Medienspiegel 6. März 2021

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SOLOTHURN
Der Neubau der Asylunterkunft ist in der Prioritätenliste nach unten gerutscht
Der Neubau des Asylpavillons Lostorf wird mit rund einem Jahr Verzögerung nun in Angriff genommen. Die Gründe für die Verzögerungen lägen bei der Gemeinde.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/niederamt/lostorf-der-neubau-der-asylunterkunft-ist-in-der-prioritaetenliste-nach-unten-gerutscht-ld.2110332


+++EUROPA
Frontex: Grenzschutzagentur auf dem Prüfstand
Seit Monaten steht die EU-Grenzschutzagentur Frontex im Verdacht, Migranten illegal in Richtung Türkei zurückgewiesen zu haben. Eine interne Untersuchung sollte den Vorwürfen nachgehen, doch im Abschlussbericht bleiben viele Fragen offen.
https://www.arte.tv/de/videos/102599-000-A/frontex-grenzschutzagentur-auf-dem-pruefstand/
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1149155.frontex-weiter-wie-gehabt.html



nzz.ch 06.03.2021

Der Chef von Frontex bleibt sich treu

Fabrice Leggeri ist der vielleicht meistgehasste Beamte in der EU. Der Direktor der Grenzschutzagentur Frontex steht unter Beschuss, weil seine Behörde gegen Grundrechte verstossen haben soll. Muss der Franzose als Sündenbock herhalten, oder hat er seine Arbeit tatsächlich nicht im Griff?

Daniel Steinvorth, Brüssel

Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann hat sein Urteil schon gefällt. Für ihn ist Fabrice Leggeri der Direktor einer «überteuerten Fantasy-Polizei», die «ein bisschen wie eine Zahnpasta» klinge und deren Logo an «Game of Thrones» erinnere. Eine «Shopping-Queen», die auf Einkaufstour gehe, um die Grenzschutzagentur Frontex bis 2027 mit elf Milliarden Euro aufzurüsten.

Ein Recherche-Team um Böhmermann hatte kürzlich ausgegraben, dass sich Leggeri 2017 mit Rüstungslobbyisten traf, von denen einige nicht im EU-Transparenzregister aufgeführt waren. Dieser angebliche Skandal passte gut in das Bild einer sinistren Militaristentruppe, die Brüssel nicht mehr im Griff hat. Für Verhandlungen mit der Rüstungsindustrie wurde Frontex allerdings von den Mitgliedstaaten mandatiert.

Stilles Bürokratenleben

Besonders in Deutschland steht Leggeri, der seit 2015 die am schnellsten wachsende Behörde der EU leitet, am Pranger. «Der Spiegel» hatte im Herbst zuerst über die mutmassliche Verstrickung von Frontex-Beamten in sogenannte Pushbacks berichtet.

In Brüssel geriet die Kommission daraufhin in Erklärungsnöte. Sie hatte einen Neustart in der Asyl- und Migrationspolitik versprochen. Asylbewerber notfalls mit Gewalt daran zu hindern, auf EU-Territorium zu gelangen, gehört nach den Worten der Innenkommissarin Ylva Johansson nicht dazu.

Johansson forderte Leggeri auf, eine Untersuchung einzuleiten. Das Verhältnis zwischen der linken Schwedin und dem etwas hölzern wirkenden französischen Karrierebeamten gilt seither als stark angespannt. Doch nicht nur gegenüber seiner Dienstherrin, auch vor den Europaabgeordneten und der EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly musste sich Leggeri immer wieder erklären.

Anfang Januar wurde zudem bekannt, dass die Antikorruptionsbehörde Olaf gegen Frontex ermittelt. Im Februar erklärte schliesslich ein internationales Anwaltsteam, Frontex vor den Europäischen Gerichtshof bringen zu wollen.

Die geballte Kritik lässt den 52-Jährigen bis jetzt jedoch nicht straucheln. Leggeri wirkt bei öffentlichen Auftritten noch immer so, als könne er die Aufregung um seine Person nicht nachvollziehen. Er sei den Medien in Deutschland und in den Benelux-Ländern besser bekannt als den französischen, scherzte Leggeri in einem Interview mit «Le Figaro». Ein stilles Bürokratenleben ohne Schlagzeilen, das schien ihm, der in seiner Heimat alle traditionellen Stationen der Verwaltungselite durchlaufen hatte, eher zu behagen.

Als Berater der Kommission wurde Leggeri schon vor 20 Jahren nach Brüssel entsandt. Im Projektbereich «Management der EU-Aussengrenzen» war der gebürtige Elsässer für die Gründung von Frontex zuständig, und angeblich soll er sich den Namen (die Abkürzung für «frontières extérieures» ) damals sogar selbst ausgedacht haben.

Seine spätere Berufung auf den Chefposten der Agentur wurde von Gruppen wie Pro Asyl anfänglich sogar begrüsst: Nachdem zuvor Ilkka Laitinen, ein finnischer Generalmajor, die Behörde geleitet hatte, galt ihnen der Zivilist und Migrationsexperte Leggeri als jemand «vom Fach».

Abschlussbericht kann Vorwürfe nicht klären

Nach den Erfahrungen der Flüchtlingskrise von 2015 blieb der Auftrag von Frontex gleichwohl heikel. Die Mitgliedstaaten verlangten eine stärkere Kontrolle der Aussengrenzen und waren bereit, ihre Grenzwache dafür kräftig aufzurüsten. Nur für eine begleitende gemeinsame Asylpolitik fehlte ihnen der Wille. Der Verdacht liegt nah, dass illegale Pushbacks heute als Preis für die Abwesenheit einer solchen Politik von vielen Staaten hingenommen werden.

Leggeri bestreitet das kategorisch. Bei einer Anhörung der «Frontex Scrutiny Group» im EU-Parlament wiederholte er am Donnerstag, was er seit Monaten sagt: dass es für eine Beteiligung seiner Agentur an Grundrechtsverletzungen keine Belege gebe. Verbesserungsvorschläge für seine Behörde wolle er jedoch gerne umsetzen.

Der Verwaltungsrat von Frontex, der am Freitag seinen Abschlussbericht herausgab, mag Leggeri hier nur bedingt entlasten. Es sei nicht möglich gewesen, fünf Verdachtsfälle von Pushbacks «über einen vernünftigen Zweifel hinaus restlos zu klären», heisst es in dem Bericht.

In acht weiteren Fällen wurde in einem Vorbericht im Januar kein Fehlverhalten entdeckt. Obwohl in Brüssel derzeit viele seinen Kopf fordern, dürfte sich der vielleicht meistgehasste EU-Beamte noch eine Weile über Wasser halten.
(https://www.nzz.ch/international/frontex-leggeri-streitet-pushbacks-ab-ld.1605139)


+++GASSE
bzbasel.ch 06.03.2021

Notschlafstelle: Basels Ratlosigkeit über die Bettelnden

Das Pilotprojekt mit der Notschlafstelle ist abgebrochen worden. Während aus Reihen der SVP Kritik kommt und der Verband der Sinti und Roma Schweiz gar von Totalversagen der Behörden spricht, fordert die SP nun einen runden Tisch.

