche ist Corona ein Geschäft: Crash-Propheten bieten Münzen an, Anwälte locken mit Klagen gegen Virologen. Reise zu den Heilsbringern der Krise.
https://taz.de/Geschaefte-machen-mit-der-Pandemie/!5754871/



bzbasel.ch 18.03.2021

Grossaufmarsch der Coronaskeptiker im Baselbieter Kantonshauptort

Die Kleinstadt Liestal dürfte am Samstag die grösste politische Kundgebung seit vielen Jahren erleben. Erwartet werden Tausende Kritiker der Coronamassnahmen aus der ganzen Schweiz und aus Süddeutschland. Und eine unbekannte Zahl Gegendemonstranten.

Hans-Martin Jermann

Das im Gegensatz zu Basel nicht sonderlich Demo-erprobte Liestal könnte übermorgen Samstag die grösste politische Kundgebung seit vielen Jahren erleben: Der Verein Stiller Protest ruft seit November schweizweit zu Demonstrationen gegen die behördlich verfügten Coronamassnahmen auf – und erlebt steten Zulauf: Nahmen Anfang Februar in Zug erst 800 Personen am Protestmarsch teil, waren es am 20. desselben Monats in Wohlen bereits 1600 und am 6. März in Chur von der Polizei bestätigte 4000. «Wir rechnen für Liestal mit mehr Teilnehmern», sagt Roland Lüthi, Mediensprecher von Stiller Protest auf Anfrage. Der Leidensdruck der Bevölkerung habe massiv zugenommen, daran änderten auch die in Aussicht gestellten Lockerungen nichts: «Der Bundesrat hat keine klare Exit-Strategie», kritisiert Lüthi.

Demo-Tourismus aus Süddeutschland

Mit einer Zunahme der Demonstranten gegenüber der letzten Kundgebung in Chur rechnet auch der freie Journalist Raimond Lüppken, der die Szene seit Monaten beobachtet und kritisch über sie schreibt. Zusätzlich mobilisierend wirken im Fall von Liestal der Demo-Tourismus aus dem süddeutschen Raum und in der Region stark präsente Anthroposophen-Bewegung, die mehrheitlich als coronakritisch gilt. Das heisst: Kommen am Wochenende 5000 Menschen zur bewilligten Demo nach Liestal, wäre das keine Überraschung, in den sozialen Medien ist von bis zu 10’000 Teilnehmern die Rede.

Kommt hinzu: Die links-alternative Jugend gegen Unterdrückung Liestal ruft in den sozialen Medien zur Gegendemo auf: «Zeigen wir den Schwurbler*innen und Antisemit*innen, dass sie in Liestal nicht willkommen sind», heisst es auf Instagram. Für diese Gegendemo ist allerdings keine Anfrage bei der Stadt Liestal eingegangen – sie wäre demnach unbewilligt.

In Absprache mit der Stadt Liestal und der Kantonspolizei wurde vorsorglich die Demo-Route geändert: Anstatt wie zunächst geplant vom Emma-Herwegh-Platz gleich am Bahnhof zur Kundgebung beim KV am engen Obergestadeckplatz (die bz berichtete) geht’s nun den Bahngleisen entlang via Wasserturmplatz die Stadt hinaus zur Schulanlage Frenke. Dort steht für die Demonstrierenden ein grosses Rasenfeld zur Verfügung. Die Organisatoren rufen die Teilnehmenden zudem auf, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen.

Kritik an passiver Polizei bei den letzten Demos

Die Stadt Liestal hat die Bewilligung an die Einhaltung der geltenden Coronaregeln geknüpft. Im Vordergrund steht dabei die Maskentragpflicht. Stiller-Protest-Sprecher Roland Lüthi betont, dass die Veranstaltungsleitung die Corona-Auflagen vor und während des Protestmarschs laut verlesen werde. Eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei habe für den Verein einen hohen Stellenwert, betont Lüthi. Für Szenekenner Lüppken sind das reine Lippenbekenntnisse: Mit zunehmender Teilnehmerzahl von Demo zu Demo sei der Anteil jener, die sich an die Maskenpflicht halten, stetig gesunken.

«Die Durchsagen zum Einhalten der Maskenpflicht werden jeweils durch laute Buhrufe oder Gelächter quittiert», sagt Lüppken. Komme hinzu, dass die Polizei an den Kundgebungen in Chur und Zug keine Anstalten gemacht habe, auf die Durchsetzung der Regeln hinzuwirken.

