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+++ZÜRICH
Zürichsee-Zeitung 30.12.2019
Rechte Richter sollen gegenüber Sans-Papiers voreingenommen sein
Eine 31-jährige Äthiopierin wird verurteilt, weil sie trotz abgewiesenem
Asylgesuch nicht ausreist. Ihr Anwalt fragt: Können Richter, die
rechten Parteien angehören, seine Mandantin fair behandeln?
Pascal Jäggi
Die Situation ist vertrackt. Die Schweizer Behörden haben der
31-Jährigen längst beschieden, sie müsse ausreisen. Doch die
Äthiopierin, die in der Notunterkunft Adliswil lebt, tut nichts
dergleichen. Sie beharrt darauf, dass sie nicht nach Äthiopien
zurückkönne. Als gebürtige Eritreerin sei es für sie dort zu gefährlich.
Schliesslich habe sie vor ihrer Flucht in die Schweiz im Jahr 2011
schon mehrere Jahre im Gefängnis verbringen müssen.
Diese Version, die sie im Oktober 2018 am Bezirksgericht Horgen
erzählte, glauben ihr die Migrationsbehörden aber nicht. Darum wurde die
Frau bereits zweimal wegen illegalen Aufenthalts verurteilt. Einmal
rechtskräftig zu einer Geldstrafe. Und ein zweites Mal, noch nicht
rechtskräftig, zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe. Der Horgner
Richter begründete die Strafe mit der Renitenz der 31-Jährigen. Es sei
ihre Sache, bei der Botschaft gültige Papiere zu beschaffen und
auszureisen.
Unfaire Vorzeichen?
Mithilfe ihres Verteidigers hat die Beschuldigte dieses Urteil ans
Obergericht weitergezogen. Viel erreicht haben sie nicht, die Strafe
blieb auch nach der Verhandlung im Mai bestehen. Doch der Verteidiger
stellte noch an der Verhandlung ein Ausstandsgesuch gegen zwei der drei
Richter. Diese gehörten der SVP und den Schweizer Demokraten (SD) an. Es
sei notorisch bekannt, so der Anwalt, dass SVP und SD sich damit
profilierten, dezidiert hart gegen Sans-Papiers aufzutreten.
Die Frage ist durchaus interessant. Wie gross ist der Einfluss einer
Partei auf einen an sich ja unabhängigen Richter? Der «Tages-Anzeiger»
konnte vor einigen Jahren aufzeigen, dass am Bundesverwaltungsgericht
vor allem die SVP-Richter als «harte Hunde» auftraten. Sie lehnten,
zusammen mit je einer GLP- und BDP-Vertreterin am meisten Beschwerden im
Asylbereich ab. Schade nur, dass im Fall der Äthiopierin diese Frage
gar nicht geklärt wird. Aus formalen Gründen geht das Bundesgericht
nicht auf die Beschwerde ein.
Er kam zu spät
Dass der Anwalt die Beschwerde erst an der Verhandlung am Obergericht
bekannt gab, war zu spät. Er hätte sich bereits nach Erhalt der
Vorladung im März 2019 melden müssen. Das Bundesgericht hält ihm die
eigene Beschwerde vor, in der er ja schreibe, es sei «notorisch
bekannt», dass rechte Richter so entscheiden würden. Also habe er schon
damals wissen müssen, dass er aus Sorge vor Voreingenommenheit ein
Ausstandsbegehren hätte stellen müssen. Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Äthiopierin muss die Gerichtskosten von 1000 Franken übernehmen.
Angesichts ihrer finanziellen Lage hat das Bundesgericht die Kosten
reduziert. Die Frage, ob sie sich jetzt doch um eine Ausreise bemüht
oder erneut eine Freiheitsstrafe wegen illegalen Aufenthalts riskiert,
bleibt offen.
(https://www.zsz.ch/horgen/rechte-richter-sollen-gegenueber-sanspapiers-voreingenommen-sein/story/24126214)
+++SCHWEIZ
Flüchtlinge müssen Jahre auf ein Urteil warten
Das Bundesverwaltungsgericht schiebt einen Pendenzenberg vor sich her,
obwohl zusätzliche Richterstellen für Asylfälle geschaffen wurden.
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/fluechtlinge-muessen-jahre-auf-ein-urteil-warten/story/17595477
+++DEUTSCHLAND
Forschungsband über queere Flüchtlinge: Der Wunsch nach mehr Sensibilität
Wenn die Diskriminierung weitergeht: Nach Angaben von NGOs sind rund
fünf Prozent der Geflüchteten in Deutschland queer – ein Sammelband will
mehr Aufmerksamkeit für das Thema schaffen.
https://www.spiegel.de/kultur/literatur/forschung-zur-lage-von-homosexuellen-fluechtlingen-kritik-zum-sammelband-a-1299655.html
Deutsche Behörden als Erfüllungsgehilfen des AKP-Regimes? Freiheit für Mehmet Sarar!
