Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BERN
L’inhumain au centre
Des requérant-e-s d’asile déboutés et hébergés dans des centres de
renvoi expriment leur désespoir face à des conditions de vie jugées
inhumaines. Le canton estime que tout y est fait selon les normes.
https://lecourrier.ch/2020/07/23/linhumain-au-centre/
+++SCHWEIZ
Urteil mit Fallstricken für Tibeterinnen und Tibeter
Mit Urteil vom 1. Juli 2020 hebt das Bundesverwaltungsgericht (BVGer)
eine Verweigerung auf Familienasyl wegen «besonderen Umständen» auf. Das
Staatssekretariat für Migration (SEM) soll einer Tibeterin erneut
rechtliches Gehör gewähren.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/im-fokus/urteil-mit-fallstricken-fuer-tibeterinnen-und-tibeter
+++DEUTSCHLAND
Griechische Flüchtlingslager: Geflüchtete kommen in Deutschland an
In Hessen sind 83 Menschen aus griechischen Flüchtlingslagern
angekommen. Hilfsorganisationen und die Grünen fordern, dass Deutschland
mehr Flüchtlinge aufnimmt.
https://www.zeit.de/politik/2020-07/griechische-fluechtlingslager-forderung-aufnahme-kinder-hilfsorganisationen-krise
-> https://taz.de/Gefluechtete-aus-Griechenland/!5703783/
+++MITTELMEER
Seenotrettung im Mittelmeer: Italiens kaltherziges Kalkül
Italien hält erneut ein Schiff von Seenotretter*innen fest. Das hört
erst auf, wenn auch andere EU-Staaten zur Aufnahme von Geflüchteten
bereit sind.
https://taz.de/Seenotrettung-im-Mittelmeer/!5695369/
+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Trotz zweifachem Landesverweis: 23-jähriger Algerier kann nicht ausgeschafft werden
Der Verurteilte ist im Kanton Basel-Stadt «gestrandet» und lebt von der
Nothilfe, weil das Algerische Konsulat in Genf seine Papiere nicht
anerkennt.
https://www.bazonline.ch/basel-stadt-kann-23-jaehrigen-algerier-nicht-ausschaffen-130105289863
Zahlen zu Ausschaffungen: Bund bestätigt Fehler beim Erfassen von Straftaten
Die Daten zur Berechnung der Ausschaffungsquote wurden teilweise falsch erfasst. Der Fehler sei auf Kantonsebene passiert.
https://www.derbund.ch/bund-bestaetigt-statistikfehler-539503029577
-> https://www.derbund.ch/zahl-der-ausschaffungen-jetzt-wirds-blamabel-fuer-bund-und-kantone-611079480573
-> https://www.blick.ch/politik/keiner-will-schuld-sein-schon-wieder-zahlen-chaos-bei-ausschaffung-krimineller-auslaender-id16008414.html
-> https://www.blick.ch/politik/zahlenpuff-bei-kriminellen-auslaendern-wie-viele-werden-wirklich-ausgeschafft-id16006701.html
+++REPRESSION DE
Verteidiger nennen »Kommunistenprozess« eine »Auftragsarbeit für Erdoğan«
Mammutverfahren endet am Dienstag nach mehr als vier Jahren
In der Türkei ist die kommunistische Partei TKP/ML verboten, in
Deutschland aber nicht. Trotzdem wurden jetzt neun Männer und eine Frau
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
verurteilt.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1139577.tkp-ml-verteidiger-nennen-kommunistenprozess-eine-auftragsarbeit-fuer-erdo%C4%9Fan.html
-> https://www.tkpml-prozess-129b.de/de
-> https://www.facebook.com/SolidaritaetsbuendnisATIK/
Gedenkdemo für Maria B.: Ermittlungen eingestellt
Vor sechs Monaten wurde Maria B. von Polizist:innen in
Berlin-Friedrichshain erschossen. Eine Demo verlangt trotz Einstellung
des Verfahrens Aufklärung.
https://taz.de/Gedenkdemo-fuer-Maria-B/!5695403&s=maria/
-> https://www.jungewelt.de/artikel/382888.opfer-von-polizeigewalt-in-der-brd-gedenken-an-maria-b.html
In den Rücken geschossen
Polizeigewalt: Ein Buch der Kampagne Halim Dener über den 1994 in Hannover ermordeten jungen Kurden
https://www.jungewelt.de/artikel/382933.literatur-in-den-r%C3%BCcken-geschossen.html
+++POLIZEI CH
Polizeikosten nun doch als Gebühr i.S.v. Art. 422 Abs. 1 StPO überbindbar
Veröffentlicht am 24/07/2020 von kj
In einem zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen
Entscheid billigt das Bundesgericht neu die Auferlegung der
Polizeikosten an die beschuldigte Person (BGE 6B_1430/2019 vom
10.07.2020). Voraussetzung ist, dass dies in den Kantonen gesetzlich so
vorgesehen wird, was im Kanton AG der Fall ist:
https://www.strafprozess.ch/polizeikosten-nun-doch-als-gebuehr-i-s-v-art-422-abs-1-stpo-ueberbindbar/
-> https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://10-07-2020-6B_1430-2019&lang=de&zoom=&type=show_document
+++POLIZEI DE
Polizei in der Klemme: Zwischen Erwartungen und Vorwürfen
Demonstrationen geraten zu Straßenschlachten, Feiern auf öffentlichen
Plätzen schlagen in gewalttätige Auseinandersetzungen um. Welche Rolle
spielt dabei die Polizei? Und wie steht es um ihre Akzeptanz in der
Gesellschaft?
https://www.zdf.de/kultur/aspekte/polizei-in-der-klemme-100.html
+++POLICE USA
»Krieg« um die Ordnung
Bei den Protesten in Portland gibt es viel Entschlossenheit, aber auch viel Show.
