Medienspiegel 6. September 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++FREIRÄUME
Bundesrat will Hausbesitzer stärker vor Besetzungen schützen
Die Landesregierung strebt einheitliche Regeln beim Umgang mit Hausbesetzungen an. Bis jetzt gab es grosse kantonale Unterschiede.
https://telebasel.ch/2020/09/06/bundesrat-will-hausbesitzer-staerker-vor-besetzungen-schuetzen

+++SEXWORK
Freier machen Druck: Sexarbeiterinnen leiden unter Corona
Die Situation im Sexgewerbe ist in Zeiten von Corona prekär. Denn im Moment hat es in der Schweiz mehr Prostituierte als sonst, da die Sexarbeit im Ausland zum Teil noch verboten ist. Zudem kommen wegen dem Virus weniger Kunden. Aus diesem Grund können die Freier den Preis runterdrücken und die Sexarbeiterinnen unter Druck setzen.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/freier-machen-druck-sexarbeiterinnen-leiden-unter-corona-139047057


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Mobilisierungen zu den nächsten Basel Nazifrei Prozessen
Wir rufen dazu auf, am 21. September und am 21. Oktober zum Gericht zu kommen. Es werden unbedingte Haftstrafen gefordert.
Seit einigen Monaten laufen die Gerichtsverfahren gegen Basel Nazifrei. Bisher wurden vier Antifaschist*innen verurteilt. Für Landfriedensbruch und „passive Gewalt und Drohung“ (heisst: für die Anwesenheit an der grossen antifaschistischen Kundgebung von 2018) wurden sie zu mehrmonatigen bedingten Haftstrafen verurteilt.
https://barrikade.info/article/3833


+++REPRESSION DE
BaggerbesetzerInnen wieder frei: Klowasser getrunken
Sechs Tages saßen AktivistInnen in Haft, die im Braunkolgetagebau Garzweiler Bagger besetzt hatten. Sie berichten von skurrilen Erlebnissen.
https://taz.de/BaggerbesetzerInnen-wieder-frei/!5708365/


„Gefängnis macht uns nichts aus“ – Gespräch mit Süleyman Gürcan über den Münchener Kommunistenprozess
Am 28. Juli endete der Münchener Kommunistenprozess gegen 10 Linke aus der Türkei mit langjährigen Haftstrafen. Vorgeworfen wurde den Angeklagten dabei keine konkrete Straftat, sondern lediglich die Mitgliedschaft in der TKP/ML (Kommunistische Partei der Türkei/ML), die vom faschistischen Erdogan-Regime verfolgt wird. Wir trafen uns mit Süleyman Gürcan, Ko-Vorsitzuender der Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK) und sprachen mit ihm über den Prozess.
https://lowerclassmag.com/2020/09/06/gefaengnis-macht-uns-nichts-aus-gespraech-mit-sueleyman-guercan-ueber-den-muenchener-kommunistenprozess/


+++REPRESSION USA
Gewalt bei Protesten in den USA: Aggressionen in den USA steigen
Weiße mobilisieren gegen Black Lives Matter. In Rochester wird ein Demonstrant angefahren. In Louisville stehen sich gegnerische Milizen gegenüber.
https://taz.de/Gewalt-bei-Protesten-in-den-USA/!5712536/


+++KNAST
Polizistenschreck: Peter Hans Kneubühl zu seiner drohenden Verwahrung
Vor 10 Jahren wurde der Fall Peter Hans Kneubühl schweizweit bekannt. Der Bieler Rentner hat sich damals bei der Zwangsversteigerung seines Hauses verschanzt und auf einen Polizisten geschossen. Nach 9 Tagen auf der Flucht wurde er gefasst und seit dann befindet er sich in Haft. Im März sprach das Regionalgericht die Verwahrung von ihm aus. Diese fechtet der heute 77-Jährige aber an und verweigert jegliche Therapie.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/polizistenschreck-peter-hans-kneubuehl-zu-seiner-drohenden-verwahrung-139047010


