Medienspiegel 11. November 2019

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++LUZERN
Luzerner Kirche erteilt einer Mutter mit Kind Kirchenasyl – jetzt wurden sie von der Polizei abgeholt
Seit einem Jahr beherbergt die Luzerner Pfarrei St. Leodegar eine Mutter und ihr Kind, die illegal in der Schweiz sind. Am Montag wurde das Kirchenasyl von der Polizei beendet – unter Protest der Kirchenvertreter.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/luzerner-kirche-erteilt-einer-mutter-mit-kind-kirchenasyl-jetzt-wurden-sie-von-der-polizei-abgeholt-ld.1167576
-> https://www.zentralplus.ch/luzerner-kirche-protestiert-mit-mahnwache-gegen-ausschaffung-von-traumatisiertem-kind-1652909/
-> https://www.watson.ch/schweiz/luzern/437089518-luzern-polizei-holen-mutter-mit-kind-ab-trotz-kirchenasyl


+++ST. GALLEN
«Stadt-für-alle»-Aktion vor der Fachhochschule St. Gallen
Am 3. Oktober fand auf dem Vorplatz der Fachhochschule hinter dem Bahnhof St. Gallen eine unangekündigte Aktion statt mit dem Ziel, die Studierenden für die Thematik der «Urban Citizenship» (Stadtbürgerinnenschaft) zu sensibilisieren. Eine Ostwind-Initiative in Anlehnung an die Urban Citizenship-Debatte in anderen Städten der Schweiz.
https://institutneueschweiz.ch/De/Blog/227/StadtfralleAktion_St_Gallen_


+++SCHWEIZ
Asyl: «Die Isolation ist für Frauen doppelt so schlimm»
Erstmals haben Bund und Kantone das Asylverfahren aus frauenspezifischer Perspektive untersucht. Bloss, die betroffenen Frauen wurden dabei gar nicht befragt. Und die angestrebten Massnahmen greifen viel zu kurz.
https://www.woz.ch/1945/asyl/die-isolation-ist-fuer-frauen-doppelt-so-schlimm


Integrationsvorlehre bewährt sich
610 Personen starteten letztes Jahr das Pilotprogramm Integrationsvorlehre. Ein erstes Fazit zeigt nun: Drei Viertel von ihnen haben inzwischen eine feste Lehrstelle gefunden.
https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=e82f604a-c2d7-4b5c-9763-54d9309e8b8b&startTime=506.701


+++DEUTSCHLAND
Die EKD und die Frage nach der Seerettung
Der EKD-Vorsitzende Bedford-Strohm hat seine Kirche in der Frage der Seenotrettung angetrieben. Auf der Synode in Dresden wird auch darüber diskutiert ein Schiff zu ersteigern, was nicht ohne Widerspruch bleibt.
https://www.faz.net/aktuell/politik/die-ekd-und-die-frage-nach-der-seerettung-16478583.html


+++GRIECHENLAND
Griechenland  – „Ich will hier nicht sterben“
Das Lager Moria auf Lesbos treibt Menschen in die Depression. Mit steigenden Flüchtlingszahlen ist zu rechnen
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/ich-will-hier-nicht-sterben


+++MITTELMEER
Libysche Küstenwache erfüllt Standards laut Merkel nicht immer
Bei einem Staatsbesuch in Rom zweifelte Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Effektivität der libyschen Küstenwache.
https://www.nau.ch/news/europa/libysche-kustenwache-erfullt-standards-laut-merkel-nicht-immer-65612092


Schüsse auf Seenotretter: EU unterstützt konkurrierende Milizen in Libyen
Deutsche Staatsanwaltschaft ermittelt zu Schüssen auf das Schiff Alan Kurdi. Dessen Besatzung könnte zwischen die Fronten zweier Küstenwachen geraten sein, die von unterschiedlichen EU-Missionen ausgerüstet und ausgebildet werden
https://www.heise.de/tp/features/Schuesse-auf-Seenotretter-EU-unterstuetzt-konkurrierende-Milizen-in-Libyen-4583634.html