Der türkische Linke Mehmet Sarar wurde am 26.12.2019 am badischen
Bahnhof in Basel aufgrund einer von der Türkei beantragten Interpol
Fahndung von der deutschen Polizei festgenommen und sitzt nun in der JVA
Freiburg in Untersuchungshaft. Die Rote Hilfe OG Freiburg fordert seine
sofortige Freilassung.
https://rotehilfefreiburg.noblogs.org/post/2019/12/29/deutsche-behorden-als-erfullungsgehilfen-des-akp-regimes-freiheit-fur-mehmet-sarar/
+++MITTELMEER
Rettungsschiff „Sea-Watch 3“ wieder im Mittelmeer im Einsatz
Schiff war fast sechs Monate lang beschlagnahmt
https://www.derstandard.at/story/2000112778762/rettungsschiff-sea-watch-3-wieder-im-mittelmeer-im-einsatz?ref=rss
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-12/seenotrettung-sea-watch-3-rettungsschiff-mittelmeer-fluechtlinge
-> https://www.srf.ch/news/international/nach-sechs-monaten-im-hafen-rettungsschiff-sea-watch-3-wieder-im-einsatz
+++EUROPA
Thema Flucht beim 36C3 in Leipzig: Digitaler Stacheldraht
Die Europäische Union vermauert ihre Außengrenzen inzwischen auch
digital. Das kritisieren flüchtlings- und netzpolitische Aktivisten.
https://taz.de/Thema-Flucht-beim-36C3-in-Leipzig/!5653005/
Migrationspolitik: Griechisches Flüchtlingschaos setzt EU unter Druck
Die Zustände in griechischen Flüchtlingslagern zeigen, wie dringend ein
Neustart in der EU-Migrationspolitik ist. Kommissionschefin Ursula von
der Leyen hat ein Reformpaket angekündigt – wie könnte es aussehen?
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/eu-fluechtlingspolitik-ursula-von-der-leyen-unternimmt-neuen-anlauf-a-1303057.html
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Letzte Infos Silvesterdemo
Am 31.12 rufen wir um 22 Uhr zur Silvesterdemo am Bahnhofplatz in Bern
auf. Rund um die Demonstration wird es eine autonome
Antirepressions-Struktur geben. Diese ist unter folgender Nummer zu
erreichen: 077 937 87 34
Bis zum aktuellen Zeitpunkt gab es keine eindeutigen Aussagen, dass eine
Demonstration seitens der Stadt nicht toleriert wird. Ein Grossaufgebot
an Silvester zu stellen, ist entsprechend schwierig, da die Cops im
ganzen Kanton unterwegs sein müssen. Klar ist jedoch, dass eine
„sichtbare Präsenz“ angekündigt ist, was an Silvester in der Stadt
sowieso schon seit Jahren der Fall ist.
https://barrikade.info/article/3035
—
bernerzeitung.ch 30.12.2019
Linksautonome wollen Silvesterfeier aufmischen
Reto Nause hat «null Verständnis» für die Silvesterdemo.
Michael Bucher
Bern ist die Stadt der Demonstrationen. Das zeigt das Jahr 2019 einmal
mehr. Im abgelaufenen Jahr wurde sogar ein Rekordwert erreicht. Während
in der Bundesstadt im Schnitt pro Jahr 230 unbewilligte und bewilligte
Kundgebungen über die Bühne gehen, waren es dieses Jahr allein bis Ende
November 251 an der Zahl – und das sind nur jene, die von den Behörden
eine Bewilligung erhalten hatten.
Insgesamt sind es 17 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs, wie die Nachrichtenagentur SDA kürzlich berichtete.
Demo mit Krawallpotenzial
Es passt deshalb zum Demo-Rekordjahr, findet in Bern selbst am
Silvesterabend eine Kundgebung statt. Zwei Stunden vor dem Jahreswechsel
will die linksextreme Szene ihren Protest gegen Staats- und
Polizeigewalt auf die Strasse tragen. «Silvesterdemo» nennen es die
Aktivisten auf den einschlägigen Onlineportalen. Das Motto der
unbewilligten Mitternachtsdemo: «Unregierbar bleiben – kein Gesetz hält
uns auf!»
In ihrem Protestaufruf auf Barrikade.info liefern Linksautonome eine Art
Jahresrückblick, in dem sie auflisten, was in ihren Augen alles
schiefgelaufen ist. Kritisiert wird vorderhand die angeblich zunehmende
staatliche Überwachung und Repression.