+++RASSISMUS
Am Stammtisch und im Gerichtssaal gegen Rassismus
An die 4000 Personen demonstrierten Mitte Juni auf dem Bundesplatz gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die Black Lives Matter Bewegung hat die Schweiz und auch Bern erreicht, wo sich verschiedene Organisationen und Einzelpersonen mit dem Thema auseinandersetzen.
http://www.journal-b.ch/de/082013/politik/3686/Am-Stammtisch-und-im-Gerichtssaal-gegen-Rassismus.htm


Targeted Advertising: Facebook und Instagram streichen die Racial-Profiling-Option für zielgerichtete Werbung
Lange Zeit konnten US-Werbetreibende gezielt Menschen von Anzeigen ausschließen, denen Facebook die Merkmale „African American“ oder „Hispanic“ zuschrieb. Nach Protesten, Gerichtsverfahren und etlichen Besserungsversprechen hat der Konzern die Funktion jetzt endlich eingestampft.
https://netzpolitik.org/2020/targeted-advertising-facebook-und-instagram-streichen-die-racial-profiling-option-fuer-zielgerichtete-werbung/#vorschaltbanner


+++RECHTSPOPULISMUS
Codename «Säntis»: Rechtes Medienprojekt will hoch hinaus
Markus Somm, Ex-Chefredaktor der «Basler Zeitung», sammelt Geld für ein Newsportal, das sich gegen den «linken Mainstream» richtet.
https://www.watson.ch/!518970208


ÖVP für Schließung von Kirchweger-Haus
Die ÖVP setzt bei der Wien-Wahl auf das Zuwanderungsthema. Ohne Deutschkenntnisse soll es keine Wohnung mehr im Gemeindebau geben. Und Spitzenkandidat Gernot Blümel fordert auch eine Schließung des Ernst-Kirchweger-Hauses (EKH) in Favoriten.
https://wien.orf.at/stories/3065565/


+++RECHTSEXTREMISMUS
Das soziale Netzwerk Parler ist bei extremen Rechten besonders beliebt
Ein Netzwerk für Team Wurst
Das soziale Netzwerk Parler legt eigenen Angaben zufolge großen Wert auf die Meinungsfreiheit. Unter den Nutzern befinden sich viele Rechtsextreme.
https://jungle.world/artikel/2020/36/ein-netzwerk-fuer-team-wurst


170 Fälle mit rechtsextremem oder rassistischem Gedankengut Rechte Netzwerke und Einzelfälle bei der Polizei
In mindestens 170 Fällen sind in den Bundesländern Polizisten mit rechtsextremem Gedankengut aufgefallen – weit mehr Fälle als die Mail-Drohungen des “NSU 2.0”
https://www.tagesspiegel.de/politik/170-faelle-mit-rechtsextremem-oder-rassistischem-gedankengut-rechte-netzwerke-und-einzelfaelle-bei-der-polizei/26162960.html


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Kampf gegen Verschwörer: Bund prüft Gesetz gegen Fake News
Das Internet ist voll von Fake News. Und nicht wenige fallen darauf herein. Jetzt prüft der Bund, ob er eingreifen soll – und ob es ein Schweizer Gesetz gegen Desinformation braucht.
https://www.blick.ch/news/schweiz/kampf-gegen-verschwoerer-bund-prueft-gesetz-gegen-fake-news-id16078878.html
-> https://www.blick.ch/meinung/das-meint-sonntagsblick-transparenz-pflicht-fuer-internetplattformen-id16078997.html
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/politiker-sind-sich-ueber-fake-news-gesetz-uneinig-00141288/


Auch Ärzte und Staatsrechtler wehren sich gegen Massnahmen: Das Netzwerk der Corona-Skeptiker
Corona-Skeptiker lehnen sich gegen verschärfte Massnahmen des Bundes auf. Im Namen der Demokratie laufen sie Gefahr, diese zu untergraben. Dabei sind die Corona-Rebellen nicht irgendwelche Wirrköpfe, sondern oft gut situiert und gut vernetzt.
https://www.blick.ch/news/auch-aerzte-und-staatsrechtler-wehren-sich-gegen-massnahmen-das-netzwerk-der-corona-skeptiker-id16079160.html