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Farbanschlag auf EVP-Sekretariat wegen «Marsch fürs Läbe»: Ein Linksaktivist und seine Schuppenflechte
Ein 30-jähriger Schweizer ist wegen eines Steinwurfs gegen das EVP-Parteisekretariat angeklagt. Auf dem Stein wurde seine DNA gefunden. Sein Verteidiger macht geltend, der Mann habe den Stein nicht geworfen, nur seine Schuppenflechte sei auf den Stein gelangt.
https://www.nzz.ch/zuerich/bezirksgericht-zuerich-schuppenflechte-eines-linksaktivisten-ld.1520988


+++ANTITERRORSTAAT
Grosse Anti-Terror-Übung des Bundesrats
Die Schweizer Behörden führen zum zweiten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges eine grosse Sicherheitsverbundsübung durch. «10vor10» begleitet den Projektleiter einen Tag lang und fragt ihn nach Sinn und Zweck der Übung.
https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=d5e76b72-486b-4817-bc1e-87cca4440f6b&startTime=650.005


Gefahr durch Terrorismus: Selbst im Ländle probt man den Ernstfall
Heute Morgen startete die sogenannte Sicherheitsverbundsübung 19. Das Szenario: Eine Terrorbedrohung. Alle 26 Kantone beteiligen sich – und auch Liechtenstein.
https://www.nau.ch/news/videos/gefahr-durch-terrorismus-selbst-im-landle-probt-man-den-ernstfall-65610640


Menschen- und Kinderrechte bei der Terrorbekämpfung schützen
Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz kritisiert den Entscheid der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats bezüglich der Gesetzesvorlage zur Terrorbekämpfung vehement. Die Kommission verschärft laut Medienmitteilung die höchst problematischen Gesetzesentwürfe des Bundesrats sogar noch. Die Vorlagen enthalten verschiedene Vorschläge, die im Widerspruch zu den in der Schweiz verankerten Grund- und Menschenrechten stehen.
https://www.humanrights.ch/de/ueber-uns/impressum/eigenes/menschenrechte-kinderrechte-terrorbekaempfung-schuetzen


+++RECHTSEXTREMISMUS
SVP distanziert sich – Nach Pfefferspray-Angriff in Schwyz: SVP-Mitglied verlässt Partei
Ein SVP-Mitglied, das im April einen Teilnehmer einer Antirassismus-Demo in Schwyz angegriffen hat, zieht Konsequenzen.
https://www.srf.ch/news/regional/zentralschweiz/svp-distanziert-sich-nach-pfefferspray-angriff-in-schwyz-svp-mitglied-verlaesst-partei
-> https://www.20min.ch/schweiz/zentralschweiz/story/Schwyzer-SVP-Mitglied-zieht-Konsequenzen-11663159


SVP wehrt sich gegen Nazi- Vorwürfe um KKK-Demo
Nach den Anschuldigungen über mögliche Verbindungen zur Gruppe Combat 18 wehrt sich die SVP Schwyz gegen Nazi-Vorwürfe. Man will den Fall untersuchen.
https://www.nau.ch/news/schweiz/svp-wehrt-sich-gegen-nazi-vorwurfe-um-kkk-demo-65611637


+++FUNDIS
EDU und Junge SVP wollen Homosexuelle nicht schützen
Die erweiterte Anti-Rassismus-Strafnorm soll Homosexuelle vor Hass schützen. Unnötig, finden die Gegner und machen Stimmung für Abstimmung am 9. Februar.
https://www.derbund.ch/schweiz/standard/edu-und-junge-svp-wollen-homosexuelle-nicht-schuetzen/story/25313456
-> https://www.nzz.ch/schweiz/diskriminierung-gegner-befuerchten-zensur-wegen-schutz-von-homo-und-bisexuellen-ld.1521162
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/abstimmungskampf-anti-rassismus-strafnorm-homosexuelle-gegen-zensur-65611690
-> https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/gegner-befuerchten-zensur-wegen-schutz-von-homo-und-bisexuellen-00123324/
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/gegner-befuerchten-zensur-wegen-schutz-von-homo-und-bisexuellen-135955055
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/keine-sonderrechte-fuer-schwule-gegner-der-erweiterten-anti-rassismus-strafnorm-fuerchten-zensur
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=a19ce6cf-9bd1-4d7b-8578-324d1162d5bc
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=e82f604a-c2d7-4b5c-9763-54d9309e8b8b&startTime=1259.909
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/abstimmungskampf-um-diskriminierungsgesetz-lanciert-135957381
-> https://www.telem1.ch/aktuell/referendum-gegen-diskriminierungsgesetz-135956723
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/neues-antidiskriminierungsgesetz-wir-wollen-keinen-sonderstatus-135957081
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/homophober-angriff-auf-glp-politiker-michel-rudin-135957078
-> https://www.tele1.ch/artikel/157736/anti-rassismus-strafnorm-schutz-oder-zensur


