Medienspiegel 10. Oktober 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++ZÜRICH
Überzogene Angriffe gegen Zürcher SP-Regierungsrat: Mario Fehr muss sich gut überlegen, ob er für sich bei den Sozialdemokraten noch eine Zukunft sieht
Nachdem zwei abgewiesene Asylbewerber aus dem Fenster einer Unterkunft gestürzt sind und sich verletzt haben, schiesst die Linke gegen den Zürcher Sicherheitsvorsteher. Zu Unrecht.
https://www.nzz.ch/zuerich/mario-fehr-in-zuerich-ein-parteiaustritt-waere-verstaendlich-ld.1580882


++BALKANROUTE
Migranten ohne Hoffnung als Spielball der bosnischen Politik
Weil der Premier des Kantons Una-Sana, Mustafa Ružnić, aus wahlkampftaktischen Gründen zwei Flüchtlingslager schließen ließ, sind nun Tausende obdachlos
https://www.derstandard.at/story/2000120604630/migranten-ohne-hoffnung-als-spielball-der-bosnischen-politik?ref=article


+++MITTELMEER
Italien setzt „Alan Kurdi“ fest: Technik mit „Unregelmäßigkeiten“
Die italienische Küstenwache setzt wieder mal das Rettungsschiff „Alan Kurdi“ fest. Die Retter*innen wehren sich gegen den Vorwurf von technischen Mängeln.
https://taz.de/Italien-setzt-Alan-Kurdi-fest/!5719280/
-> https://www.tagesschau.de/ausland/alankurdi-italien-101.html
-> https://sea-eye.org/italien-setzt-unlauteren-kampf-gegen-deutsche-seenotretterinnen-fort/
-> https://www.sueddeutsche.de/politik/alan-kurdi-mittelmeer-italien-1.5061595


+++EUROPA
Push back Solidarity – Wie die Europäische Union Solidarität mit Schutzsuchenden kriminalisiert
Überall in der EU werden Organisationen und Einzelpersonen diffamiert, schikaniert, behindert und strafrechtlich verfolgt, weil sie sich solidarisch mit Schutzsuchenden zeigen. Diese Broschüre gibt einen Ein- und Überblick über die zunehmende Kriminalisierung von Solidarität innerhalb der Europäischen Union; ihre Hintergründe, Formen und Auswirkungen und zahlreiche Fälle. Doch staatliche Repressionen stoßen auf Widerstand. Betroffene lassen sich nicht einschüchtern. Auf Repression folgen neue Wellen der Solidarität und befeuern den gemeinsamen Kampf gegen das rassistische europäische Grenzregime.
https://www.borderline-europe.de/eigene-publikationen/push-back-solidarity-wie-die-europ%C3%A4ische-union-solidarit%C3%A4t-mit-schutzsuchenden?l=de
-> Download: https://www.borderline-europe.de/sites/default/files/readingtips/Push%20back%20Solidarity_final_ONLINE.pdf


Beziehungen zwischen der EU und Afrika: Im Flüchtlingslager hilft der Green Deal nichts
Das Versprechen von Ursula von der Leyen war, afrikanischen Ländern auf Augenhöhe zu begegnen. Doch der Besuch von EU-Chefdiplomat Josep Borrell in Äthiopien zeigt: So leicht lassen sich alte Probleme nicht abschütteln.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/im-fluechtlingslager-hilft-der-green-deal-nichts-a-0e054180-590e-4618-b2e6-4b8d0142bcdd?sara_ecid=soci_upd_KsBF0AFjflf0DZCxpPYDCQgO1dEMph


+++ATLANTIK
Mehr als tausend Geflüchtete binnen 48 Stunden auf den Kanaren gelandet
37 Boote kamen in den letzten zwei Tagen auf der spanischen Inselgruppe an. Seit Grenzkontrollabkommen mit Libyen wählen Flüchtlinge seltener die Mittelmeerroute
https://www.derstandard.at/story/2000120815111/mehr-als-tausend-gefluechtete-binnen-48-stunden-auf-den-kanaren?ref=rss
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-10/mittelmeer-fluechtlinge-afrika-kanarische-inseln


+++FREIRÄUME
Lärmempfindlicher Nachbar verlangt vergeblich, dass Ziegel Oh Lac um 22 Uhr schliesst
Ein Nachbar der Roten Fabrik in Zürich Wollishofen befindet sich seit Jahren im Clinch mit dem Restaurant Ziegel oh Lac. Er fühlt sich durch den Lärm, den die Aussenwirtschaft verursacht, gestört und verlangt, dass diese nach 22 Uhr geschlossen werden muss. Das Zürcher Verwaltungsgericht hatte dem Lärmgeplagten die Legitimation für eine Beschwerde abgesprochen, weil er 230 Meter von den Aussenplätzen der Beiz entfernt wohnt. Nach gängiger Rechtssprechung ist das zu weit weg.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/laermempfindlicher-nachbar-verlangt-vergeblich-dass-ziegel-oh-lac-um-22-uhr-schliesst-139442388
-> Urteil Bundesgericht: https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://07-09-2020-1C_3-2020&lang=de&zoom=&type=show_document


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Demo auf dem Bundesplatz: 2000 gingen für Moria-Flüchtlinge auf die Strasse
Die Schweiz müsse Flüchtlinge aus dem niedergebrannten Lager Moria aufnehmen. Das forderten am Samstag in Bern gegen 2000 Demonstrierende.
https://www.bernerzeitung.ch/politisches-treiben-in-der-innenstadt-296982563815
-> https://www.derbund.ch/griechische-lager-evakuieren-und-fluechtlinge-in-schweiz-aufnehmen-662794622421
-> https://www.20min.ch/story/600-personen-demonstrieren-vor-dem-bundeshaus-fuer-gefluechtete-885105565743
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/demo-samstag-in-bern-marit-moria-und-klima-aktivisten-65798153
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/bern/demonstration-in-bern-bei-blick-tv-nehmt-alle-fluechtlinge-von-lesbos-auf- id16138384.html (ab 03:44)
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/berner-bundesplatz-tausende-demonstrieren-fuer-aufnahme-der-moria-fluechtlinge-139453566
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/nationale-demo-zur-evakuierung-von-moria-139454221
-> Demoaufruf: https://barrikade.info/article/3916
-> https://evakuieren-jetzt.ch/demo/

