Medienspiegel 4. November 2019

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Regierungsratsantwort auf Interpellation Grüne Wird der Asylsozialhilfekredit für UMA wirklich effizient, gemäss dem Willen der Bürgerinnen und Bürger und zum Wohle der Minderjährigen eingesetzt?
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-02364ad2782243e5b856600f428d0568.html


+++SOLOTHURN
Reorganisation des Asylwesens: Asylkreis wird grossräumiger
Der Asylkreis Biberist-Bucheggberg-Lohn-Ammannsegg wird neu organisiert.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/lebern-bucheggberg-wasseramt/reorganisation-des-asylwesens-asylkreis-wird-grossraeumiger-135922619


+++LUZERN
In ihrer Heimat würde sie verfolgt:  Lesbische Bosnierin darf vorerst in Luzern bleiben
Gewalt gegen Homosexuelle ist in Bosnien fast an der Tagesordnung. Dennoch bezeichnen die Luzerner Behörden den Staat für sie als sicheres Herkunftsland. Das Bundesgericht hat das Amt für Migration nun zurückgepfiffen.
https://www.zentralplus.ch/lesbische-bosnierin-darf-vorerst-in-luzern-bleiben-1647685/


+++ZÜRICH
Sans-Papier-Kolumne: Immer mit dem Koffer auf den Schultern
Geschätzt leben 10’000 Menschen ohne Papiere in Zürich, sogenannte Sans-Papiers. Sie leben hier, sie arbeiten hier, aber sie haben (fast) keine Rechte und keine Stimme. Licett Valverde, die als Sans-Papier in die Schweiz kam, schreibt einmal im Monat auf Tsüri.ch über ihre Erlebnisse.
https://tsri.ch/zh/sans-papier-kolumne-mit-dem-koffer-auf-den-schultern/


+++SCHWEIZ
WoZ 31.10.2019

Asyl: Unter ständiger Kontrolle

Die Kritik am revidierten Bundesasylgesetz verstummt nicht: Betroffene beschreiben das neue System als «unmenschlich» und zeichnen ein Bild von Isolation und Überwachung.

Von Lorenz Naegeli (Text) und Florian Bachmann (Foto)

«Die ersten Erfahrungen sind durchwegs positiv», bilanziert das Staatssekretariat für Migration (SEM) sieben Monate nach Inkrafttreten des revidierten Bundesasylgesetzes. «Das Wichtigste ist, dass wir es geschafft haben, die Verfahren zu beschleunigen und gleichzeitig der Rechtsstaatlichkeit Genüge tun», schreibt das SEM in einem E-Mail an die WOZ weiter.

Recherchen dieser Zeitung widersprechen dieser Selbstdarstellung jedoch diametral. Im Gespräch mit über einem Dutzend Personen in unterschiedlichen Funktionen entsteht ein Bild des SEM als Alleinherrscher im Asylwesen. Zu kurze Fristen sowie der isolierende Charakter der neuen Zentren werden beklagt. Die Berichte zeugen von einem System im Zeichen der Verwaltungseffizienz.

Leibesvisitationen am Eingang

Seit dem 1. März werden alle Personen, die in der Schweiz ein Asylgesuch stellen, in Bundesasylzentren (BAZ) untergebracht. Insgesamt 5000 Unterbringungsplätze stehen zur Verfügung, und das SEM betreibt gegenwärtig fünfzehn Zentren. Anfang November kommt ein neues auf dem Duttweiler-Areal in Zürich hinzu. Die Zentren sind Orte der Kontrolle: Die Asylsuchenden werden in der Regel bei jedem Eintritt einer Leibesvisitation unterzogen und müssen sich an ein striktes Regime halten. Privatsphäre gibt es kaum, und die medizinische und die psychologische Betreuung seien unzureichend, sagen KritikerInnen. Erhält eine Person einen negativen Asylentscheid, muss sie innert sieben Arbeitstagen eine ausführlich begründete schriftliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einreichen. Im alten Verfahren standen dafür dreissig Arbeitstage zur Verfügung.

Der auf Asyl- und Migrationsrecht spezialisierte Jurist Shahryar Hemmaty begleitete verschiedene Personen im neuen Verfahren und sieht aufgrund der kürzeren Fristen keine «adäquate Chance, fundiert Rekurs zu ergreifen». Hemmaty betreute unter anderem Sahar Khan*, die zwischenzeitlich im Bundesasylzentrum Embrach untergebracht war. In ihrem Herkunftsland arbeitete Khan für internationale Organisationen und engagierte sich in Geschlechterfragen. Weil sie bedroht wurde, musste sie fliehen. Über ein anderes europäisches Land fand sie den Weg in die Schweiz. Als sie dachte, endlich am Ziel zu sein, stand der schlimmste Teil der Reise jedoch erst bevor.

Sie beschreibt die Situation in Embrach als schrecklich und erhebt schwere Anschuldigungen gegen die Leitung des BAZ. Khan fühlte sich als Mensch in einem System der Verwaltung verloren: «Ich wünschte mir, dass jemand von einer NGO die Zustände im Lager gesehen hätte.» Das Bundesasylzentrum sei wie ein Gefängnis, Asylsuchende stünden unter ständiger Kontrolle. Khan sagt, dass ihre gesundheitlichen Probleme nicht ernst genommen worden seien und es fast zwei Monate gedauert habe, bis sie psychologische Unterstützung erhalten habe. Ihre Depressionen hätten sich in dieser Zeit massiv verstärkt. Khan setzte sich zudem als Übersetzerin für die Anliegen anderer Asylsuchenden ein, worauf ihr die Leitung des BAZ mitgeteilt habe, dass sich das negativ auf ihr Verfahren auswirken könnte. Als sie sich wehrte, sei ihr die Verlegung in ein unterirdisches Camp, einen sogenannten Bunker, angedroht worden.

Das SEM schaffte Sahar Khan Anfang September in ein Nachbarland der Schweiz aus, obwohl das gemäss Hemmaty aufgrund ihrer Verfassung rechtlich fragwürdig war. Laut einem psychologischen Gutachten befand sie sich «in einer sehr starken Leidenssituation» und benötigte eine «längerfristige psychotherapeutische Behandlung». Bis heute hat sie von den Behörden an ihrem neuen Aufenthaltsort weder psychologische noch medizinische Hilfe erhalten.

