Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
++ZÜRICH
Sans-Papier-Kolumne: «Gesund bleiben, bitte!»
Geschätzt leben 10’000 Menschen ohne Papiere in Zürich, sogenannte
Sans-Papiers. Sie leben hier, sie arbeiten hier, aber sie haben (fast)
keine Rechte und keine Stimme. Licett Valverde, die als Sans-Papier in
die Schweiz kam, schreibt einmal im Monat auf Tsüri.ch über ihre
Erlebnisse.
https://tsri.ch/zh/sanspapier-kolumne-zurich-city-card-gesundheit/
+++SCHWEIZ
Nach Urteil von Strassburg: Konvertierte Asylbewerber hoffen auf höhere Bleibechance
Nach einem Leiturteil des Menschenrechtsgerichtshofs erhöhen Asylanwälte den Druck auf die Schweiz.
https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/nach-urteil-von-strassburg-konvertierte-asylbewerber-hoffen-auf-hoehere-bleibechance-136310641
+++DEUTSCHLAND
Ausspähungen durch den türkischen Staat: Asylsuchende in Gefahr
Nach der Verhaftung eines Anwalts der Deutschen Botschaft in Ankara
befürchtet die Regierung Übergriffe des türkischen Geheimdienstes in
Deutschland.
https://taz.de/Ausspaehungen-durch-den-tuerkischen-Staat/!5661562/
+++SPANIEN
Spanien: Die Kinder-Migranten von Barcelona
In Katalonien kümmern sie sich vorbildlich um Kinder und Jugendliche aus
Afrika, die illegal eingereist sind. 13 000 Kinder und Jugendliche, die
meisten aus Marokko und anderen afrikanischen Staaten, wagten alleine
2018 ohne Begleitung die gefährliche illegale Reise nach Spanien, in
Booten oder versteckt in Lastwagen. Alle hoffen auf eine Zukunft in
Katalonien.
https://www.arte.tv/de/videos/091489-000-A/spanien-die-kinder-migranten-von-barcelona/
+++MITTELMEER
Interner Libyen-Bericht EU warnt vor neuer Flüchtlingskrise
Soll die EU im Mittelmeer wieder eigene Schiffe einsetzen und nebenbei
auch Flüchtlinge retten? Der Auswärtige Dienst der EU plädiert in einem
vertraulichen Bericht dafür – eine neue humanitäre Krise sei möglich.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-interner-eu-bericht-warnt-vor-neuer-fluechtlingskrise-a-58df3b30-95c2-456e-8251-fb956b744ea1?sara_ecid=soci_upd_KsBF0AFjflf0DZCxpPYDCQgO1dEMph
Internationale Migrationsagentur Zahl der Flüchtlinge auf der östlichen Mittelmeerroute steigt
Experten erwarten einen Anstieg von Flüchtlingen in Europa. Die
internationale Migrationsagentur lobt Seehofers Vorschlag eines
Schnellverfahrens an der EU-Außengrenze.
https://www.handelsblatt.com/politik/international/internationale-migrationsagentur-zahl-der-fluechtlinge-auf-der-oestlichen-mittelmeerroute-steigt/25495520.html
+++LIBYEN
UNO-Flüchtlingswerk schließt Flüchtlingslager in Libyen
Das UNO-Flüchtlingswerk zieht sich aus dem EU-finanzierten
Flüchtlingslager in der libyschen Hauptstadt Tripolis zurück. Man könne
die Sicherheit der Flüchtlinge und der Mitarbeiter vor Ort nicht mehr
sicherstellen.
https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/UNO-Fluechtlingswerk-schliesst-Fluechtlingslager-in-Libyen,libyen272.html
+++FLUCHT
Wiki Eintrag Tunesien
FFM ist daran beteiligt, die bislang von der TAZ unterstützte Seite
Migration-Control zu aktualisieren und zu erweitern. Die neue Seite wird
im Februar 2020 online gehen. Geplant ist, die bislang unter „Länder“
abrufbaren Beiträge als Wiki zugänglich zu machen und dieses Wiki um
Regionalstudien und um weitere Einträge – wie EUTF, GIZ, EUNAVFOR oder
FRONTEX – zu erweitern. Um für dieses Projekt zu werben und den
Fortschritt unserer Arbeit zu dokumentieren, veröffentlichen wir einige
Aktualisierungen vorab.