Nora Bader

Ab Montag wird die Männernotschlafstelle in Basel wieder umfunktioniert. Einheimische Obdachlose müssen wieder dort übernachten und nicht mehr in Hotels, die wegen Corona leerstehen. Dies, weil das für osteuropäische Bettelnde geschaffene Angebot in der Männernotschlafstelle aufgehoben wird. Es wurde seit rund zwei Wochen nicht mehr genutzt, wie Recherchen der bz zeigten (Ausgabe von gestern). Grund dafür dürfte sein, dass sich Bettelnde innerhalb von zwei Wochen zwecks Aus- oder Weiterreise beim Migrationsamt hätten melden müssen. Getan haben das lediglich 17 Personen. Denn: «Viele dürften nicht weiterreisen wollen oder können», sagt Andreas Geringer, Präsident des Verbandes Sinti und Roma Schweiz (VSRS) gegenüber der bz.

«Was gerade in Basel passiert, ist ein trauriges Kapitel», so Geringer. Er habe mit einigen der Bettelnden hier gesprochen und zu vermitteln versucht. Manche kenne er schon länger. «Es hat Menschen darunter, die vorher in anderen Schweizer Städten gelebt haben», sagt er. Nicht alle unter ihnen seien Roma. Für Geringer ist klar: «Die Verantwortung wird hin- und hergeschoben. Die Behörden haben versagt.»

Nicht zufrieden mit dem Pilotprojekt in der Notschlafstelle ist auch SVP-Grossrat Joël Thüring. «Das vorliegende Resultat zeigt, dass das Angebot in der Notschlafstelle eben keine nachhaltige Lösung war.»

Es seien viel zu wenige Bettler abgereist und «immer Neue kommen nach», so Thüring, der sich für die Wiedereinführung des Bettelverbotes eingesetzt hatte. «Roma-Bettlern hätte man sicher nicht gratis Schlafplätze anbieten sollen. Sie haben im Gegensatz zu einheimischen Obdachlosen schliesslich eine Alternative: Die Heimreise nach Rumänien», so Thüring.

Die SP fordert einen runden Tisch

In der SP wird derweil die Forderung nach einem Runden Tisch laut: «Übernachten in der Notschlafstelle war von Anfang an eine temporäre Massnahme. Politik und Behörden müssen sich der Realität stellen, dass die Bettler aufgrund des EGMR-Urteils nicht so schnell verschwinden werden», sagt SP-Präsident Pascal Pfister. Es brauche jetzt einen sachlichen Dialog, damit Basel einen nachhaltigen Umgang damit finden könne.

Und SP-Grossrätin Barbara Heer sagt, die Notunterkunft habe offensichtlich während den sehr kalten Tagen einem Bedürfnis entsprochen: «Wir erwarten von der Regierung, dass Überlegungen stattfinden, wie längerfristig in extrem kalten Wintern Obdachlose mit EU/EFTA-Status Zugang zu einem warmen Schlafplatz erhalten.»

Da davon auszugehen sei, dass diese Menschen länger hier seien, «müssen wir als Stadtgesellschaft und auch die Verwaltung Wissen über ihre Bedürfnisse und die Logiken dieser Lebensweise aufbauen.» Heer fordert deshalb auch Forschung zur Thematik, allenfalls von der Fachhochschule Nordwestschweiz, welche über die Obdachlosigkeit in Basel bereits Studien gemacht hat.

Das Projekt ist noch nicht evaluiert

Joël Thüring sieht das Problem andernsorts: «Die Kontrolle des Aufenthaltsstatus und die Einhaltung der 90-Tage-Regel ist in der Praxis schwierig, da wir offene Grenzen haben und man problemlos inner-europäisch reisen kann.» Es sei ein Fakt, dass Roma-Bettelnde immer wieder mit günstigen Wizz-Air-Flügen für weniger als 50 Franken von Basel nach Bukarest reisen würden, so Thüring. Aus seiner Sicht bestehe keine Notsituation. «Die Situation wird sich, jetzt wo es wärmer wird, weiter verschlechtern. Bereits heute sind fast ausnahmslos alle Geschäfte von Grossverteilern in den Aussenquartieren von Bettlern belagert», so Thüring.

Die Regierung hatte für die Unterbringung der Menschen ohne Obdach in Hotels und die Umfunktionierung der Notschlafstelle Mitte Januar eine Viertelmillion Franken gesprochen, das Projekt hätte bis Ende März und nicht wie nun nur bis Ende dieser Woche laufen sollen. Wieviel Geld noch übrig bleibt und was damit passiert, ist derzeit unklar. Das Projekt sei noch nicht evaluiert worden, heisst es auf Anfrage beim Sozialamt.

Betroffen von diesem frühzeitigen Abbruch des Übernachtungsprojektes sind also auch die ortsansässigen Obdachlosen, die während dieser Zeit in Hotels untergebracht werden sollten.

«Wir haben bis jetzt keine Reaktionen dazu erhalten», sagt Michel Steiner vom Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter. Aber das bedeute, dass ab Montag wieder «Normalbetrieb» sei bei den Notschlafstellen. Und dass die Notschlafstelle auf Dauer keine Lösung sei, liege auf der Hand, müsste aber anders geregelt werden: Indem die wohnungslosen Menschen «einfach» eigenen bezahlbaren Wohnraum hätten. Denn in Notschlafstellen habe man keine Privatsphäre und Mehrbettzimmer. Zudem sei der Ort von 8 bis 20 Uhr geschlossen.
(https://www.bzbasel.ch/basel/notschlafstelle-gesucht-eine-loesung-fuer-die-bettelnden-in-basel-ld.2110285)



Bettelnde in Basel: Gekommen, um zu bleiben

Dass das Projekt Notschlafstelle gescheitert ist, überrascht nicht. Die Bettler aus Rumänien haben unser System von Anfang an überfordert. Das ist nicht schlimm.

Benjamin Rosch

Am Anfang stand ein frommer Wunsch: SP und Grüne wollten das Betteln entkriminalisieren und strichen den Artikel aus dem Übertretungsstrafgesetz, das Volk gab seinen Segen dazu. Was darauf folgte, ist eine Überforderung des gesamten Basler Apparats von Behörden, Politik und Medien bis zu einem Punkt, an dem man meinen könnte: Es gäbe ein Problem.

Im Grunde ist Folgendes passiert: Die nicht zuletzt dank der Personenfreizügigkeit prosperierende Stadt Basel hat sich in einem speziellen Akt der Barmherzigkeit dafür entschieden, das Betteln wieder zu erlauben. Einig waren sich damals alle grosse Parteien, Linke wie Bürgerliche: Es ging um die Einzelschicksale, niemand wollte Bettelbanden. Weil Armut in der Schweiz nichts Öffentliches ist, schaute auch niemand auf die sozialen und politischen Grauzonen, in denen sich viele Bettelnde aus Osteuropa durch ganz Westeuropa bewegen. Weder als mafiöse Clans noch als Einzelfiguren, sondern in losen Verbänden. Das neue Gesetz war kein Jahr alt, da wurde es auf die Probe gestellt. Familien aus Rumänien machten sich breit in der Stadt, wuschen sich in Brunnen und schliefen nachts in Parks.

Die Öffentlichkeit reagierte erwartbar. Die einen beschwörten eine Verslumung der Innenstadt herauf, andere ergossen sich in hemmungslosem Sozialkitsch. Das Spektrum reicht bis heute von kaum verhehltem Rassismus bis zu romantischer Naivität.