Keine Privatsphäre

Die Geschichte von Sahar Khan deckt sich mit anderen Aussagen von Asylsuchenden, die das raue Klima unter dem neuen System bestätigen. Die Umgebung sei «menschenfeindlich» oder «gefängnisähnlich», Privatsphäre inexistent und die Behandlung durch die Sicherheitskräfte oft willkürlich und erniedrigend. Obwohl genügend Platz vorhanden wäre, müssten mehrere Familien in einem Raum schlafen, pro Zimmer zehn bis fünfzehn Personen. Sich umziehen, ohne dabei von fremden Augen beobachtet zu werden, sei unmöglich, Sexualität sowieso. Wegen der Abgeschiedenheit vieler Zentren und mangelnder Freizeitangebote sind die sogenannten gemeinnützigen Beschäftigungsprogramme oft die einzige Möglichkeit, diesem Alltag zu entkommen. Dabei erledigen Asylsuchende Waldarbeiten oder reinigen öffentliche Anlagen zum Prekaritätslohn: Der Verdienst beträgt fünf Franken pro Stunde und maximal dreissig Franken pro Tag.

Die Arbeiten seien im Interesse der lokalen Gemeinde, der Lohn ein «Anerkennungsbeitrag», rechtfertigt sich das SEM auf Anfrage der WOZ. Die Vorwürfe der Asylsuchenden streitet das SEM kategorisch ab, und es behauptet sogar, «im Zweifel immer zugunsten der Schutzsuchenden zu entscheiden». Auf die einzelnen Fälle und die Kritik geht das SEM nicht weiter ein und sagt lediglich, dass es ein zentrales Anliegen sei, «dass die Asylsuchenden würdevoll untergebracht sind und die Möglichkeit auf Privatsphäre und Bewegungsfreiheit haben».

BAZ-Mitarbeitende und BeobachterInnen erzählen derweil, dass das SEM enormen Druck auf sie ausübe und somit Kritik im Keim ersticke. In den Gesprächen mit verschiedenen AkteurInnen entsteht der Eindruck, dass eine latente Angst vor Konsequenzen herrscht: «Aber meinen Namen lese ich nicht in der Zeitung, oder?», heisst es verschiedentlich. Es scheint, als versuche das SEM krampfhaft, die Zügel in der Hand zu behalten.

Fragen der WOZ zu den im BAZ Embrach gemachten Erfahrungen an die Asylorganisation Zürich (AOZ), die für die Betreuung der Asylsuchenden zuständig ist, beantwortet grösstenteils SEM-Pressesprecher Lukas Rieder. Dem SEM obliege die Informationspflicht zu den Asylverfahren, heisst es rechtfertigend. Eine Anfrage für einen Besuch im Zentrum wird zuerst ohne Nennung von Gründen abgelehnt. Auf Nachfrage bietet Daniel Bach, SEM-Kommunikationschef, einen Besuchstermin nach Redaktionsschluss in seiner Begleitung an – eine Besichtigung nur mit der Zentrumsleitung der AOZ sei nicht möglich.

Über den Umgang mit Kritik schreibt Samuel Häberli, Geschäftsleiter der Rechtshilfeorganisation Freiplatzaktion Zürich: «Bundesasylzentren entgleiten der demokratischen Kontrolle! Während das SEM Einwände gegen das System von aussen ganz punktuell und nach Plan zulässt, unterbindet es grundlegende Kritik. Damit zementiert das SEM seine Macht.»

Freiwillige eingeschüchtert

In der Praxis sieht das folgendermassen aus: Dem Zürcher Solinetz wurde der Zugang zum Bundesasylzentrum in Embrach nach kritischen Äusserungen über die Bundesasylgesetzrevision und ihre Auswirkungen verwehrt. Am 1. März hatte das Solinetz in einem Newsletter über Durchsuchungen der Wohnräume durch die Securitas, Videoüberwachung, Zäune und mangelnde Privatsphäre in den Bundeslagern, in denen das neue Verfahren getestet wurde, berichtet und die getakteten Verfahren sowie den Mangel an Beschäftigungsprogrammen kritisiert. Das SEM hob daraufhin die bereits getroffene Besuchsvereinbarung mit der Zürcher Freiwilligenorganisation auf.

Mittlerweile fänden wieder Verhandlungen statt, sagt Hanna Gerig, Geschäftsführerin des Solinetzes: «Wir hoffen, dass sich durch die Gespräche mit dem SEM die Türen in Embrach doch noch öffnen.» Für das Projekt in Embrach orientierte sich das Solinetz an seinem Besuchskonzept im Ausschaffungsgefängnis am Flughafen, und dennoch bezeichnete das SEM den eingereichten Vorschlag als unspezifisch. Die Türen blieben bis heute zu.

In den einzelnen BAZ herrschen unterschiedliche Standards, dementsprechend unterscheiden sich auch die Erfahrungen an den verschiedenen Standorten. Die Berichte aus Basel, Bern oder Kreuzlingen seien nicht ganz so ernüchternd wie jene aus Embrach oder vom Glaubenberg OW, sagt Laura Tommila von der Plattform Zivilgesellschaft in Asyl-Bundeszentren (ZiAB). Ganz generell spricht aber auch sie davon, dass Freiwillige teilweise eingeschüchtert seien und «bewusst keine Kritik äussern oder auf Missstände hinweisen, weil sie befürchten müssen, dadurch den Zugang zum BAZ und zu den BewohnerInnen zu verlieren.»

* Name geändert.
(https://www.woz.ch/1944/asyl/unter-staendiger-kontrolle)


+++SCHWEIZ
Junge Geflüchtete sollten durch Ausbildung integriert werden
Junge Geflüchtete sollten gemäss einer Studie frühzeitig durch Ausbildung integriert werden. Dies stelle auch für die Gesellschaft einen Gewinn dar.
https://www.nau.ch/news/schweiz/junge-gefluchtete-sollten-durch-ausbildung-integriert-werden-65608292


Die Luft für Asylsuchende aus Eritrea wird zunehmend dünner
«20 Eritreer sollen die Schweiz verlassen» – dies titelten am 3. September 2018 mehrere Schweizer Zeitungen, darunter der Tagesanzeiger, unter Verweis auf eine Medienmitteilung des Staatssekretariats für Migration (SEM). Sie bezogen sich auf ein Pilotprojekt des Staatssekretariats, im Zuge dessen die vorläufige Aufnahme von rund 250 Personen überprüft worden war.
https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-schweiz/inneres/asyl/politik/ueberpruefung-asylsuchende-eritrea


+++DEUTSCHLAND
Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte von Dublin-Geflüchteten
Mit zwei aktuellen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht die Rechte von Geflüchteten in Dublin-Verfahren gestärkt. Es gab den Verfassungsbeschwerden eines Afghanen, der nach Griechenland abgeschoben werden sollte, und eines somalischen Kindes, das die Bundesrepublik gemeinsam mit seiner Mutter nach Italien überstellen will, recht.
https://www.proasyl.de/news/bundesverfassungsgericht-staerkt-rechte-von-dublin-gefluechteten/


