Medienspiegel 20. August 2020

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Wir geben nicht auf!
Die Gruppe #stopisolation zog am Montag 17 August um 14:00 Uhr vor den Migrationsdienst des Kantons Bern in Ostermundigen, um ihre Forderungen zu überbringen.
https://www.lucify.ch/2020/08/19/wir-geben-nicht-auf/


+++SOLOTHURN
Bilanz zeigt – Solothurn zufrieden mit Begleitung von jugendlichen Asylsuchenden
Das Coaching der Asylsuchenden trage zu einer schnellen Integration bei, bilanziert der Kanton Solothurn.
https://www.srf.ch/news/regional/aargau-solothurn/bilanz-zeigt-solothurn-zufrieden-mit-begleitung-von-jugendlichen-asylsuchenden


+++THURGAU
183 Flüchtlinge beantragten Nothilfe: Die Arbeit der Thurgauer Peregrina-Stiftung hat sich durch das Ausreisezentrum in Kreuzlingen verändert
Die Thurgauer Peregrina-Stiftung muss sich seit März 2019 um mehr ausreisepflichtige Flüchtlinge kümmern. Der Jahresbericht zeigt aber, dass es weniger waren als erwartet.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/frauenfeld/183-fluechtlinge-beantragten-nothilfe-die-arbeit-der-thurgauer-peregrina-stiftung-hat-sich-durch-das-ausreisezentrum-in-kreuzlingen-veraendert-ld.1248514


+++SCHWEIZ
Asylstatistik Juli 2020
Im Juli 2020 wurden in der Schweiz 1055 Asylgesuche eingereicht, 449 mehr als im Vormonat. Dieser Anstieg ist in erster Linie auf die schrittweise Lockerung der Einreisebeschränkungen zurückzuführen, die im Frühling zur Bekämpfung des Coronavirus eingeführt wurden. Gegenüber Juli 2019 ging die Zahl der Asylgesuche um 19,5 Prozent zurück (–256 Gesuche).
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-80131.html
-> https://www.derbund.ch/asylzahlen-steigen-nach-lockerung-von-einreisebeschraenkungen-230497705372
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/asylstatistik-juli-gelockerte-einreisebeschraenkungen-asylgesuche-nehmen-wieder-zu


+++DEUTSCHLAND
Einsätze im Mittelmeer verhindert: NGO-Schiffe dürfen nicht aufbrechen
Die NGO Mare Liberum beobachtet eigentlich die humanitäre Lage im Mittelmeer. Nun blockieren deutsche Behörden das Auslaufen ihrer Schiffe.
https://taz.de/Einsaetze-im-Mittelmeer-verhindert/!5708729/
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1140710.seenotrettung-behoerden-blockieren-hilfseinsatz.html


+++FRANKREICH
Wie Flüchtlinge in Calais auf dem Weg nach England stranden
Immer mehr Migranten wagen die riskante Überfahrt vom französischen Calais über den Ärmelkanal nach England. Vor allem, weil Schlepperbanden die Flüchtenden glauben machen, dass Großbritannien bald die Grenzen schließt
https://www.derstandard.at/story/2000119457480/wie-fluechtlinge-in-calais-auf-dem-weg-nach-england-stranden?ref=rss


+++MITTELMEER
Das Völkerrecht gilt auch für deutsche Reeder
Das Ausschiffen von geretteten Geflüchteten in Libyen ist nach deutschen Gesetzbüchern strafbar, auch für Handelsschiffe. Dies belegt ein Bundestags-Gutachten. Das Auswärtige Amt und die Staatsanwaltschaften verschleppen jedoch die Verfolgung von Kapitänen und Schiffseignern
https://www.heise.de/tp/features/Das-Voelkerrecht-gilt-auch-fuer-deutsche-Reeder-4874338.html


EU-Abschottung tötet
Menschen in Seenot auf Mittelmeerroute ihrem Schicksal überlassen. Überlebende in libysche Internierungslager gebracht
https://www.jungewelt.de/artikel/384735.flucht-eu-abschottung-t%C3%B6tet.html