Ob und wie die Maskenpflicht durchgesetzt werde, würden die Einsatzkräfte vor Ort entscheiden, teilt die Baselbieter Polizei auf Anfrage mit. Nähere Angaben zum Aufgebot und Einsatz werden aus «polizeitaktischen Gründen» keine gemacht. Polizeisprecher Adrian Gaugler sagt einzig: «Wir rechnen mit einem Grossanlass, wie es ihn im Baselbiet nicht alle Tage gibt, und haben uns entsprechend vorbereitet.»

Veranstalter geht auf Distanz zu Extremisten

Der Verein Stiller Protest distanziert sich auf seiner Website von Gewalt sowie von Rechts- und Linksextremismus. Szenekenner Lüppken sieht die Massnahmengegner, die in der Schweiz auf die Strasse gehen, als Sammelbecken von Freiheitlich-Konservativen, Wutbürgern, Esoterikern und Rechtsradikalen. Treten Parteivertreter auf, sind es meist solche der SVP. Der Grossteil der Demonstrierenden und ihrer Aussagen bewege sich im Rahmen unserer demokratischen Rechtsordnung. Allerdings radikalisiere sich die Szene zunehmend. «Und leider wehren sich viele nicht dagegen, wenn ihre Bewegung von Extremisten vereinnahmt wird», sagt Lüppken.
(https://www.bzbasel.ch/basel/bewilligte-demo-grossaufmarsch-der-coronaskeptiker-im-baselbieter-kantonshauptort-ld.2115872)



Basler Zeitung 18.03.2021

Corona-Demo in Liestal: «Knacken wir die 10’000er-Marke?»

Am Wochenende soll im Stedtli der grösste Covid-Protest stattfinden, den es in der Schweiz je gab. Das Ganze soll einem «überspitzten» Schauspiel gleichen, wie die Organisatoren mitteilen. Die Behörden sind noch gelassen.

Benjamin Wirth

Es ist gut möglich, dass Liestal am Samstagnachmittag Zeuge der grössten Corona-Kundgebung wird, die hierzulande jemals stattgefunden hat. Diesen Rekord, ob man ihn nun will oder nicht, stellt zurzeit noch Chur – dort demonstrierten vor eineinhalb Wochen rund 4500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer bewilligten Demonstration gegen die aktuellen Bundesratsbeschlüsse.

Am kommenden Wochenende wird im Stedtli ein gewaltigerer Menschenauflauf erwartet, wie dem Social-Media-Kanal des Organisators, dem Verein «Stiller Protest», zu entnehmen ist. «Knacken wir die 10’000er-Marke?», lautet die eindringliche Frage, die unter den Beiträgen immer wieder gestellt wird.

Für Regula Nebiker (SP), zuständige Liestaler Stadträtin, sei es aktuell noch schwierig, die genaue Teilnehmerzahl einzuschätzen. «Wir orientieren uns an den Grössenordnungen der letzten Veranstaltungen», sagt sie. Eine noch grössere Ansammlung wäre in den Augen Nebikers jedoch unvernünftig. In der Region fand vergangenen November letztmals eine vergleichbare Veranstaltung statt, als sich rund 2000 Menschen auf dem Basler Messeplatz trafen.

Polizei ist gewappnet

Dass eine Kundgebung rasch auch überborden könnte, zeigen Beispiele aus der Region: Während sich der FCB-Protest in ein Volksfest umwandelte, feierten die Teilnehmer der letzten Frauendemonstration eine Freiluftparty. Liestal ist also gewarnt.

Doch im Stedtli werden auch durch die neuesten Ereignisse keine Zweifel erhoben: «Sofern die Regeln des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) eingehalten werden, gibt es keinen Grund, die Erlaubnis wieder zu entziehen», sagt Nebiker. Der Bundesrat gestatte politische Kundgebungen explizit, zudem sei die Bewilligung dafür bereits seit längerer Zeit gesprochen worden.

Die Organisatoren planen eine friedliche Demonstration. Auf der Website des «Stillen Protests» ist ein zweiseitiges Dokument zu finden, in dem erklärt und angeleitet wird, wie man sich vor Ort zu verhalten habe. Die Menschen sollen in weissen Anzügen als anonyme Personen einen Marsch absolvieren. Das Ganze soll eher einem «überspitzten» Schauspiel gleichen als einer provokanten Manifestation.