Beides ist zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Wir halten es für eine westliche Errungenschaft, das Betteln aus dem Stadtbild getilgt zu haben. Betteln ist nach unseren Begriffen würdelos und nicht zuletzt sogar frech. Nicht nur, weil die Bettelei keine produktive Arbeit ist. Schliesslich, so die vorherrschende Meinung, schaut der Sozialstaat nach allen. Nachsicht hat man höchstens mit «unseren» Bettlern, den Junkies am Bahnhof. Jene armen Teufel halt, die irgendwie immer durch die Maschen fallen oder vereinzelt sogar auf den Staat verzichten wollen.

Wer hinter den Bettlern professionelle Banden in ständigem Austausch mit der Heimat und dem grossen Reibach in der Fremde vermutete, kam allerdings irgendwann in Erklärungsnot, als die Temperaturen unter den Gefrierpunkt sanken und die Leute mit Kopftüchern immer noch für ein paar Franken der Kälte harrten. Dagegen war es warmherzigen Naivlingen auch nicht recht, als plötzlich sogar Kinder die hohle Hand machten. Und selbst blauäugige Menschen werden erkennen, dass es drei Kategorien Bettler gibt: Frauen, Alte, und verhältnismässig jüngere Männer, die aber alle an einem Gebrechen leiden. Es braucht schon etwas Selbstbetrug, um dahinter keine Tricks zu sehen. Insgeheim dürften die meisten gehofft haben, dass sich das Problem schon irgendwie selber löst. Aber die Bettelnden sind geblieben.

Nun scheitert also das Projekt Notschlafstelle fulminant schon nach wenigen Wochen. Vor dem historischen Hintergrund der Roma ist es auch wenig verwunderlich, dass sich kaum jemand für ein Bett registrieren lassen wollte. Zudem ist die Winterzeit im Mitleid-Business die ergiebigste, sich jetzt ausschaffen zu lassen ergibt schlicht keinen wirtschaftlichen Sinn. Wer kann, kramt jetzt Geld zusammen, um Ostern in der Heimat zu verbringen, um an den Hochzeiten teilzunehmen und im Sommer wieder zurückzukehren. So schildern es Leute, die sich eingehend mit Roma befasst haben. Was der Kanton wohl nie tat.

Nach mehreren Monaten der Erfahrung mit den Bettelnden bleibt die Erkenntnis: Die Bettler kamen nicht hierhin, damit ihnen geholfen wird. Sie wollen nur unser Geld.

Aber ist das verwerflich? Es wird niemand gezwungen, Geld zu geben. Und wie kann man sich ernsthaft daran stossen, dass Menschen die Brunnen zum Baden und die Parks zum Schlafen benutzen? Was uns im Kern doch wirklich stört, ist die Konfrontation mit den Verlierern eines weltweit kapitalistischen Systems. Nicht weil wir selber Angst hätten, dort zu landen. Aber weil sich niemand eingestehen will, dass Reichtum im Entferntesten auch eine Schuld an Armut haben kann.

Damit bleiben nur zwei Wege: einen fatalistischer und ein noch fatalistischerer. Man könnte nach einer Lösung suchen, um die Bettler loszuwerden. Es wird sich wohl ein genügend repressiver Weg finden, der sich noch im Rahmen des menschenrechtlich Zulässigen befindet. Damit exportiert man das Problem, was in den Augen vieler gemeinhin als Lösung gilt. Oder aber man gewöhnt sich an die neue Situation. Man findet sich damit ab, dass eine unfassbar reiche Stadt, eine Gewinnerin einer globalen Wirtschaft, irgendwann auch mit ihren Verlierern konfrontiert wird. Dann muss man die 250’000 Franken aus der Sozialhilfe als Abschreiber verbuchen, bei jährlichen Unternehmenssteuereinnahmen von über 800 Millionen Franken.
(https://www.bzbasel.ch/basel/analyse-bettelnde-in-basel-gekommen-um-zu-bleiben-ld.2110450)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
„Heute versammelten sich in #Bern einige TINF Personen, um Solidarität mit dem entschlossenen Protesten in #Zürich zu zeigen. Die Repression, die massive Gewalt, sowie das sexistische Verhalten der Cops schüchtern uns nicht ein. Wut zu Widerstand #8mrzunite“
(https://twitter.com/ag_bern/status/1368322296721637384)


Wut zu Widerstand! – Hunderte demonstrieren in Zürich gegen Sexismus und Patriarchat
Zum feministischen Kampftag nahmen sich am Samstag in Zürich über tausend Frauen, Lesben, inter, trans, non-binary und agender Personen die Strasse. Die Polizei war mit einem Grossaufgebot präsent und versuchte, jegliche Aktionen – teils mit massiver Gewalt – zu unterbinden. Vergeblich.
https://www.ajourmag.ch/8mrzunite/
-> https://www.tagesanzeiger.ch/tag-der-frau-polizei-loest-illegale-kundgebung-auf-533767709288
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/zuerich-pfefferspray-und-verhaftungen-bei-unbewilligter-frauen-demo-ld.2110562
-> https://www.zsz.ch/tag-der-frau-polizei-loest-illegale-kundgebung-auf-533767709288
-> https://www.landbote.ch/tag-der-frau-polizei-loest-illegale-kundgebung-auf-533767709288
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/traenengas-und-gebissener-polizist-an-illegaler-frauen-demo-in-zuerich-00153775/
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/zuerich-pfefferspray-und-verhaftungen-bei-unbewilligter-frauen-demo-ld.2110562
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/verhaftungen-und-pfefferspray-an-unbewilligter-frauendemo-in-zuerich-141067716
-> https://www.telezueri.ch/news/unbewilligte-frauen-demo-pfefferspray-und-verhaftungen-in-zuerich-141066598
-> https://www.20min.ch/story/polizei-loest-frauen-demo-in-zuerich-auf-885784943522
-> https://www.watson.ch/!553736085
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/verbotener-protest-in-zuerich-polizei-schreitet-bei-frauendemo-ein-id16385342.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/stadtpolizei-zuerich-geht-gegen-kundgebungen-zum-frauentag-vor?id=11944771 (ab 03:48)
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/verbotene-frauendemo-in-der-stadt-zurich-65883070

Bilder, Videos + Berichte:
https://twitter.com/ajour_mag
-> https://twitter.com/__investigate__
-> https://twitter.com/srfnews/status/1368238857070800899
-> https://twitter.com/antira_org/status/1368204118238625804/photo/1
-> https://twitter.com/StadtpolizeiZH/status/1368177280187592711
-> https://twitter.com/femstreikzh



nzz.ch 06.03.2021

An der unbewilligten Demonstration in Zürich wurde ein Polizist gebissen und zwei Frauen verhaftet

In der Zürcher Innenstadt versammelten sich am Samstag Hunderte Demonstrantinnen. Bei dem darauffolgenden Polizeieinsatz wurde Pfefferspray eingesetzt. Zwei Demonstrantinnen wurden verhaftet.

nad./fbi./vö.

Auf Zürichs Strassen kehrt wieder Ruhe ein. Bei der Bäckeranlage, wo die verschiedenen Demonstrationsszüge anlässlich des internationalen Tags der Frau sich zusammenfinden wollten, waren nur rund zehn Polizeiwagen zu sehen. Die Protestierenden dagegen hatten sich bereits vor dem offiziellen Endpunkt ihres Demonstrationszuges wieder verstreut.