Mindestens 45 Tote bei Untergang von Flüchtlingsschiff vor Libyen
UN-Flüchtlingshilfswerk kritisiert inakzeptablenVerzögerungen und ausbleibende Hilfeleistung der Staatengemeinschaft
Bei der bislang schlimmsten Havarie eines Flüchtlingsschiffes vor der libyschen Küste in diesem Jahr sind nach UN-Angaben in dieser Woche mindestens 45 Menschen ums Leben gekommen. Unter den Todesopfern seien auch fünf Kinder.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1140683.seenotrettung-mindestens-tote-bei-untergang-von-fluechtlingsschiff-vor-libyen.html


Griechenland bestreitet Vorwurf der Abweisung von Flüchtlingen
Laut Geflüchteten, unabhängigen Beobachtern und der türkischen Küstenwache soll Griechenland mehr als 1.000 Migranten auf Rettungsbooten im Mittelmeer ausgesetzt haben
https://www.derstandard.at/story/2000119478315/griechenland-bestreitet-vorwurf-der-abweisung-von-fluechtlingen?ref=rss


+++FREIRÄUME
bernerzeitung.ch 20.08.2020

Durchbruch nach über 10 JahrenBrache am Centralweg kann endlich überbaut werden

Das Hin und Her um ein Bauprojekt in der Berner Lorraine findet ein gütliches Ende: Der Stadtrat genehmigt einen Kredit für den Bau von 13 Wohnungen.

Christoph Hämmann

Jetzt also doch noch: Nach einer über zehnjährigen Vorgeschichte kann die Brache am Centralweg 15 im Berner Lorrainequartier überbaut werden. Der Stadtrat genehmigte am Donnerstagabend den dafür notwendigen Baukredit von 7,78 Millionen Franken.

Dies ist gut eine Million weniger als der Kredit, den das Parlament bereits vor über sieben Jahren für ein Bauprojekt am gleichen Standort gesprochen hatte – bevor das Projekt so manche politische und juristische Schlaufe nahm. Die Stadt sei mit diesem Projekt erstmals nach Jahrzehnten wieder selber als Bauherrin aufgetreten, sagte SP-Stadtrat Johannes Wartenweiler. «Das fehlende Know-how musste sie danach auf die harte Tour lernen.» Jetzt aber liege ein verbessertes Projekt vor, zu dem seine Fraktion Ja sage.

«Wohnungsnot das grösste Problem»

Der Rat war sich in der Debatte weitestgehend einig: Am Centralweg soll jetzt endlich gebaut werden. Zu reden gab aber insbesondere ein Antrag der vorberatenden Kommission, die Hälfte der neuen Wohnungen im Segment Günstiger Wohnraum mit Vermietungskriterien (GüWR) zu vermieten. Dies würde für den städtischen Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik jährliche Mindereinnahmen von 60’000 Franken bedeuten.

Für die Linke war klar, dass dies verkraftbar sei. Zwar seien die Wohnungen im überarbeiteten Projekt nun vergleichsweise preiswert, sagte GB/JA-Sprecherin Rahel Ruch. «Aber erschwinglich für alle sind sie eben immer noch nicht.» Weil sich ihre Fraktion von der Stadt beim GüWR-Ausbau mehr Tempo wünsche, sei es wichtig, dem Kommissionsantrag zuzustimmen. «Schliesslich bin ich überzeugt, dass Wohnungsnot momentan das grösste Problem in dieser Stadt ist.»

«Argument Farbanschlag ist eine Erpressung»

Die Bürgerlichen sowie grosse Teile der Mitte sahen dies anders. Der GüWR-Anteil der städtischen Wohnungen in der Lorraine sei bereits hoch und die Stadtkasse auf Einnahmen angewiesen, argumentierten sie. Als besonders stossend kritisierten sie die Aussage einer Vertreterin des Vereins Läbigi Lorraine in dieser Zeitung: Die Forderung nach GüWR-Wohnungen auch damit zu begründen, dass man sich keine Farbanschläge wünsche wie bei einem teuren Wohnbauprojekt an der Lorrainestrasse, sei eine «Erpressung», sagte GFL-Stadtrat Manuel C. Widmer – neben einigen anderen.