-> Videos: https://www.facebook.com/migrantsolidaritynetwort/
-> https://twitter.com/antiproprietary/status/1314898669775319040
-> https://twitter.com/__investigate__
-> https://twitter.com/edi_schwarz
-> https://twitter.com/BernLinke
-> https://twitter.com/antiproprietary
-> https://twitter.com/Megafon_RS_Bern
-> https://twitter.com/bwg_bern
-> https://twitter.com/PoliceBern
-> https://twitter.com/bglaettli
-> https://twitter.com/KasparSurber
-> https://twitter.com/GrueneCH
-> https://twitter.com/ag_bern
-> https://twitter.com/luziustheiler



Schweigeminute auf Bundesplatz: Märitleute und Aktivisten protestieren gemeinsam
Marktfahrer und Klima-Aktivisten machten am Samstag auf die Verdrängung des Märits aufmerksam. Und das, obwohl letztere unlängst auf dem Bundesplatz ein Camp eingerichtet hatten.
https://www.bernerzeitung.ch/maeritleute-und-klimastreikende-protestieren-gemeinsam-769735754323
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/fuer-den-maerit-in-bern-marktfahrer-und-klima-aktivisten-demonstrieren-gemeinsam-id16137742.html
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/gemeinsamer-feind-klima-jugend-und-markt-fahrer-spannen-zusammen-gegen-die-stadt-bern-139453579


Nächste Prozesstermine zu Basel Nazifrei
Die nächsten Termine sind: 14.10 um 13.30 // 21.10 um 7.30 // 26.10 um 7.30 // 17.11 um 7.30.
Jeweils beim Gericht (Schützenmattstrasse 20, Basel)
Wir rufen zur Demonstration auf. Für einen lebendigen Antifaschismus, gegen die verschärfte Repression und in Solidarität mit den Angeklagten.
https://barrikade.info/article/3924


+++REPRESSION DE
Demonstration für Liebig34: „Die letzte Schlacht gewinnen wir“
Nach der Räumung der Liebig34 in Berlin wird für das Hausprojekt demonstriert – inklusive Sachbeschädigungen und Zusammenstößen mit der Polizei.
https://taz.de/Demonstration-fuer-Liebig34/!5719283/
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1142889.liebig-liebig-ist-geschichte.html
-> https://www.morgenpost.de/berlin/article230637128/Demo-gegen-Liebig-34-Raeumung-37-Strafermittlungsverfahren.html?utm_term=Autofeed&utm_medium=Social&utm_source=Twitter#Echobox=1602338847
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-10/berlin-raeumung-liebig34demonstration-ausschreitungen-linksextremismus-andreas-geisel-thomas-haldenwang
-> https://www.zdf.de/nachrichten/politik/liebig34-raeumung-reaktionen-100.html


+++WEF
Diverse andere Veranstaltungen geplant – Sicherheit am WEF: Ist die Luzerner Polizei auf sich allein gestellt?
Der Kanton Graubünden hat bereits abgeklärt, ob die Schweizer Polizeikorps zwischen März und Juni 2021 genügend Ressourcen haben, um die Bündner Kantonspolizei am WEF zu unterstützen. Die Antwort war: Nein. Wir sagen, was das für Luzern heisst.
https://www.zentralplus.ch/sicherheit-am-wef-ist-die-luzerner-polizei-auf-sich-allein-gestellt-1912563/


+++RASSISMUS
Von «Mohrenköpfen» und anderen Problemen: Rassismus wird in der Schweiz gern runtergespielt
Der Berner Soziologe Rohit Jain erlebt fast jede Woche Rassismus – und forscht seit Jahren zum Thema. Ein Gespräch über systemische Benach¬teiligung, ¬hartnäckiges Verdrängen, problematische ¬«Mohrenköpfe» und zarte Fortschritte.
https://www.migros.ch/de/Magazin/2020/rassismus-rohit-jain.html


+++RECHTSPOPULISMUS
Unterwanderte Zivilgesellschaft: Wie Rechte versuchen, Vereine und Verbände zu infiltrieren
Auf Anti-Corona-Demonstrationen, bei Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr, Wohlfahrtsverbänden oder Naturschutzvereinen beobachten zivilgesellschaftliche Organisationen, wie rechte Populisten versuchen, Einfluss zu nehmen. Demokratie-Aktivisten halten mit Beratung und Workshops dagegen.
https://www.deutschlandfunk.de/unterwanderte-zivilgesellschaft-wie-rechte-versuchen.724.de.html?dram:article_id=485576



derbund.ch 10.10.2020

Der sichere Wert der SVP: Der unermüdliche Fuchs

Er  ist einer der am meisten angefeindeten Politiker Berns. Trotzdem will  es Thomas Fuchs als SVP-Kandidat für den Gemeinderat nochmals wissen.  Warum tut er das?

Sophie Reinhardt

Schon  wieder Thomas Fuchs. Der Präsident der Stadtberner SVP will in den  Gemeinderat – und wirbt damit, dass es «neue Köpfe, neue Ideen» brauche.  Sein Kopf ist in der Berner Politlandschaft aber alles andere als neu: Von 1995 bis 2002 war er Stadtrat, von 2002 bis 2018 Grossrat und 2011 für kurze Zeit Nationalrat. Heute ist er Präsident der städtischen SVP und bürgerlicher Drahtzieher.

Er  ist längst eine Marke in der Berner Politik. Nach seinem langjährigen  Engagement weiss man, wofür er steht: hartes Durchgreifen gegen «Chaoten» und «Sozialschmarotzer», gegen «Überfremdung» und die Reitschule – und das zumindest früher regelmässig polemisch und grob. Fuchs selber sieht es als Vorteil, dass er seit langem Politik macht und sich «Inhalt oder Meinung nicht gross geändert» haben.