Die Proteste gegen den Einsatz von Paramilitärs in der US-Stadt Portland
sind angesichts der Polizeigewalt gegenüber
Black-Lives-Matter-Demonstranten wieder größer geworden – und
professioneller.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1139620.portland-krieg-um-die-ordnung.html
USA: Ermittler untersuchen Einsätze der US-Bundespolizei in Portland
Das US-Justizministerium lässt Vorwürfe der übermäßigen Gewaltanwendung
in Portland und auch Washington D. C. prüfen. Abgeordnete im Kongress
begrüßten die Ermittlungen.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-07/usa-einsatz-us-bundespolizei-untersuchung-aufsichtsbehoerde-us-justizministerium-donald-trump
-> https://www.spiegel.de/politik/ausland/usa-bundespolizei-einsaetze-in-portland-sollen-untersucht-werden-a-8d9f4505-8de0-4faf-a4fe-e12c1f3dc502
-> https://www.derstandard.at/story/2000118962231/tausende-versammeln-sich-in-us-stadt-portland-vor-polizei-zentrale?ref=rss
-> https://www.stern.de/politik/ausland/news-im-video–portlands-buergermeister-mit-traenengas-besprueht-9350160.html
-> https://www.nzz.ch/international/proteste-in-den-usa-die-neusten-entwicklungen-ld.1558371
Trump setzt für die Bundespolizeitruppe auch private Sicherheitskräfte der FPS
Mit dem Hebel einer nationalen und militarisierten Polizei, die gegen
den Willen der Gouverneure und Bürgermeister einschreitet, verschärft
der US-Präsident gezielt den Konflikt
https://www.heise.de/tp/features/Trump-setzt-fuer-die-Bundespolizeitruppe-auch-private-Sicherheitskraefte-der-FPS-4851737.html
+++RASSISMUS
Rassismusdebatte: „Die Bezeichnung Onkel Tom ist eine Beleidigung“
Der Basketballer Moses Pölking will einen Berliner U-Bahnhof umbenennen
lassen. Ein Gespräch über mangelnde Bildung und Beleidigungen an der
Freiwurflinie.
https://www.zeit.de/sport/2020-07/rassismus-debatte-berlin-moses-poelking-petition/komplettansicht
Der Tages-Anzeiger schreibt über Rassismus – und bedient sich dabei rassistischer Klischees
Im Tages-Anzeiger erscheint ein Text der Grossbritannien-Korrespondentin
Cathrin Kahlweit über Rassismus in Grossbritannien. Dabei bedient sich
die Autorin selbst diverser rassistischer Klischees. Wer jetzt noch so
über BIPoC schreibt, ist Mittäter*in. Eine Replik.
https://daslamm.ch/der-tagesanzeiger-schreibt-ueber-rassismus-und-bedient-sich-dabei-rassistischer-klischees/
+++RECHTSPOPULISMUS
Abstimmungs-Tweet mit Holocaust-Mahnmal: Missglückte SVP-Werbung empört selbst in der Partei
Die Volkspartei hat am Freitagmorgen in den sozialen Medien ein
umstrittenes Bild gepostet. Der Parteisekretär nimmt die Schuld auf
sich.
https://www.tagesanzeiger.ch/svp-zuerich-wirbt-mit-holocaust-mahnmal-141469058948
-> https://www.watson.ch/schweiz/svp/727510856-zuercher-svp-wirbt-mit-holocaust-mahnmal
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/svp-zurich-wirbt-mit-holocaust-denkmal-fur-begrenzungsinitiative-65749059
-> https://www.blick.ch/politik/bei-werbung-fuer-begrenzungs-initiative-svp-zuerich-missbraucht-holocaust-mahnmal-id16008718.html
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/schweiz/das-ist-ein-riesenlapsus-zuercher-svp-wirbt-mit-holocaust-mahnmal-138546991
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/schweiz/svp-wirbt-mit-bild-von-holocaust-mahnmal-fehler-ist-unentschuldbar-kritik-auch-aus-der-eigenen-partei-138548878
-> https://www.zsz.ch/zuercher-svp-wirbt-versehentlich-mit-holocaust-mahnmal-956295108746
-> https://www.landbote.ch/zuercher-svp-wirbt-versehentlich-mit-holocaust-mahnmal-956295108746
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-svp-wirbt-versehentlich-mit-holocaust-mahnmal-00138676/
-> https://www.nzz.ch/zuerich/svp-zuerich-wirbt-mit-holocaust-mahnmal-fuer-begrenzungsinitiative-ld.1567937
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/shitstorm-zuercher-svp-wirbt-mit-judendenkmal-fuer-begrenzungsinitiative-138553674
-> https://www.telem1.ch/aktuell/zuercher-svp-wirbt-mit-judendenkmal-fuer-begrenzungsinitiative-138553555
-> https://www.tagblatt.ch/schweiz/svp-wirbt-mit-bild-von-holocaust-mahnmal-fehler-ist-unentschuldbar-kritik-auch-aus-der-eigenen-partei-ld.1241118
-> https://www.blick.ch/politik/kommentar-zur-svp-werbung-mit-dem-holocaust-mahnmal-so-oder-so-niederschmetternd-id16010003.html
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/ich-denke-nicht-dass-die-twitter-aktion-der-svp-zuerich-absicht-war-00138719/
-> https://www.nzz.ch/zuerich/svp-zuerich-wirbt-mit-holocaust-mahnmal-das-ist-geschmacklos-ld.1568094
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tagesanzeiger.ch 24.07.2020
Reaktion auf Mahnmal-Tweet: «Wichtig ist, welche Lehren die Zürcher SVP aus dem Fall zieht»
Die Partei habe zwar richtig reagiert, sagt Herbert Winter, Präsident
des Israelitischen Gemeindebunds. Der Vorfall lege aber fehlendes
Holocaust-Wissen offen.
Hannes Weber
Am Freitagmorgen sorgte die Zürcher SVP mit einem Tweet für Empörung, in
dem die Partei mit einem Bild des Holocaust-Denkmals in Berlin Werbung
für ihre Begrenzungsinitiative macht. Mittlerweile wurde der Tweet
gelöscht, der Generalsekretär hat sich entschuldigt und beteuert, es sei
ein Fehler passiert (lesen Sie hier mehr).
Herr Winter, darf der SVP so ein Fehler unterlaufen?
Die SVP Kanton Zürich hat die Kritik innert sehr kurzer Zeit aufgenommen
und den Fehler erkannt. Es ist offensichtlich, dass der Tweet den
Beteiligten sehr unangenehm ist. Die Entschuldigung folgte entsprechend
umgehend. Es geht jetzt nicht darum, ob der Partei so ein Fehler
unterlaufen darf. Vielmehr passiert so etwas, wenn man sich nicht
ausreichend Zeit für die Überprüfung und Verifizierung von Inhalten und
eben auch Bildern im Netz nimmt. Das betrifft alle Internetnutzer und
mahnt uns einmal mehr, sich vorsichtig im Netz zu bewegen.
Muss der Vorfall in Ihren Augen personelle Konsequenzen haben?
Nein.
Hat die Zürcher SVP also richtig reagiert?
Im Grundsatz ja. Es wird nun trotzdem wichtig sein, welche Lehren die Partei aus diesem Fall zieht.