https://ffm-online.org/wiki-eintrag-tunesien/
+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Der Kanton Bern will für ausländische Roma einen Transitplatz einrichten
– dagegen wehren sich neben der SVP auch Schweizer Fahrende
Der Kanton Bern will an der A1 im Seeland einen Platz für ausländische
Roma schaffen. Die Schweiz ist jedoch verpflichtet, Fahrenden aus dem
In- und Ausland Plätze zur Verfügung zu stellen.
https://www.nzz.ch/schweiz/kanton-bern-will-platz-fuer-auslaendische-roma-svp-wehrt-sich-ld.1537242
+++REPRESSION DE
Der Hamburger Prozess gegen »die Drei von der Parkbank« hat begonnen
Eine Frage der Hochsicherheit
Anfang dieses Monats begann der Prozess gegen »die Drei von der
Parkbank« in Hamburg. Die Verteidigung wirft der Hamburger Polizei vor,
einen der Angeklagten monatelang rechtswidrig überwacht zu haben.
https://jungle.world/artikel/2020/05/eine-frage-der-hochsicherheit
Systemli: ‚Your friendly tech collective‘
Im Zuge des linksunten.indymedia.org-Prozesses vor dem BVerwG in Leipzig
haben wir uns bei Studio Ansage gefragt, wie die Arbeit von
Tech-Kollektiven funktioniert und inwieweit sie sich durch den Angriff
auf und das Verbot von linksunten 2017 mit betroffen sehen.
Dazu haben wir mit Timo von Systemli gesprochen. Laut Selbstbeschreibung
ist Systemli ein „Unkommerzieller Anbieter für datenschutzfreundliche
Kommunikation. Ganz ohne Überwachung.“
https://www.freie-radios.net/99657
+++SPORTREPRESSION
Neue Kontrollpolitik im Wallis: Gefährlicher Alleingang
Fans sollen bei Spielen im Wallis strenger kontrolliert werden. Das ist
ein Abrücken von bewährten Mitteln im Umgang mit Gewalt bei
Fussballspielen.
https://www.tagesanzeiger.ch/sport/fussball/neue-kontrollpolitik-im-wallis-gefaehrlicher-alleingang/story/26329083
-> https://www.tagesanzeiger.ch/sport/fussball/kommt-die-idkontrolle-fuer-fussballfans/story/20227733
+++POLICE BE
Rentner nach Streit mit Polizei angezeigt
Der 65-jährige R.G. soll in Worblaufen von Polizisten zu Boden gerissen
worden sein und sich Schürfwunden zugezogen haben. Darüber hinaus wurde
er nach dem Streit angezeigt. Der Rentner erklärt, wie es zum Vorfall
kam.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/rentner-nach-streit-mit-polizei-angezeigt-136313741
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/bern/einfahrt-in-worblaufen-be-zugeparkt-polizei-reisst-rentner-r-g-65-zu-boden-id15727452.html
+++POLICE ZH
Streit bei der SP: Müssen Polizisten die Nationalität der Täter nennen?
Die Zürcher Stadtpolizei soll die Nationalität der Täter wieder
öffentlich machen. Dies fordert momentan die Mehrheit des
Kantonsparlaments. Das Blatt könnte sich jedoch bald wenden. Die SP der
Stadt Zürich macht ihren Kantonalpolitikern Beine.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/streit-bei-der-sp-muessen-polizisten-die-nationalitaet-der-taeter-nennen-136313781
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tagesanzeiger.ch 01.02.2020
Nennung der Nationalität entzweit Zürcher SP
Taktisch klug oder Verrat eigener Werte? Die SP-Zentrale massregelt die Fraktion wegen der SVP-Initiative.