+++BALKANROUTE
Rotes Kreuz lanciert Nothilfeaktion für Flüchtlinge in Bosnien
Tausende Flüchtlinge sitzen in Bosnien fest. Der drohende Winter verschlimmert die Situation noch weiter. Das Rote Kreuz lanciert jetzt eine Nothilfeaktion.
https://www.nau.ch/news/europa/rotes-kreuz-lanciert-nothilfeaktion-fur-fluchtlinge-in-bosnien-65608384


+++GRIECHENLAND
Griechenland verschärft sein Asylgesetz und will die Ankunft von Migranten verringern
Die Migrationskrise hat in Griechenland wieder oberste politische Priorität. Jetzt hat die neue Mitte-rechts-Regierung das Asylgesetz verschärft. Aber zur Umsetzung braucht sie europäische Hilfe.
https://www.nzz.ch/international/asylgesetz-griechenland-will-ankunft-von-migranten-verringern-ld.1519777


Griechenland: Anwohner blockieren Migrantenbus
In der nordgriechischen Stadt Giannitsa haben Anwohner Busse mit Migranten blockiert. Der öffentlich-rechtliche griechische Fernsehsenders ERT berichtet, dass etwa 40 Menschen versucht haben, drei Busse mit rund 150 Geflüchteten aufzuhalten, die aus dem überfüllten Lager Moria auf Lesbos in Hotels auf dem Festland verlegt werden sollen.
https://de.euronews.com/2019/11/03/griechenland-anwohner-blockieren-migrantenbus


Griechenland: Polizei befreit 41 Migranten aus Kühllastwagen
Mehr als 40 Migranten, eingepfercht in einen Kühllaster, die ersten litten unter Atemnot: Auf einer griechischen Autobahn hat die Polizei einen Schmuggler-Lkw gestoppt – offenbar gerade noch rechtzeitig.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-polizei-befreit-41-migranten-aus-kuehllastwagen-a-1294823.html
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-11/griechenland-migranten-kuehllastwagen-afghanistan-menschenschmuggel
-> https://www.tagesschau.de/ausland/migranten-lkw-griechenland-101.html



neues-deutschland.de 04.11.2019

Vom schwer erträglichen Alltag auf Lesbos

Zehntausende Geflüchtete erleben auf der griechischen Insel neben Not auch Solidarität

Die nach ihrer Flucht auf der Insel Lesbos gestrandeten Menschen werden kaum mit dem Nötigsten versorgt. Allein das enge Netz von Hilfsinitiativen lindert das Elend der Geflüchteten.

Von Claudia Jerzak und Carolin Philipp, Lesbos und Athen

Die Nähmaschine rattert. Yasin* setzt mit ihrer Hilfe bunte Stoffstücke zusammen, darunter knallorangefarbene Teile. Es sind Überbleibsel von Rettungswesten, die es auf der griechischen Insel Lesbos im wörtlichen Sinne zuhauf gibt. Schon seit ein paar Monaten arbeitet der 28-jährige Pakistaner in der Werkstatt »Safe Passage«. Hier entstehen Laptoptaschen, Einkaufsbeutel und Portemonnaies, die international verkauft werden.

Material dafür gibt es auf der Ägäisinsel mehr als genug. Seit dem Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien kommen wieder vermehrt Geflüchtete. Notdürftig mit Rettungswesten ausgestattet setzen sie in unsicheren Booten aus der Türkei über. In den offiziellen Statistiken des Ministeriums für Bürgerschutz sind zwei Wochen nach dem Beginn der türkischen »Operation Friedensquelle« am 9. Oktober 2293 Menschen auf den griechischen Inseln gestrandet. Das gute Wetter und weniger Kontrollen auf türkischer Seite begünstigten die Zunahme der Überfahrten.

Yasins Zeit auf Lesbos gleicht einer Irrfahrt, wie er sie doch bereits mit seiner Flucht aus Pakistan nach Griechenland durchgemacht hat. Schon vor vier Jahren kam er auf die Insel und registrierte sich im berüchtigten Lager Moria. Da er von der Polizei immer wieder damit bedroht wurde, abgeschoben zu werden, versteckte er sich vier Monate lang mit einem Zelt in den Bergen, versuchte mit Aushilfsarbeiten zu überleben. 2016 bereits fand er für einige Zeit Arbeit in der »Safe Passage«-Werkstatt, die von der Nichtregierungsorganisation »Lesbos Solidarity« betrieben wird. Dann stellte er seinen Asylantrag und lebte erneut einige Monate in Moria. Die Situation dort war für ihn aber unerträglich: »Viele Menschen, keine Rückzugsmöglichkeiten, es war immer laut. Das Essen war knapp und ungenießbar, häufig vergammelt oder mit Käfern durchsetzt«, berichtet Yasin. Seit einem Jahr nun wohnt er in der Inselhauptstadt Mytilini und arbeitet wieder in der Werkstatt.

Yasin hat als Asylsuchender eine sogenannte Afimi-Nummer, wie alle Einwohner*innen Griechenlands. Durch seine Festanstellung besitzt er zudem die AMKA-Sozialversicherungsnummer. Er hofft, dass sein Asylantrag bald beschieden wird. Am vergangenen Dienstag hatte er sein letztes Interview.

Neue Regierung will 10 000 Menschen bis Ende 2020 abschieben

Yasin hat Glück, dass er noch eine AMKA-Nummer erhielt. Erst vor wenigen Tagen hat die neue Regierung der Partei Nea Demokratia eine Verschärfung der Asylgesetze durch das Parlament gebracht. Die seit Juli diesen Jahres regierenden Rechtskonservativen wollen die Asylverfahren beschleunigen und Antragsteller im Rahmen des Flüchtlingspakts zwischen der EU und der Türkei zügiger zurück in die Türkei schicken. Das entsprechende Gesetz tritt im Januar in Kraft. Aufgrund der Übergangssituation bekommen neu ankommende Geflüchtete bereits seit Anfang Oktober keine AMKA-Nummer mehr. Das versperrt ihnen unter anderem den Zugang zum Gesundheitssystem. Bis Ende 2020 will die neue Regierung 10 000 Menschen abgeschoben haben. In den viereinhalb Jahren der linksgerichteten SYRIZA-Regierung wurden insgesamt 1806 Abschiebungen unternommen.