Es  ist nach dem Jahr 2000 seine zweite Gemeinderatskandidatur – und wieder  eine mit nur geringen Wahlchancen. Es geht ihm diesmal auch gar nicht  in erster Linie um seinen eigenen Erfolg. Sein Hauptanliegen ist heute,  einen zusätzlichen Sitz für die Bürgerlichen im Gemeinderat zu holen.  Deshalb lobbyierte der einstige Einzelkämpfer stark für eine gemeinsame Liste aller Mitte- und bürgerlichen  Parteien, deshalb schob er in einem entscheidenden Moment den  polarisierenden SVP-Interessenten Erich Hess beiseite. Und als die  grosse Allianz scheiterte, tat er alles, damit diesmal wenigstens eine gemeinsame Liste von SVP  und FDP klappte. Die Liste hat gute Chancen auf einen Sitz – wobei  FDP-Kandidat Bernhard Eicher bessere Chancen hat als Fuchs. Dass der «Bund» seine Kandidatur als «Notnagel» bezeichnete, stört Fuchs nicht.

Halbes Leben in der Politik

Fuchs,  der Unermüdliche – bereits mit 16 Jahren interessierte er sich für  Politik und schrieb Leserbriefe. Seither ist er pausenlos aktiv. Warum  tut sich das der heute 54-Jährige trotz vieler Misserfolge  an? Selbst in seiner Partei gibt es Leute, die sagen, «der Fuchs hat  halt nichts anderes». Das streitet er gar nicht ab. «Ich mache keinen  Sport, und mein einziges Hobby Pilzesammeln braucht auch nicht viel Zeit  übers Jahr gesehen.» Dann ist da aber auch sein Anliegen, für seine  Vorstellung eines lebenswerten Bern zu kämpfen. «Es ist mir einfach wichtig, dass in der Stadt die Bürgerlichen mitreden.» Zwar findet die SVP im Stadtparlament selten Mehrheiten, zwar hat sie  alle ihre Volksinitiativen gegen die Reitschule verloren, doch Fuchs  lässt sich nicht entmutigen und glaubt dennoch, etwas bewirken zu können. Man könnte ihn als Sisyphus der Berner Politik bezeichnen. «Wenn wir uns nicht einbringen, wird die rot-grüne Dominanz noch ungehemmter.» Sein Engagement und seinen Fleiss würdigen auch politische Gegner.

Manchmal  hatte sein Einsatz aber durchaus Erfolg – und handfeste Folgen. Wegen  seiner vom Volk angenommenen Initiative verdienen die Gemeinderäte heute  weniger als früher. Und Fuchs war das Aushängeschild jener Bewegung,  die die erste Auflage des Trams nach Bern West stoppte.

Fuchs, der Maulwurf

Fuchs  beherrscht das politische Handwerk, ist im Bild über seine Gegner.  Gemäss eigener Aussage ist Fuchs unter einem Pseudonym Mitglied der SP.  Auch an die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSOA) zahlt er «über Dritte» jährlich den Mitgliederbeitrag. «Es geht mir dabei um Informationsbeschaffung», sagt Fuchs, der Oberst ist und in der Armee Kurse zu Kriegsvölkerrecht organisiert. So wisse er früh über die Pläne seiner Gegner Bescheid. Abonniert hat Fuchs auch das Magazin der Reitschule, das «Megafon», und die Gewerkschaftszeitung «Work». Und er liest diese Zeitschriften nach eigenen Angaben sehr gründlich.

Fuchs tritt heute weniger provokativ auf als in seinen politischen Anfängen. Das ist nicht der Altersmilde  geschuldet, sondern Kalkül. «Wer in den Gemeinderat will, muss breiter  akzeptiert werden, Provokation ist jetzt im Wahlkampf nicht gefragt», so  Fuchs. Als er 2000 erstmals  für den Gemeinderat kandidierte, war er der Provokateur der Jungen SVP  auf einer bürgerlichen Einheitsliste. Er galt damals als «Blochers  Statthalter» in Bern, stand zu seiner Begeisterung für den neuen  Parteihelden, während andere Berner SVP-Politiker sich dies nicht  getrauten oder gegenüber dem neuen Kurs noch skeptisch waren.

Als  Banker passte Fuchs damals zur neuen SVP, deren Spitzenpersonal immer  weniger aus Bauern- und Gewerbekreisen kam. Im Kanton Bern hat er bis  heute für viele SVP-Wähler den falschen Beruf, und dass er aus der Stadt  kommt und offen zu seiner Bisexualität steht, gefällt ländlich-bäuerischen Milieus ebenfalls nicht. Sein bester  Freund und Parteikollege Erich Hess hat da als Lastwagenführer bessere  Karten. Hess sitzt seit 2015 im Nationalrat, Fuchs schaffte die  Wiederwahl nicht, nachdem er 2011 nachgerutscht war.

Fuchs, Präsident auch der  SVP Bümpliz, ist im rot-grün dominierten Bern politisch ein Sonderling,  ebenso wie der Stadtteil, den er vertritt. Im einstigen Arbeiterquartier,  früher eine SP-Hochburg, ist die SVP seit 2016 die stärkste Partei,  hier finden SVP-Begehren regelmässig eine Mehrheit. In diesem – in  gewissem Sinn – ausgeprägt multikulturellen Aussenbezirk, wo es nebst  vielen Alteingesessenen überproportional viele Ausländer gibt, ist Fuchs  zu Hause. Und geniesst den Status eines Sorgenonkels.