Hass und Hetze sind keine Meinung
An der heutigen Medienkonferenz präsentierte das gegnerische Referendumskomitee seine Argumente. Hass, Hetze und Diskriminierung sollen weiterhin nicht strafbar sein. Die schwullesbischen Organisationen der Schweiz hingegen stehen – zusammen mit ihren tausenden Mitgliedern – geschlossen hinter dem notwendigen Schutz vor Hass und Diskriminierung.
https://stinknormal.blog/2019/11/11/hass-und-hetze-sind-keine-meinung/


+++HISTORY
WIE SICH DIE SCHWEIZ IHRE AFRIKANISCHEN KOLONIEN ERFAND
Die Schweiz, ein Land ohne Kolonialgeschichte? Falsch, sagt Regisseur Mischa Hedinger – und zeigt dies in seinem Film «African Mirror» über den Berner Filmemacher René Gardi.
(Regula Fuchs, derbund.ch 11.11.2019)

Denkt die Generation der Babyboomer an Afrika, tauchen die Filme von René Gardi auf, der die Einheimischen als freiheitsliebende Wilde zeigte. Was faszinierte die Schweiz über Generationen an diesem Bild?

Die Schweiz in den 1950er-Jahren muss man sich als sehr konservativ vorstellen. Die Leute sind kaum gereist. Als Gardi 1952 zum ersten Mal ins nördliche Kamerun kam, beschrieb er die Region als eine Art Traumland, und damit verführte er sein Publikum zum Träumen. Afrika war für ihn ein Paradies fern der Zwänge der modernen Schweiz.

Kamerun war damals aber kein Arkadien, sondern ein kolonial geprägtes Land. Französische Beamte trieben bei Gardis «Brüdern im Busch» Steuern ein. Wie passte das ins Bild?

Gardi war ja eine Figur voller Widersprüche. Er stellte das koloniale Projekt nie infrage, denn er war auf dessen Infrastruktur angewiesen. Sie ermöglichte es ihm erst, seine Arbeit zu machen. Dennoch kritisierte er die Franzosen auch – etwa dafür, dass sie in der Wildnis in Betten übernachteten und sich Ragouts kochen liessen. Diese Art von Kritik scheint mir aber sehr schweizerisch, sehr vorsichtig. Bewusst politisch exponierte sich Gardi überhaupt nicht, auch nicht in seinen Filmen. Das Afrika, das er schildert, ist ein imaginärer Ort, der mit der afrikanischen Realität wenig zu tun hatte.

In Ihrem Film «African Mirror» zitieren Sie eine Briefstelle: «Manchmal wünschte ich, wir Schweizer hätten auch irgendeine Kolonie in den Tropen», schrieb Gardi. Woher kommt dieser Wunsch?

Für mich war es wichtig, in meinem Film Verbindungen zu ziehen zwischen der Schweiz und dem Kolonialismus. Bis vor kurzem war es Common Sense, dass die Schweiz keinerlei Verstrickung damit gehabt habe. Erst seit ein paar Jahren wird das infrage gestellt und wissenschaftlich untersucht. Gardis Satz drückt einerseits die Sehnsucht der kleinen Schweiz nach Grösse aus. Andererseits war das Bild, das er von Afrika schuf, selber eine Art Kolonie für die Schweiz: ein imaginäres Land, das den Schweizern gehörte.

Darum betonte er die Ähnlichkeiten zwischen dem Volk der Mafa in Kamerun und den hiesigen Berglern.

