Medienspiegel 12. Dezember 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++FRANKREICH
Paris: Statt Hotelgäste, Migranten
Aufgrund des Corona-Lockdowns kommen derzeit nur wenige Touristen nach Paris. Viele Migranten stranden aber auch in Zeiten der Pandemie in der französischen Hauptstadt. Manche finden keinen Ort, an dem sie unterkommen, auch junge Mütter mit ihren Babys nicht. Ihnen bietet der Hilfsverein Basiliade ein Dach über dem Kopf und das in leer stehenden Hotels.
https://www.arte.tv/de/videos/101347-000-A/paris-statt-hotelgaeste-migranten/


+++GRIECHENLAND
Neues Flüchtlingscamp auf Lesbos: Yasers Angst vor der Nacht
In dem neuen Flüchtlingslager auf Lesbos berichten Eltern von einer Sorge, die sie nachts wachhält: Ihre Kinder schlafwandeln, erleben Panikattacken oder schreien, ohne aufzuwachen – ein Junge lief sogar ins Meer.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-auf-lesbos-yasers-angst-vor-der-nacht-a-18cf98b1-e231-4c06-b418-98f4594009b5


+++SPANIEN
Geflüchtete in Spanien: Die unsichtbaren Einwanderer
Corona beschert Spanien mehr Migranten – vor allem aus Lateinamerika. Die Zustände ihrer Ankunft verschleiert die Regierung.
https://taz.de/Gefluechtete-in-Spanien/!5730520/


+++GASSE
Ein schwieriges Jahr für die Gassenküche
Das Coronavirus setzte der Institution zu. Und auch auswärtige Bettler sorgten für Turbulenzen. Aber für nächstes Jahr gibt es positive Neuigkeiten.
https://telebasel.ch/2020/12/12/ein-schwieriges-jahr-fuer-die-gassenkueche


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Gastroszene protestiert in Berner Innenstadt: Wirte setzen ein «lautes und starkes» Zeichen
Mehrere hundert Wirtinnen und Wirte haben am Samtag in Bern an einer Protestaktion ihren Unmut über die ständigen Regeländerungen während der Pandemie zum Ausdruck gebracht.
https://www.derbund.ch/wirte-setzen-ein-lautes-und-starkes-zeichen-831063353488
-> https://www.bernerzeitung.ch/gastro-arbeitende-streiken-und-kapern-die-berner-innenstadt-555618550294
-> https://www.20min.ch/story/beizer-streiken-in-bern-und-zug-gegen-corona-massnahmen-474032655520
-> https://www.blick.ch/schweiz/aktuelle-news-zum-coronavirus-ticker-zum-sars-aehnlichen-virus-aus-china-id15715896.html
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/berner-beizen-streiken-heute-samstag-gegen-die-corona-sperrstunde-65834984
-> https://www.watson.ch/schweiz/liveticker/957417812-coronavirus-cyber-attacke-gegen-ema-pfizer-biontech-daten-erbeutet
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/gastrostreik-in-bern-mehrere-hundert-protestieren?id=11895623
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/das-neueste-zur-coronakrise-streik-in-bern-gastro-betriebe-fordern-faire-bedingungen
-> https://www.telebaern.tv/news/gastrostreik-in-der-berner-innenstadt-140213192
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/gastronomen-protestieren-gegen-corona-massnahmen-140213833
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/kundgebung-bern-gastro-betriebe-fordern-faire-bedingungen?urn=urn:srf:video:6cc64320-65ae-4bfe-96de-d58b8e3d2a60
-> http://www.ksb.ist/doc/gruss-aus-der-kueche
-> https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/berner-gastro-szene-demonstriert-auf-dem-bundesplatz-ld.2075185
-> https://twitter.com/__investigate__
-> https://twitter.com/Megafon_RS_Bern
-> https://twitter.com/spreiter
-> https://twitter.com/edi_schwarz