So  trifft er vor dem «Bund»-Gespräch einen Bümplizer Mann, der Hilfe beim  Verfassen eines Briefes braucht. Oder er begleitete eine Frau, die sich  nicht allein getraute, bei ihren ausländischen Nachbarn wegen  Ruhestörung zu reklamieren. «Da bin ich halt um halb elf Uhr nachts  mit», erzählt Fuchs. «Ich sehe mich als Vertreter von Leuten, die  niemanden sonst haben.» Er helfe gerne, und darum sei auch seine  Telefonnummer im Internet und im Telefonbuch auffindbar. Als Vertreter von Bümpliz kennt er die Sorgen und Probleme eines Quartiers, wo mehr Leute mit kleinem Portemonnaie leben als in anderen Stadtteilen.

Lieber Bern als Zürich

Fuchs selber ist arriviert, besitzt viele Immobilien, ist Direktionsmitglied einer Grossbank. Und bis heute einer jener Politiker Berns, die am  stärksten angefeindet werden. Das ist auch ein Grund, warum er seine  Beziehung heute nicht öffentlich lebt. Weiter nennt er meist den Namen  seiner Arbeitgeberin nicht mehr. «Immer wieder gab es feige Briefe an  die Bank, in denen stand, dass man mich entlassen solle aufgrund meiner  politischen Meinung», sagt Fuchs. Das sei nie zur Diskussion gestanden,  im Gegenteil.

Unangenehm  ist ihm die Rolle offenbar nicht, die er in Bern spielt. Er habe den  nächsten Karriereschritt in der Bank abgelehnt, weil er dafür nach  Zürich hätte pendeln müssen: «Das liesse sich nicht mit meinem  Engagement vereinen.» Fuchs ist einer, der lieber bleibt, als dass er  geht, und dranbleibt in Bern. So ist er auch seit über 25 Jahren  Präsident der Samaritervereinigung Stadt Bern und Umgebung.



Der Kampf um die Berner Stadtregierung

Jetzt  geht es in die entscheidende Phase. Die Bundesstadt wählt am 29.  November ihre neue Regierung. Wer sind die Kandidatinnen und Kandidaten,  die in den fünfköpfigen Gemeinderat wollen? Was haben die bisherigen  Amtsträgerinnen und Amtsträger geleistet? In einer Artikelserie  porträtiert der «Bund» die bisherigen Gemeinderäte, die wieder  kandidieren, sowie die aussichtsreichsten Persönlichkeiten. Auch  Personen, die nicht zu den Spitzenkandidaten gehören, stellte der «Bund» vor.  (mob)
(https://www.derbund.ch/der-unermuedliche-fuchs-714601626392)


+++RECHTSEXTREMISMUS
„Die Nationale Aktionsfront NAF trifft sich heute Nachmittag mit Kameraden beim Schützenhaus Grynau in Tuggen SZ, um später gemeinsam den Livestream des Kampf der Nibelungen KDN zu verfolgen. #Schwyz #KampfDerNiebelungen #Kampfsport #RunterVonDerMatte
Beim Schützenhaus werden die Kampfsportinteressierten weitergeleitet.“
(https://twitter.com/antifa_bern/status/1314915264664875015)


«Der Algorithmus funktioniert nicht»: So werden Frauen von Rechtsextremen auf Instagram instrumentalisiert
«Jung, agil und attraktiv» sollen sie aussehen: In der rechtsextremen Szene gibt es Workshops dazu, wie junge Frauen auf Instagram neue Anhänger rekrutieren sollen.
https://www.20min.ch/story/so-werden-frauen-von-rechtsextremen-auf-instagram-instrumentalisiert-319333306475


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
«Radikale Prominente sind ideologische Superspreader»
Immer mehr Menschen distanzieren sich vom offiziellen Corona-Kurs. Auffallend: Besonders Unterhalter und Comedians schwingen sich zu den Wortführern der Kritiker und Protestler auf. Ungefährlich ist das nicht.
https://www.20min.ch/story/radikale-prominente-sind-ideologische-superspreader-870645691429
-> https://www.20min.ch/story/so-reagieren-deutsche-promis-auf-wendlers-prompten-dsds-ausstieg-527683096446
-> https://www.20min.ch/story/wendlers-eltern-schiessen-nach-dsds-austritt-gegen-eigenen-sohn-526790274344
-> https://www.nau.ch/people/welt/michael-wendler-psychologe-vergleicht-ihn-mit-unfallopfer-65798349
-> https://www.nau.ch/people/welt/michael-wendler-so-sehr-leidet-laura-muller-unter-dem-corona-wahn-65798169
-> https://www.blick.ch/people-tv/international/die-widerspruechlichen-corona-aussagen-des-schlagerstars-michael-wendler-meldet-sich-auf-telegram-zu-wort-id16138274.html
-> https://www.blick.ch/people-tv/international/wie-geht-es-nun-weiter-mit-seiner-karriere-michael-wendler-outet-sich-als-corona-skeptiker-id16136052.html


Verschwörungsmythen-Experte zu Wendler: “Hildmann bot ihm vermeintlich einfache Antworten”
“Ich will als Held sterben”, sagte jüngst der Schlagersänger Michael Wendler laut seinem Manager, Markus Krampe. Wendler, der zuletzt vor allem Schlagzeilen machte wegen seiner Fehde mit Comedian Oliver Pocher, seiner Beziehung mit der 19-jährigen Laura Müller, der von Insolvenz und Gerichtsverfahren zerrüttet war, wollte wohl noch einmal strahlen.
https://www.watson.de/!578231969


Vorwürfe gegen Rob Spence: Ein Muntermacher unter Beschuss
Ein Schweizer Kabarettist wirft seinem Berufskollegen vor, ihn bedroht zu haben, und will Strafanzeige einreichen. Dieser droht mit einer Gegenklage.
https://www.tagesanzeiger.ch/ein-muntermacher-unter-beschuss-201213179089


Attila Hildmann, QAnon und andere Kritiker: Gegner der Corona-Maßnahmen wollen durch Berlin ziehen
Am Samstag wollen Gegner der Corona-Maßnahmen in Berlin demonstrieren. Erwartet wird ein Teilnehmerspektrum aus Verschwörungsideologen, QAnon-Anhängern und einfachen Kritikern.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/attila-hildmann-qanon-und-andere-kritiker-gegner-der-corona-massnahmen-wollen-durch-berlin-ziehen/26261644.html


