Medienspiegel 17. Oktober 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++GRIECHENLAND
Athen baut neue Grenzzäune am Fluss Evros
Der Bau der Zäune soll entlang der Grenze zur Türkei erfolgen. Ankara droht immer wieder, Migranten das Durchkommen nach Griechenland zu erlauben
https://www.derstandard.at/story/2000121005045/athen-baut-neue-grenzzaeune-am-fluss-evros?ref=rss
-> https://www.nau.ch/news/europa/athen-baut-neue-grenzzaune-am-fluss-evros-65802663


+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Leben jenseits der Wohnwagenromantik und nur auf Zeit – die Roma dürfen im Winter wohl nicht bleiben
Die Roma auf dem Durchgangsplatz in Kaiseraugst wollen dort überwintern. Doch die Gemeinde wiegelt ab und verweist auf das Reglement.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/fricktal/leben-jenseits-der-wohnwagenromantik-und-nur-auf-zeit-die-roma-duerfen-im-winter-wohl-nicht-bleiben-139513925


+++GASSE
Corona-Armut: Schlangen vor Essensausgaben werden immer länger
Während die einen ihren Wochenendeinkauf erledigen, stehen andere in der Schlange für kostenlose Lebensmittel. Für diese Personen wurde die Corona-Pandemie zur Armutsfalle. Die Schlangen vor den Essensausgaben werden immer länger, wie sich heute auch in Altstetten zeigte.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/corona-armut-schlangen-vor-essensausgaben-werden-immer-laenger-139522155


Lehrlinge verteilen Essen an Bedürftige
An ihrem freien Samstag verteilen zwei Lehrlinge Essen an Bedürftige. Damit wollen sie ein Zeichen setzen.
https://telebasel.ch/2020/10/17/lehrlinge-verteilten-essen-an-beduerftige/?utm_source=lead&utm_medium=carousel&utm_campaign=pos%200&channel=105100


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Umweltaktivisten besetzen Hügel, um es vor Zerstörung durch Holcim zu schüzten
Umweltaktivisten haben am Samstag den Hügel Mormont bei Eclépens VD besetzt. Sie wollen das Ökosystem dort vor der Zerstörung durch den Zementkonzern Holcim schützen. Holcim betreibt am Mormont einen Steinbruch und will ihn ausweiten.
https://www.watson.ch/!853129322


+++BIG BROTHER
Digitale Identität – Die Blockchain weiss alles – kommt die totale Überwachung?
Eine mächtige Allianz von Konzernen und Behörden arbeitet an einer transnationalen digitalen Identität für alle. Das bringt Risiken mit sich.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/digitale-identitaet-die-blockchain-weiss-alles-kommt-die-totale-ueberwachung


+++RECHTSEXTREMISMUX
Die griechische Neonazipartei Chrysi Avgi ist auch offiziell eine kriminelle Vereinigung
Der Führer geht in den Knast
Ein Berufungsgericht in Athen hat die neonazistische griechische Partei Chrysi Avgi als kriminelle Vereinigung eingestuft.
https://jungle.world/artikel/2020/42/der-fuehrer-geht-den-knast


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Faktencheck zu den Aussagen von Sucharit Bhakdi
Der unter Wissenschaftlern umstrittene Sucharit Bhakdi, emeritierter Epidemiologe der Uni Mainz, ist einer der Wortführer der Gegner der Corona-Maßnahmen. In einem Interview mit MDR Aktuell, das hr-iNFO in Auszügen gesendet hat, hat er Aussagen getroffen, die wir hier in einem Faktencheck gemeinsam mit dem Virologen Uwe Liebert von der Uni Leipzig hinterfragen und einordnen.
https://www.hr-inforadio.de/podcast/aktuell/faktencheck-zu-den-aussagen-von-sucharit-bhakdi,podcast-episode-77018.html