Dennoch sprach sich eine knappe Mehrheit von 36 gegen 30 Stimmen (2 Enthaltungen) für den 50-prozentigen GüWR-Anteil aus. Eine Formsache war daneben ein zweiter Antrag: Dieser verlangte zu prüfen, ob zwei der 13 Wohnungen komplett behindertengerecht ausgebaut werden können. Er passierte mit 55 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung.
(https://www.bernerzeitung.ch/brache-am-centralweg-kann-endlich-ueberbaut-werden-106934405003)


+++GASSE
Drogenkonsum am Bahnhof Langnau macht Sorgen
Während der Woche am Abend und vor allem an den Wochenenden entwickelt sich der Bahnhof Langnau zu einem Treffpunkt für verschiedene Personengruppen. Unter anderem auch für Jugendliche. Dabei werde vermehrt auch Drogen konsumiert, das mache Sorgen, heisst es in einer neuen Anfrage ans Langnauer Parlament.
https://www.neo1.ch/news/news/newsansicht/datum/2020/08/20/drogenkonsum-am-bahnhof-langnau-macht-sorgen.html


Im Podium 41 in Zug kann man bedürftigen Personen auf anonyme Weise einen Kaffee ausgeben
Als angeblich erster Gastronomiebetrieb im Kanton Zug nimmt das Lokal beim Hafen ab sofort an einer Solidaritätsaktion teil.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/zug/im-podium-41-in-zug-kann-man-beduerftigen-personen-auf-anonyme-weise-einen-kaffee-ausgeben-ld.1248761


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Ebay löscht Kunst-Auktion und sperrt Peng-Kollektiv ohne Angabe von Gründen
Provokation gelungen oder Cancel Culture von rechts? Der Online-Marktplatz Ebay löscht eine Kunstaktion und sperrt den Account der Aktionskünstler:innen. Die berufen sich auf die Kunstfreiheit – und erhalten Unterstützung vom Museum.
https://netzpolitik.org/2020/kommunikationsguerilla-ebay-loescht-kunst-auktion-und-sperrt-peng-kollektiv-ohne-angabe-von-gruenden/
-> https://www.jungewelt.de/artikel/384753.bildende-kunst-auktion-f%C3%BCr-die-antifa.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1140694.peng-kollektiv-ebay-stoppt-peng-auktion.html


+++REPRESSION DE
Es brummt, es rauscht, es pfeift
Punkbands sammeln mit einem Sampler Geld für linksunten.indymedia.org
https://www.jungewelt.de/artikel/384756.punk-solidarit%C3%A4t-es-brummt-es-rauscht-es-pfeift.html


Ein beispielloser Übergriff
Vorgehen der Behörden nach dem Verbot des Portals linksunten.indymedia teils für rechtswidrig erklärt
Vor drei Jahren wurde die Internetplattform Indymedia verboten. Es folgten Beschlagnahmungen großer Datensammlungen und Briefkontrollen durch den Inlandsgeheimdienst. Jetzt besteht plötzlich kein Interesse mehr an dem Material.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1140718.indymedia-ein-beispielloser-uebergriff.html


Gegen links immer …
Hamburger Polizei verhindert Hanau-Gedenkmarsch
Die Polizei in Hamburg löst eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau auf. 800 Demonstranten waren ihr zu viel.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1140722.hanau-gegen-links-immer.html


+++POLICE BE
bernerzeitung.ch 20.08.2020

Vorstoss im Berner Stadtrat: SP verlangt «bürgernahe Polizeiarbeit»

Mit einer Motion verlangt die SP/Juso-Fraktion die Schaffung einer «Community-Policing»-Einheit bei der Kantonspolizei.

Christoph Hämmann

2008 ging die Stadtpolizei Bern in der Kantonspolizei auf – und kurz darauf begann in der rot-grünen Stadt das Ringen um mehr Einfluss auf deren Arbeit. Sei es bei Demonstrationen, sei es bei der jüngsten Debatte über Racial Profiling: Regelmässig sind Stadtpolitikerinnen und -politiker unzufrieden mit der Polizeiarbeit oder fordern eine Ombudsstelle – und blitzen stets ab.