Genau, aber auch hier gibt es Widersprüche. Einerseits soll das imaginäre Land so sein wie die Schweiz, unabhängig und ursprünglich, andererseits steckt in diesem Traumland auch eine Kritik an der Heimat, weil es ein Gegenentwurf ist zur modernen industrialisierten Schweiz. Die Vorstellung, dass das Leben woanders besser oder freier ist, ist bis heute nicht totzukriegen. Die Frage ist nur: Was wird alles ausgeblendet, wenn man eine solche Idee verbreitet und bewirtschaftet, wie Gardi es tat?

Wusste Gardis Publikum, dass er sein Bild des ursprünglichen Afrika frisierte – indem er den Einheimischen auch mal ein «Nötli» zusteckte, um in Ruhe drehen zu können?

Er machte kein Geheimnis darum. In der «Schweizer Illustrierten» beschrieb er, wie er Szenen für seinen «Mandara»-Film inszenierte. Es gibt auch Fotos, die zeigen, dass man das Dach einer Hütte entfernt hatte, um von oben hineinfilmen zu können. Es gibt diesen kolonialen Topos, dass die Weissen das Gefühl haben, sie würden ein Land so gut kennen, dass sie besser wissen als die Einheimischen, was gut für sie ist. Das traf auch auf Gardi zu, und darum nahm er sich das Recht heraus, sein Afrika so zu gestalten, wie er es für richtig hielt. Man muss aber auch sagen, dass der Wahrheitsbegriff damals ein anderer war. «Mandara» gewann an einem ethnografischen Filmfestival in Florenz den Hauptpreis. In der Jury sass der französische Philosoph Roland Barthes, und der Film wurde als absolut wahrhaftig bezeichnet.

Gardi selber schien seine Rolle nicht gross zu reflektieren.

Richtig, er sieht sich nicht als Akteur. Selbstreflexion interessierte ihn nicht, er wollte dokumentieren, was er sah, und das der Schweiz vermitteln. Er hat ja Wissen im grossen Stil produziert; er bespielte ein riesiges Publikum, und zwar multimedial, im Fernsehen, im Radio, in Büchern, in Diavorträgen. Für mich war es auch reizvoll, über die Rolle der Medien beim Etablieren dieses Blicks auf Afrika nachzudenken. Als Filmemacher interessiert mich das besonders, das ist schliesslich auch mein Geschäft.

Wie sind Sie eigentlich auf Gardi gekommen?

Zum einen besassen meine Eltern Bücher von ihm. Zum anderen war ich als Filmemacher selber in verschiedenen westafrikanischen Ländern und verspürte dort stets ein gewisses Unbehagen, als ich merkte, dass ich als filmender Weisser in Afrika in einer Tradition stehe. Als 2012 das Buch «Postkoloniale Schweiz» herauskam, in dem der koloniale Blick auf Afrika thematisiert wurde, gab es eine theoretische Grundlage für dieses Gefühl. Im Buch war auch das umfangreiche Archiv von René Gardi beschrieben – die Filmrollen, Tagebücher, Artikel, Tonbänder, Fernsehsendungen. Da ahnte ich, dass in diesen Unmengen von Material ein Film steckt.

Sie konnten dieses Archiv erwerben. Wie kam es dazu?

Das Archiv war im Privatbesitz von René Gardis Sohn. Keine Institution war bereit, es zu kaufen, da der Aufwand, einen solch grossen Nachlass zu inventarisieren, immens ist. Wir als Filmteam haben es dann selbst erworben und es dem Staatsarchiv des Kantons Bern weitergegeben, das sich nun darum kümmert.

Ihr Film ist komplett aus diesem Archivmaterial zusammengesetzt, aus Gardis Bildern, Sendungen oder Texten aus den Tagebüchern. Einen einordnenden Kommentar gibt es nicht. Warum diese Form?