Kantonsrätin Barbara Müller (57) fährt ohne Maske Zug, weigert sich aber, ihr Attest zu zeigen: SP-Politikerin zeigt SBB-Personal an
Weil sie im Zug keine Maske trägt, befindet sich Barbara Müller auf Kollisionskurs mit dem Bahnpersonal. Schon drei SBB-Angestellte hat die SP-Frau inzwischen angezeigt – weil sie ihr mit Rauswurf und Polizei gedroht hatten.
https://www.blick.ch/news/schweiz/ostschweiz/kantonsraetin-barbara-mueller-57-faehrt-ohne-maske-zug-weigert-sich-aber-ihr-attest-zu-zeigen-sp-politikerin-zeigt-sbb-personal-an-id16148740.html
-> Interview StrickerTV: https://youtu.be/N7vocJ43GlQ


Verschwörungsideologien auf Instagram
Mit Influencer-Marketing gegen die „Coronadiktatur“
Ein Hamburger Modeunternehmer erreicht mit Verschwörungsmythen auf Instagram Tausende, darunter auch mehrere Influencer:innen. Die unterstützen ihn und verbreiten seine Thesen zum Teil sogar weiter.
https://netzpolitik.org/2020/mit-influencer-marketing-gegen-die-coronadiktatur/


+++HISTORY
Sklavenhandel und Reichtum: Stadtrat will die dunkle Geschichte St.Gallens aufarbeiten
Gibt es bald einen neuen Rundgang über Sklavenhandel und andere dunkle Kapitel der Geschichte in St.Gallen? Der Stadtrat hat ein entsprechendes Postulat erheblich erklärt.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/auf-stadtfuhrungen-uber-sklavenhandel-aufklaren-ld.1268556
-> Postulat: https://www.stadt.sg.ch/home/verwaltung-politik/demokratie-politik/stadtparlament/geschaefte.geschaeftDetail.html?geschaeftGUID=088e4cf172da40489ae9c7db0a1e2e71


Wie der Schweizer Nachrichtendienst in der Crypto-Affäre mit CIA und BND kungelte
Laut Insidern wiesen Techniker den Geheimdienst und andere Bundesstellen immer wieder auf manipulierte Chiffriergeräte der Zuger Crypto AG hin – erfolglos.
https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/219257903-wie-der-nachrichtendienst-in-der-crypto-affaere-mit-cia-und-bnd-kungelte



landbote.ch 17.10.2020

Jugendbewegung in Winterthur: Wie die 80er-Bewegung nach Winterthur kam

«Züri  brännt – Winti pennt» heisst es heute noch oft, wenn von den 80ern die  Rede ist. Doch die Bewegung in der Arbeiterstadt hat keineswegs  geschlafen. Sie wurde einfach nicht (an)erkannt. Eine Grossdemonstration  gegen Sulzer vor genau 40 Jahren war die Initialzündung.

Miguel Garcia

Über  1000 Personen versammeln sich am Samstag, 18. Oktober 1980, um 14 Uhr  bei regnerischem Wetter hinter dem Hauptbahnhof. Schweigend marschiert  der für Winterthurer Verhältnisse beachtliche Zug mit Transparenten und  schwarzen Ballonen los. «Gegen den Sulzer-Atomexport nach Argentinien»  ist darauf zu lesen. Beim Firmensitz der Maschinenfabrik wird ein  Strassentheater aufgeführt, das die politische Situation im diktatorisch  regierten Argentinien thematisiert. Symbolisch wird ein schwarzer Sarg  niedergelegt. Im Namen einer südamerikanischen Gruppe wird eine  Resolution gegen die Verletzung der Menschenrechte verlesen. Der  Liedermacher Ernst Born singt über den Musiker Victor Jara, welcher der  chilenischen Diktatur zum Opfer gefallen war. Nun skandieren die  Demonstrantinnen und Demonstranten Parolen wie «Atomexport ist  Völkermord». Die Kundgebung zieht durch die Altstadt weiter.