Corsin Zander
Es scheint, als hätte es die SVP geschafft, die linken Parteien zu
spalten. Die Geschäftsleitung (GL) der kantonalen SP übt Druck auf ihre
Kantonsratsfraktion aus: Diese soll den Gegenvorschlag zur
SVP-Initiative «Bei Polizeimeldungen ist die Nationalität anzugeben»
ablehnen. «Die grosse Mehrheit der Geschäftsleitung wollte diese Haltung
der Fraktion weitergeben», bestätigt Co-Präsident Andreas Daurù. Dass
die GL solche Empfehlungen macht, ist ungewöhnlich.
In der elfköpfigen GL vertreten ist auch der Fraktionschef Markus Späth.
Er war gestern für den TA nicht erreichbar. Späth dürfte eine andere
Haltung vertreten haben, setzte er sich doch im Kantonsrat dezidiert für
die Unterstützung des Gegenvorschlags der Regierung ein. Dieser will,
dass die Nationalitäten von Tätern und Opfern in Polizeimeldungen
genannt werden – nicht aber ein allfälliger Migrationshintergrund, wie
es die SVP fordert. Die Unterstützung des Gegenvorschlags ist ein
taktisches Manöver, um – aus der Sicht der Linken – noch Schlimmeres zu
verhindern. Die SVP hatte ursprünglich angekündigt, die Initiative
zurückzuziehen, wenn das Parlament zum Gegenvorschlag Ja sagt. Vor allem
aus diesem Grund befürwortete die vorberatende Kommission den
Gegenvorschlag einstimmig.
Stadtparteien machen Druck
Diese taktische Haltung verärgerte die Stadtzürcher Linken. Gemäss
TA-Recherchen übten sie Druck auf die Kantonsratsfraktionen aus. Zuerst
kippte die AL: Sie lehnte den Gegenvorschlag bei der ersten Behandlung
im Kantonsrat vor zwei Wochen klar ab. Die anderen Parteien bis hin zur
CVP waren gespalten, sagten mehrheitlich aber Ja zum Gegenvorschlag.
Doch in der Zwischenzeit hat sich einiges getan. Die Jungen Grünen
kündigten ein Referendum an, wenn der Gegenvorschlag zustande kommen
sollte. Die städtischen Grünen und die Juso sagten dafür ihre
Unterstützung zu. Und nun macht auch die kantonale SP-Parteileitung
Druck gegen die Taktik, die SVP-Initiative mit einem abgeschwächten
Gegenvorschlag zu verhindern. «Dieses taktische Vorgehen ist
risikoreich», sagt SP-Co-Präsident Daurù. Aus seiner Sicht müsste die SP
für den Kompromiss sehr viel hergeben.
Lagebesprechung am Montag
In den linken Kantonsratsfraktionen sorgen die Druckversuche für Ärger.
Viele fürchten, die SVP-Initiative werde angenommen, wenn der
Gegenvorschlag nicht zustande kommt. Dann hätte es die SVP nicht nur
geschafft, ein Wahlkampfthema zu besetzen, die Polizei müsste auch noch
den Migrationshintergrund von Tätern bekannt geben. Offiziell will sich
dazu aber niemand äussern. «Wir werden am Montag nochmals zusammensitzen
und die Lage neu besprechen», sagt Grünen-Fraktionschefin Esther Guyer
bloss. Definitiv entscheidet der Kantonsrat am 7. März über den
Gegenvorschlag und die Initiative.
(https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/namensnennung-entzweit-zuercher-sp/story/18777437)
+++ANTIRA
Schule wirbt mit kleinem Ausländeranteil
In einem Stelleninserat einer Thuner Schule steht, sie biete den
Bewerbern «überdurchschnittlich wenig Kinder mit Migrationshintergrund».
Die Passage sorgt für Empörung.
https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Schule-bruestet-sich-mit-kleinem-Auslaenderanteil-20755913
+++HOMOHASS
So reagieren Passanten auf Schwule und Lesben
Böse Blicke und dumme Sprüche: Wir begleiteten mit einer versteckten Kamera ein lesbisches Paar und zwei Schwule durch Zürich.
https://www.20min.ch/schweiz/news/story/-Wir-Lesben-werden-als-Sexobjekte-betrachtet–27663117
+++FUNDIS
Warum die Swiss genug hatte: Der radikale Glauben der Schoko-Familie Läderach
Die Fluggesellschaft Swiss hat die Läderach-Pralinés aus dem Sortiment
genommen. Nicht ohne Grund, wie ein genauer Blick auf den
fundamentalistischen Hintergrund der Läderachs zeigt.