Zürcher demonstrierte in Berlin: «Ich habe die Dinge immer hinterfragt»
Der Zürcher Kevin Aranda nahm vor einer Woche an den Protesten gegen Massnahmen der deutschen Regierung teil. Was hat ihn dazu getrieben?
https://www.blick.ch/news/schweiz/warum-waren-sie-in-berlin-dabei-dieser-zuercher-demonstrierte-gegen-corona-massnahmen-id16079074.html


Expertin Giulia Silberberger warnt: «Wir verlieren Menschen an die Verschwörungsideologen»
Verschwörungsmythen boomen. Giulia Silberberger vom Berliner Verein «Goldener Aluhut» erklärt, warum dem so ist und wie wir Verschwörungsideologen am besten begegnen.
https://www.blick.ch/news/schweiz/expertin-giulia-silberberger-warnt-wir-verlieren-menschen-an-die-verschwoerungstheoretiker-id16078860.html


Kritik an Corona-Massnahmen – Religionsforscher: «Gefahr der ‹braunen Esoterik› ernstnehmen»
Esoteriker und Neonazis im Corona-Dunst: Die Netzwerke dieser Gruppen seien nicht zu unterschätzen, sagt ein Forscher.
https://www.srf.ch/news/international/kritik-an-corona-massnahmen-religionsforscher-gefahr-der-braunen-esoterik-ernstnehmen


Verfassungsschutz: Mehr als 90 Corona-Proteste mit rechtsextremen Wortführern
Seit Beginn der Pandemie versuchen Rechtsextremisten, Proteste gegen Infektionsschutzmaßnahmen für ihre Zwecke zu nutzen. Der Verfassungsschutz nennt nun erstmals Zahlen.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-09/bundesamt-fuer-verfassungsschutz-90-corona-proteste-rechtsextrem
-> https://www.sueddeutsche.de/politik/demonstrationen-berlin-rechtsextremisten-dominieren-bei-ueber-90-corona-kundgebungen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200906-99-447920
-> https://taz.de/Demonstrationen-gegen-Corona-Massnahmen/!5712525/


Warum auf der Corona-Demo die Regenbogenfahne zerrissen wurde
Homosexuelle zählen nicht nur zum Feindbild der extremen Rechten
https://www.derstandard.at/story/2000119815761/warum-auf-corona-demos-dieregenbogenfahne-zerrissen-wird?ref=article


Corona und Qanon: Das Unbehagen der deutschen Nazis
Bei der Corona-Skeptiker-Demonstration am vergangenen Samstag war der Verschwörungsglaube QAnon überall präsent. Auch bekannte deutsche Rechtsextreme posierten mit Q-Schildern. Das verwirrte sogar sie selbst.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/corona-und-qanon-das-unbehagen-der-deutschen-nazis-a-98a0f18b-cb82-4543-aeda-1d455152c2ea


Die gefährlichen Lügen des Qanon: Ein Verschwörungsglaube geht um die Welt
Das FBI warnt vor ihm. Und auch beim versuchten Reichstagssturm in Berlin spielte Q eine Rolle. Warum ein anonymer Hetzer so erfolgreich ist.
https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/die-gefaehrlichen-luegen-des-qanon-ein-verschwoerungsglaube-geht-um-die-welt/26160230.html


Silvio Berlusconi und Italiens Covid-19-Skeptiker
In Rom haben 1.500 sogenannte Corona-Gegner protestiert. Aber Italien bangt um Berlusconi – dessen Infektion Verschwörungstheoretiker Lügen straft
https://www.derstandard.at/story/2000119819216/silvio-berlusconi-und-italiens-covid-19-skeptiker?ref=rss
-> https://www.jungewelt.de/artikel/385832.italien-an-berlin-angekn%C3%BCpft.html



Sonntagszeitung 06.09.2020

Maskenpflicht in der Schweiz: Ärztin verschreibt per Mail Masken-Dispens für 20 Franken

Corona-Skeptiker machen gegen die Maskenpflicht mobil. Darunter sind auch Mediziner, die ein Attest per Post verschicken.