Als Beispiel nennen die Aktivisten die erweiterten Befugnisse der
Polizei durch das von der Stimmbevölkerung angenommene revidierte
Polizeigesetz, das im Januar in Kraft tritt. Auch des vor einem Jahr auf
einer Polizeiwache verstorbenen 20-jährigen Berners soll gedacht
werden. Im Anschluss an den Todesfall wurde damals Kritik laut, der
junge Partygänger sei nicht angemessen versorgt worden.
Bei der Kantonspolizei hat man Kenntnis von der bevorstehenden
Kundgebung mit Krawallpotenzial. «Wir werden mit einem verstärkten
Aufgebot in der Innenstadt präsent sein», sagt Kapo-Mediensprecher
Christoph Gnägi. Zwar sei die Polizeipräsenz an Silvester generell höher
als an normalen Abenden, doch «aufgrund des Demoaufrufes haben wir
kurzfristig noch zusätzliche Einsatzkräfte aufgeboten», so Gnägi.
Rekordjahr auch für Polizei
Dass Aktivisten aus der linksextremen Szene ausgerechnet an Silvester
ihren Protest auf die Strasse tragen wollen, dafür hat Reto Nause «null
Verständnis».
«Es werden viele Leute in der Innenstadt sein, um friedlich Neujahr zu
feiern», sagt der städtische Sicherheitsdirektor. Durch die unbewilligte
Aktion entstehe ein unnötiges Sicherheitsrisiko für Unbeteiligte –
zumal der Demoaufruf «von einem hohen Mass an Militanz» zeuge.
Er wolle niemandem das Recht zu demonstrieren absprechen, so Nause,
«doch das geht auch friedlich und mit einer Bewilligung». Eine genaue
Statistik zu der Anzahl unbewilligter Demonstrationen in Bern gibt es
zwar nicht, doch Nause ist überzeugt, dass auch in dieser Hinsicht das
abgelaufene Jahr nach oben ausschlägt.
Er nennt etwa die vielen Protestaktionen von Linksautonomen gegen den
türkischen Einmarsch in Nordsyrien oder die Fanmärsche der gegnerischen
Fans an europäischen YB-Spielen. «Für die Polizei war das eine massive
Belastung», meint der Sicherheitsdirektor, «2019 wurde dadurch auch zu
einem Rekordjahr bei Polizeieinsätzen.»
(https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/linksautonome-wollen-silvesterfeier-aufmischen/story/23853368)
—
derbund.ch 30.12.2019
«Sichtbare Polizeipräsenz» wegen Silvesterdemo
Linksautonome Gruppen rufen in Bern zu einer Demo zum Jahresende auf. Am
Silvesterabend ist die Polizei ohnehin zusätzlich gefordert.
Calum MacKenzie
«Wir werden uns in der Silvesternacht die Strassen nehmen, um aller von
Repression Betroffenen oder Getöteten zu gedenken.» So lautet ein Aufruf
auf dem Linksaktivisten-Portal Barrikade.info. In der Berner Innenstadt
ist für den Dienstagabend kurz vor dem Jahreswechsel eine Kundgebung
geplant.
Die Organisatorinnen und Organisatoren nehmen in ihrem Aufruf Bezug auf
diverse politische Ereignisse des zu Ende gehenden Jahres. Die
Demonstration stehe etwa für die Solidarität mit der geräumten Besetzung
Fabrikool im Berner Länggasse-Quartier, aber auch mit den gebeutelten
syrischen Kurden und mit dem an den letzten Weihnachten in Berner Haft
verstorbenen Kilian S. «Mehr denn je ist es wichtig, dass wir
zusammenstehen und gemeinsam für eine bessere Welt kämpfen, in der wir
uns ohne Polizei und Staat organisieren», schreiben die Initiierenden
weiter. «Unregierbar bleiben – kein Gesetz hält uns auf!» Die geplante
Kundgebung ist unbewilligt.
«Demo passt nicht»
Dies bestätigt der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) auf
Anfrage. «Viele Leute werden zu dieser Zeit in der Innenstadt sein und
werden das neue Jahr einläuten wollen. Eine Demo passt nicht in dieses
Setting», sagt er. Zwar gelte an jedem Tag im Jahr die
Demonstrationsfreiheit. «Aber dann müsste man eine Bewilligung einholen,
mit den Behörden in den Dialog treten, und das ist nicht geschehen.»
Nause rechnet nicht mit einer Grosskundgebung. «Der Aufruf stammt aber
aus gewaltbereiten linksextremistischen Kreisen und zeigt auch eine
gewisse Militanz.» Die Behörden seien jedoch auf die Aktion vorbereitet.
Polizeisprecher Christoph Gnägi gibt auf Anfrage Auskunft zu diesen
Vorbereitungen. «An Silvester – wie sonst auch – haben wir den Auftrag,
die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.» Weil viele Leute unterwegs
sein würden, habe die Polizei schon ein erhöhtes Dispositiv geplant.