Das Holocaust-Mahnmal in Berlin ist eines der bekanntesten Denkmäler der Welt. Müsste es nicht jeder kennen?
Es wäre sehr wünschenswert, wenn es nicht nur alle kennen, sondern sich
auch der Umstände und der Geschichte hinter diesem Mahnmal bewusst
wären. Leider ist dem heutzutage nicht mehr so. Viele kennen die
Geschichte des Zweiten Weltkriegs und jene des Holocaust nur ungenügend.
So wird es für eine Gesellschaft auch schwieriger, aus der
Vergangenheit Lehren zu ziehen.
Ist das von der SVP veröffentlichte Bild also auch Ausdruck einer fehlenden Erinnerungskultur?
Es ginge zu weit, in diesen einen Fehler so viel hineinzuinterpretieren.
Es ist aber so, dass das Wissen um Ausmass und Entwicklung des
Holocaust mit fortschreitendem zeitlichem Abstand mehr und mehr abnimmt.
Es gibt junge Menschen, die die Schule abschliessen und noch nie etwas
vom Holocaust gehört haben. Das ist dann verheerend, wenn diese
Geschichte uminterpretiert wird, Verschwörungstheorien dazu zunehmen und
diese Verbrechen verharmlost oder gar verleugnet werden.
Das Denkmal selber sorgt immer wieder für Kontroversen, weil
Touristinnen und Touristen etwa Selfies davor machen. Ist das
problematisch?
Von der Problematik von Selfies und Selbstinszenierung ist nicht nur
dieses Mahnmal betroffen. Das ist leider mittlerweile ein weltweites
Phänomen. Man kann sagen, dass es bei denjenigen, die solche Selfies
inszenieren, sicher an Wissen, Einordnung und Demut fehlt. Es ist aber
auch eine gesellschaftliche Aufgabe, dieses Wissen über den Holocaust
jungen Menschen überhaupt zu vermitteln.
Problematische Inhalte in der politischen Werbung sind nicht nur ein
Problem von rechts. Die Juso sorgten etwa für Empörung, als sie mit
einer antisemitischen Karikatur für die Spekulationsstopp-Initiative
warben. Warum passiert das immer wieder?
Die Häufung solcher Vorfälle hat sicher damit zu tun, dass unsere
Gesellschaft in ihrer Kommunikation sehr viel schneller geworden ist.
Das führt auch dazu, dass es an Sorgfalt mangelt. Andererseits zeigt
jeder einzelne dieser Vorfälle, dass es an grundlegendem Wissen
bezüglich Antisemitismus mangelt. Noch schlimmer sind nur
Marketingmassnahmen, die bewusst mit diesen Bildern spielen und
provozieren wollen.
–
Herbert Winter
Der 1946 geborene Rechtsanwalt ist seit 2008 Präsident des
Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG). Dieser setzt sich
für die Interessen der Juden in der Schweiz ein. Dem SIG sind 16
Mitgliedergemeinden angeschlossen. Winter hat den Vorsitz noch bis
Oktober 2020 inne, dann gibt er aufgrund der 12-jährigen
Amtszeitbeschränkung sein Amt auf. (hwe)
(https://www.tagesanzeiger.ch/wichtig-ist-welche-lehren-die-zuercher-svp-aus-dem-fall-zieht-538948109535)
—
tagesanzeiger.ch 24.07.2020
Kommentar zum Mahnmal-TweetTotale Ignoranz der Zürcher SVP
Die Partei hat das Bild eines Holocaust-Denkmals für ihre Werbung
missbraucht. Das ist entweder unglaublich ignorant oder unfassbar
dreist. Beides ist unentschuldbar.
Priska Amstutz
Wie irritierend ist das? Die SVP verwendet ein Bild des
Holocaust-Mahnmals in Berlin für eine Kampagne – und behauptet, das sei
irrtümlich passiert (mehr dazu lesen Sie hier).
Fotografien des Denkmals in Berlin für die sechs Millionen ermordeten
Juden Europas sind in Bilddatenbanken unter anderem mit dem Stichwort
«Beton» versehen. Deshalb erscheinen sie bei einer entsprechenden Suche
als Resultat. Beton, das Baumaterial, das der Architekt Peter Eisenman
für die 2711 Quader verwendet hat, ist aber nur einer von vielen Tags,
mit denen die Anbieter von Stockbildern diese Fotos auszeichnen. Weitere
sind: «Holocaust» oder «Nationalsozialismus».
Eines dieser Bilder als eine zufällige Ansammlung von Betonklötzen zu
interpretieren und als Hintergrund für einen Twitter-Post der SVP Zürich
zur Begrenzungsinitiative zu verwenden, zeugt mindestens von mangelnder
Sorgfalt der Parteileitung.
Was für den Journalismus gilt, sollte auch für Kommunikationsmittel
politischer Parteien gelten: Verwendete Bilder und Zitate müssen geprüft
werden. Wenn das Bild der Betonblöcke nicht erkannt wird und es nicht
korrekt angeschrieben wäre, muss sich jeder, der es zu einem politischen
Zweck verwenden möchte, eine Reihe von Fragen stellen. Was ist das? Wo
ist das? Wieso stehen da so viele Betonklötze nebeneinander?
Politiker und Parteisekretäre sollten eine grundlegende kulturelle und
gesellschaftliche Allgemeinbildung mitbringen, damit sie nicht Opfer
ihrer eigenen Ignoranz werden. Sie müssen ein Denkmal dieser
Grössenordnung und von historischer Bedeutung auch für die Schweiz
erkennen können. Es gehört einzig der jüdischen Bevölkerung. Es dient
einzig der Erinnerung und als Mahnmal.
Gerade heute, wo die überlebenden Zeitzeugen immer weniger werden,
wächst auch die Relevanz des Erinnerns. Die Emotionen und Assoziationen,
die die Beton-Stelen auslösen, dürfen für keinen anderen Zweck
missbraucht werden.
Dass die Zürcher SVP das Bild verwendet hat, ist kein entschuldbarer Fehler. Es ist ein Totalversagen.
(https://www.tagesanzeiger.ch/totale-ignoranz-der-zuercher-svp-979362640817)
+++RECHTSEXTREMISMUS
Expertin über Frauenhass und Rassismus: „Feminismus als Feindbild“
Besonders Frauen haben in den letzten Wochen rechtsextreme Drohungen,
unterzeichnet mit NSU 2.0, bekommen. Das ist kein Zufall, sagt Eike
Sanders.
https://taz.de/Expertin-ueber-Frauenhass-und-Rassismus/!5695487/
Wir gehen da gemeinsam durch
Idil Baydar und ihre Mitstreiterinnen wehren sich gegen die Drohmails des NSU 2.0.