Jetzt nimmt die SP/Juso-Fraktion im Stadtrat einen neuen Anlauf. Sie reichte eine Motion ein, die den Gemeinderat auffordert, «sich beim Kanton dafür einzusetzen, dass im Ressourcenvertrag die Aufgabe des Community-Policing aufzunehmen ist». Zudem sollen mit dem Kanton der Aufbau einer solchen Polizei-Einheit etabliert und Polizisten dafür ausgebildet werden.

Eine solche Einheit könne «bürgernähere» Polizeiarbeit leisten, heisst es im Vorstoss. Konkret gehe es dabei etwa um präventive Präsenz von Polizeikräften, um die Bewirtschaftung von Brennpunkten oder die Vernetzung von Polizei-, Sozial- und Sicherheitsdirektion sowie Suchtprävention und Jugendarbeit.
(https://www.bernerzeitung.ch/sp-verlangt-buergernahe-polizeiarbeit-140409935455)


+++POLIZEI CH
Polizist in der Schweiz – Direktor Polizeischule: «Der Beruf sollte eine Berufung sein»
Für Marcus Kradolfer, Direktor der Polizeischule Ostschweiz, ist Polizist kein Beruf wie jeder andere.
https://www.srf.ch/radio-srf-1/radio-srf-1/polizist-in-der-schweiz-direktor-polizeischule-der-beruf-sollte-eine-berufung-sein


Dimitri Moretti wird neuer Präsident der Zentralschweizer Polizeidirektorenkonferenz
Der 48-jährige Dimitri Moretti wird neuer Präsident der Zentralschweizer Polizeidirektorenkonferenz. Sein Vorgänger war der Luzerner Justiz- und Sicherheitsdirektor Paul Winiker.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/uri/dimitri-moretti-wird-neuer-praesident-der-zentralschweizer-polizeidirektorenkonferenz-ld.1248615


+++POLIZEI DE
Rafael Behr: „Die Polizei ist sehr machtvoll. Wir müssen misstrauisch sein.“
Rafael Behr war lange Polizist, seither forscht er zur Polizei. Er bestreitet, dass Polizeigewalt zunimmt und beklagt dennoch eine Kultur des Schweigens und Wegschauens.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-08/rafael-behr-racial-profiling-polizeigewalt-ausbildung-polizisten/komplettansicht


+++RASSISMUS
«Wir können wirklich etwas verändern»
Was bewegt Menschen aus der antirassistischen Bewegung in Zeiten von «Black Lives Matter»? Surprise hat vier Aktivist*innen zum Gespräch eingeladen und ausnahmsweise einfach nur zugehört.
https://www.surprise.ngo/surprise/ueber-uns/news/news/wir-koennen-wirklich-etwas-veraendern


Wie Rassismus entsteht
Rassismus versetzt die Welt in Aufruhr. Doch woher kommen diese Vorurteile gegenüber Andersaussehenden? «Einstein» zeigt in einem Experiment, wie Menschen allein aufgrund ihrer Augenfarbe diskriminiert werden, und was geschieht, wenn man sich virtuell in einer anderen Hautfarbe sieht.
https://www.srf.ch/play/tv/einstein/video/wie-rassismus-entsteht?id=28f4c73e-4cbd-46de-a985-1e367a35f314


+++PATRIARCHAT
Neuauflage der „Männerphantasien“: Angst essen Männer auf
Theweleits Buch ist so aktuell wie vor 40 Jahren. Die sexualisierte Form der Gewalt von Männern gegen Frauen ist Teil des alltäglichen Diskurses.
https://taz.de/Neuauflage-der-Maennerphantasien/!5702731/


+++RECHTSPOPULISMUS
Trotz Verbot: SVP schmuggelt Mädchen-Video in TeleZüri-Werbung
Politische Werbung am Fernsehen ist verboten. Dennoch zeigten Schweizer Privatsender Teile der Mädchen-Kampagne der SVP. Recherchen zeigen, wie es dazu kam.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/trotz-verbot-svp-schmuggelt-madchen-video-in-telezuri-werbung-65764709