Cyrill Pinto

Im ÖV gilt die Maskenpflicht schweizweit bereits seit Juli. Mehrere Kantone haben sie inzwischen auf Läden ausgeweitet. Doch daran stossen sich viele: Corona-Skeptiker versuchen, die Maskenpflicht zu umgehen. Sie erfinden dabei körperliche oder seelische Gebrechen, um keine Maske tragen zu müssen. Unterstützung erhalten sie dabei von Ärzten, die sich im Internet kritisch zu den Massnahmen des Bundes äussern – und diese offenbar auch aktiv untergraben.

So wie die Berner Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, R. W.: Nach einem Medizinstudium in der Schweiz und einer psychiatrischen Weiterbildung in Bern führt sie seit den 90er-Jahren dort eine eigene Praxis. Per Mail nach einem Maskendispens gefragt, schreibt die Fachärztin FMH prompt zurück: «Ich stelle gerne ein Attest aus. Dafür brauche ich Adresse und Geburtsdatum», schreibt sie per Mail. Als Gegenleistung verlangt sie 20 Franken, zugestellt per Brief. Ausserdem möchte sie Unterstützung bei einer Petition an den Bundesrat gegen die Maskenpflicht.
Corona-skeptische Ärzte machen gegen Maskenpflicht mobil

Die Ärztin ist Teil eines Netzwerks von Corona-Skeptikern. Unter anderem ist sie auf der Plattform «Ärzte für Aufklärung» aufgeführt: Ein bunter Haufen von Heilpraktikern, Ärzten und Pflegern, die Covid-19 für eine harmlose Grippe halten und die Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus, wie etwa die Maskenpflicht, für übertriebenen Zwang. Auf verschiedenen Aufrufen und Plattformen, die sich gegen behördliche Massnahmen aussprechen, taucht ihr Name auf. Unter anderem engagiert sie sich auch für das Referendum gegen das Corona-Notrecht.

Corona-Skeptiker haben offenbar verschiedene Strategien, wie sie die Maskenpflicht umgehen. Verbreitet ist ein Schreiben, das im Internet zum Download bereitsteht und Kontrolleuren im Zug ausgehändigt werden kann. Das vierseitige Dokument mit dem Titel «Gesetzeslage zur Maskenpflicht» enthält eine Rechtsbelehrung und Fussnoten zur «fehlenden Evidenz der Effektivität von Masken». Signiert ist das Dokument von einem Churer Anwalt und Notar.

Laut dem Papier, das dem Kontrollpersonal im ÖV zur Unterschrift vorgelegt werden soll, sei der Persönlichkeitsschutz höher zu gewichten als die Covid-19-Notverordnung des Bundesrats – und damit das Tragen einer Maske.

FMH hält das Vorgehen der Kollegin für problematisch

Weitere Schweizer Ärzte, die sich als Corona-Skeptiker geoutet haben, sind vorsichtiger bei der Ausstellung von Maskenattesten: Per Mail angeschrieben, wollen sie einen Dispens allenfalls nach einer Konsultation in der Praxis ausstellen. «Wir müssen in einem Gespräch klären, ob Ihr Zustand ein Arztzeugnis rechtfertigt», schreibt etwa ein Arzt und Corona-Skeptiker aus der Ostschweiz.

Die Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH) hält es für «problematisch», wenn Ärzte ohne Konsultation Dispense oder Arztzeugnisse ausstellen. Grundsätzlich seien Ärzte verpflichtet, sich an die Corona-Verordnungen zu halten und die Weisungen der Behörden umzusetzen, schreibt die FMH.

Im konkreten Fall gibt sie den Ball an die kantonale Gesundheitsdirektion weiter. Diese hält gegenüber der SonntagsZeitung fest: «Sofern keine sorgfältige Abklärung stattfindet, liegt eine Verletzung der ärztlichen Berufspflicht vor.» Dies könne zu disziplinarrechtlichen Massnahmen führen, sagt der Sprecher der Gesundheitsdirektion des Kantons Bern. Wie bei jedem ärztlichen Attest müsse vorgängig eine persönliche und sorgfältige Diagnose erfolgen.

Auch strafrechtlich ist das Ausstellen eines falschen ärztlichen Zeugnisses relevant. Gemäss Strafgesetzbuch drohen bis zu drei Jahre Gefängnis.

Damit konfrontiert, äusserte sich die Berner Ärztin nicht weiter dazu.