Nach 18 Uhr waren in der Stadt nur noch Passanten anzutreffen. Weder die Parolen der Protestierenden, noch die Sirenen der Polizei liessen sich vernehmen. Dennoch bleibt die Präsenz der Polizei vorläufig hoch. Wagen patroullieren durch die Stadt und halten nach versprengen Demonstrationszügen Ausschau.
Demonstrantin biss Polizisten

Die Stadtpolizei hat während der Demonstration «zwei Frauen festgenommen und weit über 100 Personen kontrolliert, verzeigt oder weggewiesen», wie sie in ihrer Medienmitteilung schreibt.

Zur ersten Verhaftung kam es, weil ein Polizist während des Einsatzes von einer Demonstrantin gebissen wurde. Daraufhin wurde die Frau unter heftiger Gegenwehr festgenommen. Zur zweiten Verhaftung kam es an gleicher Stelle, als mehrere Personen sich mit der Festgenommenen solidarisierten und versuchten, sie von der Polizei zu befreien. Die Polizei setzte zudem Pfefferspray ein.

    Ein Teil der Demo-Teilnehmenden zieht sich langsam zurück. Wir sind im Kreis 4 weiterhin mit einem Aufgebot vor Ort. ^sa
    — Stadtpolizei Zürich (@StadtpolizeiZH) March 6, 2021

Zwei unbewilligte Demonstrationen nacheinander

Kurz nach 13 Uhr hatten sich an verschiedenen Orten in der Zürcher Innenstadt Demonstrationszüge formiert. Zum Protest aufgerufen hatte das Kollektiv «Feministischer Streik Zürich» anlässlich des am Montag anstehenden internationalen Tages der Frau.

Die Stadtpolizei Zürich verwies zwar mehrfach auf das noch immer bestehende Veranstaltungsverbot, erzielte damit allerdings kaum Wirkung. Nach weniger als einer Stunde löste die Polizei die unbewilligten Protestzüge deshalb auf.

Auf Twitter notierte die Polizei: «Wir dulden keine verbotenen Menschenansammlungen und setzen das Veranstaltungsverbot durch. Wir kontrollieren, verzeigen und weisen weiterhin uneinsichtige Personen konsequent weg. »
Polizei kann Demonstrationszug nicht verhindern

Um 15 Uhr 30 versammelten sich die Protestierenden erneut zu einem Demonstrationszug. Mehrere hundert Teilnehmer versammelten sich rund um den Helvetiaplatz. Die Polizei markierte mit einem Grossaufgebot und Wasserwerfern Präsenz. Am losmarschieren hindern konnten sie den Demonstrationszug jedoch nicht. Die Polizei setzte während des Einsatzes auch Pfefferspray ein. Den Grund dafür nannte sie auf Twitter: Es sei zu Angriffen gegen Polizisten gekommen. Der Einsatz von Reizstoff sei daher verhältnismässig. Mehrere Personen wurden zudem abgeführt.

    Wut zu Widerstand! Trotz massivem Polizeiaufgebot nehmen sich hunderte Frauen, Lesben, inter, non-binary, trans und agender Personen die Strasse in #Zurich. #8mrzunite pic.twitter.com/r33ZFYD1vW
    — ajour magazin (@ajour_mag) March 6, 2021

Die Stadtpolizei Zürich verweist auf Anfrage der NZZ auf den noch laufenden Einsatz: Angaben über die Zahl der Demonstrantinnen, Festnahmen oder Wegweisungen könne man derzeit noch keine machen.
Der öffentliche Verkehr ist teilweise gesperrt

Vom Demonstrationsumzug betroffen ist auch der öffentliche Verkehr. Der ZVV meldet, dass wegen des Aufmarschs die Strecken zwischen Stauffacher und Schiffbau sowie zwischen Helvetiaplatz und Militär-/Langstrasse für den Trambetrieb der Linie 8 und den Busbetrieb der Linie 32 in beiden Richtungen gesperrt seien.

    Ganze Kreuzung Stauffacherstrasse/Langstrasse besetzt – das war eher so mittel erfolgreich, stimmt’s, @StadtpolizeiZH? #frauenkampftag #8märz #zuerich https://t.co/PM0oX8dvHG pic.twitter.com/bPlYFsYkeh
    — Ronnie Grob (@ronniegrob) March 6, 2021

Die Linie 8 verkehre zwischen Escher-Wyss-Platz und Paradeplatz in beiden Richtungen via Bahnhofstrasse bis zum Limmatplatz. Die Linie 32 fahre nur die Strecken Holzerhurd bis Limmatplatz und Strassenverkehrsamt bis Kalkbreite.
(https://www.nzz.ch/zuerich/frauendemo-in-zuerich-polizei-kann-umzug-nicht-verhindern-ld.1605315)



ETH-Student Martin S. wegen Neonazi-Schlägerei und G20-Krawall vor Gericht: Physiker mit kurzer Lunte
Der Zürcher ETH-Student Martin S. (29) soll ein linksextremer Gewalttäter sein. Am Mittwoch steht er vor Gericht. Die Anklage: eine Prügelei im Niederdorf und Beteiligung an den Krawallen am Rand des G20-Gipfels in Hamburg 2017.
https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/eth-student-martin-s-wegen-neonazi-schlaegerei-und-g20-krawall-vor-gericht-physiker-mit-kurzer-lunte-id16384646.html


«Nieder mit dem Patriarchat!»: Aufruf zu Grossdemo am Montag
Der «Feministische Streik» und die «Revolutionäre Jugend» wollen am internationalen Frauentag auf dem Theaterplatz eine Protestkundgebung abhalten.
https://primenews.ch/news/2021/03/nieder-mit-dem-patriarchat-aufruf-zu-grossdemo-am-montag


+++RECHTSPOPULISMUS
Roger Köppel verteidigt Auftritt bei Corona-Skeptiker
Der SVP-Nationalrat sprach über drei Stunden im Youtube-Format Stricker TV. Politologen sind sich einig, dass dahinter Kalkül steckt – und eine «höchst zynische» Haltung.
https://www.20min.ch/story/roger-koeppel-verteidigt-auftritt-bei-corona-skeptiker-675560574141
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/roger-koppel-reicht-corona-verharmloser-stricker-die-hand-65882338


Keine falschen Hemmungen mehr
Wie der Nationalrat in der Schweizer Corona-Politik agiert, zeigt: Die Distanzen zwischen dem bürgerlichen Mainstream und dem radikalen Rechtspopulismus sind kurz geworden.
https://www.republik.ch/2021/03/06/keine-falschen-hemmungen-mehr


SVP-Grossrätin erntet nach Motion gegen homosexuelle Aufklärung Shitstorm
Mit einer Motion will die SVP-Grossrätin Sabina Geissbühler-Strupler gegen die homosexuelle Aufklärung an Schulen vorgehen. Dafür schwappt der Politikerin nun eine Hass-Welle entgegen.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/svp-grossraetin-erntet-nach-motion-gegen-homosexuelle-aufklaerung-shitstorm-141067403


+++RECHTSEXTREMISMUS
SVP Tessin in Erklärungsnot: Kandidatin marschierte in SS-Uniform auf
Eine Tessiner SVP-Ortspartei stellte eine Kandidatin für Gemeindewahlen auf, die in Italien wegen Verherrlichung des Faschismus angeklagt war. Inzwischen hat sich die Partei von der Frau distanziert – gerät aber trotzdem in Erklärungsnot.
https://www.blick.ch/politik/svp-tessin-in-erklaerungsnot-kandidatin-marschierte-in-ss-uniform-auf-id16385174.html