Instagram sperrt umstrittenes SVP-Video wegen «Hassrede»
Die Social-Media-Plattform hat das Kampagnen-Video aus dem offiziellen Instagram-Kanal der SVP entfernt. Dies nachdem User den Clip wegen Hassrede gemeldet hatten. Für SVP-Nationalrat Matter ist dieses Vorgehen «einer Demokratie unwürdig».
https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/943496711-instagram-sperrt-umstrittenes-svp-video-wegen-hassrede
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/instagram-loscht-svp-madchen-video-65765005


Umstrittene Werbung: Wirbel um SVP-Kampagne
Ein Video der Schweizerische Volkspartei schlägt hohe Wellen und löst bei der Leserschaft wie auch bei den Parteien heftige Diskussionen aus.
https://www.tagesanzeiger.ch/wirbel-um-svp-kampagne-894064416473


+++RECHTSEXTREMISMUS
Zwei Jahre „Fridays for Future“: Von der „Klima-Hysterie“ zur „Zöpferl-Diktatur“
Angriffe österreichischer Rechtsextremer auf Greta Thunberg
https://www.derstandard.at/story/2000119418238/ein-jahr-fridays-for-future-von-der-klima-hysterie-zur?ref=rss



tagesanzeiger.ch 20.08.2020

Neonazis aus Winterthur: «Muss denn erst jemand sterben?»

Der Historiker Cenk Akdoganbulut sagt, die Neonazi-Zelle Eisenjugend habe etwas mit unserer Gesellschaft zu tun. Er warnt davor, rechtsextreme Gefahr zu ignorieren.

Kevin Brühlmann

Am Mittwoch, 12. August, machte die Zürcher Kantonspolizei zwei Hausdurchsuchungen in Winterthur. Bei zwei 19-jährigen Rechtsextremen beschlagnahmte sie mehrere Schusswaffen. Kurz zuvor war im «Tages-Anzeiger» ein Artikel über eine Neonazi-Zelle namens Eisenjugend erschienen. Einer der Köpfe dahinter war ein 19-jähriger Kunststudent aus Winterthur, der zahlreiche Schusswaffen und Munition zu Hause aufbewahrte.

Auf Twitter, dem recht überschaubaren Viehmarkt der Schweizer Medien, der Wissenschaft und der Kommunikationsabteilungen, waren sich bald alle einig über die Eisenjugend. Der Tenor: Für eine rechtsextreme Gruppe, die davon träumt, nach einem apokalyptischen Rassenkrieg als weisse Elite zu herrschen, gibt es keinen Platz bei uns. Die Behörden sollen sich darum kümmern. Und dann ist Ruhe.

Aber als der Frieden schon fast eingewachsen war, meldete sich Cenk Akdoganbulut, und vorbei war es mit der Behaglichkeit. Akdoganbulut ist 31 Jahre alt, Historiker an der Universität Freiburg, Schwerpunkt Rechtsextremismus, und SP-Mitglied.

Cenk Akdoganbulut schrieb sinngemäss, dass die Eisenjugend auch mit uns etwas zu tun habe. Mit unserer Gesellschaft. Er nannte den Begriff «schweizerische Dominanzkultur». Was damit gemeint sein könnte, kann man sich nur vage vorstellen, und Akdoganbulut willigt ein, seine Gedanken auszuführen.

Herr Akdoganbulut, vor zwei Wochen schien die Welt in Winterthur noch in Ordnung.

Für mich nicht.

Man hörte von Jihadisten und Linksradikalen, aber nichts von Neonazis.

Verharmlosungen nützen niemandem. Am wenigsten Menschen, die Rassismus erfahren. Wir müssen auf die Gefahr von rechts schauen.

Dann wurde bekannt: Ein 19-jähriger Kunststudent sitzt zu Hause bei seinen Eltern vor seinem Computer und bereitet sich auf einen Rassenkrieg vor. Und Sie sitzen auch vor Ihrem Computer und hören davon. Was schiesst Ihnen durch den Kopf?

Als Historiker interessiert mich, woher diese Ideen kommen und welche politische Wirkung diese allenfalls haben. Und dann bin ich ja nicht nur Historiker, sondern auch Bürger dieses Landes, weshalb ich das erschreckend finde.