+++BIG BROTHER
Neue Studie kritisiert die Praxis: Luzerner Polizei behält immer mehr Menschen im Auge – weil sie als gefährlich gelten
Das kantonale Bedrohungsmanagement soll dazu dienen, schwere Gewalttaten zu verhindern. Aus Sicht der Schweizer Polizeikorps bewähren sich die darin enthaltenen Massnahmen. Die Umsetzung ist aber rechtsstaatlich bedenklich, wie eine neue Studie zeigt.
https://www.zentralplus.ch/luzerner-polizei-behaelt-immer-mehr-menschen-im-auge-weil-sie-als-gefaehrlich-gelten-1960389/


+++POLICE FR
Erneut massive Proteste gegen geplantes Sicherheitsgesetz in Frankreich
Die Demonstrationen verliefen im Vergleich zur Vorwoche diesmal weitgehend friedlich. Allein in Paris waren 10.000 Menschen auf den Straßen
https://www.derstandard.at/story/2000122451823/erneut-massive-proteste-gegen-geplantes-sicherheitsgesetz-in-frankreich?ref=rss


+++RECHTSPOPULISMUS
Fragwürdige Aktion eines SVP-NationalratsTwitter löscht Video von Corona-Trickser Erich Hess
SVP-Politiker Erich Hess rät, über die Gründung einer Kirche die an Weihnachten geltenden kleinen Gruppengrössen auszuhebeln. Die Polizei erachtet dies als «unangebracht». Auch Twitter hat reagiert
https://www.derbund.ch/svp-nationalrat-empfiehlt-gruendung-einer-religioesen-gemeinschaft-983720977674
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/twitter-loscht-corona-tweet-von-erich-hess-65835182
-> https://www.watson.ch/schweiz/coronavirus/700453950-erich-hess-erklaert-in-video-wie-man-corona-massnahmen-umgehen-koenne
-> https://www.blick.ch/schweiz/10-personen-regel-umgehen-svp-hess-propagiert-schlaumeier-trick-id16242183.html
-> https://www.20min.ch/story/polizei-ruegt-svp-hess-wegen-corona-video-685344803106
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/erich-hess-fordert-auf-corona-massnahmen-zu-umgehen-140213821
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/erich-hess-sorgt-mit-corona-schlupfloch-fuer-unmut-140213557
-> https://www.telem1.ch/aktuell/erich-hess-sorgt-fuer-wirbel-aufruf-zum-ungehorsam-stoesst-auf-kritik-140213629


+++RECHTSEXTREMISMUS
Erste Anklage in Wien wegen Aufbaus einer europaweiten Neonazi-Armee
Die “Europäische Aktion” versuchte als Zusammenschluss alter Holocaustleugner, eine paramilitärische Bewegung aufzubauen – teils mit Erfolg
https://www.derstandard.at/story/2000122423366/erste-anklage-in-wien-wegen-aufbaus-einer-europaweiten-neonazi-armee?ref=article
-> https://www.20min.ch/story/polizei-sprengt-neonazi-miliz-in-bayern-und-oesterreich-327817912886
-> https://www.profil.at/oesterreich/neonazis-die-irren-umsturzplaene-der-europaeischen-aktion/401127276


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Keine Bussen, aber auch keine finanzielle Unterstützung mehr: Das passiert, wenn das Volk das Covid-Gesetz ablehnt
Im Rekordtempo haben Corona-Skeptiker genügend Unterschriften für das Referendum gegen das Covid-Gesetz gesammelt. Was würde sich ändern, wenn die Bevölkerung das Gesetz an der Urne ablehnt? BLICK hat die Antworten.
https://www.blick.ch/politik/keine-bussen-aber-auch-keine-finanzielle-unterstuetzung-mehr-das-passiert-wenn-das-volk-das-covid-gesetz-ablehnt-id16242810.html?utm_source=copy&utm_medium=social_user&utm_campaign=blick_app_android