https://www.watson.ch/blogs/sektenblog/318218963-laederach-bosse-stehen-wegen-ihres-radikalen-glaubens-am-pranger
+++HISTORY
Der Rassist in uns – Deutschlands verdrängtes koloniales Erbe
Spätestens mit dem Aufstieg der AfD ist Deutschlands Ruf als ehrlicher
Aufarbeiter der eigenen Vergangenheit dahin. Eine wahre Black Box ist
immer noch Deutschlands koloniales Erbe. Der Zündfunk Generator fragt
sich, warum die Aufarbeitung der Kolonialverbrechen erst jetzt beginnt.
https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/der-rassist-in-uns-deutschlands-verdraengtes-koloniales-erbe100.html
+++RECHTSEXTREMISMUS
Weil der Chef mit Neonazis geschäftete: Roviva verliert Auftrag von Asylorganisation
Roviva-Chef Peter Patrik Roth pflegt enge Kontakte zu Neonazis – und
produziert Matratzen für Flüchtlinge. Jetzt hat die Asylorganisation
Zürich die Zusammenarbeit mit ihm gestoppt.
https://www.blick.ch/news/schweiz/weil-der-chef-mit-neonazis-geschaeftete-roviva-verliert-auftrag-von-asylorganisation-id15729846.html
-> https://www.watson.ch/wirtschaft/schweiz/749664194-matratzenhersteller-roviva-verliert-wegen-nazi-sympathien-des-chefs-auftrag
—
derbund.ch 01.02.2020
Im Neonazi-Chat tummelt sich auch ein Schweizer «Volksgrenadier»
Das Forum Iron March war die Brutstätte von Rechtsradikalen weltweit –
ein Datenleck von 25’000 privaten Nachrichten zeigt, wie sie ticken.
Barnaby Skinner
Die Eingangsfrage im Chat ist harmlos: «Ich habe gehört, dass Du
Belletristik schreibst. Welcher Art?» Doch schon bald geht es nicht mehr
ums Bücherschreiben, sondern um Shooter-Games und Nazis. Die Spiele
wären besser, wenn die Ziele mehr aussehen würden wie Juden, steht da.
Und: «Das Dritte Reich nimmt in meinem Herzen einen speziellen Ort ein.»
Oder: «Hitler war der grösste Sohn der deutschen Nation!»
Der Chat endet mit dem Hinweis auf ein Youtube-Video mit dem Titel «Sieg
oder Walhalla!». Ein Ort für gefallene Krieger in der nordischen
Mythologie.
Es handelt sich hierbei um den privaten Austausch zweier Mitglieder der
Online-Community Iron March, eines Diskussionsforums von Neonazis. Die
beiden involvierten Nutzer tragen in der Gemeinschaft die Namen
«Damnatio Memoriae» und «Volksgrenadier». Der erste ist vermutlich
Engländer, der zweite wohl Schweizer. Das geschlossene Onlinenetzwerk
Iron March wurde im Jahr 2017 von Unbekannten gehackt, und letztes Jahr
ist dessen gesamter Inhalt für kurze Zeit frei einsehbar im Internet
ebenfalls von unbekannt publiziert worden; darunter sind Sachen wie
sensitive Daten wie Passwörter, E-Mail-Adressen, Social-Media-Konten. Es
handelt sich um das grösste bekannte Datenleck eines Neonazi-Forums und
ermöglicht einen so intimen Einblick in die rechtsextremistische Szene
wie selten zuvor.
Das sehen die Ermittlungsbehörden weltweit ebenfalls so, auch diejenigen
in der Schweiz. Die Behörden wollen herausfinden, wer hinter
Nutzernamen wie «Volksgrenadier» und «Damnatio Memoriae» oder «Odin»,
«Daddy Terror», «Fascist Capitalist», «Hakenkreuz», «Ginger Hitler»
steckt. Und sie handeln dabei durchaus mit Dringlichkeit. Denn es geht
darum, abzuschätzen, wie gut vernetzt und wie gewaltbereit die rechte
Szene mittlerweile ist, und darum, Gewalt zu verhindern, bevor sie
geschieht.