«Facebook-Strategie gegen QAnon ist sinnvoll» – Echo der Zeit
Diese Woche haben die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram bekannt gegeben, dass sie ihr Vorgehen gegen die «QAnon»-Verschwörung verschärften und Facebook-Seiten und -Gruppen sowie Instagram-Konten entfernten, selbst wenn sie keinen gewalttätigen Inhalt haben. Wie bewertet Pia Lamberty, Sozialpsychologin und Expertin für Verschwörungsideologien, dieses Vorgehen?
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/facebook-strategie-gegen-qanon-ist-sinnvoll?id=989da8d8-710b-4c15-ace3-22bdb049b08b


+++EUROPA 2
derbund.cn 10.10.2020

Samstagsgespräch über die Zukunft des Asylwesens: «Es gibt kein Recht auf Migration»

Der  führende deutschsprachige Migrationsexperte Gerald Knaus erklärt, warum  man die Flüchtlinge aus Moria sofort evakuieren muss. Und warum es  wichtig ist, dass Länder die Kontrolle über ihre Grenzen behalten.

Sandro Benini

Beginnen wir mit der jüngsten Tragödie. Müssen die Insassen des abgebrannten Lagers im griechischen Moria evakuiert werden?

Die  Bedingungen auf den griechischen Inseln sind seit Jahren  menschenunwürdig. In den letzten Monaten haben sie sich wegen der  Pandemie und der Ausgangssperren dramatisch verschärft. Auch das neue  Lager, das in Lesbos nach dem Brand errichtet wurde, bietet für den  Winter nicht ansatzweise menschenwürdige Bedingungen.

Konkret?

Es  fehlt an allem: Wasser, Toiletten, Elektrizität. Und weil die Türkei  das Flüchtlingsabkommen von 2016 Anfang März aufgekündigt hat, wird  selbst bei einer neuen Einigung niemand von diesen Menschen je dorthin  zurückgebracht, egal, was die Asylbehörden entscheiden. Es ist also  sinnlos, Menschen unter diesen Bedingungen weiter auf den Inseln  festzuhalten.

Also evakuieren?

Ja.  Allerdings genügen einmalige Gesten nicht. Dazu kommt: Immer mehr  anerkannte Flüchtlinge leben heute auch auf dem griechischen Festland  unter unzumutbaren Bedingungen, manche auf der Strasse. Das bestätigen  auch Urteile deutscher Verwaltungsgerichte. So droht ganz Griechenland  zu einem grossen Nauru zu werden.

Zu einem grossen was?

Nauru  ist die Pazifikinsel, die für Australien Bootsflüchtlinge jahrelang  unter unzumutbaren Bedingungen festhält. Allerdings ist Griechenland  keine Insel, und so verlagert sich die menschliche Tragödie weiter an  die kroatisch-bosnische Grenze. Die EU braucht eine Strategie für ganz  Südosteuropa, die nicht auf Zermürbung und Abschreckung durch schlechte  Behandlung setzt. Eine geordnete Verteilung Schutzbedürftiger aus  Griechenland in andere Länder der EU wäre im Interesse aller

Das Gegenargument ist der sogenannte Pull-Faktor: Eine Evakuierung würde noch mehr Menschen zur Flucht aus der Türkei ermutigen.

Ob  mehr oder weniger Menschen fliehen, hängt von der konkreten Situation  ab. Man kann den Eindruck vermeiden, dass Menschen von Lesbos aus direkt  Deutschland erreichen, indem sie die Griechen etwa aufs griechische  Festland bringen. Während andere EU-Staaten anerkannte Flüchtlinge  übernehmen, die bereits dort sind. Das geschah 2016 und 2017, ohne  irgendeinen Pull-Effekt auszulösen.  Es sind immer noch Tausende Kinder  unter zwölf Jahren auf den Inseln. Sie auf unbegrenzte Zeit  festzuhalten, bloss weil der EU keine bessere Politik einfällt, ist  menschenverachtend.

Waren Sie jemals in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln?

Mehrmals,  auf Lesbos und Chios und zuletzt im Dezember 2018 in Moria. Die  Zustände waren immer schlecht. Es fehlte an Sicherheit, Frauen hatten  Angst, Suizidgefährdete wurden sich selbst überlassen. Bis zum Herbst  2019 blieben Menschen im Durchschnitt vier Monate auf den Inseln. Dann  kam die Pandemie. Danach wurden sehr viel mehr Menschen für viel länger  de facto eingesperrt.

Was heisst das für Europa?

Wenn  es in einem europäischen Land wie Griechenland trotz Milliardenhilfen  der EU und trotz der grossen Präsenz des UNHCR nicht möglich ist,  Asylbewerber anständig zu behandeln, dann ist das eine moralische  Bankrotterklärung für die Europäische Union. Und ein desaströses Signal  für den internationalen Flüchtlingsschutz.

Wird sich diese Einsicht durchsetzen?

Es  geht nicht nur um Einsicht. Es geht um einen Kampf der Konzepte.  Innerhalb der EU vertreten manche Regierungen die Position, man solle  irreguläre Migration kontrollieren, indem man Menschen festhält und sie  so behandelt, dass sie ihre Reise nach Europa bereuen. Man nimmt ihnen  jede Hoffnung auf ein besseres Leben als im Libanon, in Afghanistan oder  in der Türkei. Australien verfolgt eine solche Politik seit  Jahrzehnten.

Was bedeutet das für Griechenland?

Wenn  Griechenland nun auf das australische Modell setzt und aus diesem Grund  Menschen auf den Inseln festhalten will, kann auch eine Koalition  aufnahmewilliger Staaten wenig ausrichten. Denn ohne die Zustimmung  Griechenlands gibt es keine Verteilung, selbst wenn Deutschland, die  Schweiz oder Finnland anbieten, ein paar Tausend Menschen aufzunehmen.