«Jetzt haben wir es noch einmal verstärkt. Wir wollen morgen Abend
sichtbare Präsenz zeigen.» Man beobachte die Lage laufend und könne das
Dispositiv wenn nötig kurzfristig anpassen.
Das Polizeiaufgebot werde immer angepasst, wenn mehr Menschen als üblich
in der Stadt unterwegs seien, so Gnägi. Das gelte etwa auch für den 1.
August oder für den Zibelemärit. «Es kann Streitereien oder medizinische
Notfälle geben – Stichwort Alkohol –, und der Einsatz kann auch sonst
sehr unterschiedliche Aufgaben beinhalten.» Da sei nicht nur die Polizei
gefordert, sondern die Blaulichtorganisationen im Allgemeinen.
(https://www.derbund.ch/bern/sichtbare-polizeipraesenz-wegen-silvesterdemo/story/18513685)
—
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/links-extreme-rufen-zu-silvester-demo-in-bern-auf-136163999
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/sicherheitsdirektor-nause-hat-null-verstandnis-fur-silvester-demo-65634963
-> https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/DEMO-12665523
-> Demoaufruf: https://barrikade.info/article/3011
+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Landesverweis für straffällige Ausländer: Bundesgericht klärt Kompetenzen der Behörden
Straffällige Ausländer können sowohl ausländerrechtlich als auch
strafrechtlich aus der Schweiz weggewiesen werden. Dies kann zu
Doppelspurigkeiten führen, die das Bundesgericht nun auflöst.
https://www.nzz.ch/schweiz/landesverweis-fuer-straffaellige-auslaender-bundesgericht-klaert-kompetenzen-der-behoerden-ld.1530922
-> Medienmitteilung Bundesgericht: https://www.bger.ch/files/live/sites/bger/files/pdf/de/2C_305_2018_2019_12_30_T_d_14_55_58.pdf
-> Urteil Bundesgericht:
– https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://18-11-2019-2C_1154-2018&lang=de&zoom=&type=show_document
– https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://18-11-2019-2C_1154-2018&lang=de&zoom=&type=show_document
– https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://18-11-2019-2C_358-2019&lang=de&zoom=&type=show_document
– https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://18-11-2019-2C_468-2019&lang=de&zoom=&type=show_document
– https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2Faza://18-11-2019-2C_628-2019&lang=de&zoom=&type=show_document
+++KNAST
36-jähriger Häftling in Basler Gefängnis tot aufgefunden
In Gefängnis Bässlergut in Basel ist am Montagmorgen ein Häftling tot
aufgefunden worden. Der 36-jährige Algerier habe sich in seiner Zelle
erhängt, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/36-jaehriger-haeftling-in-basler-gefaengnis-tot-aufgefunden-136166414
-> https://www.bazonline.ch/basel/stadt/haeftling-hat-sich-im-baesslergut-erhaengt/story/13754203
-> https://telebasel.ch/2019/12/30/algerier-36-tot-in-gefaengniszelle/?utm_source=lead&utm_medium=carousel&utm_campaign=pos+3&channel=105100
-> http://www.onlinereports.ch/News.117+M53d93a735bb.0.html
-> https://primenews.ch/news/2019/12/haeftling-im-baesslergut-gefaengnis-erhaengt-vorgefunden
-> https://www.stawa.bs.ch/nm/2019-todesfall-im-gefaengnis-baesslergut-stawa.html
Immer mehr Alte hinter Gittern
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es im Justizvollzug kaum
Senioren. Nun steigt ihr Anteil stärker an als in der
Durchschnittsbevölkerung. Eine neue Studie zeigt, wie gross der Effekt
in den kommenden Jahren ist.
https://www.nzz.ch/schweiz/immer-mehr-alte-hinter-gittern-ld.1527781
Catering in Strafanstalt Saxerriet: Nachdem sich ein Häftling übergeben hat, bleibt die Küche vorerst geschlossen
Nach dem Norovirus-Ausbruch in der Woche vor Weihnachten geht es in der
St.Galler Strafanstalt Saxerriet weiter hoch her. Ob der neue Vorfall
etwas mit dem Virus zu tun hat, ist laut dem Gefängnisdirektor noch
ungeklärt.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/catering-in-strafanstalt-saxerriet-nachdem-sich-ein-haeftling-uebergeben-hat-bleibt-die-kueche-vorerst-geschlossen-ld.1181596
-> https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Haeftling-kotzt-in-Kueche–Gefaengnis-bucht-Catering-19755086
Trans* und im Knast – Interview mit der trans*Ratgeber Gruppe
Menschen werden in Deutschland anhand des herrschenden binären
Geschlechtersystems in Männer oder Frauen-Knäste eingeteilt. Getrennt
wird nach dem Trennungsgrundsatz. Dieser steht in den verschiedenen
Strafvollzugsgesetzen und heißt, dass nach den in Ausweisen
eingetragenen Geschlechtern getrennt werden soll. Wie mit der relativ
neuen Geschlechtseintrag „divers“ verfahren wird, scheint noch nicht
bekannt zu sein, erklärt ein Aktivist von der trans*Ratgeber-Gruppe im
Interview.
