Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++BERN
Regierungsratsantwort auf Interpellation Grüne Wird der
Asylsozialhilfekredit für UMA wirklich effizient, gemäss dem Willen der
Bürgerinnen und Bürger und zum Wohle der Minderjährigen eingesetzt?
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-02364ad2782243e5b856600f428d0568.html
+++SOLOTHURN
Reorganisation des Asylwesens: Asylkreis wird grossräumiger
Der Asylkreis Biberist-Bucheggberg-Lohn-Ammannsegg wird neu organisiert.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/lebern-bucheggberg-wasseramt/reorganisation-des-asylwesens-asylkreis-wird-grossraeumiger-135922619
+++LUZERN
In ihrer Heimat würde sie verfolgt: Lesbische Bosnierin darf vorerst in Luzern bleiben
Gewalt gegen Homosexuelle ist in Bosnien fast an der Tagesordnung.
Dennoch bezeichnen die Luzerner Behörden den Staat für sie als sicheres
Herkunftsland. Das Bundesgericht hat das Amt für Migration nun
zurückgepfiffen.
https://www.zentralplus.ch/lesbische-bosnierin-darf-vorerst-in-luzern-bleiben-1647685/
+++ZÜRICH
Sans-Papier-Kolumne: Immer mit dem Koffer auf den Schultern
Geschätzt leben 10’000 Menschen ohne Papiere in Zürich, sogenannte
Sans-Papiers. Sie leben hier, sie arbeiten hier, aber sie haben (fast)
keine Rechte und keine Stimme. Licett Valverde, die als Sans-Papier in
die Schweiz kam, schreibt einmal im Monat auf Tsüri.ch über ihre
Erlebnisse.
https://tsri.ch/zh/sans-papier-kolumne-mit-dem-koffer-auf-den-schultern/
+++SCHWEIZ
WoZ 31.10.2019
Asyl: Unter ständiger Kontrolle
Die Kritik am revidierten Bundesasylgesetz verstummt nicht: Betroffene
beschreiben das neue System als «unmenschlich» und zeichnen ein Bild von
Isolation und Überwachung.
Von Lorenz Naegeli (Text) und Florian Bachmann (Foto)
«Die ersten Erfahrungen sind durchwegs positiv», bilanziert das
Staatssekretariat für Migration (SEM) sieben Monate nach Inkrafttreten
des revidierten Bundesasylgesetzes. «Das Wichtigste ist, dass wir es
geschafft haben, die Verfahren zu beschleunigen und gleichzeitig der
Rechtsstaatlichkeit Genüge tun», schreibt das SEM in einem E-Mail an die
WOZ weiter.
Recherchen dieser Zeitung widersprechen dieser Selbstdarstellung jedoch
diametral. Im Gespräch mit über einem Dutzend Personen in
unterschiedlichen Funktionen entsteht ein Bild des SEM als
Alleinherrscher im Asylwesen. Zu kurze Fristen sowie der isolierende
Charakter der neuen Zentren werden beklagt. Die Berichte zeugen von
einem System im Zeichen der Verwaltungseffizienz.
Leibesvisitationen am Eingang
Seit dem 1. März werden alle Personen, die in der Schweiz ein Asylgesuch
stellen, in Bundesasylzentren (BAZ) untergebracht. Insgesamt 5000
Unterbringungsplätze stehen zur Verfügung, und das SEM betreibt
gegenwärtig fünfzehn Zentren. Anfang November kommt ein neues auf dem
Duttweiler-Areal in Zürich hinzu. Die Zentren sind Orte der Kontrolle:
Die Asylsuchenden werden in der Regel bei jedem Eintritt einer
Leibesvisitation unterzogen und müssen sich an ein striktes Regime
halten. Privatsphäre gibt es kaum, und die medizinische und die
psychologische Betreuung seien unzureichend, sagen KritikerInnen. Erhält
eine Person einen negativen Asylentscheid, muss sie innert sieben
Arbeitstagen eine ausführlich begründete schriftliche Beschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht einreichen. Im alten Verfahren standen dafür
dreissig Arbeitstage zur Verfügung.
Der auf Asyl- und Migrationsrecht spezialisierte Jurist Shahryar Hemmaty
begleitete verschiedene Personen im neuen Verfahren und sieht aufgrund
der kürzeren Fristen keine «adäquate Chance, fundiert Rekurs zu
ergreifen». Hemmaty betreute unter anderem Sahar Khan*, die
zwischenzeitlich im Bundesasylzentrum Embrach untergebracht war. In
ihrem Herkunftsland arbeitete Khan für internationale Organisationen und
engagierte sich in Geschlechterfragen. Weil sie bedroht wurde, musste
sie fliehen. Über ein anderes europäisches Land fand sie den Weg in die
Schweiz. Als sie dachte, endlich am Ziel zu sein, stand der schlimmste
Teil der Reise jedoch erst bevor.