Die Anwältin Thomais Hatzigeorgiou von der Nichtregierungsorganisation »Human Rights 360 Degree« in Athen befürchtet: »Mit dem neuen Gesetz wird es sehr große Änderungen zulasten der Geflüchteten geben.« Asylsuchende seien weniger geschützt. »Wenn ihr Antrag abgelehnt wird, können sie zwar Einspruch einlegen. Aber noch bevor die Entscheidung in zweiter Instanz gefällt ist, können sie unter bestimmten Umständen abgeschoben werden«, erklärt Hatzigeorgiou. Den Geist des neuen Gesetzes beschreibt sie als geprägt von Kontrolle und Repression. »Asylsuchende können für längere Zeit – bis zu 18 Monate statt wie bisher drei – in geschlossenen Lagern festgehalten werden. So können sie im Fall einer Ablehnung des Asylantrags gleich abgeschoben werden.« Auch das Verfahren werde strikter: Wenn Menschen zu einem Behördentermin nicht erscheinen, habe dies negative Auswirkungen auf den Entscheid. Dass viele Ankommende unter posttraumatischem Stress leiden, und darum Unterstützung von den Behörden brauchen, werde nicht mehr anerkannt, so Hatzigeorgiou. »Das neue Asylgesetz bietet den Menschen keinen Schutz. Es ist ein Bestrafungssystem.«

Die Situation für die Geflüchteten hat sich auch in der Nachbarschaft der Organisation »Human Rights 360 Degree« im Zentrum Athens verändert. Die Stimmung ist angespannt. Das Vorhaben, Geflüchtete in Lagern zu konzentrieren, wird bereits umgesetzt. Gegen selbstorganisierte Unterkünfte von Geflüchteten geht die Polizei seit dem Regierungswechsel radikal vor. Davor hatten Geflüchtete und lokale Solidaritätsinitiativen besonders im linksalternativen Athener Stadtteil Exarchia verlassene Häuser zu Wohnstätten umfunktioniert. Seit Ende August wird hier unter massivem Polizeitaufgebot geräumt. Hunderte Geflüchtete wurden aus ihren Häusern geholt und in Lager gebracht, unter anderem weit entfernt im Norden Griechenlands.

Geflüchtete in Athen wehren sich gegen Unterbringung in Lagern

Die Vertriebenen bleiben mit der Öffentlichkeit über soziale Medien in Kontakt und informieren: »Sie haben uns aus unseren Häusern vertrieben und diese zerstört. Aber sie werden uns nicht das Leben wegnehmen, das wir uns hier in Athen aufgebaut haben. Unsere Kinder gehen in Exarchia zur Schule. Wir weigern uns, uns wieder an einen neuen Ort anzupassen. Wir wollen hier bleiben. Wir bleiben stark.«

Auf den Inseln ist die Stimmung zwischen staatlichen Behörden und Geflüchteten noch aufgeheizter. Immer wieder protestieren die Bewohner*innen der überbelegten Camps gegen die Lebensbedingungen. Nach Angaben des Ministeriums für Bürgerschutz lebten Ende Oktober im Lager Moria 14 272 Menschen – dabei hat das Camp nur einer Kapazität von 2840. Ende September brach ein Feuer aus. Eine Bewohnerin, Faride Tajik aus Afghanistan, kam dabei ums Leben. Mitte Oktober brannte es auch im Lager Vathy auf der Insel Samos. Hier leben zurzeit über 6000 Menschen. Dieses Camp ist nur für 648 Bewohner*innen ausgelegt. Die Unterkünfte wurden völlig zerstört, die Menschen mussten evakuiert werden.

Die Zustände auf den Inseln entfachen aber auch Konflikte unter den Bewohner*innen und mit der lokalen Bevölkerung, die von den Medien befeuert werden. So fragte der Sender Skai nach dem Feuer im Lager Vathy eine griechische Inselbewohnerin, ob die Bevölkerung von Samos Angst vor den Geflüchteten habe statt mit den durch das Feuer endgültig obdachlos Gewordenen zu sprechen.

Der Aktivist Nasim Lomani, selbst vor mehr als 15 Jahren aus Afghanistan nach Griechenland gekommen, kritisiert diese Medientaktik und die Regierungspolitik. Er hat sich in der letzten Woche auf Lesbos wieder einmal ein Bild von den Lebensumständen auf der Insel gemacht und resümiert: »Wenn Menschen ihre Würde für einen Teller Essen, Zugang zur Toilette oder einen Moment der Privatsphäre aufgeben müssen, darf man sich nicht beklagen, wenn es zu Kämpfen und Konflikten kommt. Dafür sind allein diejenigen verantwortlich, die die Menschen in solche Situationen bringen.«

Entgegen dieser Entwicklungen gibt es aber auch zahlreiche selbstorganisierte Initiativen der Geflüchteten und Solidaritätsstrukturen, die in den letzten Jahren aufgebaut wurden. Besonders in Lesbos ist eine stark verzahnte Struktur entstanden. Selbst unter den schwierigen Bedingungen von Moria organisieren meist afghanische Lehrer*innen zwei Schulen namens »Wave of Hope«, in denen über 700 Menschen in Englisch und Griechisch unterrichtet werden. Auch andere Nichtregierungsorganisationen außerhalb der Camps spezialisieren sich meist auf bestimmte Angebote: Sprachkurse, medizinische und rechtliche Hilfe, Kleidersammlung oder Essensversorgung. Sie bilden Unterstützungsketten und verweisen aufeinander, wenn Geflüchtete bestimmte Bedarfe haben.

Freiwillige versorgen Menschen mit Seife und Unterricht

Eines der vielen Graswurzelprojekte, das sich auf die Verteilung von Hilfsgütern spezialisiert hat, ist Attika. Aris, der schon lange auf Lesbos wohnt, verwaltet für Attika ein Lagerhaus in der Nähe von Moria mit Sachspenden europäischer Partnerorganisationen wie dem Hamburger Flüchtlingskonvoi oder von Einzelpersonen. Jeden Tag kommen Unterstützer*innen und holen vorbestellte Waren ab: »Eurorelief« versorgt Moria mit Paletten, um den Zeltbewohnern im Winter ein Mindestmaß an Schutz vor der Kälte zu ermöglichen. »Team Humanity« holt täglich Winterkleidung ab, die es seit zwei Wochen verteilt. »One Happy Family« deckt individuelle Bestellungen von Wintersachen für Familien mit Kleinkindern ab, darunter Schuhe und Spielzeug für die Kinder in der »School of Peace«. Die Initiative »Because we carry« bringt Nachschub für die Weiterverteilung vorbei: 2000 Seifen und genau so viele Rucksäcke. Auch »Iliaktida« liefert 20 Säcke voll mit verschiedenen Dingen des täglichen Bedarfs ab.