Wer fordert in der EU, das australische Modell zu kopieren?

Der  österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz nennt seit 2016 Australien  als Vorbild. Die britische Regierung sprach erst vor kurzem darüber,  Asylsuchende, die den Ärmelkanal überqueren, auf entfernte Inseln wie  St. Helena im Südatlantik zu bringen. Der ehemalige italienische  Innenminister Matteo Salvini liess Gerettete wochenlang auf Schiffen  ausharren. Was Australien attraktiv macht: Diese Politik, verbunden mit  dem Zurückstossen von Booten auf dem Meer durch die Marine, hat die Zahl  der Ankünfte irregulärer Migranten fast auf null gesenkt.

Dann ist diese Politik aus pragmatischer Sicht vielleicht richtig.

Wenn  es nicht gelingt, Mehrheiten für humane Grenzen und faire Asylverfahren  in Europas Demokratien zu gewinnen, dann wird Australien tatsächlich  das globale Vorbild. Das wäre das Ende der Genfer Flüchtlingskonvention.  Es würde bedeuten, in Europa die Menschenrechtskonvention auszusetzen  und uns von der unantastbaren Menschenwürde in der EU-Grundrechte-Charta  zu verabschieden. Das ist ein enormer Preis. Zumal in einer Zeit, in  der insgesamt nur wenige irregulär nach Europa kommen. Ich bin  überzeugt, viele Europäer wollen das nicht.

Was sollen wir also tun?

Was wir brauchen, ist eine institutionelle Lösung für die nächsten zehn Jahre.

Und wie sähe die aus?

Drei  Punkte. Es geht erstens darum, durch mehr Hilfe für Flüchtlinge vor Ort  zu verhindern, dass jene, die sich bereits in Drittstaaten befinden,  von dort weiterziehen müssen. In den letzten Jahren hat die Europäische  Union in der Türkei mit Geld einiges erreicht. Viele der Syrer, die dort  leben, wollen und können bleiben. Diese Form von  Fluchtursachenbekämpfung sollte weltweit ausgebaut werden.

Und der zweite Punkt?

Wir  brauchen eine neue Politik der Neuansiedlung. Wir sollten Drittstaaten  anbieten, eine bestimmte Anzahl Flüchtlinge in einem geordneten  Verfahren zu übernehmen, so wie es eine Koalition von Demokratien mit  den vietnamesischen Bootsflüchtlingen nach 1979 tat. Damals wurden in 20  Jahren rund 2,2 Millionen Menschen aus Südostasien aufgenommen und in  der Welt verteilt. Kanada nimmt heute jedes Jahr allein durch  Patenschaften 20’000 Flüchtlinge auf, die das Land legal erreichen. Das  entspricht 0,05 Prozent seiner Bevölkerung und sollte das Ziel in allen  Demokratien sein. Für die Schweiz wären das 4300 Aufnahmen im Jahr durch  Patenschaften.

Sprechen wir von Flüchtlingen im eigentlichen Sinn oder auch von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen?

Es  geht um Menschen, die Anspruch auf Schutz haben, weil sie in ihren  Staaten an Leib und Leben gefährdet sind. Das wird in Kanada durch den  Staat geprüft. Aber einzelne Bürger, Kirchen, Städte oder Verbände  könnten anbieten, sich um Aufzunehmende zu kümmern. So wird auch die  Integration ein Erfolg.

Und der dritte Punkt?

Es  muss gelingen, die Entscheidung, ob jemand Anspruch auf Schutz hat,  schneller und trotzdem seriös zu treffen. Falls Staaten das nicht  schaffen, löst sich die Kategorie des Asyls auf. Denn bei einem  fehlenden Asylentscheid kann niemand abgeschoben werden, ohne das  Asylrecht zu brechen. Und wenn jeder bleibt, der irregulär Europa  erreicht, brauchen wir keine Asylverfahren. Dann wird bald in immer mehr  Ländern die Mehrheit der Bevölkerung sagen: In diesem Fall lassen wir  gar niemanden mehr rein. Wie 2018 in Italien. Womit wir wieder bei der  australischen Lösung wären.

Sehr zuversichtlich, dass sich Ihre Dreipunktelösung durchsetzt, können Sie nicht sein.

Es  geht darum, eine realistische und trotzdem ehrgeizige Vision zu  vertreten. Es geht auch darum, Koalitionen zu schmieden, die den  universellen Anspruch der Flüchtlingskonvention verteidigen. In den  letzten sieben Jahren haben drei Länder in Europa gemeinsam ein Drittel  des Schutzes in der Welt vergeben – obwohl nur 1,4 Prozent der  Weltbevölkerung in ihnen leben.

Welche drei Länder sind das?

Deutschland,  Schweden und Österreich. Auch sonst liegen die Top-Asylländer fast alle  in Europa. Die USA haben sich unter Trump zurückgezogen. Allein  Luxemburg hat in den letzten Jahren so viele Flüchtlinge vom UNHCR durch  Resettlement aufgenommen wie ganz Südamerika oder ganz Asien.

Was bedeutet das?

Heute  ruht die Zukunft der Flüchtlingskonvention auf den Schultern einiger  Länder in Europa. Indien, China, Indonesien, Japan spielen keine Rolle.  Das bedeutet: Misslingt es in Europa, den Asylgedanken zu retten, dann  stirbt diese noble Idee. Eine Idee, die auf den Erfahrungen aus der  schlimmsten Zeit in Europas Geschichte beruht. Wenn auch Europa  routinemässig illegale Rückweisungen an den Grenzen durchführt oder wie  Ungarn das Asylrecht faktisch abschafft – dann bleibt nichts mehr von  der Flüchtlingskonvention übrig. Dann droht dem UNHCR dasselbe Schicksal  wie seinerzeit dem Völkerbund.

Das klingt sehr pessimistisch.