Fachärztin R. W. kein Einzelfall: In Deutschland machten Corona-skeptische Ärzte mit Masken-Attesten zuerst Schlagzeilen. Reporter des Investigativmagazins «Report Mainz» der ARD erhielten in mehreren Arztpraxen ein Attest gegen die Maskentragpflicht. Auch dort ohne vorherige Untersuchung; in einem Fall wurde das Attest gar per Mail verschickt. Gegen die betreffenden Ärzte laufen inzwischen mehrere Verfahren – unter anderem auch wegen Verstosses gegen ärztliche Standesregeln.
(https://www.derbund.ch/aerztin-verschreibt-per-mail-masken-dispens-fuer-20-franken-995574503548)



Neue Luzerner Zeitung 06.09.2020

Anti-Masken-Demo in Uri: «Wissenschaft wird zur Glaubensfrage»

An der Kundgebung gegen die Maskenpflicht nahmen Menschen aus der ganzen Schweiz teil. Die Initiantin muss mit einer Busse rechnen.

Florian Arnold

Die «Tryychlä» hört man schon von weitem. Sie künden den grossen Tross von 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an, die gegen die Maskenpflicht demonstrieren. Kurzerhand wird der Dorfkern von Altdorf für den Verkehr gesperrt. An vorderster Front schwingt ein Mann wie wild eine grosse Schweizer Fahne. Er sei aus dem Kanton Zürich, verrät er, und er habe auch schon auf dem Sechseläutenplatz an einer Kundgebung teilgenommen.

Etwas weiter hinten hilft ein Mann, der sich als «Jürg aus dem Aargau» vorstellt, einer Frau beim Tragen eines Transparents. «Wir kennen uns zwar nicht, aber es ist mir eine Ehre, mitzuhelfen.» Abgebildet ist das Telldenkmal und daneben eine Maske auf einer Stange. «Die Maske ist der neue Gesslerhut», erklärt er. Sie sei ein neues Zeichen der Unterdrückung.

Andere Haltung soll angehört werden

Eben dieses Telldenkmal erreicht der Tross kurz nach 14 Uhr. Es sei der Anstoss für die Kundgebung gewesen, sagt Organisatorin Prisca Würgler. Sie habe beobachtet, wie jemand mutterseelenallein mit einer Maske Tell fotografierte. Danach habe sie beschlossen, sich zu wehren. Zusammen mit der Bäuerin Priska Welti rief sie auf zu einem «Spaziergang» von Flüelen nach Altdorf. Damit begeisterte sie auch eine Mutter aus Altdorf, die nicht mit Namen in der Zeitung erscheinen möchte. «Ich hoffe, dass uns viele Leute sehen und sich eine andere Haltung zu dieser Pandemie anhören.»

Ihr Horrorszenario: eine Maskenpflicht an allen Schulen und in Läden. Das sei «unverhältnismässig» und «ohne Evidenz», wie sie auf ihrem Kartonschild deutlich macht. Wir schauen die Sache mit einem anderen, intellektuellen Blick an. Wissenschaft wird zur Glaubensfrage», so die Frau. Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit habe noch gesagt, dass Masken keine Viren abhalten würden. Und nun müssten schon Kinder Masken tragen.

Die PCR-Tests werden kritisiert

Diese schwankenden Vorgaben des Bundes gehören denn auch zu den Hauptkritikpunkten der Referenten auf dem Lehnplatz, um die sich die Teilnehmer nach dem Fussmarsch versammeln. Während der Pandemie seien etliche Regeln der Forschung missachtet worden, sagt die medizinische Biolaborantin Tamara Fretz. Die verwendeten PCR-Tests seien für den Nachweis von Corona ungeeignet. Und die Zahlen würden falsch interpretiert. «Wir wollen keine weiteren Gesundheitsdiktate mehr, die nicht wissenschaftlich belegt und demokratisch bestimmt sind.»