https://www.freie-radios.net/99134
+++ANTIRA
antira-Wochenschau: Antiziganistischer Abstimmungskampf startet,
rassistische Doppelbestrafung bestätigt, antimilitaristisches
Kriegsmaterialexportverbot kommt
https://antira.org/2019/12/30/antira-wochenschau-antiziganistischer-abstimmungskampf-startet-rassistische-doppelbestrafung-bestaetigt-antimilitaristisches-kriegsmaterialexportverbot-kommt/
Primarschüler machen sich über Dunkelhäutige lustig
In Klassenchats kursieren diskriminierende Memes. Man dürfe das Problem nicht verharmlosen, sagen Experten.
https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Primarschueler-machen-sich-ueber-Dunkelhaeutige-lustig-22491197
+++HISTORY
Fotoarchiv – Basler Zeitgeschichte wird digitalisiert
50 Jahre berichtete der Fotograf Claude Giger über das Leben in Basel. Nun kommen seine Bilder ins Sozialarchiv.
https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/fotoarchiv-basler-zeitgeschichte-wird-digitalisiert
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tagesanzeiger.ch 30.12.2019
Schweiz liess KZ-Opfer im Stich
Der junge Heizungsmonteur Albert Mülli reiste 1938 unter Lebensgefahr ins von den Nazis besetzte Wien. Er landete im KZ Dachau.
Res Strehle
Wie muss sich Albert Mülli gefühlt haben, als er am 20. November des
Jahres 1938 mit einem verschlossenen Koffer am Zürcher Hauptbahnhof den
Zug nach Wien bestieg? Der 22-jährige Sanitär- und Heizungsmonteur
wusste, dass er sich auf eine gefährliche Reise begab.
Die Nazis hatten Österreich acht Monate zuvor besetzt. Dass sie mit
aller Brutalität gegen Juden und den politischen Gegner vorgehen würden,
hatten spätestens die Pogrome zehn Tage zuvor gezeigt: 800 Morde an
Jüdinnen und Juden, Zerstörung ihrer Wohnungen, Geschäfte, Gebetshäuser
und Synagogen. In Zürich mussten die Sozialdemokraten ihre
Veranstaltungen seit Monaten vor gewaltbereiten Faschisten schützen, der
arbeitslose Heizungsmonteur war im Saalschutz eingeteilt.
Vielleicht war es auch eine Portion Abenteuerlust, die Mülli die Gefahr
vergessen liess, vermutet Balz Spörri, Co-Autor des Buches «Schweizer
KZ-Häftlinge. Vergessene Opfer des Dritten Reichs». Zwei Wochen zuvor
war ein SP-Genosse mit einem verschlossenen Koffer nach Prag gereist,
und alles war gut gegangen.
Spörri hat zusammen mit den beiden Journalistenkollegen René Staubli und
Benno Tuchschmid in vierjähriger Arbeit die Geschichte der rund
vierhundert Schweizer KZ-Opfer aufgearbeitet: Juden, Linke,
Randständige, einige auch nur Zufallsopfer, die in eine Polizeikontrolle
geraten waren. Ihren individuellen Schicksalen konnte die
Bergier-Kommission nicht nachgehen, als sie um die Jahrtausendwende im
Auftrag des Bundes die Schweizer Politik gegenüber den Nazis
aufarbeitete.
In Wien verhaftet
Mülli vermutete, dass er im verschlossenen Koffer gefälschte
Ausweispapiere mit sich führte, die Juden und anderen politisch
Verfolgten die Flucht aus Österreich in ein sicheres Drittland
ermöglicht hätten. Genaueres wusste er nicht. Er hatte seit September
ein paarmal einen Mittelsmann namens «Alfred» in einem Zürcher Café
getroffen. «Alfred» hatte ihm beim letzten Treffen den verschlossenen
Koffer übergeben, dazu 70 Franken für die Bahnreise.
An der Grenze wurde Mülli nicht kontrolliert und kam am Nachmittag des
Folgetages in Wien an. Den Koffer sollte er in der Gepäckablage im
Wiener Westbahnhof deponieren, den Ablageschein einem Schuhmacher nahe
der Karlskirche überbringen. Als vereinbarte Losung sollte er den
Schuhmacher fragen: «Sind die braunen Schuhe fertig?» Was er nicht
ahnte: Dieser Schuhmacher stand im Verdacht, die Kommunisten zu
unterstützen, sein Laden wurde von der Gestapo überwacht. Als Mülli
eintrat, wurde er von drei Männern umringt und verhaftet, der
Gepäckablageschein wurde ihm abgenommen.