Stadträtin Nebiker sagt dazu: «Durch die Festlegung der Route ist sichergestellt, dass die Abstandsregeln auch bei grosser Teilnahme möglich bleiben.» Die Baselbieter Polizei soll die Kundgebung über die gesamte Zeit begleiten. «Wir führen eine laufende Lagebeurteilung durch und passen entsprechend das Sicherheitsdispositiv an», heisst es bei der Kantonspolizei.

Anwesend werden auch Vertreter des umstrittenen Vereins «Mass-voll!» sein, die sich laut eigenen Aussagen für verhältnismässige Corona-Vorschriften einsetzen. «Wir sind keine Corona-Skeptiker, sondern Kritiker von Massnahmen, die nicht mehr tragbar sind», sagt Co-Präsident Nicolas A. Rimoldi. Vor allem für die Jugend, die von keiner richtigen Lobby vertreten werde, wolle man sich einsetzen. «Wir fordern, dass die Stimme der Jungen im politischen Diskurs Gehör findet und nicht mehr ignoriert wird.»

Vereinsmitglieder von «Mass-voll!» würden nur auf bewilligte Demonstrationen gehen und sich auch für die Einhaltung der Schutzvorkehrungen starkmachen, sagt Rimoldi. «Der Protest in Liestal soll keine Party werden.»

Appell an Vernunft

Vor Ort werden ebenfalls lokale Politiker sein, die ein Zeichen setzen wollen. Sie wollen jedoch anonym bleiben, da sie befürchten, in eine Schublade mit Verschwörungstheoretikern und Corona-Leugnern gesteckt zu werden.

Diese Sorgen sind berechtigt. In den sozialen Medien wurden Personen, die sich für die Durchführung dieses Protests starkgemacht haben, teilweise aufs Übelste beleidigt.

Andere User können nicht verstehen, weshalb die Kundgebung überhaupt bewilligt worden ist.

Zu Wort gemeldet haben sich ebenfalls die Baselbieter Jungsozialisten. Die Juso verurteil, dass die Bewegung Rechtsextreme in den eigenen Reihen dulde und ungeachtet der pandemischen Lage auf Öffnungen poche.

Ihrem Unmut lässt auch die links-alternative Jugend gegen Unterdrückung Liestal freien Lauf. Sie ruft in den sozialen Medien sogar zur Gegendemo auf: «Zeigen wir den Schwurblern und Antisemiten, dass sie in Liestal nicht willkommen sind», heisst es auf Instagram. Für diese Kundgebung ist allerdings keine Anfrage bei der Stadt Liestal eingegangen, wie die bz berichtet – sie wäre demnach unbewilligt.

Wir werden sehen, was am Samstag im Stedtli geschehen wird. Der Liestaler Stadtrat sieht dem Wochenende trotz allem gelassen entgegen. Er geht davon aus, dass viele der Anwesenden vernünftig sein werden. «Ich bin sicher, dass es viele Menschen gibt, die in der Lage sind, sich an die Abstandsregeln und die Maskenpflicht zu halten, oder dann halt auch auf eine Teilnahme verzichten», so Nebiker.



Infos zur bewilligten Corona-Kundgebung

Die Protestaktion soll um 13 Uhr beim Liestaler Bahnhof beginnen. Danach geht es den Bahngleisen entlang via Wasserturmplatz zur Schulanlage Frenke. Dort soll für die Demonstrierenden ein grosses Rasenfeld zur Verfügung stehen.

Wie lange der Protest dauert, hängt davon ab, ob sich alle Teilnehmer an die BAG-Vorschriften halten. (bwi)
(https://www.bazonline.ch/knacken-wir-die-10000er-marke-312627922914)



Neue Doku über QAnon-Bewegung stellt Verbindung her – und nennt einen Namen: Ist «Q» jetzt endlich enttarnt?
Hunderttausende Amerikaner glauben an den angeblichen Regierungsbeamten «Q» und dessen wilden Theorien. Eine neue HBO-Serie zeigt jetzt, wer der gefährliche Drahtzieher sein könnte.
https://www.blick.ch/ausland/neue-doku-ueber-qanon-bewegung-stellt-verbindung-her-und-nennt-einen-namen-ist-q-jetzt-endlich-enttarnt-id16408000.html


+++HISTORY
Crypto AG: Viola Amherd äussert sich erstmals zur Spionage-Affäre
„Wenn man mit anderen Ländern zusammen¬arbeiten wolle, soll man diese nicht auf diese Art und Weise ausspionieren“, so die Bundesrätin.
https://www.inside-it.ch/de/post/crypto-ag-viola-amherd-aeussert-sich-erstmals-zur-spionage-affaere-20210318