Wer steckt hinter „NSU 2.0“?
Seit Jahren verschicken ein oder mehrere Täter rassistische Drohschreiben und zuletzt auch Bombendrohungen – und greifen dabei offenbar auch auf Insiderwissen der Polizei zurück. Ein Einblick in heikle Ermittlungen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-rassismus-nsu-2-0-polizei-1.5226019


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
CHUR:
-> https://www.20min.ch/story/gegner-der-corona-massnahmen-demonstrieren-in-chur-488427124883
-> https://www.suedostschweiz.ch/politik/2021-03-06/tausende-demonstrieren-in-chur-gegen-corona-massnahmen
-> https://www.blick.ch/schweiz/graubuenden/demo-gegen-die-massnahmen-tausende-corona-skeptiker-in-chur-auf-der-strasse-id16385642.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/esaf-2025-findet-in-mollis-gl-statt?id=11944729 (ab 05:39)
-> https://www.toponline.ch/news/coronavirus/detail/news/grosse-anti-corona-demo-in-chur-00153780/
-> https://www.watson.ch/!236372377
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-hunderte-treffen-sich-in-chur-zur-mass-voll-demo-65882306
-> https://twitter.com/__investigate__


Chur, Wien, Stockholm: Heute wurde in halb Europa gegen die Corona-Massnahmen protestiert
Heute kam es in verschiedenen Ländern Europas zu Demonstrationen gegen die jeweiligen Corona-Massnahmen. In Chur nahmen mehr als 4000 Personen am Protest teil.
https://www.watson.ch/!236372377



nzz.ch 06.03.2021

«Alles soll bedingungslos öffnen»: Junge Schweizer organisieren sich auf Telegram, um gegen den Lockdown vorzugehen

Sie nennen sich «Mass-voll!» und haben innert weniger Tage über 1300 Follower auf Telegram gefunden: Eine Gruppe von jungen Schweizern kämpft dafür, dass das Leid der Jugend in der Krise mehr Beachtung findet. Am Samstag wollen die Organisatoren auch am Protest in Chur teilnehmen.

Corinne Plaga

«Wir wollen einen friedlichen und konstruktiven Diskurs. Hate-Speech hat auf unseren Kanälen nichts verloren», erinnert ein Administrator die Abonnenten der Telegram-Gruppe «Mass-voll!» an die Verhaltensregeln im Chat. Seit einer Woche tauschen sich die Initianten mit ihren Followern auf mehreren sozialen Kanälen aus, diskutieren über laufende Massnahmen und informieren über Veranstaltungen. Für den Protestmarsch in Chur am heutigen Samstag werden Mitfahrgelegenheiten angeboten. Dort will sich der neu gegründete Verein unter Gleichgesinnten präsentieren.

«Der zweite Lockdown, mit dem sich der Bundesrat völlig verrannt hat und unsere Grundrechte abgeschafft hat, war für uns die rote Linie. Das Mass ist voll. Jetzt machen wir auf das Leid der Jugend aufmerksam», erklärt Nicolas A. Rimoldi, einer der Gründer der Gruppe im NZZ-Interview. Der 26-jährige Freisinnige, der sich immer wieder mit der eigenen Partei anlegt, bezeichnet die Massnahmen des Bundesrats als «menschenverachtend». Seiner Meinung nach richten die Einschränkungen weitaus mehr Schaden an als das Virus selbst.

Um jungen Schweizern, die sich gegen die Corona-Politik der Regierung wehren wollen, eine Struktur zu bieten, habe man die Gruppe ins Leben gerufen. Seit Tagen trommeln die Initianten von «Mass-voll!» auf Instagram, Twitter, Telegram und Co. für ihr Anliegen. Rund 16 Personen seien derzeit im Kernteam, so Rimoldi. Und er betont: Die politische Herkunft spiele keine Rolle. Von links bis rechts sei alles vertreten.

Eine seiner Mitstreiterinnen ist Carla Wicki, die an der Universität Zürich Rechtswissenschaften studiert und sich als Co-Präsidentin des Vereins vorstellt. Auch sie sorgt sich um die negativen Folgen für die Jugend. Sie nennt die steigenden psychischen Probleme bei jungen Menschen, den Verlust von Sicherheit und Orientierung sowie den fehlenden Austausch mit den Gleichaltrigen als Kernprobleme. Tatsächlich leiden die Jungen besonders unter der Corona-Krise.

Fehlende Lehrstellen und ein angespannter Arbeitsmarkt seien nur einige Herausforderungen, so Wicki. «Als Jugendlicher hat man keine gute Aussicht auf eine Stelle», sagt die 24-Jährige. «Die Bedürfnisse der Jugend werden völlig ignoriert», ergänzt Rimoldi. Die Jugendzeit sei besonders prägend, und diese Phase werde den Jungen genommen.

«Es ist für mich absurd, die Jugend so einzuschränken, denn sie leidet am meisten unter den Massnahmen», erzählt die 17-jährige Noe*, die das Anliegen der Gruppe unterstützt und die Chats in Telegram verfolgt. «Ich will nicht in Angst leben müssen, sondern in Freiheit und Freude.» Alina*, ebenfalls 17 Jahre alt, gibt an, im Oktober ihre Lehrstelle verloren zu haben. Ausserdem leide ihre beste Freundin sehr unter der Situation. Es sei Zeit für eine Veränderung, fordert sie.

Dass die Botschaft der Freiheit auch bei Erwachsenen Anklang findet, verwundert nicht. In der Gruppe auf Telegram melden sich auch immer wieder ältere Unterstützer zu Wort. «Ich freue mich riesig, dass die Jugend aufsteht und ihre Rechte einfordert. Wehrt euch!», schreibt Userin Elisabeth*. Die Gruppe sei allerdings explizit für die Jungen, betonen die Betreiber. In den öffentlichen Chat-Diskussionen wird unter anderem die Maskenpflicht kritisiert, die Wirksamkeit der PCR-Tests angezweifelt und über die Sinnhaftigkeit von Impfungen debattiert. Mit Verschwörungstheorien möchte man allerdings nichts zu tun haben, heisst es. Auch andere politische Themen seien nicht erlaubt.

Gegenwärtig kümmern sich zehn Administratoren darum, dass die Inhalte moderiert werden. Bis jetzt scheint dies gut zu funktionieren. Das Klima bei «Mass-voll!» ist durchaus angenehmer als in anderen Telegram-Kanälen, die sich hauptsächlich mit Corona-Politik beschäftigen und nur von Fake-News, Verschwörungserzählungen und Hate-Speech gefüttert werden. «Wir entfernen auch Nachrichten, wenn es sein muss, und schmeissen Leute aus dem Chat, die die Regeln missachten», erklärt Rimoldi. Man wolle einen friedlichen Austausch und zusammen Lösungen finden. In der Nacht ist der Chat zudem geschlossen.

Der beliebte Messenger Telegram, der Whatsapp Konkurrenz macht, wird oft kritisiert, weil er extremistische und gefährdende Inhalte nicht oder nur selten löscht. Telegram sei nur ein Kanal von vielen anderen, so die Initianten. Praktisch sei, dass man schnell viele Leute über die Channels erreiche. Nina Hobi, Projektleiterin bei Jugend und Medien, verweist darauf, dass bei Telegram auch Inhaltsrisiken für Jugendliche bestehen. Die Gruppenbetreiber hätten eine Verantwortung ihren Followern gegenüber, besonders den Minderjährigen.