Attika selbst betreibt auch ein Wohnhaus für Freiwillige in Mytilini. Hier feierte Nayem* in der letzten Woche seinen 26. Geburtstag. 2015 hatte er Bangladesch verlassen, 2016 landete er auf Lesbos und lebte ein Jahr lang in Moria, meist mit mehreren anderen Männern in einem Container. »Das war eine schlimme Zeit«, sagt er und legt die Stirn in Falten. Er schaffte es, nach Athen zu gelangen und lebte dort ohne Papiere. Vor einem Jahr wurde er jedoch zurückgeschickt. Jetzt lebt er in Mytilini, engagiert sich bei der Spendenverwaltung und genießt ein wenig Alltag in der 37 000-Einwohner-Stadt. Dreimal in der Woche besucht er Griechisch-Kurse in einer Schule, zweimal Englisch bei der Initiative »Mosaik«. Sein Asylverfahren läuft immer noch. Nayem hofft, dass seine Freiwilligentätigkeit und seine Sprachkenntnisse bald ausreichen, um einen Aufenthaltstitel zu erhalten.

Am frühen Abend verteilt die »No Border«-Kitchen in Mytilini ein kleines Abendbrot an 150 bis 200 Frauen, Kinder und Männer. Für viele ist das die einzige Mahlzeit am Tag. Die Lebensmittel, die die Kochinitiative benutzt, sind gespendet. Ort und Zeit der Ausgabe werden nicht veröffentlicht, da die Polizei bereits mehrmals die Verteilung verhinderte. Was übrig bleibt, wird auch vor dem Camp Moria verteilt, auch hier außer Sichtweite der Militärverwaltung. Das restriktive Vorgehen der Polizei gegen alle Initiativen, die in und um die Camps wie auch in Mytilini die prekäre Lebensmittelsituation verbessern wollen, wird von den meisten Initiativen als Abschreckungsmaßnahme für die Geflüchteten verstanden. Es wird in nächster Zeit wohl noch verschärft werden.

* Namen von der Redaktion geändert
(https://www.neues-deutschland.de/artikel/1128112.gefluechtete-vom-schwer-ertraeglichen-alltag-auf-lesbos.html)


+++ITALIEN
Der Schlepperboss sass mit Ministern an einem Tisch
Die Kooperation zwischen Italien und Libyen bei der Verwaltung der Migrationsströme ist hoch kontrovers. Nun wurde sie erneuert, mit kleinen Auflagen.
https://www.bernerzeitung.ch/contentstationimport/der-schlepperboss-sass-in-rom-mit-ministern-an-einem-tisch/story/23061910


Libyscher “Pakt der Schande” bringt Italien in Dilemma
Das Abkommen ließ die Zahl der Bootsflüchtlinge schrumpfen, doch stellt es Rom vor ein Problem: Die Linke will es abschaffen, Premier Conte sieht das anders
https://www.derstandard.at/story/2000110657013/italiens-dilemma-mit-dem-libyschen-pakt-der-schande?ref=rss


+++FREIRÄUME
Regierungsratsantwort auf Interpellation SP Kasernenareal Bern – Unternutztes Areal mitten in der Stadt
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-48366e46cfe945ad8e1ec1b502355733.html


Regierungsratsantwort auf Motion SVP Keine Zwischennutzung von kantonalen Gebäuden mit Besetzern und Vertragsbrechern
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-6767f315579f41a5b5192fe06d215e14.html
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/kanton-willnur-verlaesslichezwischennutzer/story/21874956



derbund.ch 04.11.2019

Brachen beleben: Hauseigentümer laufen Sturm

Der Berner Gemeinderat will die temporäre Nutzung von Gebäuden und Brachen erleichtern. Hauseigentümerlobby und SVP finden es «illegal».

Simon Preisig, Mathias Streit

Zu einer Stadt gehören heute Pop-up-Bars und hippe Zwischennutzungen auf Brachen. In Bern fördert die rot-grüne Stadtregierung diese Zeichen des urbanen Lebens aktiv. Immer wieder stossen solche Ideen aber auf grossen Widerstand einzelner Anwohner und verzögern sich erheblich oder scheitern ganz.

Nun hat der Gemeinderat genug und will im Rahmen einer Teilrevision der Bauordnung mehr Kompetenzen bei der Zulassung von Zwischennutzungen. Dies sei illegal, finden hingegen die SVP und der Hauseigentümerverband, sie haben bei der Stadt Bern Einsprache erhoben.

Dabei zeigt sich ein grund­legender Konflikt um die Frage, was wichtiger ist: das Bedürfnis des einzelnen Anwohners, sein Eigentum zu schützen, oder ein breiteres Interesse beispielsweise der Quartierbevölkerung nach einem neuen Treffpunkt?

Kräfteverhältnis ändern

In der Stadt Bern wurde dieses Spannungsfeld bei umstrittenen Zwischennutzungsprojekten wiederholt offensichtlich. Am Egelsee wehren sich Anwohner bisher erfolgreich gegen ein Parkcafé. In der alten Feuerwehrkaserne Viktoria behinderten 2015 Anwohner mittels Einsprachen über Monate hinweg die Eröffnung des Restaurants Löscher. Und auch gegen die Zwischennutzung auf der Warmbächli-Brache in Holligen gab es zu Beginn eine Einsprache.

Für die Stadtregierung scheint daher klar: Zurzeit haben Anwohner einer Zwischennutzung zu viel zu sagen. Und jene, die eine Brache oder ein Gebäude zwischennutzen wollen, eher zu wenig. Viele Faktoren kann die Stadtregierung aber nicht selbst verändern, sie sind im übergeordneten Recht festgeschrieben. Es gibt aber auch Bereiche, wo die Stadt über ihre eigene Bauordnung Einfluss nehmen kann – und das will sie mit einem neuen Zwischen­nutzungsartikel tun.

Bisher gibt es nämlich keine eigene rechtliche Definition für Zwischennutzungen. Im Baubewilligungsverfahren gelten für solche Projekte dieselben Regeln wie für alle anderen Nutzungen. Dementsprechend lange dauert das Verfahren. Keine gute Ausgangslage für Zwischennutzungen, die oftmals von ihrem spontanen, temporären Charakter leben.

Aus illegal wird legal

Die grösste Verzögerung im Bewilligungsverfahren entsteht meist dann, wenn Zwischen­nutzungen dort entstehen sollen, wo sie normalerweise «zonenfremd», sprich verboten sind. Die Nutzungszone schreibt vor, was wo gebaut werden darf – und was eben nicht. So ist etwa das Egelsee-Café im Berner Kirchenfeldquartier bisher an diesem Zonenplan gescheitert: In dieser Zone ist nach aktueller Rechtslage kein Restaurant erlaubt, auch nicht temporär.

Mit der geplanten Teilrevision der Bauordnung würde sich das ändern. Künftig könnte der Gemeinderat temporäre Nutzungsformen auch dann genehmigen, wenn sie zonenfremd sind. Das würde den Bewilligungsprozess in vielen Fällen beschleunigen. Konkret dürften Gebäude und Brachen mit der neuen Regel während bis zu acht Jahren zwischengenutzt werden.