Sie beschreibt die Situation in Embrach als schrecklich und erhebt
schwere Anschuldigungen gegen die Leitung des BAZ. Khan fühlte sich als
Mensch in einem System der Verwaltung verloren: «Ich wünschte mir, dass
jemand von einer NGO die Zustände im Lager gesehen hätte.» Das
Bundesasylzentrum sei wie ein Gefängnis, Asylsuchende stünden unter
ständiger Kontrolle. Khan sagt, dass ihre gesundheitlichen Probleme
nicht ernst genommen worden seien und es fast zwei Monate gedauert habe,
bis sie psychologische Unterstützung erhalten habe. Ihre Depressionen
hätten sich in dieser Zeit massiv verstärkt. Khan setzte sich zudem als
Übersetzerin für die Anliegen anderer Asylsuchenden ein, worauf ihr die
Leitung des BAZ mitgeteilt habe, dass sich das negativ auf ihr Verfahren
auswirken könnte. Als sie sich wehrte, sei ihr die Verlegung in ein
unterirdisches Camp, einen sogenannten Bunker, angedroht worden.
Das SEM schaffte Sahar Khan Anfang September in ein Nachbarland der
Schweiz aus, obwohl das gemäss Hemmaty aufgrund ihrer Verfassung
rechtlich fragwürdig war. Laut einem psychologischen Gutachten befand
sie sich «in einer sehr starken Leidenssituation» und benötigte eine
«längerfristige psychotherapeutische Behandlung». Bis heute hat sie von
den Behörden an ihrem neuen Aufenthaltsort weder psychologische noch
medizinische Hilfe erhalten.
Keine Privatsphäre
Die Geschichte von Sahar Khan deckt sich mit anderen Aussagen von
Asylsuchenden, die das raue Klima unter dem neuen System bestätigen. Die
Umgebung sei «menschenfeindlich» oder «gefängnisähnlich», Privatsphäre
inexistent und die Behandlung durch die Sicherheitskräfte oft
willkürlich und erniedrigend. Obwohl genügend Platz vorhanden wäre,
müssten mehrere Familien in einem Raum schlafen, pro Zimmer zehn bis
fünfzehn Personen. Sich umziehen, ohne dabei von fremden Augen
beobachtet zu werden, sei unmöglich, Sexualität sowieso. Wegen der
Abgeschiedenheit vieler Zentren und mangelnder Freizeitangebote sind die
sogenannten gemeinnützigen Beschäftigungsprogramme oft die einzige
Möglichkeit, diesem Alltag zu entkommen. Dabei erledigen Asylsuchende
Waldarbeiten oder reinigen öffentliche Anlagen zum Prekaritätslohn: Der
Verdienst beträgt fünf Franken pro Stunde und maximal dreissig Franken
pro Tag.
Die Arbeiten seien im Interesse der lokalen Gemeinde, der Lohn ein
«Anerkennungsbeitrag», rechtfertigt sich das SEM auf Anfrage der WOZ.
Die Vorwürfe der Asylsuchenden streitet das SEM kategorisch ab, und es
behauptet sogar, «im Zweifel immer zugunsten der Schutzsuchenden zu
entscheiden». Auf die einzelnen Fälle und die Kritik geht das SEM nicht
weiter ein und sagt lediglich, dass es ein zentrales Anliegen sei, «dass
die Asylsuchenden würdevoll untergebracht sind und die Möglichkeit auf
Privatsphäre und Bewegungsfreiheit haben».
BAZ-Mitarbeitende und BeobachterInnen erzählen derweil, dass das SEM
enormen Druck auf sie ausübe und somit Kritik im Keim ersticke. In den
Gesprächen mit verschiedenen AkteurInnen entsteht der Eindruck, dass
eine latente Angst vor Konsequenzen herrscht: «Aber meinen Namen lese
ich nicht in der Zeitung, oder?», heisst es verschiedentlich. Es
scheint, als versuche das SEM krampfhaft, die Zügel in der Hand zu
behalten.
Fragen der WOZ zu den im BAZ Embrach gemachten Erfahrungen an die
Asylorganisation Zürich (AOZ), die für die Betreuung der Asylsuchenden
zuständig ist, beantwortet grösstenteils SEM-Pressesprecher Lukas
Rieder. Dem SEM obliege die Informationspflicht zu den Asylverfahren,
heisst es rechtfertigend. Eine Anfrage für einen Besuch im Zentrum wird
zuerst ohne Nennung von Gründen abgelehnt. Auf Nachfrage bietet Daniel
Bach, SEM-Kommunikationschef, einen Besuchstermin nach Redaktionsschluss
in seiner Begleitung an – eine Besichtigung nur mit der Zentrumsleitung
der AOZ sei nicht möglich.