Am  Neumarkt werden Reden gehalten. Unter anderem spricht ein Vertreter der  «Arbeitsgemeinschaft gegen Atomexporte». Die Gruppe, von verschiedenen  friedens- und entwicklungspolitischen Organisationen getragen, hatte zu  der nationalen Kundgebung in Winterthur aufgerufen. Sie monierte, dass  die Schwerwasseranlage, welche die Firma Sulzer der seit 1976  regierenden Militärjunta unter General Jorge Rafael Videla liefern  wollte, zum Bau einer Atombombe verwendet werden könnte. In einer  Begleitpublikation bezeichnete die Arbeitsgemeinschaft «Sulzers  Bombengeschäft mit Argentinien» als «Schweizer Beihilfe zum Atomkrieg».

Der Bundesrat erlaubte das Geschäft

Eigentlich  hatte der Bundesrat die Ausfuhr von Rüstungsgütern an das Regime, das  für seine Folterpraxis berüchtigt war, verboten. Da die  Schwerwasseranlage jedoch offiziell der zivilen Nutzung diente und unter  internationale Kontrolle gestellt wurde, erlaubte der Bundesrat das  Geschäft. Dass die südamerikanische Diktatur, die sich weigerte den  Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen, die Regeln brechen könnte, nahm  man bewusst in Kauf, wie ein kürzlich erschienener Sammelband zu  Schweizer Rüstungsgütern im Kalten Krieg zeigt. Selbst mahnende Worte  aus Washington liessen den Bundesrat nicht davon abbringen.

Die  Sulzer-Konzernleitung, die sich in einem Umstrukturierungsprozess befand  und in den 70ern bereits mehrere Tausend Personen entlassen musste,  verteidigte das grösste Einzelgeschäft der Firmengeschichte im Vorfeld  der Demonstration und verwies auf den Entscheid des Bundesrats. Auch die  FDP von Stadt und Bezirk Winterthur sah sich veranlasst, in einem  Communiqué auf die Kritik zu reagieren, indem sie die Bedeutung des  Exports für die Schweizer Volkswirtschaft betonte. Arbeitgeber,  Arbeitnehmer und Lehrlinge würden mit ihrer Qualitätsarbeit die  Arbeitsplätze sichern, nicht die Demonstranten auf der Strasse, schrieb  die Partei. Mit einem Flugblatt, das in alle Winterthurer Haushalte  verteilt wurde, riefen die Freisinnigen die Bevölkerung zudem auf, der  Kundgebung fernzubleiben. Dass ein FDP-Gemeinderat am Neumarkt gesehen  wurde, als er aus einem Fenster fotografierte, führte zu einem hämischen  Leserbrief in der «Arbeiterzeitung».

Arbeitsplätze vs. Moral

Die  Arbeiterschaft war indes gespalten. Während der Sekretär des  Christlichen Metallarbeiterverbandes in Winterthur, Karl Gruber, an die  Moral appellierte, legten die Gewerkschaften und die Sozialdemokraten  Zurückhaltung an den Tag. Die Betriebskommission der Firma Sulzer sprach  sich für das Geschäft aus. Nur mit technisch hochentwickelten Produkten  könnten angesichts des Strukturwandels der Weltwirtschaft die  Arbeitsplätze in der Maschenindustrie langfristig gehalten werden,  argumentierte sie.

Vermehrt junge Demonstrierende

Die  Medienberichte betonten einhellig die hohe Beteiligung von jüngeren  Demonstrantinnen und Demonstranten. Unter ihnen befand sich auch Aleks  Weber, ein späterer Protagonist der «Winterthurer Ereignisse». Die  Kundgebung blieb im Gegensatz zu den Strassenschlachten, die man von  Zürich kannte, friedlich. Es flogen lediglich ein paar Farbbeutel an  Sulzer-Gebäude, eine Scheibe wurde eingeschlagen und die Wände des  Altersheims am Neumarkt mit Parolen bemalt.

Ein Jahr  später machten Proteste gegen die Rüstungsmesse W81 in den Eulachhallen  Schlagzeilen. Ende 1984 folgten schliesslich die Ereignisse, die unter  dem Titel «Verhör und Tod in Winterthur» in Buch- und Filmform  dokumentiert sind und bis heute das kollektive Bewusstsein der 80er  prägen, während über die Anfänge der Bewegung kaum gesprochen wird.