Verlierer der neuen Bauordnung wären die Anwohner. «Wer künftig eine temporäre Bar in seinem Wohnquartier verhindern will, hat mit seiner Einsprache geringere Erfolgsaussichten», meint Adrian Haas, Präsident des Hauseigentümerverbands Bern und Umgebung (HEV). Als Kläger könne er sich nicht mehr darauf stützen, dass die Bar nicht zonenkonform ist. Der HEV hat deshalb Einsprache gegen die neue Bauordnung erhoben.

Haas stört auch die vorge­sehene Dauer der Zwischen­nutzungen: «Eine acht Jahre andauernde Nutzung ist nicht mehr temporär.» Mit dem neuen Artikel werde faktisch eine neue Nutzungszone geschaffen und damit systematisch kantonales Baurecht ausgehebelt. «Der Gemeinderat kann sich aber nicht einfach Sonderrechte rausnehmen, nur weil ihm das geltende Recht nicht passt», findet Haas.

Ist es eine «Lex Egelsee»?

Auch die SVP Stadt Bern bekämpft das Vorhaben des Gemeinderats auf juristischem Weg. Ihr Präsident Thomas Fuchs fürchtet finanzielle Verluste für die Anwohner. «Der Wert einer Liegenschaft kann durch eine lang dauernde, störende Zwischennutzung stark abnehmen.» Für Fuchs ist deshalb klar: «Die Stadt mischt sich in Privateigentum ein, das sie nichts angeht.»

Die Stadt will sich zu den Vorwürfen von bürgerlicher Seite nicht äussern. Man warte zuerst das Ende der Einspracheverhandlungen ab, sagt Sprecher Walter Langenegger. Sie betont aber, dass es sich bei der geplanten Änderung nicht um eine «Lex Egelsee» handle. Es wäre blauäugig, mittels einer langwierigen Bauordnungsrevision die Ermöglichung des Parkcafés erwirken zu wollen, so Langenegger. Die Pläne der Stadt seien längerfristig, denn «Zwischennutzungen entsprechen in Bern einem vielfach geäusserten Bedürfnis».

Nach Abschluss der Einspracheverhandlungen muss die geplante Revision noch von Gemeinde- und Stadtrat genehmigt werden. Akzeptieren diese die Vorlage, ist für November 2020 eine Volksabstimmung vorgesehen.
(https://www.derbund.ch/bern/wer-bestimmt-ueber-die-brache/story/30589014)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Raumbesetzung an der Universität Zürich
Widerstand gegen Krieg und Vertreibung auch an den Hochschulen
Wir haben den Raum KOL-E-18 an der Universität Zürich Zentrum besetzt. Dieser Raum wird für die nächsten 24 Stunden einen Informations- und Solidaritätsraum sein und für alle Interessierten die ganze Zeit zugänglich sein. Daneben werden morgen, Dienstag 05.11.2019 verschiedene Aktionen rund um die UZH stattfinden.
https://barrikade.info/article/2832



bernerzeitung.ch 04.11.2019

Die Berner Klimabewegung plant ihre nächsten Aktionen

Auch nach den Erfolgen der Grünen lassen die Klimaaktivisten nicht locker. Sie planen einen Marsch ans WEF.

Sibylle Hartmann

Die Klimawahl ist mit dem Grosserfolg der Grünen bei den eidgenössischen Wahlen Tatsache geworden. Für die Klimabewegung, welche die grüne Welle erst so richtig ins Rollen gebracht hatte, sind die Ergebnisse aber noch lange kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Auch in Bern nicht. «Wir machen so lange weiter, bis den Worten der Politiker auch Taten folgen», sagt Claire Descombes von der Regionalgruppe Bern.

Das neue Parlament sei erst gewählt und habe noch keine Entscheidungen getroffen. «Wir können es uns nicht leisten, Zeit zu verlieren. Dafür ist unser Anliegen zu wichtig und zu dringend», betont Descombes. Im besten Fall werden die neu gewählten Politiker die radikalen Massnahmen, die es zur Erreichung der Herabsetzung der CO2-Emissionen bis 2030 auf netto null braucht, durchsetzen. «Aber darauf können wir uns nicht verlassen», so Descombes.

Vorläufig keine Demos mehr

Dennoch macht die Klimabewegung in Bern nicht im gleichen Tempo weiter wie im ersten halben Jahr, als die Klimaaktivisten fast monatlich auf die Strasse gingen. Die Regionalgruppe macht nach derselben Strategie weiter, die sie vor den Sommerferien beschlossen hatte: Kräfte bündeln für einen Grossanlass anstatt vieler kleinerer Aktionen. Wie bei der ersten grossen nationalen Demonstration vom 28. September in Bern liegt nun der Fokus auf dem schweizweiten Streiktag vom 15. Mai 2020. Um für den «Strike for Future» nebst den Schülern und Studenten auch die Erwerbstätigen zu mobilisieren, haben sich die Aktivisten der Gruppe Klimastreik Schweiz an die Gewerkschaften gewandt. Mit Erfolg. Erst vergangene Woche hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund seine Unterstützung zugesichert.

Die Aktionen in Bern

Um bis Mai nicht in Vergessenheit zu geraten, hat die Regionalgruppe weitere Aktionen geplant. So bereitet sie für den Black Friday vom 29. November eine Kunstauktion in Bern vor. Eine andere Berner Organisation hat bereits im Frühjahr vorgesorgt, dass die Bewegung nach den Wahlen nicht an Fahrt verliert. Das Organisationskomitee der Tour de Lorraine hat damals beschlossen, die nächste Ausgabe vom 11. Januar 2020 dem Thema Klimagerechtigkeit zu widmen.

Vielen Besucherinnen und Besuchern ist die Tour de Lorraine vor allem als Party- und Konzertnacht ein Begriff. Doch das Ziel der ersten Tour im Jahr 2000 war es, Geld für eine Mobilisierung gegen das WEF in Davos zu sammeln. Versuchen die Organisatoren nun auf das Thema Klimapolitik aufzuspringen, um die Veranstaltung wieder zurück zu ihren Wurzeln zu bringen?

«Die Tour de Lorraine war immer in erster Linie eine politische Veranstaltung mit Workshops tagsüber und einer Party am Abend», sagt Luca Hubschmied vom Organisationskomitee. Workshops und Partynacht werden bei der nächsten Austragung zeitlich getrennt. Die Workshops werden am 18. Januar stattfinden, also eine Woche nach der Party- und Konzertnacht. Zwei Tage vorher wird die Grosse Halle ihre Tore für Künstler, Aktivisten, Schauspieler und Redner öffnen. Diese können dort an Projekten für eine bessere Welt arbeiten.