Sie sind vermutlich eine der Zielscheiben der Gruppe.

Generell alle People of Colour – also Menschen, die zum Beispiel wegen ihrer Hautfarbe Rassismus erfahren. Ihre Perspektive fehlt in der Diskussion. Ihr Leben ist kein sicherheitspolitisches Versuchslabor. In der Schweiz gibt es Hunderte Neonazis. Und wenn sich manche Waffen besorgen, ist das Grund zur Beunruhigung.

Aber die Behörden haben ja reagiert und die Waffen beschlagnahmt.

Ist das nicht eher ein Zeichen dafür, dass die bisherige Strategie der Verharmlosung nicht zielführend war? Und nach den Medienberichten stand man wohl unter Zugzwang.

Sie interessieren sich dafür, woher diese Ideen kommen. Wie kommt jemand darauf, ein Rassenkrieg sei die einzig richtige Lösung?

Klar, die Eisenjugend bedeutet eine Radikalisierung, die man in dieser Art nicht erwarten konnte, und ihr Extremismus ist auch nicht mehrheitsfähig in der Schweiz. Dennoch fällt das nicht einfach so vom Himmel.

Sondern?

In der Mehrheitsgesellschaft ist ein Rassismus gegen Migrantinnen und Migranten schon vorhanden. Gewisse Leute werden grundsätzlich als fremd wahrgenommen. Auch wenn sie hier geboren sind, hier zur Schule gehen, hier arbeiten, hier Steuern zahlen. Diese Gruppe nimmt also etwas auf, das schon existiert, und radikalisiert es.

Wie ordnen Sie das historisch ein?

Die Neonazi-Szene ist seit 1945 nie ganz verschwunden. Sie blieb oft klein, auch wenn manche sehr aggressiv auftraten. Jetzt haben wir ein neues Level erreicht. International gesehen, häufen sich Anschläge von Rechtsextremen. Und die Eisenjugend nimmt ja explizit Bezug auf das Attentat von Christchurch, Neuseeland, wo ein Rechtsextremer 51 Menschen vor zwei Moscheen erschoss. Das ist höchst alarmierend.

Der Anschlag in Hanau, die Ermordung Walter Lübckes, Breiviks Massenmord auf Utöya und eben Christchurch – dieser rechtsextreme Terror ist mehr oder weniger weit weg.

Der Punkt ist: In Christchurch gab es vorher auch nichts. Allein mit dem Waffenbesitz müsste eine Grenze überschritten sein. Für viele ist Rechtsextremismus bloss eine theoretische Angelegenheit. Für
People of Colour nicht. Das Argument «Es ist ja noch nie was passiert» heisst ja nichts anderes als: Wir handeln erst, nachdem etwas passiert ist. Muss denn erst jemand sterben?

Auch der «Blick» berichtete über die Eisenjugend. In der Kommentarspalte: überraschend grosse Sympathien für die Gruppe.

Das ist nicht unbedingt Ausdruck einer Sympathie für die Gruppe und ihre Gewaltfantasien. Sondern eine Verbindung zum Rassismus.

Welche Verbindung?

Ein gutes Beispiel ist der Gegensatz, der oft verwendet wird: «Papierlischweizer versus Eidgenosse». Das ist eine genuin rassistische Vorstellung, die in der Gesellschaft weitverbreitet ist. Das ist zwar nicht so radikal wie der Glaube an einen Rassenkrieg. Aber dennoch wird auf eine Blutlinie Bezug genommen. Versatzstücke von zutiefst rassistischen Vorstellungen finden also ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft. Es wäre ein Fehler zu glauben, bloss die Eisenjugend sei rassistisch.

Auf Twitter schreiben Sie von einer «schweizerischen Dominanzkultur».

Das heisst: Die Perspektive von People of Colour wird kaum eingenommen. Und wenn doch, dann gilt sie immer als minderwertig. Als «unschweizerisch». Unschweizerisch zu sein, ist wie ein Damoklesschwert, das über ihren Köpfen hängt.