Über den Umgang mit Kritik schreibt Samuel Häberli, Geschäftsleiter der
Rechtshilfeorganisation Freiplatzaktion Zürich: «Bundesasylzentren
entgleiten der demokratischen Kontrolle! Während das SEM Einwände gegen
das System von aussen ganz punktuell und nach Plan zulässt, unterbindet
es grundlegende Kritik. Damit zementiert das SEM seine Macht.»
Freiwillige eingeschüchtert
In der Praxis sieht das folgendermassen aus: Dem Zürcher Solinetz wurde
der Zugang zum Bundesasylzentrum in Embrach nach kritischen Äusserungen
über die Bundesasylgesetzrevision und ihre Auswirkungen verwehrt. Am 1.
März hatte das Solinetz in einem Newsletter über Durchsuchungen der
Wohnräume durch die Securitas, Videoüberwachung, Zäune und mangelnde
Privatsphäre in den Bundeslagern, in denen das neue Verfahren getestet
wurde, berichtet und die getakteten Verfahren sowie den Mangel an
Beschäftigungsprogrammen kritisiert. Das SEM hob daraufhin die bereits
getroffene Besuchsvereinbarung mit der Zürcher Freiwilligenorganisation
auf.
Mittlerweile fänden wieder Verhandlungen statt, sagt Hanna Gerig,
Geschäftsführerin des Solinetzes: «Wir hoffen, dass sich durch die
Gespräche mit dem SEM die Türen in Embrach doch noch öffnen.» Für das
Projekt in Embrach orientierte sich das Solinetz an seinem
Besuchskonzept im Ausschaffungsgefängnis am Flughafen, und dennoch
bezeichnete das SEM den eingereichten Vorschlag als unspezifisch. Die
Türen blieben bis heute zu.
In den einzelnen BAZ herrschen unterschiedliche Standards,
dementsprechend unterscheiden sich auch die Erfahrungen an den
verschiedenen Standorten. Die Berichte aus Basel, Bern oder Kreuzlingen
seien nicht ganz so ernüchternd wie jene aus Embrach oder vom
Glaubenberg OW, sagt Laura Tommila von der Plattform Zivilgesellschaft
in Asyl-Bundeszentren (ZiAB). Ganz generell spricht aber auch sie davon,
dass Freiwillige teilweise eingeschüchtert seien und «bewusst keine
Kritik äussern oder auf Missstände hinweisen, weil sie befürchten
müssen, dadurch den Zugang zum BAZ und zu den BewohnerInnen zu
verlieren.»
* Name geändert.
(https://www.woz.ch/1944/asyl/unter-staendiger-kontrolle)
+++SCHWEIZ
Junge Geflüchtete sollten durch Ausbildung integriert werden
Junge Geflüchtete sollten gemäss einer Studie frühzeitig durch
Ausbildung integriert werden. Dies stelle auch für die Gesellschaft
einen Gewinn dar.
https://www.nau.ch/news/schweiz/junge-gefluchtete-sollten-durch-ausbildung-integriert-werden-65608292
Die Luft für Asylsuchende aus Eritrea wird zunehmend dünner
«20 Eritreer sollen die Schweiz verlassen» – dies titelten am 3.
September 2018 mehrere Schweizer Zeitungen, darunter der Tagesanzeiger,
unter Verweis auf eine Medienmitteilung des Staatssekretariats für
Migration (SEM). Sie bezogen sich auf ein Pilotprojekt des
Staatssekretariats, im Zuge dessen die vorläufige Aufnahme von rund 250
Personen überprüft worden war.
https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-schweiz/inneres/asyl/politik/ueberpruefung-asylsuchende-eritrea
+++DEUTSCHLAND
Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte von Dublin-Geflüchteten
Mit zwei aktuellen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht die
Rechte von Geflüchteten in Dublin-Verfahren gestärkt. Es gab den
Verfassungsbeschwerden eines Afghanen, der nach Griechenland abgeschoben
werden sollte, und eines somalischen Kindes, das die Bundesrepublik
gemeinsam mit seiner Mutter nach Italien überstellen will, recht.