Der Marsch ans WEF

Schliesslich soll eine Initiative mit Ursprung in Bern sogar internationale Leuchtkraft haben. Eine mittlerweile eigenständige Gruppe, die aus dem Organisationskomitee der Tour de Lorraine hervorgegangen ist, organisiert eine dreitägige Winterwanderung von Landquart nach Davos. Dort wird am 21. Januar das 50. World Economic Forum eröffnet. Angesichts des grossen Aufgebots an Sicherheitskräften rund um das WEF stellt sich die Frage, wie weit die Klimawandergruppe kommen wird. Die Gruppe hat aber so oder so beste Aussichten auf eine grosse Resonanz in den Medien.
(https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/die-berner-klimabewegung-plant-ihre-naechsten-aktionen/story/25062403?callerUri=https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/die-berner-klimabewegung-plant-ihre-naechsten-aktionen/story/25062403,https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/die-berner-klimabewegung-plant-ihre-naechsten-aktionen/story/25062403)



Verfahren gegen Jugendliche – Verurteilungen nach Klima-Demo
Nach den Klima-Demos in St. Gallen sind zwei Jugendliche verurteilt worden. Was sie genau getan haben, ist nicht bekannt.
https://www.srf.ch/news/regional/ostschweiz/verfahren-gegen-jugendliche-verurteilungen-nach-klima-demo
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/nach-klimademos-zwei-jugendliche-verurteilt-00122842/


Rückblick: Weltkobanetag 2019 Basel
Am 1. November ist der internationale Weltkobanetag, der Tag des Widerstands in Rojava gegen Faschismus und für Freiheit. Das Rojava Komitee Basel organisierte dazu Veranstaltung, Diskussionen, eine Ausstellung und Konzerte und zusammen mit den kurdischen Kräften eine überregionale Demonstration.
https://barrikade.info/article/2828


Wirt empfiehlt nach Aufstand kurdischer Arbeitspartei im EPA-Gebäude: «Nie mehr ein politischer Anlass»
Am Wochenende kam es zu einem Aufstand einer kurdischen Arbeitspartei, welche einen Anlass einer türkisch politischen Veranstaltung störte.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/grenchen/wirt-empfiehlt-nach-aufstand-kurdischer-arbeitspartei-im-epa-gebaeude-nie-mehr-ein-politischer-anlass-135922241


+++BIG BROTHER
Gemeinderatsantwort auf Postulat Fraktion SP/JUSO “Kameraüberwachung des öffentlichen Raums durch Private” (PDF, 85.6 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-4-november-2019/postulat-fraktion-spjuso-kamerauberwachung-des.pdf/download


Observationen im Kanton Zürich – Diese Regeln sollen für Sozialdetektive gelten
Der Zürcher Kantonsrat berät darüber, in welchem Rahmen Sozialdetektive zum Einsatz kommen sollen.
https://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/observationen-im-kanton-zuerich-diese-regeln-sollen-fuer-sozialdetektive-gelten
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/was-sollen-sozialdetektive-duerfen-135923269
-> https://www.watson.ch/schweiz/sozialdetektive/744457031-zuercher-kantonsrat-zieht-sozialdetektiven-die-zaehne
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-kantonsrat-zieht-sozialdetektiven-die-zaehne-00122877/


+++RECHTSPOPULISMUS
Basler Zeitung 04.11.2019

Erdogan-Anhänger danken der SVP

Die Kurdendemonstration am Samstag blieb friedlich. Dennoch gräbt sich der Konflikt in Syrien immer weiter in die Basler Politlandschaft: Während die Linke seit jeher die Kurden unterstützt, sympathisieren Türken immer mehr mit der SVP.

Katrin Hauser

Die Kurdendemonstration vom Samstag verlief entgegen allen Befürchtungen vollkommen harmlos. Die Männer und Frauen in den gelben Westen, welche der Kurdische Verein jeweils als Sicherheitspersonal aufbietet, hatten die rund 2000 Demonstranten zu jeder Zeit im Griff.

Der vielleicht aggressivste Zwischenfall ereignete sich im Kleinbasel, als sich Mitglieder des Schwarzen Blocks über die chic gekleidete Männergesellschaft auf dem Balkon des Meriansaals ärgerten und ihnen den Stinkefinger zeigten. Zu grösseren Ausschreitungen kam es nicht, wie die Basler Polizei am Samstag via Twitter bestätigte.

So friedlich der Protestmarsch verlief, so aggressiv geht es weiterhin in den sozialen Medien zu. Schon im Vorfeld, als SVP, LDP und die junge CVP die Demonstration während der Herbstmesse verbieten wollten, gab es einigen Unmut auf Facebook, der sich auch nach der Demonstration nicht legte.

Auf dem Profil von SVP-Grossrat Joël Thüring findet mittlerweile eine regelrechte Kommentarschlacht statt. Während einige hämisch ihr Mitgefühl bekunden – «Tut mir ja echt leid für Herrn Thüring und seinesgleichen, dass die Demonstration so friedlich verlief» –, sind andere der Meinung, dass Basel gerade nochmal mit einem blauen Auge davongekommen sei: «Das Risikopotenzial war nach den Androhungen doch ordentlich.»

Die neuen Freunde der SVP

Gemeint ist damit der öffentliche Aufruf von Linksextremen, während der Grossdemonstration Firmen anzugreifen. Aus diesem Grund, kommentierten mehrere Facebook-Freunde Thürings, seien sie zu Hause geblieben und nicht an die Herbstmesse gegangen. Auffällig ist, dass die SVP mittlerweile auch einigen Zuspruch bei Erdogan-Anhängern zu finden scheint. «Dass die Demo heute friedlich abgelaufen ist, haben wir dem Druck der SVP und der LDP zu verdanken», schreibt ein Mitglied der Basler Muslimkommission, das auf Facebook offen zu seiner Sympathie für Präsident Erdogan steht. «Joel Thüring macht genau das, wozu er gewählt worden ist: Die Interessen und das Eigentum der Basler Bevölkerung schützen.» Thüring freut sich über das Lob und bedankt sich für die Unterstützung.

Auch die Erdogan-freundliche türkische Zeitung «Post» ist vom SVP-Grossrat angetan. Sie widmete seiner Intervention am Samstag einen Artikel, in dem sie schrieb, die Basler SVP stelle sich einer «Demonstration von Terroristen» in den Weg.

Im Bezug auf diese neuen Sympathien stellt sich die Frage, wie die SVP zur türkischen Intervention in Nordsyrien steht, gegen die am Samstag demonstriert wurde. Gemäss Demonstranten handelt es sich beim Eingriff um einen Vorwand, die dort stationierten kurdischen Truppen anzugreifen. Joël Thüring bezieht dazu auf Facebook nicht klar Stellung: «Ob diese Intervention wirklich völkerrechtswidrig ist, haben wir nicht zu entscheiden», schreibt er lediglich. Er sei «kein spezieller Freund von Erdogan». In diesem Konflikt sei der Schuldige jedoch eher in Moskau und in Damaskus zu suchen. Damit ist Thüring anderer Meinung als der Schweizer Bundesrat, der die militärische Intervention der Türkei Mitte Oktober als völkerrechtswidrig verurteilte.