Seltsame esoterische Ader
Das Onlineforum Iron March galt bis zum Riesendatenleck sechs Jahre lang
als eine der gefährlichsten Ecken des Internets für rechten
Extremismus. Hier wurde der Grundstein zu gleich mehreren
rechtsextremen, gewaltbereiten Gemeinschaften gelegt. Vor allem haben
sie damit begonnen, die Gewalt auszuüben, die sie im Forum Iron March
religiösen Minderheiten, Farbigen oder Homo- und Transsexuellen mit
Worten angedroht hatten.
Vanguard America aus den USA ist eine dieser Gruppen. Ein Mitglied war
zum Beispiel James Fields; das ist der 20-jährige Neonazi, der bei der
Unite-the-Right-Demonstration in Charlottesville im Jahr 2017 die
32-jährige Gegendemonstrantin Heather Heyer mit seinem Auto umgefahren
und getötet hat.
Die wohl gefährlichste und grösste Gruppierung, die nachweislich aus
Iron March hervorgegangen ist, ist die Atomwaffendivision (AWD).
Mindestens fünf Morde werden mit der Gruppierung in Verbindung gebracht.
Deren Gründungsmitglieder stammen aus Florida, USA. Ihre Ideologie
propagiert masslose Gewalt, um einen weltweiten apokalyptischen
Rassenkrieg herbeizuführen. Am 17. März 2017 veröffentlichte der damals
22-jährige Brandon Clint Russell, einer der AWD-Rädelsführer, bei Iron
March ein Handbuch zu paramilitärischen Taktiken und zum Umgang mit
Landminen. Die AWD hat ausserdem eine seltsame esoterische Ader. So
glauben deren Mitglieder, dass Aufstieg und Erfolg der
Nationalsozialisten, insbesondere der politische Erfolg von Hitler und
Goebbels, auf okkulte Einflüsse zurückzuführen seien.
Nachdem das Forum Iron March gehackt wurde, wechselte die AWD auf andere
einschlägige rechtsextreme Internet-Plattformen und benutzt heute den
verschlüsselten Chat-Dienst Telegram oder Dienste wie Discord, ein
Video-Chat, der eigentlich für Gamer entwickelt wurde. Mittlerweile
gelingt es der Organisation, auch Mitglieder ausserhalb der USA
anzuwerben. Die skandinavische Sektion etwa heisst «Nordische
Widerstandsbewegung», die britische Sektion «Sonnenkrieg-Division» und
die deutsche, erst 2018 gegründet, «Atomwaffendivision Deutschland».
Es ist diese neuerliche Entwicklung, die auch Schweizer Ermittlern Sorge
bereitet. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat bereits in seinem
letzten Jahresbericht festgestellt: «Die Schweizer rechtsextreme Szene
ist im Aufbruch.» 2018 kam es in der Schweiz zu 53 rechtsextremen
Ereignissen: Treffen, Konzerte, halböffentliche Reden. So viele wie noch
nie seit 2012. Ob die Schweizer Rechtsextremisten gewaltbereiter
werden, bleibt gemäss Bericht unklar. Laut NDB sind die Linksextremen in
der Schweiz das Hauptproblem. Sie seien weiter wesentlich
gewaltbereiter. Umso aufschlussreicher könnte für den NDB ein Blick in
die Datenbank von Iron March sein. Er könnte Experten dabei helfen,
abzuschätzen, ob die Schweiz bald mit einem aggressiveren
Rechtsextremismus zu rechnen hat.
Wertvolle Daten für die Ermittler
Ob der NDB die Daten von Iron March tatsächlich unter die Lupe genommen
hat, wollte er allerdings nicht kommentieren. Doch eine Anfrage bei der
Zürcher Kantonspolizei lässt vermuten, dass sich der Nachrichtendienst
zumindest mit den Daten beschäftigt hat. Der Kanton Zürich verfügt über
die schweizweit grösste Polizeieinheit zur Bekämpfung von
Cyberkriminalität.