Die Berliner Kabarettistin Idil Baydar, besser bekannt unter ihrem
Künstlerinnenname Jilet Ayşe, steht seit Jahren im Hassfokus deutscher
Neonazis. Sie denkt nicht daran, sich einschüchtern zu lassen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1139605.nsu-wir-gehen-da-gemeinsam-durch.html
Der bewaffnete Arm der Wutbürger
Der Attentäter von Halle inszeniert sich als einsamer Wolf, ist aber Teil eines globalen rechten Netzwerks
Der Attentäter von Halle ist kein Einzeltäter. Er ist Teil eines
digitalen rechten Netzwerks. Die Nutzer, seine »eigenen Leute«, will er
vor Gericht nicht benennen. »Einer musste anfangen«, sagt er nur.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1139619.halle-attentaeter-der-bewaffnete-arm-der-wutbuerger.html
++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Peinliche Bloßstellung: Aktivisten kapern Website von Verschwörungssekte
Netz-Aktivisten von Anonymous Germany haben die Webseite des
Elaion-Verlags gehackt. Der Verlag gehört zur Verschwörungssekte des
Schweizers Ivo Sasek, der auch das Fake-News-Portal Kla.tv betreibt.
https://www.t-online.de/digital/internet/id_88279592/peinliche-blossstellung-anonymous-aktivisten-kapern-webseite-von-verschwoerungssekte.html
-> https://www.watson.ch/digital/schweiz/200594235-anonymous-hackt-schweizer-verschwoerungs-sekte-und-veroeffentlicht-dokumente
Ehemalige „Tagesschau“-Sprecherin: Eva Hermans Kaffeefahrten mit braunem Ausschank
Das neue Germania liegt in Kanada. Zumindest wenn man Eva Herman glauben
möchte. Die preist nach Informationen des „Spiegel“ Grundstücke auf der
Insel Cape Breton an. Im Visier seien vor allem „deutsche Staatsbürger
mit braunem Gedankengut“ und Verschwörungsideologen.
https://www.stern.de/lifestyle/leute/eva-herman–kaffeefahrten-mit-braunem-ausschank-9350048.html
+++HISTORY
Flucht durch Basler Grenzwald – Der Weg in die Freiheit führte durch die «Eiserne Hand»
Im Zweiten Weltkrieg gab es im Basler Wald eine Lücke im Grenzzaun.
Viele entkamen hier den Nazis. Nur verirren durfte man sich nicht.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/flucht-durch-basler-grenzwald-der-weg-in-die-freiheit-fuehrte-durch-die-eiserne-hand
Rassismus hielt in Ostasien erst mit den Europäern Einzug – dann aber zeigten sich viele als gelehrige Schüler
Wie kamen die Asiaten zu ihrem Rassismus?
https://www.nzz.ch/feuilleton/rassismus-in-asien-er-hielt-erst-mit-den-europaeern-einzug-ld.1563923
—
bernerzeitung.ch 24.07.2020
Debatte über «Gruebe»-BuchAutor bedauert, in Vergleich eingewilligt zu haben
«Gruebe»-Buchautor Fredi Lerch bricht sein Schweigen – lässt eine zentrale Frage der Auseinandersetzung aber weiterhin offen.
Christoph Hämmann
Anfang Juli machte diese Zeitung publik, dass 2500 Exemplare des Buchs
über das Knabenheim «Auf der Grube» vernichtet wurden. In jenem Artikel
wollte sich der Publizist Fredi Lerch, der im «Gruebe»-Buch auf rund 50
Seiten die Geschichte des Niederwangener Heims ausgeleuchtet hat, nicht
äussern. Dabei ist er neben dem ehemaligen Heimleiter Hans-Peter Hofer
die zentrale Figur in der Auseinandersetzung, die der Buchvernichtung
vorausgegangen war: Als Hofer die Darstellung seines Wirkens in Lerchs
Text kritisierte, einigten sich die beiden sowie die Herausgeberin und
der Verlag darauf, das Buch nicht mehr zu verbreiten und Hofer die
verbliebenen Exemplare auszuhändigen.
Inzwischen hat Lerch sein Schweigen gebrochen. Er bedauere, in diesen
Vergleich eingewilligt zu haben, sagte er gegenüber dem «Bund» und dem
«Regionaljournal» von Radio SRF. Der Grund für die rasche Einigung war
offenbar, dass Herausgeberin und Verlag den Streit unkompliziert
beilegen wollten: Erstere – das Schulheim Ried, das Lerch mit dem Text
beauftragt hatte – war längst in einer Nachfolge-Institution aufgegangen
und wollte sich nicht mit dieser Altlast herumschlagen; und auch der
Verlag wehrte sich nicht gegen den Vergleich, da ihm bewusst gewesen
sei, dass vom damals bald 4-jährigen Buch höchstens noch vereinzelte
Exemplare verkauft würden.
Den Argumenten dieser beiden Parteien «den Vorrang» gegeben zu haben,
erachte er «aus heutiger Sicht» aber als Fehler, so Lerch. Damit habe er
seinen Text verraten, sagte er im Gespräch mit dem «Regionaljournal»:
«Und ein Stück weit habe ich das ‹Gruebe›-Buch verraten, das ja
eigentlich nicht meines ist, sondern das der ‹Gruebe-Bube›. Ich habe
einen Fehler gemacht, das ist so.»
«Nicht mein Auftrag, Hofers Narrativ zu bedienen»
Offen liess Lerch allerdings auch in seinen jüngsten Stellungnahmen die
letztlich zentrale Frage, an der sich der Disput entzündet hatte: Stellt
bereits Hofers Übernahme der Heimleitung im Jahr 2000 die Zäsur in der
«Gruebe»-Geschichte dar, die den eigentlichen Übergang zu einer modernen
pädagogischen Institution markiert – oder geschah dies erst 2003, als
ein neuer Stiftungsrat die Institution übernahm, notabene jener
Stiftungsrat, der später bei Lerch die Chronik in Auftrag gab?
Dazu äussert sich Lerch bloss vage und verweist wie in anderen Antworten
auf den Auftrag, den er gehabt habe. Tatsächlich sei es so, dass er
«nicht Herrn Hofers Narrativ bedient» habe, so Lerch im Radio-Interview,
«nicht seine subjektive Geschichte, was er wollte und was er alles im
Kopf hatte». Und: «Das war nicht mein Auftrag.» Für den neutralen Leser
bleibt dann bloss die Hoffnung, dass Lerchs Auftrag auch nicht die
Bedienung eines anderen Narrativs war, sondern stattdessen die
unvoreingenommene Aufarbeitung der «Gruebe»-Geschichte.