Mein Fokus liegt ja nicht auf Gardis Biografie, sondern ich möchte jene Ideen und Gedanken hervorholen, die hinter seinen Bildern stecken, und dafür nehme ich sein Werk auseinander und setze es neu zusammen. So entsteht ein Reflexionsraum, in dem der Zuschauer selber eine Position finden muss. Dabei ist die Montage meine Form des Kommentars: Ich mache Aussagen durch Kontraste, durch das Fokussieren auf Widersprüche oder durch Text-Bild-Verschiebungen. Mir war es wichtig, mich nicht per se von der Figur Gardis zu distanzieren, sondern zu fragen, inwieweit ich selber dieser kolonialen Denkweise verhaftet bin. Auch das Publikum soll sich diese Frage stellen. Allerdings ohne dass das in einem Kommentar explizit benannt würde.

Tatsächlich gab es nach der Uraufführung von «African Mirror» an der Berlinale Stimmen, die kritisierten, Sie würden das Afrika-Bild Gardis einfach reproduzieren.

Die Frage nach der Reproduktion ist komplex: Natürlich zeige ich Rassismus, doch der Kontext ist ein anderer. Aber ich bin mir bewusst, dass es bei dieser Art von Film umso wichtiger ist, dass er von Gesprächen und Diskussionen begleitet wird. Auch haben wir ein Büchlein mit weiterführenden Texten produziert, das in den Kinos aufliegt.

So, wie Gardi sich ein Bild von Afrika machte, machen Sie sich nun ein Bild von Gardi. Werden Sie ihm gerecht?

Natürlich ist meine Sicht total subjektiv. Aus dem Archivmaterial hätte sich auch ein ganz anderer Film machen lassen.

Bisher unbekannt war, dass Gardi 1944 wegen «unsittlicher Handlungen mit Kindern» verurteilt worden war. Wie schwer taten Sie sich damit, diesen Aspekt in den Film zu integrieren?

Während der Recherche merkte ich, dass es Gerüchte über Gardi gab, aber alles war sehr diffus. Darum forschte ich nach und stiess auf Polizeiakten, die bestätigten, dass er wegen Missbrauchs verurteilt worden war. Das hat mich vor Probleme gestellt, weil das ja eigentlich nicht mein Thema ist. Aber ich sah auch Zusammenhänge mit Gardis Afrika-Bild. Wir haben sehr gerungen, aber letztlich entschieden, das im Film nicht zu verschweigen. Erstaunlich ist ja auch, dass diese Verurteilung damals und später nie ein öffentliches Thema war.

Beinahe tragisch an Gardis Geschichte ist, dass sein afrikanisches Paradies nicht zuletzt durch seine eigenen Reiseberichte zur Touristendestination wurde und damit entzaubert war. Hat er damit gehadert?

Ja. Seine schönste Zeit erlebte Gardi in den 1950er-Jahren. Er reiste aber bis 1992 nach Afrika, auf der Suche nach diesem Gefühl der Anfänge. Vieles hatte sich verändert, und er war frustriert darüber, dass sein Afrika nicht mehr so war, wie er es einst erlebt hatte. Zudem hatte er das Bildmonopol verloren; die Macht über die Bilder gehörte nicht mehr ihm allein.



Was hinter den Bildern steckt: «African Mirror»

Es ist raffiniert, wie Mischa Hedinger in «African Mirror» die Bilder zum Sprechen bringt. Und zwar jene von René Gardi (1909–2000), dem Berner Reiseschriftsteller, Fotografen und Filmer. Zunächst Lehrer, bereiste Gardi ab 1945 Skandinavien, die Sahara und Kamerun – und brachte der Schweiz das Fernweh bei. Hedinger (Jg. 1984) macht deutlich, dass Gardis Afrika-Bild voller Widersprüche war. So schwärmte er von der Ursprünglichkeit der Afrikaner; an einen Tisch gesetzt hätte er sich mit ihnen nicht. Für seinen ersten Langfilm gewann Hedinger einen Berner Filmpreis (Verleihung: 19.11., 19.30 Uhr, Grosse Halle, Reitschule). «African Mirror» lief auch an der letzten Berlinale. (reg)

Premiere: Do, 14.11., Kino Rex (Vorstellungen um 18 und 20.30 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs). Mo, 18.11., 18 Uhr, Vorstellung mit Historiker Christof Dejung. Infos unter: africanmirror.ch
(https://www.derbund.ch/kultur/diverses/mit-der-afrikanischen-realitaet-hatte-das-wenig-zu-tun/story/31986138)