Protest gegen Corona-Massnahmen: 250 verkleidete Demonstranten ziehen durch Aarau
Rund 250 Demonstranten machten am Samstag in Aarau gegen die Coronamassnahmen mobil. Die Kundgebung verlief friedlich, die Schutzmassnahmen wurden eingehalten.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/aarau/protest-gegen-corona-massnahmen-250-verkleidete-demonstranten-ziehen-durch-aarau-140212519
-> https://www.telem1.ch/aktuell/trotz-ueberlasteten-spitaelern-in-aarau-wurde-gegen-die-corona-massnahmen-demonstriert-140213620
-> https://twitter.com/__investigate__


Antisemitismus-Beauftragter Michael Blume warnt vor Verschwörungs-Chatgruppen für junge Menschen
Der Antisemitismusbeauftragte Michael Blume fürchtet wachsenden Einfluss auf junge Menschen durch Telegram-Gruppen von Corona-Leugnern und warnt in einem Gastbeitrag für watson vor den Konsequenzen.
https://www.watson.de/deutschland/gastbeitrag/362797295-nach-ueberwachung-durch-verfassungsschutz-experte-warnt-vor-telegram-chats-fuer-junge-menschen


Der Verschwörungskult Qanon erhält mittlerweile auch hierzulande Aufmerksamkeit
Wenn Trolle töten wollen
Lange Zeit wurde der Verschwörungsmythos Qanon in Deutschland belächelt. Allmählich wird jedoch auch hierzulande registriert, dass es sich um einen Kult mit tödlichen Absichten handelt.
https://jungle.world/artikel/2020/50/wenn-trolle-toeten-wollen


Marco Rima will Facebook-Profil selbst gelöscht haben
Komiker Marco Rima hatte auf Facebook 75’000 Follower. Dann war das Profil plötzlich weg. Nun erklärt Rima, wie es dazu gekommen sein soll.
https://www.nau.ch/people/aus-der-schweiz/marco-rima-will-facebook-profil-selbst-geloscht-haben-65832673



derbund.ch 12.12.2020

Der Chat der Maskenverweigerer: Mit Selfies gegen die «Gesichtswindel»

Zwei  Berner haben eine Gruppe gegründet, die Einkaufen und Zugfahren ohne  Maske propagiert. Viele Mitglieder stützen sich dabei auf ein zweifelhaftes Attest.

Adrian Hopf-Sulc

Die Frau  steht vor der Ikea in Lyssach und hat Tränen in den Augen. Trotz Attest  sei sie ohne Maske nicht hereingelassen worden, sagt sie ins selbst  aufgenommene Video. Sie habe gar die Polizei gerufen, doch auch das habe  nichts genützt.

Eine  Maske wollte sie für ihren Einkauf nicht anziehen, weil sie auch in  Zeiten der Pandemie dagegen ist, ihr Gesicht zu verhüllen. Die Frau ist  eines von über 1000 Mitgliedern von «Mutmacher Schweiz». Dabei handelt  es sich um eine Gruppe auf der Nachrichten-App Telegram. Telegram ist  eine Whatsapp-Alternative, die grosse und weitgehend anonyme  Gruppenchats ermöglicht.

Meist  enden die Einkäufe und Reisen im öffentlichen Verkehr für die  Mitglieder von «Mutmacher Schweiz» ohne Tränen: Stolz laden sie Fotos  von sich ohne Maske in der Migros, im Coop, im Bus oder im Zug hoch.  Meist werden die Selfies von der Bemerkung begleitet, dass beim  maskenfreien Einkauf niemand interveniert habe. Oder dass bei kritischen  Fragen des Personals der Verweis auf ein Attest genügt habe.

Aus der Mitte der Gesellschaft

Das  alles geschieht nicht im Geheimen: Die Gruppe und die Fotos sind für  alle Nutzer der Telegram-App zugänglich. Obwohl sich die Gruppe an die  ganze Deutschschweiz wendet und sie auch in die Romandie und das Tessin  expandieren will, kommt ein grosser Teil der Bilder aus dem Raum Bern.