«Schweizer zu sein, heisst, weiss zu sein», schreibt die Eisenjugend.

Hier haben wir wieder die Verbindung zur Blutlinien-Rhetorik. Das entspricht überhaupt nicht der Schweiz. Wir leben in einer postmigrantischen Gesellschaft. 56 Prozent aller Kinder haben einen migrantischen Elternteil. Ein Viertel der Bevölkerung darf nicht abstimmen. Das ist ein Skandal. Diese Perspektive fehlt daher überall – in der Politik, in den Medien. Welche Art von Mentalität steckt dahinter, dass man das akzeptabel findet?

Wir haben mit Kolleginnen des 19-jährigen Kunststudenten geredet. Sie sagten, er sei ein netter junger Mann.

Interessant, dass doch ein gewisses Verständnis für einen derart radikalen Rechtsextremen aufgebracht wird. Und eher weniger für Menschen, die von ihm zur Zielscheibe von Gewalt gemacht werden.

Da fällt uns ein anderes Wort ein, das Sie auf Twitter verwendet haben, «konformistischer Ordnungswahn».

Man gibt den Rechtsextremen einen gewissen Spielraum, lässt sie Konzerte veranstalten und Hetzschriften verbreiten. In der Hoffnung, sie blieben ruhig. Doch diese Hoffnung ist trügerisch. Gerade wenn man all die Anschläge im Ausland und die Bewaffnung anschaut. Ein schärferer Blick nach rechts ist zwingend. Der Preis eines Irrtums wäre zu hoch.

Ein «schärferer Blick nach rechts» – was meinen Sie damit?

Man sollte nicht erst abwarten, bis sich ein Rechtsextremer Waffen kauft. Wichtig ist, dass wir als Gesellschaft unsere Sensibilität gegenüber rassistischen Diskursen erhöhen, auch im alltäglichen Sprachgebrauch. Damit wir solche gefährliche Ideen stärker marginalisieren können.
(https://www.tagesanzeiger.ch/muss-denn-erst-jemand-sterben-107794758557)


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Nun geht auch Facebook gegen QAnon vor – doch warum sind die Anhänger dieser Verschwörung so gefährlich?
Eine geheime Elite, die im Untergrund die Fäden zieht und damit allerlei Böses verrichtet: Die Inhalte der Verschwörungstheorie QAnon haben in der Pandemie Aufwind erhalten. So sehr, dass nun auch Facebook dagegen vorgeht.
https://www.nzz.ch/technologie/facebook-geht-gegen-qanon-vor-woran-glauben-die-anhaenger-ld.1568553


Tausende Accounts und Gruppen gelöscht: Facebook geht gegen QAnon-Verschwörung vor
Der Online-Gigant Facebook geht gegen die rechtsextreme QAnon-Bewegung und die linksradikale Antifa vor. Tausende Accounts und Gruppen wurden gelöscht.
https://www.blick.ch/news/wirtschaft/tausende-accounts-und-gruppen-geloescht-facebook-geht-gegen-qanon-verschwoerung-vor-id16051327.html
-> https://www.zeit.de/digital/internet/2020-08/verschwoerungstheorien-facebook-qanon-trump-bild
-> https://itsgoingdown.org/on-facebook-banning-anarchist-and-antifascist-pages-the-digital-censorship-to-come/
-> https://www.sueddeutsche.de/digital/facebook-qanon-trump-1.5004626
-> https://www.heise.de/news/Facebook-verschaerft-Richtlinen-gegen-QAnon-militante-Gruppen-und-die-Antifa-4874404.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1140684.soziale-netzwerke-facebook-geht-gegen-verschwoerungsbewegung-qanon-vor.html


+++FUNDIS
«Marsch fürs Läbe»: Jurist kritisiert Stadt Zürich
Kein «Marsch fürs Läbe»: Die Stadt Zürich hat den Abtreibungsgegnern nur eine stehende Kundgebung bewilligt. Der Jurist Patrice Zumsteg sieht darin einen Angriff auf das Demonstrationsrecht.
https://www.kath.ch/newsd/marsch-fuers-laebe-jurist-kritisiert-stadt-zuerich