Die Zeichen nicht erkannt

Der  Slogan «Züri brännt – Winti pennt» stammt aus dem Frühherbst, als eine  unmittelbare Reaktion auf die Opernhauskrawalle ausblieb. Er war vom Zug  aus gut sichtbar an eine Fassade der Sulzer-Fabrik gesprayt und wurde  zur Chiffre der «verschlafenen Industriestadt». Doch spätestens seit  Oktober 1980 gab es regelmässig kleine Demonstrationen und andere  Aktionen, die Verhaftungen von Jugendlichen und weitere Protestaktionen  nach sich zogen. Auch wenn die Bewegung deutlich kleiner war als in  Zürich und keine Massenkrawalle stattfanden, kann die Kundgebung gegen  den Sulzer-Deal rückblickend als Auftakt einer unruhigen Zeit gesehen  werden, der die Eskalationsspirale in Gang setzte.

Bloss  wurden die Zeichen zu diesem Zeitpunkt nicht erkannt, wie die  «Schweizer Illustrierte» 1985 anlässlich einer Pressekonferenz der  Bezirksanwaltschaft feststellte. Der Prozess der mutmasslichen  Verantwortlichen für die «Winterthurer Ereignisse», der Suizid einer  jungen Frau in Untersuchungshaft sowie eines ermittelnden Bundesbeamten  schlugen schweizweit hohe Wellen und bewegen bei den Beteiligten in  Winterthur bis heute die Gemüter.



Die Winterthurer Ereignisse

Bereits  auf die Sulzer-Demo 1980 und die Proteste gegen die «Waffenmesse» 1981  reagierte die Polizei mit Verhaftungen von Aktivistinnen und Aktivisten.  Als sich im Verlauf des Jahres 1984 Brand- und Sprengstoffanschläge in  Winterthur zu häufen begannen, spannte sich die Lage an. Am 7. August  1984 detonierte ein Sprengsatz vor dem Haus des freisinnigen  Bundesrates. Nun stand die Polizei unter Zugzwang. In den frühen  Morgenstunden des 20. November verhaftete sie 25 junge Männer und Frauen  in drei WG. Die «Winterthurer Ereignisse», so die zeitgenössische  Bezeichnung, führten schweizweit zu Kontroversen, die sich insbesondere  um die rechtliche Behandlung der Beschuldigten und das Vorgehen der  Bezirksanwaltschaft drehten. Als sich Gabi S. nach vier Wochen  Untersuchungshaft in ihrer Zelle erhängte, wurden die meisten  Inhaftierten freigelassen. Bis heute sind die genauen Umstände ihres  Todes Gegenstand von Spekulationen. Die beiden Hauptverdächtigen, der  Maler Aleks Weber und Res Sommer, wurden 1987 nach drei Jahren  Untersuchungshaft entlassen. Die Gerichtsverfahen zogen sich noch bis  1995 hin, weil die Urteile von höheren Instanzen mehrmals wegen  Verfahrensfehlern aufgehoben wurden.

Unter  dem Namen «Verhör und Tod in Winterthur» veröffentlichte der  «Tages-Anzeiger»-Reporter Erich Schmid noch während des ersten Prozesses  gegen Aleks Weber 1986 eine erste Gesamtschau der Winterthurer  Ereignisse. Seither sind weitere einzelne Artikel dazu erschienen.  Gestützt auf das Buch von Schmid, hat der Filmemacher Richard Dindo 2002  einen gleichnamigen Dokumentarfilm veröffentlicht. Eine umfassende und  sachliche Aufarbeitung der Ereignisse steht jedoch bis heute aus. Dies  hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Akten noch unter Verschluss  stehen – teilweise bis 2064. (mga)
(https://www.landbote.ch/wie-die-80er-bewegung-nach-winterthur-kam-915060706333)