Laut der 1940 verfassten Anklageschrift des Wiener Generalstaatsanwalts
hat Albert Mülli in den doppelten Kofferwänden politische Flugblätter
transportiert, überschrieben: «Der Kampf um die Befreiung Österreichs».
Die in den Untergrund verdrängte Kommunistische Partei Österreichs rief
darin zum Widerstand gegen die Naziherrschaft auf. Dabei lagen fünf
Exemplare der «Basler Rundschau» sowie ein Begleitbrief an einen
österreichischen Kommunisten. Mülli selber war zeitlebens
Sozialdemokrat, aber im Widerstand gegen die Faschisten mit den
Kommunisten einig.
Seinen Eltern hatte der arbeitslose Heizungsmonteur gesagt, er müsse
kurz nach Basel, um ein paar Apparate zu holen, und werde spätestens in
ein paar Tagen zurück sein. Daraus wurden schliesslich sechseinhalb
Jahre Abwesenheit und die quälende Ungewissheit der Eltern, ob ihr Sohn
überhaupt wieder zurückkehren würde. Albert Mülli wurde erst von einem
Wiener Strafgericht wegen Hochverrats zu drei Jahren Gefängnis
verurteilt. Nach dem Verbüssen der Strafe verhängte das Gericht
Schutzhaft über den Zürcher, er wurde ins KZ Dachau bei München
überführt.
Was der Häftling mit der Nummer 29331 dort erlebt hat, lässt sich
inzwischen in den Geschichtsbüchern nachlesen: Hunger, Kälte,
Misshandlung durch sadistische Wachen, entkräftete Mithäftlinge, die an
Typhus und anderen schweren Krankheiten litten, und der jederzeit
drohende Abtransport in ein Vernichtungslager. Mülli sah Gaskammern, auf
den ersten Blick ähnlich wie ein Brausebad, aber ohne Wasseranschluss.
Er hörte die Schreie von Mitgefangenen, die für «wissenschaftliche
Versuche» in siedendes Wasser geworfen wurden.
Dass der junge Zürcher die sechseinhalb Jahre überlebt hat, war in
erster Linie dem Umstand zu verdanken, dass er als gelernter Sanitär für
die Nazis von grossem Nutzen war. So wurde Mülli zeitweilig in
Aussenstationen von Dachau eingesetzt, erst in der Putzkolonne eines
SS-Kommandanten, dann beim Umbau von Häusern des SS-Vereins «Lebensborn»
(dessen Zweck es war, die Zahl «arischer» Geburten zu erhöhen). Er war
in privaten Villen von SS-Führern tätig und schliesslich beim Umbau
zweier Hotels in Garmisch-Partenkirchen. Dort wurde er im April 1945 von
US-Truppen befreit.
Kurz vor Kriegsende kam Albert Mülli frei. Dies war aber nicht das
Verdienst der Schweiz. Sie tat für ihren oppositionellen Landsmann nur
das Nötigste, wenn überhaupt. Als er vor dem Gericht in Wien stand,
besorgte sie ihm zwar einen Anwalt: Dieser «Strafverteidiger» war
allerdings NSDAP-Mitglied und SS-Hauptsturmführer. Das Auswärtige Amt in
Bern interessierte sich mehr für die Originalfassung des überbrachten
Briefes als für Müllis Schicksal. Der Nachrichtendienst hoffte, damit
den Kommunisten in der Schweiz auf die Spur zu kommen. Und als die Nazis
Mülli gegen einen in der Schweiz inhaftierten Deutschen austauschen
wollten, antwortete das Auswärtige Amt mit einer unverbindlichen
diplomatischen Note.
Man wollte den linken Sanitärmonteur offenkundig nicht zurückhaben. Als
er schliesslich doch zurück war, schickte man ihm eine Rechnung für die
verpasste Militärpflicht während seiner Zeit in der Haft und im KZ und
fichierte ihn noch bis 1989 weiter auf insgesamt 83 Seiten. Noch 1961,
als Mülli an einem Treffen ehemaliger KZ-Häftlinge in der Schweiz
teilnehmen wollte, wurde sein Telefon von der politischen Polizei
abgehört.
Von Albträumen geplagt
Mülli führte später ein ruhiges Leben, gründete eine Familie und hatte
drei Töchter. Er wurde nach längerer Arbeitssuche von einer jüdischen
Sanitär- und Heizungsfirma eingestellt, war danach unter anderem auch
als VBZ-Kondukteur und Abwart im Schulhaus Letten tätig. Wer im Zürich
der 60er-Jahre Tram fuhr, wäre nicht auf die Idee gekommen, dass da
einer in Uniform die Billette knipste, der Uniformen zwei Jahrzehnte
zuvor ganz anders erlebt hatte. Der langjährige Zürcher SP-Präsident und
«P.S.»-Redaktor Koni Loepfe, der mit Mülli 20 Jahre im selben Block an
der Sihlfeldstrasse gewohnt hat, sagte den Buchautoren: «Er hatte sich
mit dem Leben arrangiert.»