Auch  die beiden Gründer von «Mutmacher Schweiz» kommen aus der Region Bern.  Sie wenden sich immer wieder in Videos an die Mitglieder und sprechen  ihnen Mut zu, sich ohne «Gesichtswindel» – so der Jargon der Szene – zu  zeigen. Einer der beiden ist Hypnotiseur und Physiotherapeut, der andere  Inhaber einer Druckerei und Mentaltrainer.

Zwar  haben die beiden zur Teilnahme an den Corona-Spektiker-Demonstrationen  auf dem Bundesplatz aufgerufen. Doch in der Gruppe haben die beiden  mehrfach betont, dass sie niemanden zu Gewalt oder illegalen Aktivitäten  motivieren wollen. Viele Mitglieder der Gruppe scheinen aus der Mitte  der Gesellschaft zu kommen: Junge, Ältere, mehrheitlich Frauen – geeint  in der Ablehnung der Maskenpflicht.

Einer  der beiden Gruppengründer, der Drucker, sagt dem «Bund» auf Anfrage, er  wolle mit «Mutmacher Schweiz» auf die Kollateralschäden der  Corona-Massnahmen aufmerksam machen. Diese würden die Menschenwürde  antasten, gerade bei den alten Leuten.

Die Theorien des Hypnotiseurs

Der  andere der beiden, der Hypnotiseur, vertritt deutlich weiter gehende  Standpunkte: In einem Video richtet er sich an die Mitglieder, um ihnen  zu erklären, dass Corona ein grosses Spiel sei. Die «Player» versuchten,  die Bevölkerung impfwillig zu machen. Sollte das nicht klappen, gebe es  einen weiteren Plan: Die «Player» würden dann ein Virus im Umlauf  bringen, das tatsächlich tödlich sei, um auch die letzten Impfkritiker  zu überzeugen. Vom «Bund» kontaktiert, will sich der Mann nicht zu  seinen Theorien äussern.

Auch  wenn es sich bei den Mutmachern um eine rein digitale Gruppierung  handelt: In der realen Welt sind Verkäuferinnen und Kondukteure täglich  mit ihnen konfrontiert. Viele der Gruppenmitglieder geben diesen  gegenüber an, dass sie über ein Attest verfügen. Damit ist aber meist  kein ärztliches Attest gemeint, das von der Maskenpflicht befreit.  Sondern ein Dokument des Bündner Juristen Heinz Raschein, das unter  anderem mit Verweis auf die Bundesverfassung dessen Träger von der  Maskenpflicht befreien soll.

Das  «Sach- und Rechtsattest» ist jedoch eher ein politisches Flugblatt denn  ein echtes Attest. Im «Beobachter» sprach die Luzerner  Rechtsprofessorin Regina Aebi-Müller dem Papier jegliche  Rechtsgültigkeit ab. Trotzdem haben viele der Mutmacher-Mitglieder  offenbar Erfolg damit.

Coop kontrolliert, Migros nicht

Das  hängt wohl mit der Umsetzung der Maskenpflicht zusammen: Bei der Migros  Aare heisst es, das Personal sei nicht ausgebildet, Atteste von Kunden  zu prüfen. «Wenn uns jemand sagt, er oder sie habe ein Arztzeugnis, dann  glauben wir ihm oder ihr das», schreibt Sprecherin Andrea Bauer.

Bei  Coop hingegen heisst es, Personen ohne Maske müssten ein Attest  vorweisen. «Um die Persönlichkeitsrechte zu schützen, muss auf der  Dispens lediglich festgehalten sein, dass jemand von der Maskenpflicht  befreit ist, ohne das Krankheitsbild zu erwähnen.» Ein Blick in den  Mutmacher-Chat lässt einen jedoch bezweifeln, dass das überall umgesetzt  wird.