Zum Aufgabengebiet gehört auch die Untersuchung von Extremismus mit
Gewaltbezug. Ein Polizeisprecher sagte: «Die zuständige Spezialabteilung
hat seit Publikation der geleakten Iron-March-Daten Kenntnis davon.
Aber sie will und kann aus ermittlungstaktischen Gründen keine näheren
Angaben zur Untersuchung machen.»
Rechtlich ist die Lage so, dass die Zürcher Polizei die Daten erst dann
untersuchen darf, wenn darin eindeutige Gewaltbezüge zu finden sind. Mit
grosser Wahrscheinlichkeit kam ein ebensolcher Tipp vom NDB.
Eine Untersuchung des umfangreichen Materials verrät, wie wertvoll der
Inhalt für die Ermittler sein muss. Diese Zeitung hat sich frühzeitig
eine Kopie der Iron-March-Datenbank besorgt. Die Analyse erlaubt einen
raren, exklusiven Blick in die Subkultur des Rechtsextremismus; vor
allem ist erkennbar, wie weltweit vernetzt die Szene mittlerweile ist.
Die Mehrheit der untersuchten 25 000 Privatmeldungen sind auf Englisch
verfasst, nebst deutschen, finnischen, holländischen, portugiesischen,
schwedischen, serbischen, spanischen oder ungarischen.
Die Analyse zeigt auch, wie schwierig die Polizeiarbeit sein muss. Wer
erwartet hat, dass in der rechtsextremen Community am Laufmeter gegen
Minderheiten gehetzt und das Gesetz gebrochen wird, muss enttäuscht
werden. Liest man nur einen Teil der privaten Meldungen, wähnt man sich
in einem Bücherclub. Gerade die älteren Community-Moderatoren verbringen
viel Zeit damit, jüngere Nutzer mit Lesematerial zu versorgen. Etwa
alle Bücher des italienischen Rassentheoretikers Julius Evola: «Die
Arische Lehre von Kampf und Sieg» (1941) zum Beispiel oder «Grundrisse
der faschistischen Rassenlehre» (1943). Beide Bücher stehen auch auf der
Leseliste von Steve Bannon, dem früheren Berater von US-Präsident
Donald Trump. Oder das Buch «Siege» (Belagerung) des US-Neonazis James
Mason (1992). Sein Werk gilt als Pflichtlektüre aller Mitglieder der
Atomwaffendivision. In den Chats werden für wissbegierige, jüngere
Nutzer via Skype sogar Buchbesprechungstermine angeboten.
Strikte Verhaltensregeln
Das Forum kennt strikte Verhaltensregeln. Wer eine Diskussion mit zu
vielen eigenen Meldungen dominiert, wird ausgeschlossen. Wer andere
öffentlich beleidigt, auch. Das allerschlimmste Verhalten ist
Pädophilie. Im Jahr 2012 meldete sich etwa ein Nutzer mit Schweizer
Internetadresse und der Mail-Adresse 69pedodave69@gmail.com an. Das Konto wurde gelöscht, bevor der Nutzer sich äussern konnte.
Ein anderer Nutzer gab damit an, dass er kürzlich eine minderjährige
Frau für Sex getroffen habe. Der Gründer der Community, der Russe
Alexander Slawros, machte kurzen Prozess und schloss den Mann aus der
Gemeinschaft aus. «Bitte, bitte, bitte lass mich wieder rein», bettelte
der Bestrafte. Vergeblich. Slawros schickte ihm lediglich einen Link auf
ein Youtube-Video, das eine russische Schlägertruppe auf der Jagd nach
Pädophilen zeigt.
Die ganze Community wird von Slawros und einer Handvoll anderer
Moderatoren streng überwacht und, wo sie es für nötig befinden,
gemassregelt. Bevor Neumitglieder in das Forum aufgenommen werden und
alle Inhalte einsehen dürfen, werden sie von den Moderatoren per
Video-Telefonie interviewt und bewertet. Die Neonazi-Gemeinschaft von
Iron March ist besessen von der Vorstellung, dass die Regierung sie
unterwandert und ausspioniert.