Lockerungen für Jugendliche bis 20 Jahre

Mit «Mass-voll!» wolle man vor allem Druck auf die Politik ausüben, erklärt Carla Wicki. Was heisst das konkret? «Wir fordern, dass alles bedingungslos öffnen soll», sagt ihr Mitstreiter. «Das sofortige Ende dieser Leid bringenden Zwangsmassnahmen.» Es gehe ihnen nicht um die Infektionszahlen, sondern um ihre Grundrechte, die sie gefährdet sähen. Der Staat solle den Jungen die Entscheidungsfreiheit zurückgeben, fordert Wicki. Dazu zähle auch, dass man entscheiden dürfe, ob man freiwillig eine Maske trage oder nicht.

Politische Partizipation bei jungen Menschen habe sich gewandelt, sagt Medienpsychologe Daniel Süss. Das beweisen Bewegungen wie «Black Lives Matter» und «Fridays For Future». Junge Menschen wollen sich frei entfalten können und sich dabei für die Gesellschaft engagieren. «Viele Jugendliche fühlen sich durch die gegenwärtige Situation eingeschränkt und unwohl. Daher sind sie auch für so eine Bewegung ansprechbar», erklärt Süss. Jugendliche würden sich auch in einem Dilemma befinden, denn einerseits möchten sie mehr Freiheiten und soziale Kontakte. Auf der anderen Seite sei eine ihrer Hauptsorgen, dass nahe Verwandte am Virus erkranken oder sogar sterben könnten.

Der Bundesrat hat mittlerweile erkannt, dass die Jugend besonders unter dem Lockdown leidet, und hat kürzlich Lockerungen zugelassen: Sport und Kulturveranstaltungen sollen für Jugendliche bis 20 Jahre uneingeschränkt möglich sein, dazu zählen auch Konzerte und Wettkämpfe, aber ohne Publikum. Ausserdem sind Proben von Bands, Orchestern und Chören für diese Altersgruppe wieder erlaubt. Daneben darf die Kinder- und Jugendarbeit ihre Angebote wieder öffnen. Nächste Lockerungen sind für Ende März geplant.

Am heutigen Samstag in Chur will der Verein Flyer und Sticker verteilen, um «Mass-voll!» auch auf der Strasse bekannter zu machen. Dafür schliesse man sich der Gruppe «Stiller Protest» an. Die bisherigen «Protestmärsche» des Veranstalters liefen friedlich ab, auch wenn viele der anwesenden Teilnehmer laut Polizei gegen die Maskenpflicht verstossen haben. «Wir wollen die Jugend motivieren, bei unserer Bewegung mitzumachen. Eine eigene Demo wäre denkbar», so Rimoldi.

Ob er und seine Mitorganisatoren eine entscheidende Anzahl an jungen Schweizern auf Dauer für ihr Anliegen motivieren können, um daraus tatsächlich eine Jugendbewegung entstehen zu lassen, bleibt abzuwarten. Nachdem die Follower-Zahlen auf den Kanälen der sozialen Netzwerke in der ersten Woche rasant gestiegen sind, stagnieren sie seit einigen Tagen. Zurzeit erreicht die Gruppe auf Telegram rund 1340 Nutzer, auf Twitter und Instagram sind es jeweils über 500 Personen. Demnächst soll auch Tiktok dazukommen.

* Die Namen wurden von der Redaktion anonymisiert.
(https://www.nzz.ch/schweiz/junge-schweizer-organisieren-sich-ueber-telegram-gegen-lockdown-ld.1604911)



FRIBOURG:
Coronavirus: Freiburger demonstrieren gegen Maskenpflicht für Kinder
In Freiburg gingen am Samstag rund 150 Menschen auf die Strasse, um gegen das Coronavirus und eine Maskenpflicht für Kinder zu demonstrieren.
https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-freiburger-demonstrieren-gegen-maskenpflicht-fur-kinder-65882309



Die Megafon-Satireabteilung hat für euch etwas informativen Content über die angeblich politisch neutrale, angeblich sachliche und angeblich verschwörungstheorie-abgeneigte „Jugendbewegung“ Mass-Voll erstellt.
https://twitter.com/Megafon_RS_Bern/status/1367573281314902016


Tausende Corona-LeugnerInnen und extreme Rechte sind in Wien aufmarschiert
Der Bericht und die Bilder zum heutigen Aufmarsch in Wien: Corona-LeugnerInnen, Rechtsextreme, Neonazis, NeofaschistInnen, antisemitische Verschwörungstheorien – und als ihre Sammelpartei die FPÖ.
https://www.bonvalot.net/tausende-corona-leugnerinnen-und-extreme-rechte-sind-in-wien-aufmarschiert/


+++FLUCHT
tagesanzeiger.ch 06.03.2021

Minderjähriger Asylsuchender: Als die Taliban vor dem Spital warteten, musste Amar fliehen

Amar ist einer von 90 minderjährigen Asylsuchenden aus Griechenland, die im vergangenen Jahr von der Schweiz aufgenommen wurden. Über einen Jugendlichen, der seinen Verfolgern entkam, aber nicht der eigenen Schuld.

Salome Müller

Amars Geschichte beginnt mit einem toten Kind. Sie führt aus Afghanistan in den Iran, in die Türkei, nach Griechenland, in die Schweiz. Amars Geschichte erzählt vom Ende kindlichen Glücks. Davon, wie ein Jugendlicher in einem Moment alles verliert. Und davon, wie er den Taliban entkommt, aber nicht der eigenen Schuld.

Im Dezember wurde Amar (Name geändert) von Athen nach Zürich geflogen. Es war ein Linienflug der Swiss, Amar sass zum ersten Mal in einem Flugzeug. Die Schweiz hat im vergangenen Jahr 90 minderjährige Asylsuchende aus Griechenland aufgenommen. Amar ist einer von ihnen. Und der erste, der erzählt.

Ein Februarmorgen in Basel. Amar wartet in einem Sitzungszimmer des Bundesasylzentrums nahe der deutschen Grenze. Das Sitzungszimmer heisst: Charybdis. Charybdis ist ein Meerungeheuer aus der griechischen Mythologie. In der «Odyssee» von Homer sitzen Charybdis und Skylla auf zwei Felsen einer Meerenge. Die Ungeheuer saugen das Meerwasser ein und stossen es mit Gebrüll wieder aus. Wer in die Nähe der Meerenge gerät, ist für immer verloren.

Im Raum sitzen Amar, eine Betreuerin, eine Übersetzerin, ein Mitarbeiter des Staatssekretariats für Migration. Amar behält die dunkle Winterjacke an. Seit zwei Jahren ist er auf der Flucht, seit zwei Jahren ist sein Zustand vorläufig. Auch hier, im Asylzentrum in Basel, wird er nur wenige Wochen bleiben. Warum soll er die Jacke ablegen, wenn er bald geht?

Amar ist 16 Jahre alt, schmal und klein. In seinem dichten dunklen Schopf wachsen erste weisse Haare. Amar ist ein junger Greis.

Amar wird fünf Stunden lang erzählen. Seine Geschichte beruht hauptsächlich auf seinen Schilderungen. Von den Behörden in der Schweiz wird sie als glaubhaft eingestuft.