Bernmobil  und BLS teilen auf Anfrage mit, dass ihr Kontrollpersonal Atteste  kontrollieren dürfe. «Dieses ‹Sach- und Rechtsattest› von Herrn Raschein  wird vereinzelt auch in unseren Fahrzeugen vorgezeigt», schreibt  Bernmobil-Sprecher Didier Buchmann. Es werde jedoch nicht akzeptiert.
(https://www.derbund.ch/mit-selfies-gegen-die-gesichtswindel-963425064889)


+++FUNDIS
ICF baut im Gewerbegebiet eine «Church» – Religiöse Gemeinschaft «mit problematischen Zügen» zieht nach Steinhausen
Rockig kommt sie daher, jung und aufgeschlossen. Die Inhalte der Freikirche ICF zeichnen jedoch ein ganz anderes Bild und sind auch nicht unproblematisch. Nun will die religiöse Gemeinschaft ihre Gottesdienste in Steinhausen abhalten.
https://www.zentralplus.ch/religioese-gemeinschaft-mit-problematischen-zuegen-zieht-nach-steinhausen-1958613/


+++HISTORY
tagblatt.ch 12.12.2020

Die unsichtbaren Kinder von Saisonniers: Der Schötzer Benyamin Khan hat ein dunkles Kapitel der Schweiz aufgearbeitet

Vernichtete  Akten, versteckte Kinder, kompromisslose Behörden: Benyamin Khan ging  dem Schicksal von Kindern der Arbeitsmigranten in der Schweiz auf den  Grund. Dafür wurde er mit dem Jahrespreis des Schweizerischen  Sozialarchivs ausgezeichnet.

Fabienne Mühlemann

Maria  Messina aus Italien reiste im August 1964 erstmals in die Schweiz,  zusammen mit ihrem zweijährigen Sohn Andrea und der sechs Monate alten  Tochter Graziella. Ihr Mann war hier Gastarbeiter und besass eine  Jahresbewilligung. Maria reiste mit einem einmonatigen Touristenvisum  ein. Ihre Kinder Andrea und Graziella meldete sie nicht an, sondern  versteckte sie vor der behördlichen Kontrolle. Raus durften sie nur in  der Nacht, tagsüber blieben sie eingesperrt im Zimmer. Es war die  einzige Möglichkeit, dass die Familie zusammenbleiben konnte.

Die  Familie Messina war nicht die einzige, welche ihre Kinder im  Verborgenen hielt. Man schätzt heute, dass in der zweiten Hälfte des 20.  Jahrhunderts 10’000 bis 30’000 Kinder von Arbeitsmigranten versteckt in  der Schweiz lebten. Gründe dafür liegen unter anderem im sogenannten  Saisonnierstatut. Es verbot Saisonangestellten den Familiennachzug  kategorisch. Jahresaufenthalter konnten erst mit der Familie vereint  leben, wenn diverse Bedingungen erfüllt waren – in Härtefällen konnte  das jedoch bis zu 10 Jahre dauern. Die Familien gingen unterschiedlich  mit dieser restriktiven Politik um. Einige liessen ihre Kinder im  Heimatstaat zurück, andere brachten sie in Fürsorgeinstitutionen nahe  der Schweizer Grenze unter, um sie wenigstens zwischendurch besuchen zu  können. Und andere versteckten sie eben vor den Behörden – wie Maria  Messina.

Geduld auf eine harte Probe gestellt

Doch  über dieses Kapitel der Schweizer Geschichte ist wenig bekannt, es gibt  kaum Studien, keine wissenschaftliche Aufarbeitung. Deswegen wollte der  Schötzer Benyamin Khan im Rahmen seiner Masterarbeit an der Universität  Bern, wo er Geschichte und Philosophie studierte, mehr über die  versteckten Kinder herausfinden. Er fokussierte sich dabei vor allem auf  den Umgang der kantonalen Behörden mit dem Phänomen. Doch das stellte  seine Geduld auf eine harte Probe. «Die gesamten Akten der  Fremdenpolizei im Kanton Bern bis in die 1990er-Jahre wurden vernichtet.  Das beinhaltet auch die Personendossiers, welche die Leben der  Ausländer in der Schweiz genau dokumentierten. Diese Akten sind in den  allermeisten Kantonen nicht mehr vorhanden», sagt Historiker Khan, der  die Familie Messina für seine Masterarbeit persönlich traf.