Persönlich ziehe er aus der Affäre die Lehre, so Lerch weiter, dass es
«sehr problematisch» sei, «Zeitgeschichte so zu schreiben, dass man die
Leute nicht verletzt».
(https://www.bernerzeitung.ch/autor-bedauert-in-vergleich-eingewilligt-zu-haben-603416279999)
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN 2
spiegel.de 23.7.2020
Rechtes Netzwerk lockt Gleichgesinnte nach Kanada: Elche, Bären, Eva Herman
Rechte Verschwörungsideologen, darunter die ehemalige
„Tagesschau“-Sprecherin, locken Deutsche in die kanadische Provinz Nova
Scotia. In einer Kolonie von Gleichgesinnten können „Neusiedler“
Immobilien kaufen.
Von Martin Doerry
Auch im Paradies könne es „verdammt kalt“ werden, sagt ein deutscher
Geschäftsmann, der schon seit mehr als 20 Jahren in Nova Scotia lebt. Im
Winter würden die Temperaturen immer wieder unter minus 25 Grad Celsius
fallen. Das von Maklern gern bemühte Argument, dass die Provinz an der
Ostküste Kanadas auf dem Breitengrad von Südfrankreich liege, ringe
Ortskundigen wie ihm nur ein müdes Lächeln ab.
Ein Paradies ist Nova Scotia also vor allem für Menschen, die die Kälte
nicht scheuen und das Leben unter freiem Himmel lieben, die Elche oder
Bären jagen und große Mengen Fisch angeln wollen. Als besonders
naturbelassen gilt dabei jener Teil der Provinz, der in den vergangenen
Jahren zu einem Hotspot deutscher Emigranten und Immobilienspekulanten
geworden ist, die Insel Cape Breton ganz im Norden.
Seit einiger Zeit, so ein Geschäftsmann, siedelten sich in Cape Breton „deutsche Staatsbürger mit braunem Gedankengut“ an.
Ein Damm mit einer Drehbrücke verbindet das Festland Nova Scotias mit
der Insel, die viermal so groß wie das Saarland ist, aber nur etwa
130.000 Einwohner zählt. Die spärliche Besiedlung und der herbe Charme
des felsigen und von großen Wäldern bestandenen Eilands machen offenbar
die besondere Attraktivität Cape Bretons aus. „Wenn drei Autos an einer
roten Ampel warten“, sagt ein Kenner der Insel, „dann ist das hier schon
Stau.“
Hunderte Deutsche haben sich inzwischen auf Cape Breton niedergelassen.
Viele Kanadier betrachten die Neuankömmlinge mit einem gewissen Argwohn.
Nicht nur, weil die Deutschen mit dem Kauf von Grundstücken die
Bodenpreise und damit die Grundsteuern nach oben treiben, sondern auch,
weil nicht wenige der neuen Nachbarn fragwürdige politische Anschauungen
vertreten.
Seit einiger Zeit, so berichtet der Geschäftsmann, siedelten sich in
Cape Breton in erheblicher Zahl „deutsche Staatsbürger mit braunem
Gedankengut“ an. Rechtsradikale und Verschwörungsideologen etwa, die
alles daransetzen, um auf Cape Breton eine Kolonie von Gleichgesinnten
zu gründen – und die damit eine Menge Geld verdienen.
Beteiligt am Geschäft mit den Deutschen sind viele Makler und
Grundstücksverkäufer. Zu den auffälligsten Figuren zählen dabei zwei
Akteure, die seit Jahren mit rechtsradikalem Gedankengut hausieren
gehen: der Verschwörungsideologe Frank Eckhardt und der
Untergangsprophet Andreas Popp, Lebensgefährte von Eva Herman,
Galionsfigur der neuen Rechten. Eckhardt und Popp waren früher
Geschäftspartner, inzwischen konkurrieren sie um denselben Kundenkreis.
Dem SPIEGEL liegen Gerichtsurteile, Kaufverträge und Bodengutachten
sowie E-Mails der kanadischen Polizei aus Nova Scotia vor. Befragt
wurden außerdem deutsche Auswanderer und Geldanleger, die auf Cape
Breton Grundstücke zur finanziellen Absicherung erworben haben,
Unternehmer und Kaufleute, Ärzte, Handwerker und Rentner. Sie alle
sammelten einschlägige Erfahrungen mit Popp, Herman und Eckhardt, aber
keiner will in dieser Geschichte mit Namen genannt werden, zu groß ist
die Angst vor einer Revanche. „Das ist eben noch der Wilde Westen hier“,
sagt einer von ihnen.
Andreas Popp, 59, gründete vor etwa 15 Jahren die sogenannte
Wissensmanufaktur, eine Organisation rechter Akademiker, die ihren Sitz
offiziell im niedersächsischen Walsrode hat, de facto aber von Cape
Breton aus deutsche Kapitalanleger missioniert.
Eva Herman, 61, stieß erst vor wenigen Jahren zur Wissensmanufaktur und
amtiert dort als „Medienbeirätin“, vor allem aber dürfte sie als
prominenter Lockvogel für Kunden aus AfD-nahen Kreisen dienen. Der NDR
hatte die frühere „Tagesschau“-Sprecherin 2007 vor die Tür gesetzt,
nachdem sie Sympathien für die nationalsozialistische Familienpolitik
bekundet hatte. Seither gilt sie im rechtskonservativen Milieu als Opfer
eines linken Medienkartells.
Die Wissensmanufaktur firmiert als „Institut für Wirtschaftsforschung
und Gesellschaftspolitik“ und lädt etwa viermal im Jahr zu einwöchigen
Seminaren nach Cape Breton ein, Kosten pro Person inklusive Flug und
Hotel knapp 3000 Euro. Den bis zu 30 handverlesenen Teilnehmern – Popp
nennt sie „Klardenker“ – wird eine „Erarbeitung der Weltlage“ in
Vorträgen und Diskussionen geboten, unabhängig von den angeblich
„tendenziösen Mainstream-Medien“. Die Seminare finden an verschiedenen
Orten statt, zuletzt im Dundee Resort & Golf Club, einem Hotel in
der Nähe jenes Anwesens, auf dem Popp und Herman leben.