Die Linksextremen waren da

Der Konflikt zwischen Türken und Kurden schlägt sich immer mehr in der Basler Politik nieder. Auf der linken Seite ist das noch deutlicher zu sehen: Der prokurdische Protestmarsch vom vergangenen Samstag erinnerte stark an eine 1.-Mai-Demonstration. Zu Beginn der Veranstaltung, als man sich auf dem Theaterplatz besammelte, sprach niemand Geringeres als Juso-Präsidentin Ronja Jansen. «Stoppt den Krieg, stoppt das Morden!», schrie sie über den Platz. «Alle Menschen sollen ein Recht auf Leben ­haben.»

Zwar hielten sehr viele der Mitlaufenden Kurdistan-Flaggen in die Höhe und riefen zur Befreiung der Demokratischen Föderation Rojava auf. Andere jedoch nutzten die Demonstration für ihre eigenen Forderungen, die nur begrenzt mit dem Anliegen der Kurden zu tun haben. Feministische Forderungen waren darunter zu finden wie auch radikal kommunistische.

Im Flaggenmeer, das vom Theater über die Mittlere Brücke bis zum Raum für Kultur an der Horburgstrasse zog, waren Hammer und Sichel zu finden, das Staatsemblem Sowjetrusslands. Auch zu sehen waren die roten Fahnen des revolutionären Aufbaus – einer Vereinigung, die Teil des sogenannten Schwarzen Blocks ist, sowie Flaggen der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front, einer marxistisch-leninistischen Untergrundpartei in der Türkei, die sich terroristischer Methoden bedient.

Stau und Tramverspätungen

Die Demonstration am Samstag zog somit tatsächlich linksextreme Kreise an. Entgegen den im Vorfeld geäusserten Befürchtungen hielten sie sich jedoch mit Vandalenakten zurück.

Grund genug für Basta-Politiker Till Kleisli, der SVP vorzuwerfen, sie habe grundlos Ängste geschürt: «Ich habe ganz ­viele Menschen gesehen, die friedlich an die Messe gegangen sind», schreibt er auf Facebook. Die Mehrheit habe nicht einmal bemerkt, dass eine Demonstration stattgefunden habe.

Unseren Reportern vor Ort bot sich ein leicht differenzierteres Bild. Vor der Manor in der Kleinbasler Greifengasse beispiels­weise haben sich die Passanten genervt, weil aufgrund der Demonstration ein solches Gedränge geherrscht hat.

Ebenfalls verärgert waren die Autofahrer, die in den Seitenstrassen im Stau standen. Sie taten ihren Unmut mit lautem Hupen kund. Auch Benutzer des öffentlichen Verkehrs beschwerten sich über Verspätungen und Ausfälle. Als sich die Demonstration nach 15 Uhr auflöste, floss der Verkehr jedoch wieder.
(https://www.bazonline.ch/contentstationimport/erdogananhaenger-danken-der-svp/story/14897491)


+++RECHTSEXTREMISMUS
«Paramilitärische Gruppe plant Treffen in Luzern»
Die Juso sorgt sich, dass sich die «paramilitärische Organisation Uniter» wieder in Luzern treffen will. Der Verein wehrt sich gegen die Vorwürfe.
https://www.20min.ch/schweiz/zentralschweiz/story/Juso-will-Treffen-von-Uniter-verhindern-18977245


+++FUNDIS
Niederlage für VGT-Präsident Erwin Kessler
Das Thurgauer Obergericht gibt dem «St. Galler Tagblatt» und der «Luzerner Zeitung» Recht.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/niederlage-fuer-vgt-praesident-erwin-kessler-ld.1165316
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/tierschuetzer-erwin-kessler-unterliegt-gegen-luzerner-zeitung-ld.1165464


Wie eine Anhängerin der einstigen «Psychosekte» VPM Politik macht
Seinen Kritikern galt er als totalitär und sektiererisch, der Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (VPM). Er löste sich vor siebzehn Jahren auf, doch seine Exponenten sind weiterhin aktiv – neu auch in einem kantonalen Parlament.
https://www.nzz.ch/schweiz/wie-eine-anhaengerin-der-einstigen-psychosekte-vpm-politik-macht-ld.1468923


Florian Gerber zum neuen Pnos-Präsidenten gewählt
Der Oberaargauer Florian Gerber ist neuer Parteipräsidenten der Partei national orientierter Schweizer (PNOS). Der 30-Jährige tritt die Nachfolge von Dominic Lüthard an.
https://www.bernerzeitung.ch/region/oberaargau/florian-gerber-zum-neuen-pnospraesidenten-gewaehlt/story/20083712


+++VERSCHWÖRUNGSIDELOGIEN
Wie Trump von Verschwörungstheoretikern auf Twitter benutzt wird
Immer wieder hat der US-Präsident vormals kaum bekannten Hashtags massive Reichweite beschert, zeigt eine Analyse
https://www.derstandard.at/story/2000110641950/wie-trump-von-verschwoerungstheoretikern-auf-twitter-benutzt-wird


+++SOZIALES
Gemeinderatsantwort auf Motion Fraktion AL/GPB-DA/PdA+ “Stopp Diskriminierung: Armut darf kein Hindernis für eine Einbürgerung sein, auch ehemalige und aktuell Sozialhilfebeziehende sollen die Chance auf eine Einbürgerung haben” (PDF, 83.5 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-4-november-2019/motion-fraktion-algpbdapda-stopp-diskriminierung.pdf/download


+++HISTORY
«Die Schweiz hätte viele Leben retten können»
Hunderte von Schweizern wurden im Zweiten Weltkrieg in KZ inhaftiert. Redaktor Balz Spörri hat ihre Geschichte aufgearbeitet.
https://desktop.12app.ch/articles/17526119


Per arrivare, bisogna partire
Im Herbst 2018 veröffentlichte Paola De Martin über diesen Blog einen Brief an Bundesrätin Simonetta Sommaruga. In diesem Brief forderte sie Anerkennung der Illegalisierung italienischer Saisonnierkinder. Auf diesen Brief hat Bundesrätin Sommaruga kurz darauf geantwortet. Paolo De Martin teilt in diesem Blogbeitrag diesen Brief und ihre Gedanken und Haltungen zu ihm.
https://institutneueschweiz.ch/De/Blog/226/Per_arrivare_bisogna_partire_