Amar spricht auf Dari, er wendet sich der Übersetzerin zu, sie sitzt mit grossem Abstand neben ihm. Die Übersetzerin schreibt auf, was Amar sagt, füllt Blatt um Blatt. Mit fliehender Schrift folgt sie ihm auf seiner Flucht. Manchmal bedeutet sie ihm mit einem Handzeichen, zu warten. Amar fällt es schwer, innezuhalten. Was er erlebt hat, muss raus. Erzählen ist, den Fluchtpunkt zu suchen.

An einem Morgen rief der Onkel an

Amar hat mit seinen Eltern und den drei jüngeren Geschwistern in einer grösseren Stadt im Westen von Afghanistan gelebt. Die Provinz gilt als eine der sichersten des Landes, soll hier aus Schutzgründen aber nicht namentlich genannt werden. Als Amar 13 Jahre alt war, wollte sein Vater, dass er neben der Schule arbeitet. Er sollte eine Beschäftigung haben, damit er keine Dummheiten mache. Andere Teenager hätten begonnen, zu rauchen, rumzuhängen.

Amar arbeitete in einem kleinen Supermarkt am Ende seiner Strasse. Morgens besuchte er die Schule, gegen Mittag kam er nach Hause, zog sich um und ging in den Supermarkt. Er füllte die Regale auf. Die Arbeit langweilte ihn. Er habe seine Eltern aber verstanden, sagt Amar. «Sie wollten mich vor Schlimmem bewahren.»

Einige Monate später schlug sein Onkel vor, dass Amar bei ihm arbeitet. Der Onkel besitzt eine Bäckerei in der Stadt, sie ist eine halbe Stunde von Amars Haus entfernt. Der Vater stimmte zu. Amar ging morgens in die Schule, kam gegen Mittag heim, zog sich um und fuhr in die Bäckerei.

Amar sagt, er sei gut im Rechnen, in der Bäckerei durfte er die Kasse bedienen. Während der Pause erledigte er Hausaufgaben, dann arbeitete er weiter bis acht Uhr abends. Amar verdiente in einer Woche 500 Afghani, umgerechnet sechs Franken, und drei Brote am Tag. Er gab das Geld seinem Vater. Freitags hatte Amar frei.

An einem Freitagmorgen rief der Onkel an. Er bat Amar, in die Bäckerei zu kommen. Es seien viele Kunden da, er müsse dem Bruder an der Kasse helfen. Amar sagt, er sei kurz davor aufgestanden und hätte gerade geduscht. Er zog sich an und überlegte, welches der schnellste Weg zur Bäckerei sei. Wenn er sich von einer Rikscha bringen liesse, einem zweirädrigen Gefährt, müsste er umsteigen und ein zweites Verkehrsmittel benutzen. So würde er viel Zeit verlieren.

Amar verliess das Haus und sah das Mofa seines Vaters vor dem Eingang. Amar sagt, er sei schon damit gefahren. Er stieg auf und fuhr los.

Amar fuhr schnell. Er wollte dem morgendlichen Stau ausweichen, wählte dafür eine andere Strecke. Sie führte durch das Quartier A. Im Quartier leben Paschtunen. Es heisst, sie würden mit den Taliban zusammenarbeiten. Das Quartier gilt als gefährlich. Es wird gestohlen, mit Drogen gehandelt, Menschen verschwinden. Die Polizei wird angegriffen. Es ist ein rechtsfreier Raum. Amar dachte, dass ihm, frühmorgens, wenn kaum Menschen unterwegs sind, nichts zustossen werde.

Amar fuhr durch das Quartier, und plötzlich rannte ein Kind auf die Strasse.

Etwas in Amars Stimme verändert sich, sie bricht. Amar sagt: «Es ist, als wäre es gerade erst geschehen. Ich werde es nie vergessen können.»

Amar redet weiter, als müsse er sich befreien. Die Übersetzerin sagt, er drücke sich aus wie ein Journalist. Wortgewandt, strukturiert, präzise. Und mit jedem Detail, so scheint es, versucht er, seine Geschichte zu begreifen.

Amar versuchte, zu bremsen. Er sagt, die Strasse sei nass gewesen. Er schaffte es nicht, das Tempo zu drosseln. Er wollte ausweichen. Er überfuhr das Kind.

Als Amar seine Augen öffnete, war sein Vater bei ihm. Amar stellte ihm zwei Fragen: Wo bin ich? Und wie geht es dem Kind? Der Vater sagte, er sei im Krankenhaus. Zum Kind schwieg er. Amar fragte noch einmal: Hat das Kind überlebt?

Amar und sein Vater sahen, dass vor dem Eingang des Krankenhauses drei Männer standen. Die Männer versuchten, sich Zutritt zu verschaffen, die Sicherheitsleute wiesen sie ab. Amar sagt, er habe sofort gewusst, dass die Männer zu ihm wollten. Sie waren Angehörige des verstorbenen Kindes und gekleidet wie die Taliban. Ein Onkel von Amar war von den Taliban getötet worden, als er bei amerikanischen Soldaten im Auto sass. Amars Vater hatte Angst.

Am Telefon verabschiedete er sich von der Familie

Pfleger deckten Amar mit einem Leichentuch zu und rollten sein Bett in den untersten Stock des Krankenhauses, wo der Leichenraum war. Amar wurde von einem Taxi abgeholt und in die Provinz Nimrus im Südwesten Afghanistans gebracht. Von dort sollte er, sobald er sich von seinen Verletzungen erholt hatte, mit einem Schlepper in den Iran flüchten. Amar verabschiedete sich am Telefon von seiner Mutter, seinen zwei Schwestern und seinem Bruder.

Amar sagt, die Idee seines Vaters sei gewesen, dass er bei einem Verwandten im Iran unterkommen, eine Arbeit finden, dort leben würde.

Als Amar mit einer Gruppe Afghanen in den Iran unterwegs war, acht Tage zu Fuss, lernte er einen Jungen kennen. Der Junge sagte, er wisse von einem Schlachthof, wo es Arbeit gebe. Arbeit für den dünnen und geschwächten Amar.

Amar übernahm die leichteste Aufgabe und hängte vier Tage lang Hähnchen auf. Er schlief mit sieben Leuten in einem Zimmer auf dem Fabrikgelände, arbeitete von elf Uhr abends bis zum nächsten Morgen. Amar blieb ein Jahr. Er verdiente im Monat 2 Millionen iranische Rial, umgerechnet 43 Franken. Manchmal bekamen die Angestellten gratis Leber, die sie gemeinsam kochten und assen. Die Männer teilten sich den Haushalt auf. Amar wusch die Gläser ab.

Aber Amar und die meisten anderen Angestellten arbeiteten schwarz und befanden sich illegal im Iran. Die iranische Polizei kam oft auf den Schlachthof und führte Razzien durch, immer wieder wurden Leute festgenommen, geschlagen und nach Afghanistan ausgeschafft. Wenn die Polizei vorfuhr, rannten Amar und die anderen Männer hinaus und versteckten sich in den Feldern. Sie harrten stundenlang auf der feuchten Erde aus. Sie duckten sich vor dem Licht der Taschenlampen, das nach ihnen suchte.