Strand auf Cape Breton
Zu den Referenten zählt neben den beiden eine ganze Schar von
rechtslastigen Verschwörungstheoretikern und Eurokritikern wie etwa
Michael Vogt und Karl-Albrecht Schachtschneider. Zuweilen tritt auch der
Anführer eines indigenen Stammes mit bunter Federhaube auf.
Jeder Teilnehmer, so wirbt die Wissensmanufaktur, solle nach dem Besuch
des Seminars „besser in der Lage sein, eine individuelle
Krisenvorbereitung vorzunehmen“. Die Krise ist tatsächlich das
Lebensthema des Andreas Popp. Ursprünglich verdiente der Ökonom sein
Geld im Handel mit Edelmetallen. Als Krisenwährung preist er sie den
Besuchern der Wissensmanufaktur bis heute an.
Bereits 2006 veröffentlichte er im Selbstverlag sein Buch „Das
Matrix-Syndrom“, ein Kompendium all jener Verschwörungstheorien, die im
rechten Lager gängig sind. Den Treibhauseffekt gibt es demnach ebenso
wenig wie die Mondlandung; die Kondensstreifen der Flugzeuge, sogenannte
Chemtrails, vergiften die Menschheit; die Bundesrepublik wird von einer
„Parteien- und Justizdiktatur“ regiert; eine „ultrakleine Gruppe von
‚reichen Führern'“ beherrscht die Welt.
Wer zu dieser Gruppe zählt, schreibt Popp nicht, aber das Ziel dieser
Verschwörung ist für ihn eindeutig: Es gehe den „Mächtigen“ darum, die
„Menschheit komplett in die Abhängigkeit zu bekommen“. Das Werkzeug
dieser modernen Sklaverei ist angeblich die „Zins-Knechtschaft“.
Zusammen mit einem weiteren Referenten der Wissensmanufaktur, Rico
Albrecht, hat Popp 2011 das Manifest „Plan B“ geschrieben, in dem das
„verzinste Geldsystem“ zur Wurzel alles Bösen erklärt wird. Zins und
Zinseszins würden die Massen verarmen und die Reichen immer reicher
werden lassen.
Popp und Albrecht berufen sich dabei auf den Naziökonomen Gottfried
Feder, der 1918 ein „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“
verfasste, ein Werk, das sich vor allem durch antisemitische Hetze
auszeichnet. Adolf Hitler zitierte in „Mein Kampf“ mehrmals die Thesen
Feders.
Dokument des Nova Scotia Supreme Court (von 2017 zur Rückabwicklung eines Eckhardt-Grundstückverkaufs): „Null und nichtig“
Antisemitische Denkmuster finden sich auch in Popps Aussagen. Der Glaube
an eine angebliche geheime Weltverschwörung etwa zählt zu den
Klassikern. Auch dass man die Juden oder den Staat Israel als Deutscher
leider nicht mehr kritisieren dürfe, behauptet Popp gern. Wie jeder
ordentliche Antisemit verweist er jedoch stets darauf, dass er viele
jüdische Freunde habe. Popp leugnet zwar nicht explizit den Holocaust,
den Begriff vermeidet er aber. Lieber spricht er verharmlosend von den
„ethnischen Grausamkeiten gegen die jüdische Bevölkerung“ in der
NS-Zeit.
In „Plan B“ heißt es auf die Frage, warum die Wissensmanufaktur noch
keine Partei gegründet habe: „Wir wollen diesem System nicht als Partei
dienen, sondern das System an sich verändern.“ Falls das nicht gelinge,
falls also die „Politikdarsteller“ in den Parlamenten seine Ideen nicht
aufnehmen würden, steuere Deutschland auf eine „Revolution“ zu.
Popp ist geradezu besessen von einem apokalyptischen Weltbild. In einem
Video zu wirtschaftspolitischen Fragen, das mehr als 600.000-mal bei
YouTube abgerufen wurde, prophezeit er innerhalb weniger Minuten die
Implosion des Bankensystems, den Kollaps der Aktienmärkte, den
Zusammenbruch der Altersvorsorge und das Platzen der Immobilienblase in
Deutschland.
Auch seine Partnerin Eva Herman verbreitet mit Vorliebe
Schreckensnachrichten. Die Journalistin nutzt dazu einen eigenen
Telegram-Kanal mit derzeit 135.000 Abonnenten, den sie täglich mit immer
neuen Verschwörungstheorien füttert. In ihren Audio- und
Videobotschaften schimpft sie über die angebliche Corona-Hysterie und
die „globale Impf-Allianz von Bill Gates und Angela Merkel“. Und
regelmäßig warnt sie vor der vermeintlichen „Invasion“ Europas durch
Migranten aus dem „arabisch-afrikanisch-asiatischen“ Raum.
Besucher der Wissensmanufaktur-Seminare berichten, dass die Ausführungen
von Popp und Herman bei einigen Gästen schon am ersten Abend
Panikreaktionen auslösten, Angstgefühle und sogar Weinkrämpfe. Popp
sagt, dass manche Teilnehmer sogar schon vor Seminarbeginn „in Tränen“
ausbrächen, vor allem wenn sie von ihren „Ängsten und Sorgen“
berichteten, „hervorgerufen durch den dramatischen Werteverfall in der
Gesellschaft“.
Verschwörungstheoretikerin Herman. Screenshot von der Website eva-herman.net
Bereits nach wenigen Stunden, so erzählen Teilnehmer, beginnt das Paar
mit der Akquise. In persönlichen Gesprächen wird den Gästen der Kauf von
Grundstücken im angeblich krisensicheren Nova Scotia nahegelegt.
Spätestens jetzt entpuppt sich die Reise nach Kanada als
transatlantische Kaffeefahrt.
Überrascht dürfte keiner der Seminarteilnehmer darüber sein. Auf der
Internetseite der Wissensmanufaktur wird ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass Informationen über die Modalitäten einer „Auswanderung
nach Kanada“ ebenso zum Seminarprogramm zählen wie Besichtigungen
„einiger Grundstücke und Häuser europäischer Landsleute“, die sich „den
Traum von einem Haus in Kanada schon erfüllt“ hätten. Ein Team des
„renommierten Landerschließungsunternehmens Cape Breton Real Solutions“
berate die Gäste bei ihrem Aufenthalt.
Tatsächlich fällt den Seminarteilnehmern vor Ort schnell auf, dass
Mitarbeiter der Cape Breton Real Solutions die Logistik der
Seminaraktivitäten übernehmen. Sie fahren die Pick-ups und Motorboote
der Wissensmanufaktur bei den Ausflügen zu den Grundstücken, sie filmen
und unterhalten die Gäste beim Barbecue.