Die Moderatoren sind zudem professionell organisiert. Der Nutzer namens
«Der Zeiger» übernimmt die Rolle des Bibliothekars. Im echten Leben
heisst der Mann Gabriel Sohier Chaput, ein heute 33-jähriger
IT-Angestellter aus Montreal, Kanada. Sein Chat-Verlauf ist eine
Ansammlung von Bücher-Links, die er aus allen Ecken der Welt erhalten
hat. Seine Aufgabe ist es, den Online-Bücherkatalog aktuell zu halten.
Aus seinem privaten Chat-Verlauf sieht man, wie täglich
Lektürevorschläge bei ihm eingehen: aus Polen, Deutschland, Serbien,
Schweden, Finnland, England. Alles wird geflissentlich katalogisiert.
Ein weiterer Moderator ist ein Brite mit dem Nutzernamen «Terror Daddy»,
im echten Leben als Benjamin Raymond bekannt. Er hat in den privaten
Chats oft mit jüngeren Nutzern zu tun. Er testet, wie ernst sie es mit
ihrem Nazitum meinen. Im echten Leben ist Raymond ein früherer
Politik-Student aus England und Mitglied der in Grossbritannien
verbotenen Organisation National Action (NA). Die NA feierte in den
sozialen Medien etwa den Mord an der britischen Labour-Politikerin Jo
Cox während der Brexit-Referendumskampagne als nationale Heldentat.
Die Anwerbung von jüngeren Nutzern ist bei den meisten Moderatoren ein
Dauerthema. In den Diskussionen zwischen den Community-Moderatoren
werden regelmässig zwei Hauptquellen für die Rekrutierung erwähnt:
europäische Fussballclubs und die Online-Gaming-Szene. In beiden Fällen
gibt es Verbindungen in die Schweiz.
«Kein politisch korrektes Spiel»
So schreibt ein Nutzer mit dem Iron-March-Profilnamen «Torquemada»:
«Wenn es Dir in der Schweiz gefällt, wird es Dir auch hier bei mir
gefallen.» Aus den restlichen Ausführungen kann man davon ausgehen, dass
er Slowenien meint. Er fährt fort: «Ihr könnt meine Crew und andere
Jungs aus der Szene treffen. Unsere Partys sind ziemlich Hardcore.
Unsere Freunde aus anderen Hooligan-Crews sind immer beeindruckt, zum
Beispiel die Hooligans des Fussballclubs Berner Young Boys und CSKA
Sofia. Aber kannst Du überhaupt das Land verlassen?»
Der angeschriebene «Nebuchadnezzar II» antwortete: «Ich habe es kürzlich
nach Thailand in die Ferien geschafft, ohne erwischt zu werden. Doch
ich bin jetzt etwas knapp bei Kasse. Alle denken, ich sei reich, weil
ich einen reichen Juden um Geld betrogen habe, aber ich habe das Geld in
die Weiterbildung meiner Tochter gesteckt.»
Die zweite Verbindung in die Schweiz ist die Gaming-Szene. Auch die
eingangs erwähnten Nutzer «Damnatio Memoriae» und der mutmassliche
Schweizer mit dem Pseudonym «Volksgrenadier» verbringen viel Zeit mit
Gaming. Bei der Lektüre der Chats lässt sich gar nachvollziehen, wie
sich die virtuellen Spielwelten mit den rassistischen, faschistoiden
Weltanschauungen und Okkultismus vermischen.
Der Nutzer «Damnatio Memoriae» schreibt: «Ah, Du spielst auch gerne
Science-Fiction-Spiele? Ich liebe ‹Mass Effect› und die Kotor-Serie.»
Beides Action-Spiele für Spielkonsolen.
«Volksgrenadier»: «Ja, ‹Mass Effect› ist gut. (. . .) Und ‹True Blood›
liebe ich. Zum Glück sahen es die Entwickler des Spiels nicht für nötig
an, mit falschen Nazi-Referenzen das Dritte Reich in den Dreck zu
ziehen.»
«Damnatio Memoriae»: «Danke für die Aufklärung der Beziehung von ‹True
Blood› zu den Nazis. Das Dritte Reich hat für mich einen sentimentalen
Wert. Dir würde bestimmt auch das Spiel ‹WitcherII› gefallen. Was ich
daran am meisten liebe: dass es ist kein politisch korrektes Spiel ist.