Diese Anliegen unterstrich auch der Arzt Andreas Heisler, der sich mit Berufskollegen zu einem Netzwerk zusammengeschlossen hat. Er wünsche sich eine Forschung, die sich nicht nur am Gewinn orientiere, sondern die Gesundheit fördern soll, sagt Potenzial-Coach Pablo Hess, der die Kundgebung moderierte. Es gehe um das Gemeinwohl der Gesellschaft. Viel Applaus erntet auch Anwalt Gerald Brei, der mitteilt, dass nun gegen die Maskenpflicht in Läden von Zürich und Solothurn Beschwerde eingereicht werde. Die aktuellen Massnahmen würden Grundrechte verletzen.

Initiantin erhält Anzeige

In seiner Rede verwendet der Anwalt Zitate von Goethe, Kant und Karl Valentin. Und fast keine Ansprache gibt’s ohne Schiller. «Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, und die Schwestern und Mütter nehmen wir auch noch gleich dazu», sagt Isabelle Amstad, die als dreifache Mutter vorgestellt wird. Das Publikum antwortet ihr im Chor, wenn sie Fragen stellt wie: «Ist es richtig, dass wir entmündigt werden sollen?» – «Nein!», «Ist es richtig, dass erhöhte Fallzahlen auf ein erhöhtes Gesundheitsrisiko schliessen?» – «Nein!», «Bedeuten mehr Fallzahlen, mehr Erkrankungen?» – «Nein!»

Besonders fleissig bedanken sich die Referenten auch bei der Kantonspolizei Uri, die während der Veranstaltung nur eine Beobachterrolle einnehmen musste. Bei der friedlichen Kundgebung gab es keinen Grund, einzuschreiten. Fast keinen. Denn Polizeikommandant Reto Pfister hatte zu Beginn des Marsches in Flüelen über ein Megafon klar gemacht, dass während der Kundgebung eine Maskenpflicht herrsche. Initiantin Prisca Würgler unterstricht dies ebenfalls, machte aber gleichzeitig klar, dass sie sich dieser Pflicht widersetzen werde. Beinahe alle Teilnehmer taten es ihr gleich. Die Polizei wird die Initiantin nun zur Anzeige bringen, ob und wie sie gebüsst wird, ist Sache der Staatsanwaltschaft Uri.

Anwälte sollen die Initiantin entlasten

«Es war mir bewusst, dass dies die Konsequenz sein wird», sagt Würgler im Anschluss an die Kundgebung. «Wenn es so weit kommt, werde ich das mit meinen Anwälten anschauen. Da die Maskenpflicht ohne wissenschaftliche Erkenntnisse verordnet wurde, ist sie anfechtbar.» Persönlich ist sie froh über den Verlauf der Kundgebung und dass es keine Probleme mit Querulanten gab.

Angesprochen auf die vielen auswärtigen Teilnehmer sagt sie: «Ich habe alle Menschen angesprochen. Mir ging es um die Symbolkraft von Wilhelm Tell. Wenn wir eine Bewegung sein wollen, müssen wir uns zusammenschliessen.» Welche Strahlkraft die Veranstaltung haben wird, könne sie nicht abschätzen. Ihr nächstes Ziel sei es nun, Menschen aus der Politik und der Wissenschaft an einen runden Tisch zu bringen und Antworten auf drängende Fragen zu erhalten.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/uri/wissenschaft-wird-zur-glaubensfrage-ld.1254359)



derbund.ch 06.09.2020

Opposition gegen Covid-19-Gesetz: Staatsrechtler unterstützen Corona-Rebellen

Das neue Covid-Gesetz soll dem Bundesrat erlauben, in der Krise weiterhin eigenmächtig zu regieren. Die Gegner sehen die Demokratie in Gefahr – und bekommen von prominenten Professoren recht.

Rico Bandle

Rund 40 Menschen versammelten sich diese Pfingsten auf dem Rütli, bildeten einen Kreis und sprachen im Chor die leicht abgeänderte Präambel der Bundesverfassung: «Im Namen Gottes des Allmächtigen! Wir, die Erben der Eidgenossenschaft, geloben, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken.»

Zudem baten sie den Nationalheiligen, Bruder Klaus, um Beistand.