Popp behauptet, dass die Wissensmanufaktur mit dem Immobilienunternehmen
„nichts zu tun“ habe. Wer aber die Homepage der Cape Breton Real
Solutions aufruft, findet dort gleich ein Video von Popp und Herman. Die
beiden unterhalten sich fast eine Stunde lang über die Vorzüge des
Grundstückskaufs in Nova Scotia, dem angeblich „sichersten Platz der
Erde“, wo weder Naturkatastrophen noch politische Gefahren drohen.
Seminarteilnehmer berichten, dass sie in der ganzen Woche praktisch
keine Minute Zeit zur freien Verfügung gehabt hätten, Zeit etwa, um sich
auf eigene Faust auf der Insel umzuschauen. Immer seien die Betreuer
von Cape Breton Real Solutions sofort zur Stelle gewesen – womöglich um
sicherzustellen, wie die Gäste vermuten, dass man keine
Konkurrenzunternehmen kontaktiere. Popp und die Cape Breton Real
Solutions bestreiten dagegen jede Einschränkung der Bewegungsfreiheit
von Besuchern der Wissensmanufaktur, jeder könne jederzeit die Seminare
verlassen.
Laut Handelsregister amtiert Jürgen Gindner aus Rheinstetten bei
Karlsruhe als „Direktor“ der Immobilienfirma. Popp bezeichnet ihn im
Videogespräch mit Eva Herman als „guten Freund“, Eva Herman fügt noch
hinzu: „Ihr habt da ein wirklich gutes System aufgebaut.“ Kenner des
Immobiliengeschäfts in Nova Scotia halten Gindner für eine Art Strohmann
von Popp und Co.
Wie eng die Verbindung der Wissensmanufaktur mit der Cape Breton Real
Solutions wirklich sein dürfte, zeigt die Tatsache, dass Edith Betschart
im Handelsregister als offizielle Vertreterin („recognized agent“) der
Immobilienfirma eingetragen ist. Edith Betschart schreibt allerdings
auch Mails im Namen der Wissensmanufaktur und erklärt darin, dass sie
„die kanadischen Aktivitäten der Wissensmanufaktur vor Ort koordiniere“.
Ihre Position bei der Immobilienfirma verschweigt sie dabei. Frau
Betschart, so räumt Popp auf Nachfrage ein, sei für die
Wissensmanufaktur „unterstützend tätig“. Offenbar ist die Schnittmenge
zwischen beiden Unternehmen groß.
Wissensmanufaktur-Tagungshotel in Nova Scotia
Die Kunden aus Deutschland wurden in den ersten Jahren von einem anderen
Unternehmen betreut, die Cape Breton Real Solutions existiert laut
Handelsregister erst seit 2018. Ihr Geschäftsmodell ist denkbar einfach:
Man kauft große unbebaute und zumeist noch nicht erschlossene Flächen
und verkauft sie in einzelnen Parzellen weiter.
Eines der letzten Objekte war ein etwa 770.000 Quadratmeter großes
Areal, die Golden View Estates, das im Oktober 2018 zum Preis von
130.000 kanadischen Dollar (etwa 87.000 Euro) den Eigentümer wechselte.
Der Makler pries die Immobilie damals als wahren „money maker“ an, man
könne sofort mit dem Verkauf einzelner Grundstücke beginnen.
Was auch geschah. Wenige Monate später verkaufte die Cape Breton Real
Solutions eine etwa 11.000 Quadratmeter große Parzelle der Golden View
Estates zum Preis von mehr als 150.000 Dollar an einen Seminarteilnehmer
der Wissensmanufaktur. Das nachträglich angefertigte Gutachten eines
professionellen Schätzers ergab einen Wert von gerade mal 25.000 Dollar –
eine Summe, die laut Cape Breton Real Solutions jeder Realität
entbehre. Der Preis für Grund und Boden mache nur einen Bruchteil der
tatsächlichen Erschließungskosten aus, zudem sei in ihrem Preis auch ein
After-Sale-Service enthalten, der diverse Dienstleistungen enthalte.
Natürlich sprechen sich solche Fälle unter den Gästen der
Wissensmanufaktur herum, zumal einer der Kunden schon vergebens
versuchte, ein teuer erworbenes Grundstück weiterzuverkaufen. Inzwischen
haben mehrere Käufer, die sich übervorteilt fühlen, eine
WhatsApp-Gruppe eingerichtet. In mindestens einem Fall sah sich die Cape
Breton Real Solutions zudem veranlasst, einen Kaufvertrag
rückabzuwickeln. Der Kunde, so sagt das Unternehmen, sei von einem
dubiosen Makler verunsichert worden und vom Vertrag zurückgetreten. Ein
Nachteil sei dem Grundstückskäufer dabei nicht entstanden, das
Verhältnis zu ihm sei weiterhin gut.
Popps früherer Mitarbeiter Frank Eckhardt, 55, musste sich wegen eines
ähnlichen Falls schon vor Gericht verantworten. Ein deutsches Ehepaar
hatte 2016 für 177.000 Euro ein etwa 60.000 Quadratmeter großes
Grundstück auf Cape Breton von ihm erworben und erst danach einen
Schätzer mit der Prüfung des Kaufpreises beauftragt. Ergebnis: Die
Parzelle war nur 30.000 kanadische Dollar wert, umgerechnet rund 20.000
Euro. Im September 2017 stimmte Eckhardt vor dem Supreme Court of Nova
Scotia einem Vergleich zu. Der Vertrag wurde für „null und nichtig“
erklärt und die Kaufsumme erstattet.
Beschwerden über Eckhardts Geschäftspraktiken beschäftigen inzwischen
auch das lokale Fernsehen. Der TV-Sender CBC berichtete im vergangenen
Jahr über das Schicksal einer österreichischen Familie, die 2015 ein,
wie sie meinte, überteuertes Grundstück auf Cape Breton von Eckhardt
erworben hatte. Die Familie hatte den Preis angeblich auch deswegen
akzeptiert, weil Eckhardt zugesagt habe, sie bei den Formalitäten für
die Einwanderung zu beraten. Das Projekt scheiterte jedoch. Die Familie
musste Kanada wieder verlassen.
Auf der Website seiner Firma F. E. Property Sales wird den Käufern mehrmals die „Beratung zum Auswandern“ angeboten.
Die Seite verrät zudem einiges über die politischen Ansichten Eckhardts.