Es zeigt Sklaverei, Königsmorde, Rassismus, Schlachtungen. Verdammt,
man kann sogar in ein Bordell gehen und sich seine Hure aussuchen.»
«Volksgrenadier»: «Das Dritte Reich hat in der Tat auch in meinem Herzen
Platz, meine Seele bleibt ewig an Adolf Hitler gebunden (. . .).»
«Damnatio Memoriae»: «Ich bin froh zu wissen, dass wir die gleichen
Gefühle in Bezug auf Hitler haben. Was Dr.Goebbels über diesen Mann
gesagt hat, ist absolut wahr. Er war der grösste Sohn der deutschen
Nation, ein Mann, mit dem die Erde einmal in tausend Jahren gesegnet
ist. (…) Übrigens brauchst Du das Spiel ‹The WitcherI› nicht zu
spielen, um mit NummerII zu beginnen.»
«Volksgrenadier»: «Heil, ich muss mich nur entscheiden, ob ich gleich zu
‹Witcher II› springe. Und ich bin überzeugt, dass der Führer
zurückkommt, in der einen Form oder der anderen. Und dann werden wir ihm
alle folgen.»
Der vorangegangene Chat-Austausch ist nur eine Auswahl der Meldungen der
beiden Iron-March-Mitglieder. Tatsächlich erstreckten sie sich über
mehrere Tage und Nächte.
Radikalisierung im Fokus
Wie wurde der «Volksgrenadier» als Nutzer mit mutmasslichem Schweizer
Wohnsitz identifiziert? In der Regel verstecken die Mitglieder des
Neonazi-Forums ihre IP-Nummern. Das ist so etwas wie die Einwahladresse
jedes Computers oder Mobiltelefons ins Internet. In der Regel ist sie
öffentlich. Sie kann allerdings mit sogenannten Virtual Private
Networks (VPN) versteckt werden. Doch beim Abgleich aller IP-Adressen
des Nutzers «Volksgrenadier» fällt auf, dass sich eine Ziffernfolge
mehrmals wiederholt. Das ist unüblich. In der Regel vergibt ein
VPN-Dienst bei jeder neuen Internet-Session eine zufällige Nummer. Das
heisst: Der Nutzer «Volksgrenadier» hat manchmal wohl vergessen, seinen
VPN-Dienst einzuschalten. Zudem bestätigt die Firma Green.ch mit Sitz in
Lupfig AG auf Anfrage, dass die angegebene IP-Nummer einem ihrer Kunden
mit Schweizer Wohnsitz zugeteilt ist. Der Versuch, den Nutzer via die
angegebene E-Mail-Adresse zu kontaktieren, schlug fehl.
Für die Schweizer Behörden ist die Radikalisierung im Internet nichts
Neues. Doch im Programm Nationaler Aktionsplan (NAP) zur Verhinderung
und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus sind
dafür keine Präventivmassnahmen vorgesehen. Der Fokus liegt auf der
Radikalisierung durch Islamisten. Darauf verwies im Gespräch auch Gaby
Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen
Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren, auf Anfrage.
Doch die Analyse des Internet-Forums Iron March führt möglicherweise zu
einem Umdenken. André Duvillard, Delegierter des Sicherheitsverbunds
Schweiz, sagte, dass an der jährlichen NAP-Fachtagung, die im kommenden
Mai durchgeführt wird, die Prävention von rechtsextremistischer
Radikalisierung ganz zuoberst auf der Agenda geführt werde. Es wird also
über die Gefahren geredet, die vom rechten Extremismus ausgehen.
–
In Zahlen
23 Dies ist der Altersdurchschnitt der User bei der Anmeldung. Im
rechtsradikalen, wohl männerlastigen Forum Iron March waren Gaming und
Fussball wichtige Themen.
37 So viele Sprachen waren vertreten auf Iron March. Die Mehrheit der
untersuchten 25’000 Privatmeldungen wurden jedoch auf Englisch verfasst.
(https://www.derbund.ch/leben/gesellschaft/so-hetzen-neonazis/story/26712536)