Diese  Absenz an Akten interpretiert er heute als mangelnde Wertschätzung für  die Ausländerinnen und Ausländern, die hier her kamen, um zu arbeiten.  «Die Schweiz verfolgte damals ein widersprüchliches Ziel. Man war zwar  auf die ausländischen Arbeitskräfte angewiesen, denn ohne diese wäre der  Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg nicht möglich gewesen.  Gleichzeitig wollte man aber verhindern, dass sie sich permanent im  Land niederlassen», sagt der 30-Jährige, der gerade an der PH Luzern  eine Ausbildung zum Gymnasiallehrer absolviert.

Die  Bedingungen und Hürden für den Familiennachzug hätten ein legales  Zusammenleben dazumal sehr schwierig gemacht. So habe zum Beispiel die  Wohnung genug gross sein müssen und das Kind ein eigenes Zimmer  gebraucht, um eine Aufenthaltsbewilligung zu kriegen. Auch die  Beaufsichtigung der Kinder musste geregelt sein, während die Eltern  arbeiteten. So wollten es die Behörden, im Namen des Kindeswohls.  Gleichzeitig waren die Kinder zum Beispiel in Basel in städtischen  Krippen und Kinderheimen nicht zugelassen. Eine grössere Wohnung oder  eine private Betreuung konnten sich die Familien kaum leisten. «Das  zeigt, wie absurd diese Bedingungen waren», so Khan. «Wenn man sich wirklich für die Kinder interessiert hätte, hätte man geschaut, dass sie bei ihren Eltern sein können.»

Betroffene kämpfen immer noch mit den Folgen

In  seiner 150-seitigen Arbeit beleuchtet der heute in Zürich Lebende den  Umgang der Behörden mit den versteckten Kindern auch aus Sicht von  Betroffenen. «Es dauerte sehr lange, bis mir jemand von seinen  Erfahrungen berichten wollte. Viele haben heute noch grosse Angst,  darüber zu sprechen», sagt der 30-Jährige. «Die  versteckten Kinder lebten in Isolation, Angst und Unsicherheit. Die  traumatische Erfahrung des Verstecks, des Nichtseindürfens, zeichnete  die Betroffenen für ihr Leben.»

Mit  seiner Studie hat der Schötzer einen wichtigen Schritt für die  Aufarbeitung dieses Kapitels der Schweizer Geschichte gelegt, weswegen  er auch mit dem Jahrespreis des Schweizerischen Sozialarchivs  ausgezeichnet wurde. Der Schweizerische Nationalfonds hat mittlerweile  ein entsprechendes Forschungsprojekt bewilligt und zwei  Doktorandenstellen geschaffen. Es soll noch mehr über die versteckten  Kinder in Erfahrung gebracht werden. Khan: «Das  ist sehr wichtig, um in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für das  Thema zu schaffen und so zur Sichtbarkeit der Betroffenen beizutragen.»



Der Jahrespreis des Schweizerischen Sozialarchivs

Das  Schweizerische Sozialarchiv hat 2020 zum dritten Mal einen Jahrespreis  ausgeschrieben. Der Preis zeichnet hervorragende Abschlussarbeiten aus,  die auf Quellenmaterial aus dem Schweizerischen Sozialarchiv basieren.  Der Preis ist mit 1000 Franken dotiert.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/geschichte-die-unsichtbaren-kinder-von-saisonniers-der-schoetzer-benyamin-khan-hat-ein-dunkles-kapitel-der-schweiz-aufgearbeitet-ld.2067515)



Geheimdienstaffäre – Crypto-Affäre: Jeder wartet auf jeden
Der Streit um den Exportstopp wird immer komplexer. Doch eigentlich geht es um viel grössere Fragen.
https://www.srf.ch/news/schweiz/geheimdienstaffaere-crypto-affaere-jeder-wartet-auf-jeden