Es war der Gründungsakt des Vereins «Freunde der Verfassung». Die Mitglieder beschworen, in der Corona-Krise für die Freiheit der Schweiz einzustehen. So, wie das schon die alten Eidgenossen und später auch General Guisan auf dieser Wiese getan hatten.
-> https://vimeo.com/428184663

Was von aussen wie die Inszenierung eines Laientheaters wirkte, war für die Beteiligten eine ernste Sache: Sie sehen durch die Corona-Massnahmen die Schweiz, die Demokratie und die Freiheitsrechte gefährdet.

Kontrolle durch Volk und Parlament bleibt eingeschränkt

Nun droht genau das einzutreffen, wovor die Gruppe seit ihrem Rütli-Rapport unablässig warnt: Nächste Woche berät das Parlament über ein neues Gesetz, das dem Bundesrat ermöglichen soll, «diejenigen notverordnungsrechtlich beschlossenen Massnahmen aufrechtzuerhalten, die für die Bewältigung der Covid-19-Epidemie weiterhin erforderlich sind», wie es in der Botschaft heisst.

Kommt das Gesetz durch, kann der Bundesrat bei der Bekämpfung der Corona-Krise auch weiterhin zu einem grossen Teil eigenmächtig regieren – die Kontrolle durch Volk und Parlament bleibt stark eingeschränkt. Laut Gesetzesentwurf darf dann der Bundesrat zum Beispiel «Ausnahmen von der Zulassungspflicht für Arzneimittel vorsehen», Erlasse über «die Einschränkung der Einreise von Ausländern» verfügen oder «Massnahmen zum Schutz von besonders gefährdeten Arbeitnehmern» anordnen.

Nicht die einzelnen Punkte seien das Problem, sagt Christoph Pfluger von den Freunden der Verfassung, es gehe um das Prinzip, dass sich hier der Bundesrat ohne Not Rechte des Parlamentes und des Souveräns aneigne. «Damit wird die Demokratie unterhöhlt.»

Staatsrechtler mit drastischen Worten

Bisher nahm kaum jemand die Gruppierung ernst, nicht nur wegen ihrer skurrilen Rütli-Aktion. An den Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen fallen die Mitglieder durch ihre wehenden Schweizer Fahnen auf, einige haben die Bundesverfassung um den Hals gebunden. Von Beobachtern werden sie gerne als «Covidioten» verspottet oder – trotz des ökologisch-alternativen Hintergrunds vieler ihrer Anhänger – als «Rechtsextreme» gebrandmarkt.

Tatsächlich aber geben ihnen inhaltlich einige prominente Staatsrechtsprofessoren recht. Zum Teil drücken sich diese sogar ähnlich drastisch aus wie die Rebellen auf der Strasse. Andreas Kley und Felix Uhlmann von der Universität Zürich sprachen während der Vernehmlassung in Interviews beide von einem «Ermächtigungsgesetz», das der Bundesrat plane. Ein Begriff, der in der Regel mit der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 in Verbindung gebracht wird.

Kley warnte auf der Online-Plattform «Zeitgeschehen im Fokus»: «Die Anwendung von ‹Notrecht›, das heisst, die Verletzung des ordentlichen Rechts, wirkt wie ein Suchtmittel für Regierungen. Sie kommen davon fast nicht mehr weg, weil es scheinbar viel einfacher ist, mit Vollmachten zu regieren als mit bloss demokratischer Legitimation.»

Der bekannte Staatsrechtler Markus Schefer, Professor an der Universität Basel, sieht die neue Regelung ebenfalls kritisch, auch wenn er das Wort «Ermächtigungsgesetz» nie in den Mund nehmen würde. «Der Bundesrat will sich präventiv eine ganze Bandbreite von Kompetenzen übertragen, ohne zu wissen, ob diese auch nötig sind», sagt er.

Die Absicht hinter dem Vorschlag sei zwar gut gewesen, nämlich die demokratische Legitimation der Notrechtsmassnahmen zu erhöhen. «Doch mit der vorgelegten Lösung wird dies nicht erreicht.»

Schon der Ansatz sei falsch. «Statt dem Bundesrat eine Unzahl von Kompetenzen zu übertragen, sollte das Verfahren angepasst werden. Und zwar so, dass das Parlament schnell und frühzeitig in die Entscheidungen einbezogen werden kann», sagt Schefer. «Das wäre ein demokratischerer Weg.»