Es  ist realistisch. Aber es kann auch anders ausgehen. Kanada nimmt  gegenwärtig wieder so viele Flüchtlinge auf wie in den 1980er-Jahren zur  Zeit der vietnamesischen Bootsflüchtlinge. Falls Deutschland und  Frankreich im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl ähnlich viele  Schutzbedürftige ins Land holen und die USA unter Joe Biden sich  ebenfalls wieder beteiligen, dann könnten jährlich bald wieder mehr als  eine Viertelmillion Flüchtlinge legal umgesiedelt werden.

Zumindest  verbal herrscht bis weit ins rechte politische Spektrum hinaus ein  Konsens, dass man sogenannte echte Flüchtlinge aufnehmen muss. Dennoch  hat die legale und die illegale Migration in fast allen europäischen  Ländern rechtspopulistische, teilweise sogar rechtsextreme Parteien  hochgebracht. Ein beträchtlicher Teil der Gesellschaft ist nicht bereit,  Migranten aufzunehmen. Schon gar nicht, wenn sie aus wirtschaftlichen  Gründen kommen.

Deshalb  brauchen wir eine klare Strategie. Auf Bilder leidender Menschen zu  setzen, genügt nicht. Man muss auch klar sagen: Es gibt kein Recht auf  Migration. Irreguläre Migration zu reduzieren, rettet Leben. Die Frage  ist, wie man das erreicht.

Ihr  Ansatz basiert gleich auf zwei illusorischen Annahmen: Schnelle  Asylverfahren und die konsequente Rückschaffung abgewiesener  Asylbewerber.

Moderne  Staaten stellen flächendeckend Notärzte zur Verfügung, die ausrücken,  wenn jemand einen Herzinfarkt erleidet. Das gelingt in Österreich sogar  in den Alpenregionen. Es ist eine Frage des politischen Willens,  schnelle und korrekte Asylverfahren in Aufnahmezentren im Mittelmeer  durchzuführen. 2019 kamen monatlich nicht mehr als 4000 Menschen  irregulär aus Nordafrika in die gesamte EU. Wenn Asylbehörden in der EU  mit Krisenerfahrung kooperieren, um die Anträge in einigen Wochen fair  zu entscheiden, dann ist diese Zahl zu bewältigen. Die deutsche  Asylbehörde Bamf hat ihre personellen Kapazitäten seit 2014  verfünffacht. Das war eine politische Priorität: Man wollte das Recht  auf Asyl bewahren.

Damit ist aber das Problem der zwangsweisen Rückführungen noch nicht gelöst.

Abschiebungsrealismus  ist der Schlüssel für humane Grenzen. Hier herrschen ebenfalls viele  Illusionen. Ohne Abschiebungen Ausreisepflichtiger sterben mehr  Menschen. Die Nigerianer und Gambier, die fast keine Chance auf Asyl  haben und sich dennoch zwischen 2013 und 2017 in grosser Zahl in Boote  setzten und zu Tausenden ertranken –, sie sind auch Opfer der Tatsache,  dass jeder, der die Wüste, Libyen und das Meer überlebte, damit rechnen  konnte, in Europa zu bleiben. Und zwar mit oder ohne Anerkennung.

Was machen wir dann?

Es  hilft nichts, wenn Innenminister unrealistische Massenabschiebungen  versprechen. Zurzeit schafft es kein Staat in der EU, Menschen in  grosser Zahl in Länder ausserhalb Europas abzuschieben.

Eben.

Die  Frage ist: Wie können wenige Abschiebungen Ausreisepflichtiger die  irreguläre Migration reduzieren? Wenn wir einen Stichtag festlegen, nach  dem die Wahrscheinlichkeit, abgeschoben zu werden, hoch ist, machen  sich schnell viel weniger Menschen auf den Weg. Im Gegenzug  verabschieden wir uns von der Illusion, Zehntausende Ausreisepflichtige,  die seit Jahren hier sind, alle irgendwann abschieben zu können.

Die Idee mit dem Stichtag kann aber nur funktionieren, wenn danach tatsächlich Abschiebungen gelingen.

Ja.  Dafür wiederum brauchen wir die Kooperation mit den Herkunftsländern.  Die haben ein grosses Interesse an legaler Mobilität. Aus der Ukraine  und aus den Balkanländern hat die illegale Migration dramatisch  abgenommen, obwohl die Bürger dieser Staaten visafrei in die EU  einreisen können. Und warum hat sie abgenommen

Sagen Sie es mir.

Weil  die Länder im Gegenzug zur Visafreiheit ihre abgeschobenen Bürger auch  zurücknehmen. Das kann zum Beispiel auch mit Tunesien und Marokko  funktionieren. Und ist es im europäischen Interesse, dass Studenten aus  Westafrika nur nach China gehen? Ist es nicht absurd, dass es für  Afrikaner in den letzten zwanzig Jahren immer schwieriger wurde, legal  nach Europa zu reisen?

Eine visafreie Einreise für Afrikanerinnen und Afrikaner dürfte den Rechtspopulisten Auftrieb verleihen.

In  den letzten zwei Jahrzehnten haben Innenminister der EU für über 100  Millionen arme Europäer die Visapflicht aufgehoben: auf dem gesamten  Balkan mit Ausnahme von Kosovo, für Ukrainer, Georgier, Moldauer. Deren  Bürger sind im Durchschnitt ärmer als Tunesier. Warum haben  Innenminister dem zugestimmt? Weil Mobilität, verbunden mit Kooperation  bei Rückführungen, die Sicherheit für alle erhöht.

Trotzdem:  Wenn Sie zusätzlich auch noch den Aufenthaltsstatus aller  untergetauchten Personen legalisieren, haben die AfD, Le Pen und Salvini  auf einen Schlag zehn Prozent mehr Wähleranteil.