Nicht nur, dass sich Eckhardt über den „Behördenwahnsinn“ in
Deutschland echauffiert und Europa als „EUdSSR“ verunglimpft. Er
verspricht seinen Kunden auch „gesunde Selbstversorgung“ und ein
„autarkes Leben“ – Autarkie zählt zu den Schlüsselworten der
rechtsradikalen Szene.
Eckhardt selbst lebt auf einer großen Farm auf Cape Breton, mit genug
Wald, um ihn und seine Familie mit Brennholz zu versorgen. Das
Trinkwasser kommt aus dem eigenen Brunnen. Wenn das westliche
Finanzsystem zusammengebrochen sei, so erzählte er bereits 2013 dem
„manager magazin“, könne er ohne fremde Hilfe überleben.
Eckhardt hat früher in der Nähe von Göttingen gewohnt und
Lebensversicherungen verkauft, heute verkauft er den Traum von
materieller Sicherheit an deutsche Krisenflüchtlinge, die ihr Geld, wie
er sagt, vor dem „diktatorischen Grünsozialismus mit Planwirtschaft“ in
Europa retten wollen. Auch Eckhardt erwirbt im großen Stil Grund und
Boden auf Cape Breton, um das Land zu parzellieren und
weiterzuverkaufen. Anders als Popp veranstaltet er jedoch keine
verschwörungstheoretischen Seminare, um die Kunden anzulocken.
Die neu ausgewiesenen Grundstücke auf Cape Breton sind häufig nicht
erschlossen, Wasser- und Stromanschlüsse fehlen in der Regel, Zufahrten
und Sickergruben müssen erst noch angelegt werden. Dafür sind die
Flächen für deutsche Verhältnisse extrem groß, unter 10.000
Quadratmetern wird kaum etwas verkauft. Viele Grundstücke haben zudem
einen Zugang zum Seeufer. Wer den Preis einer solchen Parzelle mit dem
eines Wassergrundstücks am Starnberger See vergleicht, könnte
tatsächlich glauben, ein Schnäppchen gemacht zu machen.
Eckhardt hat mit dem Immobiliengeschäft in den vergangenen Jahren ein
ganzes Netzwerk von Gleichgesinnten aufgebaut, wie er auf seiner Website
schreibt. Worin diese Gesinnung besteht, wird klar, wenn man Kontakt zu
ihm aufnimmt und ein Grundstück kaufen will – wie etwa jene deutschen
Kunden, denen er in den Jahren von 2012 bis 2016 unaufgefordert diverse
E-Mails mit rechtsradikalen Inhalten schickte. Darunter befanden sich
Dokumente, in denen der Holocaust geleugnet wird, etwa ein angeblicher
Bericht des Roten Kreuzes, der die Existenz von Giftgas in den
Konzentrationslagern bestreitet.
Zitate des notorischen Holocaust-Leugners Gerard Menuhin – ein Sohn des
Geigers Yehudi Menuhin – verschickte Eckhardt ebenfalls. „Der Holocaust
ist die größte Lüge der Geschichte“, behauptet Menuhin beispielsweise,
oder: „Adolf Hitler war der einzige Staatsmann der Welt, der die Welt
vor der plutokratisch-jüdischen Gefahr hätte retten können.“
Eckhardt macht gegenüber seinen Kunden auch keinen Hehl aus seiner
Sympathie für die sogenannten Reichsbürger, also für jene Zeitgenossen,
die der Bundesrepublik jede Legitimität absprechen. Reichsbürger folgen
der wirren Idee, dass die Bundesrepublik nicht existent sei, weil das
Deutsche Reich nie zu existieren aufgehört habe und immer noch bestehe –
eine Auffassung, die Reichsbürger in den vergangenen Jahren auch mit
tätlichen Angriffen auf Beamte in Deutschland bekräftigt haben.
Solange Eckhardt seine rechtsradikalen Überzeugungen nur im privaten
Raum verbreitet, bleibt er juristisch unbehelligt. Einem Kunden schickte
er allerdings gleich eine ganze Festplatte mit Nazimaterial. Auf dem
Datenträger fanden sich Texte über den „deutschen
Bevölkerungsaustausch“, die „Holocaust-Industrie“ und den
„Nachkriegskrieg gegen Deutsche“, über die „phantastischen Erfindungen
im Dritten Reich“ und die Pläne von Bill Gates zur
„Bevölkerungsreduktion“ sowie ein Brevier mit dem Titel „Die BRD-GmbH“,
eine Bekennerschrift für Reichsbürger.
Eckhardts Kunde wollte das Nazizeug keinesfalls behalten und brachte die
Festplatte Ende vorigen Jahres zur Polizeistation in Baddeck auf Cape
Breton. Die Beamten fertigten eine Kopie an und konstatierten, dass der
Datenträger Texte enthielt, in denen der Holocaust geleugnet wird.
Die Polizisten meldeten den Vorgang an ihre Zentrale in Ottawa und an
die Einwanderungsbehörde. Interpol Ottawa wiederum informierte die
Kollegen von Interpol Wiesbaden über die Umtriebe des deutschen
Grundstücksverkäufers. Doch solange Eckhardt nur seine Kunden in Nova
Scotia indoktriniert, sind den deutschen Behörden die Hände gebunden.
Eckhardt will sich zu den Vorwürfen nicht äußern.
Derzeit liegt das Immobiliengeschäft mit den deutschen Geldanlegern
weitgehend brach. Die Unterbrechung des transatlantischen Flugverkehrs
im Zuge der Corona-Pandemie bremst auch den Zustrom neuer Kunden nach
Nova Scotia.
Frank Eckhardt versucht, „Neusiedler“ seit April damit zu locken, dass
sie von Deutschland aus ein Konto in Kanada eröffnen könnten. Eine
Anfrage bei der von Eckhardt genannten Bank, der East Coast Credit
Union, wurde jedoch negativ beschieden. Ein Neukunde müsse grundsätzlich
persönlich erscheinen.
Andreas Popp musste die beiden für August und September geplanten
Veranstaltungen auf Cape Breton absagen. Er hofft aber, dass die für den
Herbst angekündigten Seminare der Wissensmanufaktur doch noch
stattfinden können. Anmeldungen für 2021 sollen demnächst möglich sein.
Die Cape Breton Real Solutions hat bereits große Flächen für weitere
Landverkäufe an Kunden aus Deutschland erworben.
(https://www.spiegel.de/politik/deutschland/rechtes-netzwerk-lockt-gleichgesinnte-nach-kanada-elche-baeren-eva-herman-a-ad2c792a-f677-4c0f-a624-50f4aaa93e80)