Zwar haben in der Vernehmlassung SP, FDP und SVP den Entwurf abgelehnt, trotzdem deutet vieles darauf hin, dass das Gesetz angenommen wird. Weshalb beschränken Parlamentarier freiwillig ihren Einflussbereich? «Das ist mir auch ein Rätsel», sagt Schefer. «Die letzten Monate haben aber gezeigt: Das Parlament zeigt grosse Mühe, in einer schwierigen Zeit seine Aufgaben wirksam wahrzunehmen und den Bundesrat demokratisch zu kontrollieren. Es wäre aber wichtig, dass es hier Verantwortung übernimmt.»

Das Referendum ist beschlossene Sache

Die weit verbreitete Befürchtung, dass das Gesetz Tatsachen schafft, die auch nach Ende der Krise bestehen bleiben werden, teilt Schefer hingegen nur bedingt. Zwar werde es wohl tatsächlich schwierig, gewisse Regelungen wieder abzuschaffen, insbesondere, was Geldleistungen betreffe. «Aber immerhin wird das Parlament nochmals darüber entscheiden müssen. Eine automatische Übernahme ist durch die zeitliche Beschränkung des Gesetzes ausgeschlossen.»

Die Freunde der Verfassung sind entschlossen, das Referendum zu ergreifen, sollte das Gesetz im Parlament tatsächlich durchkommen. Bereits haben 16’000 Leute online ihre Unterschrift zugesichert, 3000 davon wollen beim Sammeln helfen. «Ich bin sicher, wir bringen die 50’000 Unterschriften innerhalb eines Monats zusammen», sagt Christoph Pfluger.

Ein schnelles Vorgehen ist in diesem Fall auch nötig. Da das Gesetz dringlich ist, hat ein Referendum keine aufschiebende Wirkung. Das heisst, die neue Regelung tritt in jedem Fall umgehend in Kraft. Bis die Vorlage dann zur Abstimmung kommt, ist die Corona-Krise womöglich schon vorbei.



Covid-19-Gesetz: In der Politik kaum mehr umstritten

Mit unzähligen Mails haben Corona-Skeptiker National- und Ständeräte zugespamt. Doch die Aktion ist ein Flop. «Ich verstehe den Zirkus nicht. Es droht kein Staatsstreich», sagt SP-Fraktionschef
Roger Nordmann. So schlecht sei das Gesetz nicht.

Das sind neue Töne aus der Politik – nachdem SP, FDP und SVP das Covid-19-Gesetz in der Vernehmlassung noch ablehnten. Jetzt leisten sie keine Totalopposition mehr. Einzig die SVP hält sich offen, nach der Beratung im Parlament Nein zu stimmen. Auch sie hat gemerkt, dass der Bundesrat das Gesetz unterdessen entschärft hat: Die meisten Massnahmen sollen nur bis Ende 2021 statt 2022 gelten. Zudem muss der Bundesrat die Kantone einbeziehen, ehe er Massnahmen erlässt.

«Unser oberstes Ziel ist, dass wir so schlank wie möglich zur Normalität zurückkehren», sagt SVP-Nationalrat Thomas de Courten. Dafür brauche es noch Anpassungen. Und die FDP verlangt gemäss Ständerat Andrea Caroni weitere Sicherheiten, damit das Parlament seine Kontrollfunktion gegenüber dem Bundesrat besser wahrnehmen kann.

Mit dem Gesetz soll Notrecht, das der Bundesrat erlassen hat, verlängert werden. Das Gesetz betrifft die Gesundheitsversorgung, den Arbeitnehmerschutz, den Ausländer- und Asylbereich. Es regelt Entschädigungsfragen infolge Erwerbsausfalls oder verfahrensrechtliche Fragen. Dazu kommen Massnahmen im Kultur- und Medienbereich. (ad)
(https://www.derbund.ch/staatsrechtler-unterstuetzen-corona-rebellen-314179981659)
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/demokratie-in-gefahr-pandemie-rebellen-sehen-gefahr-in-neuem-corona-gesetz-139046157
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/streit-um-covid-19-gesetz-139046851