Es  geht darum, Menschen zu überzeugen. Ich habe in Lörrach an der Grenze  zu Basel im letzten Jahr ein Aufnahmezentrum besucht, in dem etwa 100  Männer aus Afrika sitzen und warten. Worauf? Ihre Länder nehmen sie  nicht zurück. Arbeiten dürfen sie als abgelehnte Asylbewerber auch  nicht. Die lokalen Politiker halten das zu Recht für absurd.  Gleichzeitig gelingt es Baden-Württemberg nicht einmal, verurteilte  Straftäter nach Westafrika abzuschieben. Sie verkaufen Drogen in Parks.  Das ist absurd, sagen mir viele Bürgermeister. Bieten wir Gambia oder  Nigeria doch an, dass sie jeden Straftäter sowie jeden, der nach einem  Stichtag nach Deutschland kommt, sofort zurückzunehmen – und dafür  andere eine Chance auf Ausbildung und Arbeit erhalten. Das ist  moralischer Realismus.

Sie  widerlegen in Ihrem neuen Buch «Welche Grenzen brauchen wir?» mehrere  Mythen, die in der Diskussion um Migration immer wieder erwähnt werden.

Es  gibt Erzählungen, die die Debatte verzerren. Etwa die Vorstellung, dass  Millionen Afrikaner nur darauf warten, nach Europa zu kommen. Das  Gerede vom Migrationsdruck, das Bild von einem Schnellkochtopf, in dem  sich Druck aufbaut und der irgendwann explodiert – das widerspricht  vollkommen den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte. Brasilien etwa hatte  im Jahr 1900 rund 18 Millionen Einwohner. Heute sind es 212 Millionen. Gibt es deshalb einen gewaltigen brasilianischen Migrationsdruck? Nein.  Migration ist nicht wie überfliessendes Wasser.

Das Bevölkerungswachstum in Afrika ist enorm. Laut Umfragen wollen bis zu 60 Prozent der Erwachsenen ihr Land verlassen.

Dass  jemand in einer Umfrage sagt, er könne es sich vorstellen, legal in  einem anderen Land zu leben, ist etwas völlig anderes, als mit dem  Risiko aufzubrechen, in der Sahara zu verdursten oder im Mittelmeer zu  ertrinken. Es ist schwierig, illegal Grenzen zu überschreiten. In den  letzten Jahrzehnten sind im Durchschnitt jährlich etwa 15’000 Menschen  aus Afrika nach Spanien gekommen, und etwa 25’000 nach Italien. Es gab  nur sehr wenige Ausnahmejahre. Der ungarische Regierungschef Viktor  Orban sprach 2018 von mehr als 30 Millionen, die sich aus Afrika bis  2020 auf den Weg nach Europa machen würden. Er lag zu 99,5 Prozent  falsch. Vergangenes Jahr blieben übrigens 99,9 Prozent aller  afrikanischen Flüchtlinge auf ihrem Kontinent.

Welche Mythen gibt es noch?

Dass  sich Migration nicht stoppen lässt und sich immer ihren Weg bahnt.  Migration lässt sich mit Gewalt fast immer stoppen. Es gibt keine  syrischen Flüchtlinge in Israel, obwohl Israel an Syrien grenzt. Es gibt  aber Millionen Syrer in der Türkei und im Libanon. Warum? Weil an der  syrisch-israelischen Grenze Soldaten stehen. Ob 30’000 Flüchtlinge aus  Nigeria nach Italien kommen wie 2017 oder ein paar Hundert wie letztes  Jahr, liegt nicht an der Entwicklung in Nigeria. Sondern daran, ob die  Europäer Milizen in Libyen dazu einspannen, die Flüchtlinge zu stoppen.  Und leider oft zu misshandeln.

Und welchen Schluss ziehen Sie daraus?

Unsere  Grenzen sagen viel darüber aus, wer wir sind. In Demokratien  entscheiden wir, wie wir mit Flüchtlingen und Migranten umgehen wollen.  Ob wir an den Grenzen Gewalt anwenden, ob wir das Gesetz brechen, ob uns  die Menschenwürde wichtig ist. Diese Entscheidung kann uns niemand  abnehmen.

Kolonialismus,  Ausbeutung der Dritten Welt, egoistischer und überproportionaler  Verbrauch von Ressourcen. Eigentlich hätten wir die moralische  Verpflichtung, alle aufzunehmen.

Es  gibt keine Demokratie der Welt, in der man dafür eine Mehrheit finden  würde. Wir müssen zeigen, dass Sicherheit und Kontrolle trotz humanen  Grenzen möglich sind.

Kürzlich hat die EU-Kommission ein neues migrationspolitisches Konzept vorgestellt. Was taugt es?

Es  enthält bei keiner der Schlüsselfragen realistische Lösungen. Weder bei  der Beschleunigung der Asylverfahren noch bei den Rückführungen. Die  Kommission leidet unter dem fundamentalen migrationspolitischen Konflikt  innerhalb der EU: auf der einen Seite die Verfechter des australischen  Modells, auf der anderen jene, welche die Flüchtlingskonvention noch  retten wollen.

Gibt es einen Punkt, in dem Sie der migrationskritischen Rechten zustimmen?

In  einer Demokratie muss man Mehrheiten überzeugen. Sich als moralische  Avantgarde aufzuspielen, ist kontraproduktiv. Sicherheit und Kontrolle  sind wichtig. Und das Argument, dass Länder «nicht alle aufnehmen»  können, ist vernünftig. Nur geht es bei einer klugen Politik gar nicht  darum.



Migrationsforscher und Ideengeber

Gerald Knaus (1970) ist Sozialwissenschaftler und Migrationsforscher. Er ist Begründer und Vorsitzender des Thinktanks European Stability Initiative. Der  Österreicher gilt als Ideengeber zum sogenannten Türkeideal zwischen  der Türkei und der EU, den der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan  im vergangenen Februar aufgekündigt hat. Knaus’ neues Buch heisst: «Welche Grenzen brauchen wir?  Zwischen Empathie und Angst – Flucht, Migration und die Zukunft  von Asyl», Piper 2020. (ben)
(https://www.derbund.ch/es-gibt-kein-recht-auf-migration-833391914647)