Amar hatte Heimweh. Er rief seinen Onkel an und sagte, er wolle zurückkommen. Der Onkel sagte: «Die Männer suchen dich.» Sie hätten den Vater zehn Tage festgehalten, geschlagen, ihn erpresst. Der Vater musste das Haus verkaufen, um ihnen das Geld geben zu können. Die Männer würden immer mehr Geld verlangen, ständig nach Amar fragen. Der Onkel sagte: «Du musst deine Heimat vergessen.»

Im Sitzungszimmer Charybdis sitzt Amar und sagt: «Was hätte ich tun sollen?»

Es gibt die Redewendung «Zwischen Skylla und Charybdis», sie bezeichnet ein Dilemma. Eine Person muss entscheiden, welchen Weg sie geht. Es ist unmöglich, ohne Schaden aus dem Dilemma herauszukommen.

Amar entschied, in die Türkei zu flüchten, nach Istanbul. Er dachte: Besser weitergehen als bleiben.

Er hatte von Moria gehört

Amar bezahlte die Schlepper mit dem Geld, das er im Schlachthof verdient hatte. Wieder reiste er mit anderen, während Stunden zu Fuss, zu acht in einem kleinen Auto. An der Grenze zur Türkei mussten sie tagelang warten. Neue Schlepper verlangten mehr Geld, 150 Franken, 200 Franken. LKW voller flüchtender Menschen fuhren an Amar vorbei ins Landesinnere.

Amar wollte so schnell wie möglich weg. Die Schlepper versprachen, ein Taxi zu rufen, sobald Amar und die anderen weitere 100 Franken bezahlen würden. Amar rief seine Verwandten an und bat um Geld. Er versuchte, die Leute in seiner Gruppe zu überreden, Geld zu organisieren.

Amar sagt: «Wir mussten still sein und alles befolgen, was die Schlepper uns befahlen. Wir waren auf sie angewiesen.» Er habe es sich nicht leisten können, zu verzweifeln.

Nach einer Woche hiess es: Heute Abend kommt das Taxi. Amar packte seine Sachen, war lange vor der Weiterfahrt bereit. Es kam ein LKW, zweihundert Menschen drängten sich hinein und blieben für Stunden eingeschlossen. Sie fuhren nach Van, von dort ist Amar zu Fuss weiter nach Diyarbakir, dann mit dem Bus nach Istanbul gereist. In Istanbul wurde Amar das Handy geklaut, seine einzige Verbindung zu Verwandten und Schleppern war weg.

Amar verstand Türkisch nicht, er kannte niemanden, er fühlte sich verloren. Wieder rief er seinen Onkel an. Dieser organisierte für 980 Dollar einen Schlepper, der Amar nach Griechenland bringen sollte.

Amar hatte von Moria gehört. Er sagt: «Die Insel der Hölle.»

Moria, das grösste Flüchtlingslager Europas, war im September niedergebrannt. Amar kam nicht nach Moria, er wurde über den Landweg nach Thessaloniki gebracht. Von dort ging er weiter nach Athen. Es war Anfang Oktober und warm, die Menschen badeten im Meer. Amar sagt, in Athen seien viele Migranten gewesen. Es hiess, die Polizei tue ihnen nichts, aber die Flüchtlingsheime seien voll. Amar übernachtete mit einer Gruppe Afghanen im Park, Hilfsorganisationen brachten Essen. Manchmal gab es zu wenig.

Der Onkel sagte: «Jetzt bist du in Europa.» Er könne nichts für ihn tun, ausser Geld zu schicken, das Amar ausgebe. Aber eine Tante lebe seit sechs Jahren in der Schweiz.

Amar hatte die Tante das letzte Mal gesehen, als er zehn war. Er rief sie an, und sie versprach, ihm zu helfen. Es gebe ein Gesetz in der Schweiz, sagte sie. Es erlaube, Familienangehörige nachzuholen.

Griechenland hatte die anderen europäischen Staaten mehrfach auf die schwierige Situation im Land aufmerksam gemacht. Die griechische Regierung war überfordert von den Tausenden Asylsuchenden, die unter prekären Bedingungen auf den Inseln verharrten, auf dem Festland keinen Unterschlupf fanden, lange auf das Asylverfahren warten mussten.

Die Schweiz nimmt, gestützt auf das Dublin-Assoziierungsabkommen, minderjährige Asylsuchende aus Griechenland auf, wenn sie Verwandte in der Schweiz haben. Im vergangenen Jahr waren es siebzig Mädchen und Buben zwischen 10 und 17 Jahren. Als das Lager Moria auf der Insel Lesbos niederbrannte, nahm die Schweiz freiwillig 20 weitere Minderjährige auf. Sie haben keine Verwandten in der Schweiz.

Amar wurde von einer Asylunterkunft aufgenommen, etwas ausserhalb von Athen. Er liess sich registrieren und wurde in einem separaten Bereich für Minderjährige untergebracht. Das Heim hatte die Menschen wegen Corona wochenlang eingesperrt. Aber Amar erzählt, als Minderjähriger habe er in einem Extrazelt übernachten dürfen, und die Leute hätten ihm geholfen.

Nach einem Monat bekam Amar die Bewilligung, in die Schweiz zu gehen. Seine Freunde, die noch heute dort leben, hätten sich gewundert, dass es bei Amar so schnell ging.

Am 22. Dezember kam Amar in Zürich an.

Die Schweizer Begleiterinnen und Begleiter seien sehr freundlich gewesen, sagt Amar. Er habe sich gefragt: Wenn die schon so nett sind, wie wird dann das Land sein? Amar sagt: «Zwischen Afghanistan und der Schweiz liegen Welten.» Hier werde man wie ein Mensch behandelt.

Im Bundesasylzentrum Basel wurde Amar von seiner Tante besucht. Wegen Corona waren weitere Besuche kaum möglich. Bald wird Amar in den Wohnkanton der Tante ziehen. Er will die Schule besuchen, Deutsch lernen, eine Lehrstelle finden, Geld verdienen. Amar wird bei Freunden wohnen und die Tante an den Wochenenden besuchen. Amar sagt, er sei 16. Er wolle seine Zeit mit anderen jungen Menschen verbringen. Nicht mehr nur mit Erwachsenen wie in den vergangenen zwei Jahren.

Bist du angekommen, Amar?

Nein, sagt Amar. Noch nicht. Er hat vor wenigen Tagen den Asylentscheid erhalten: Status F. Amar ist vorläufig aufgenommen. Er darf in der Schweiz bleiben, hat aber keinen Asylanspruch, wie dies politisch Verfolgte aus Afghanistan hätten. Amar sagt: «Ich bin noch jung. Wie sollte ich schon politisch aktiv gewesen sein?»

Aber Amar sagt auch: «Ich vertraue mir.» Er werde schnell Deutsch lernen. Einige Worte kann er schon: «Hallo», «Tschüss», «in Ordnung». Amar ist sich sicher, dass er jeden Beruf erlernen könnte. Er will sich für jenen entscheiden, mit dem er am meisten Geld verdient. Amar möchte das Geld seiner Familie in Afghanistan schicken. Geld für ein neues Haus. Geld als Entschuldigung für den Schmerz, den er seinen Eltern bereitet hat.

Und Amar will die B-Bewilligung beantragen, sobald es möglich ist. In fünf Jahren.
(https://www.tagesanzeiger.ch/als-die-taliban-vor-dem-spital-warteten-musste-amar-fliehen-354958709477)