Erst im Alter kehrte der Schrecken zurück. Mitte der Neunzigerjahre von
Demenz betroffen, wurde Albert Mülli laut seinen Töchtern im Pflegeheim
Entlisberg von schweren Albträumen geplagt. Während Besuchen soll er
Häftlings- und Blocknummern heruntergerattert haben. 1997 erlöste ihn
der Tod.
(https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/geschichte/von-der-schweiz-im-stich-gelassen/story/27896942)
—
Die Schweizer KZ-Opfer ehren
Es gilt, ein historisches Versäumnis nachzuholen – auch wenn es unangenehme Erinnerungen weckt.
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/die-schweizer-kzopfer-ehren/story/31377757
++++KNAST 2
bernerzeitung.ch 30.12.2019
Er geht freiwillig ins Gefängnis
Alle drei Wochen reist Ueli Beer von Bern in die Justizvollzugsanstalt
St. Johannsen, wo er einen Insassen besucht. Sein Delikt billigt Beer
nicht. Aber er versucht, den Menschen dahinter zu sehen.
von Jessica King
Der Regen tropft von seinem Schirm, als Ueli Beer durch das Tor der
Justizvollzugsanstalt St. Johannsen tritt. Er weiss genau, wo er
hinmuss: rechts abbiegen, durch den Innenhof, zum beigen Gebäude mit dem
runden Eingang. Hier wartet Samuel K.* im Trockenen, grauer Pulli,
graue Haare. «Hoi», sagt Beer, schüttelt ihm kräftig die Hand. Samuel K.
lächelt.
Die zwei könnten alte Freunde sein. Sind sie aber nicht. Sie kennen sich
erst seit April. Ueli Beer ist einer von 159 freiwilligen
Mitarbeitenden, die im ganzen Kanton Bern Gefängnisinsassen besuchen.
Eineinhalb Stunden lang treffen sie sich jeweils, ungefähr einmal alle
drei Wochen.
Seit 2015 hat Beer vier Männer begleitet, einen über vier Jahre lang,
einen anderen nur ein paar Monate. Der Mann habe damals keinen Besuch
mehr von ihm gewünscht, weil die politischen Ansichten zu verschieden
waren, sagt Beer. «Ich war ihm zu links.»
Nichts mehr zu sagen
Meistens dauern solche Beziehungen laut Fachstelle Freie Mitarbeit im
Amt für Justizvollzug zwei bis drei Jahre. Die Gründe, warum sie enden,
sind vielfältig: Der oder die Eingewiesene wird entlassen und das Mandat
endet offiziell. Die eingewiesene Person wird in einen anderen Kanton
verlegt oder ausgeschafft. Oder, wie bei anderen Beziehungen auch, hat
man sich irgendwann einfach nicht mehr so viel zu sagen.
Als Ueli Beer Samuel K. zum ersten Mal besucht, denkt er: sympathischer
Mann. Kommunikativ. Sehr interessiert. Samuel K. denkt: Was hält er wohl
von mir? Ursprünglich hatte er sich für die Begleitung durch einen
Freiwilligen angemeldet, weil er sich sorgte, den Draht zur Aussenwelt
verloren zu haben.
Seit über neun Jahren sitzt er im Gefängnis, zuerst im geschlossenen
Vollzug, jetzt im offenen Setting. «Mich überkam ein mulmiges Gefühl
beim Gedanken, nach meiner Entlassung Leute draussen kennen zu lernen»,
sagt er. «Mit den Besuchen wollte ich üben, über meinen Schatten zu
springen.» Mittlerweile habe er diese sozialen Sorgen abgebaut. «Aber
Ueli Beer gebe ich nicht mehr her.»
Beer lächelt, als er das hört. Die zwei sitzen im Besucherzimmer, kahle
Wände, alte Tische. Im Hintergrund thront ein Metalldetektor. Beim
Empfang musste Beer zuvor sein Weihnachtsgeschenk zur Kontrolle abgeben.
Schokolade, in goldenem Papier eingepackt. Zwei Mal im Jahr sind
Geschenke bis zu 30 Franken erlaubt: am Geburtstag und an Weihnachten.
Immer die gleichen Themen
Ueli Beer weiss vom Delikt, das Samuel K. begangen hat. Vor dem ersten
Kennenlernen, dem sogenannten Chemie-Besuch, wurde er von der Fachstelle
darüber informiert. Beer sieht kein Delikt als Ausschlussgrund, andere
Freiwillige machen zur Bedingung, niemanden zu besuchen, der einen Mord
begangen hat, Drogendealer war oder wegen Pädophilie verurteilt ist.
Über die Beziehung zum anderen gefragt, überlegen beide ein paar
Sekunden, bevor sie unabhängig voneinander fast das Gleiche sagen. «Ich
billige das Delikt nicht. Aber ich sehe den Menschen dahinter», sagt
Beer. «In St. Johannsen werde ich primär als Insasse definiert und
wahrgenommen.
Bei den Besuchen fühle ich mich als Person», sagt Samuel K.. Im
Gefängnisalltag drehe sich für ihn alles um den Vollzug. Egal ob mit
seinem Anwalt oder mit befreundeten Insassen, irgendwann lande man im
Gespräch immer wieder bei den gleichen Themen: «kleine Verwahrung»,
Artikel 59, bedingte Entlassungen, Progressionsstufen im Vollzug.
Kürbisgratin gekocht
Ganz anders die Gespräche mit Ueli Beer. Über sein Delikt haben sie noch
nie geredet. Sie plaudern stattdessen über den Alltag, über die Arbeit
von Keller, über gutes Essen, über Ferien von Beer, manchmal lachen sie
auch. Einmal erzählte Beer, der seit 20 Jahren in einem Kochclub ist,
von einem besonders schmackhaften Gericht: Kürbisgratin mit Ziegenkäse.
Samuel K. war neugierig, Beer schickte ihm das Rezept per Brief. Zehn
Tage später erhielt er ein Foto zurück: Samuel K. mit einem noch
dampfenden Kürbisgratin, gekocht für sich und andere Insassen. «Beer
bringt mir ein Stück Normalität in den Vollzug», sagt er. «Dafür bin ich
sehr dankbar.»
Die beiden siezen sich, die Herzlichkeit in den Stimmen ist aber
offensichtlich. Was ist ihre Beziehung genau? Ist es Freundschaft? Den
beiden ist die Frage sichtlich unangenehm, Samuel K. zuckt die
Schultern.
«Eigentlich ist es egal, wie man das definiert», sagt er. «Ob jetzt
institutionalisierte Beziehung oder Freundschaft: Er ist ein wichtiger
Teil von meinem sozialen Netz.» Zum Geburtstagsfest, das er in ein paar
Monaten im Ausgang bei seiner Familie feiern darf, ist Ueli Beer
eingeladen.
Nähe und Distanz
Die Gefängnisbesuche sind nicht die einzige Freiwilligenarbeit, die Beer
leistet. Er arbeitet auch als Klassenassistent für Pro Senectute. Nach
seiner Pensionierung wollte sich Ueli Beer nicht ausruhen, sondern etwas
der Gesellschaft zurückgeben.
Ihn reizte dabei, einen Einblick in die verborgene Welt des
Justizvollzugs zu erhalten – ein Thema, das ihm gänzlich unbekannt war.
Die Ausbildung durch die Fachstelle dauerte sechs Monate und bestand aus
zwölf Modulen. Darunter, ganz wichtig: Nähe und Distanz.
Vorwürfe von anderen
Auf die Arbeit mit den Kindern erhält er viel positives Feedback. Auf
die Arbeit im Gefängnis? Weniger. Die Fragen sind oft dieselben: «Wie
kannst du nur?» «Jetzt erhalten Häftlinge auch noch Besuch?» «Was ist
das für eine Kuscheljustiz?» Beer versucht jeweils, diese Sichtweise
sanft zu korrigieren, denn er hat schon zu viele Geschichten von
Insassen gehört, die vom Gegenteil zeugen.
Er zählt Beispiele aus dem Gefängnisalltag auf, spricht von den langen
Tagen alleine in der Zelle, ohne Handy, ohne Internet, ohne Kontakt zur
Aussenwelt, von durchgetakteten Tagen und strengen Regeln.
«Die Männer hier haben alle etwas auf dem Kerbholz», sagt Beer. «Aber
nach der Verbüssung ihrer Strafe müssen sie sich in der Freiheit wieder
zurechtfinden. Zu dieser Reintegration kann ich vielleicht ein wenig
beitragen.»
Im kühlen Besuchszimmer diskutieren die beiden nun über den ersten
begleiteten Ausgang, den Samuel K. haben wird. In einem kleinen Rayon
darf er mit Ueli Beer die Gegend erkunden. «Wir könnten auf einen Hoger
laufen», schlägt Beer vor. «Vielleicht das Stedtli anschauen?», erwidert
Samuel K.. Auf jeden Fall, sind sie sich einig, essen sie was Gutes.
*Name geändert
(https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/er-geht-freiwillig-ins-gefaengnis/story/27737388)