https://www.proasyl.de/news/bundesverfassungsgericht-staerkt-rechte-von-dublin-gefluechteten/
+++BALKANROUTE
Rotes Kreuz lanciert Nothilfeaktion für Flüchtlinge in Bosnien
Tausende Flüchtlinge sitzen in Bosnien fest. Der drohende Winter
verschlimmert die Situation noch weiter. Das Rote Kreuz lanciert jetzt
eine Nothilfeaktion.
https://www.nau.ch/news/europa/rotes-kreuz-lanciert-nothilfeaktion-fur-fluchtlinge-in-bosnien-65608384
+++GRIECHENLAND
Griechenland verschärft sein Asylgesetz und will die Ankunft von Migranten verringern
Die Migrationskrise hat in Griechenland wieder oberste politische
Priorität. Jetzt hat die neue Mitte-rechts-Regierung das Asylgesetz
verschärft. Aber zur Umsetzung braucht sie europäische Hilfe.
https://www.nzz.ch/international/asylgesetz-griechenland-will-ankunft-von-migranten-verringern-ld.1519777
Griechenland: Anwohner blockieren Migrantenbus
In der nordgriechischen Stadt Giannitsa haben Anwohner Busse mit
Migranten blockiert. Der öffentlich-rechtliche griechische
Fernsehsenders ERT berichtet, dass etwa 40 Menschen versucht haben, drei
Busse mit rund 150 Geflüchteten aufzuhalten, die aus dem überfüllten
Lager Moria auf Lesbos in Hotels auf dem Festland verlegt werden sollen.
https://de.euronews.com/2019/11/03/griechenland-anwohner-blockieren-migrantenbus
Griechenland: Polizei befreit 41 Migranten aus Kühllastwagen
Mehr als 40 Migranten, eingepfercht in einen Kühllaster, die ersten
litten unter Atemnot: Auf einer griechischen Autobahn hat die Polizei
einen Schmuggler-Lkw gestoppt – offenbar gerade noch rechtzeitig.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-polizei-befreit-41-migranten-aus-kuehllastwagen-a-1294823.html
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-11/griechenland-migranten-kuehllastwagen-afghanistan-menschenschmuggel
-> https://www.tagesschau.de/ausland/migranten-lkw-griechenland-101.html
—
neues-deutschland.de 04.11.2019
Vom schwer erträglichen Alltag auf Lesbos
Zehntausende Geflüchtete erleben auf der griechischen Insel neben Not auch Solidarität
Die nach ihrer Flucht auf der Insel Lesbos gestrandeten Menschen werden
kaum mit dem Nötigsten versorgt. Allein das enge Netz von
Hilfsinitiativen lindert das Elend der Geflüchteten.
Von Claudia Jerzak und Carolin Philipp, Lesbos und Athen
Die Nähmaschine rattert. Yasin* setzt mit ihrer Hilfe bunte Stoffstücke
zusammen, darunter knallorangefarbene Teile. Es sind Überbleibsel von
Rettungswesten, die es auf der griechischen Insel Lesbos im wörtlichen
Sinne zuhauf gibt. Schon seit ein paar Monaten arbeitet der 28-jährige
Pakistaner in der Werkstatt »Safe Passage«. Hier entstehen
Laptoptaschen, Einkaufsbeutel und Portemonnaies, die international
verkauft werden.
Material dafür gibt es auf der Ägäisinsel mehr als genug. Seit dem
Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien kommen wieder vermehrt
Geflüchtete. Notdürftig mit Rettungswesten ausgestattet setzen sie in
unsicheren Booten aus der Türkei über. In den offiziellen Statistiken
des Ministeriums für Bürgerschutz sind zwei Wochen nach dem Beginn der
türkischen »Operation Friedensquelle« am 9. Oktober 2293 Menschen auf
den griechischen Inseln gestrandet. Das gute Wetter und weniger
Kontrollen auf türkischer Seite begünstigten die Zunahme der
Überfahrten.
Yasins Zeit auf Lesbos gleicht einer Irrfahrt, wie er sie doch bereits
mit seiner Flucht aus Pakistan nach Griechenland durchgemacht hat. Schon
vor vier Jahren kam er auf die Insel und registrierte sich im
berüchtigten Lager Moria. Da er von der Polizei immer wieder damit
bedroht wurde, abgeschoben zu werden, versteckte er sich vier Monate
lang mit einem Zelt in den Bergen, versuchte mit Aushilfsarbeiten zu
überleben. 2016 bereits fand er für einige Zeit Arbeit in der »Safe
Passage«-Werkstatt, die von der Nichtregierungsorganisation »Lesbos
Solidarity« betrieben wird. Dann stellte er seinen Asylantrag und lebte
erneut einige Monate in Moria. Die Situation dort war für ihn aber
unerträglich: »Viele Menschen, keine Rückzugsmöglichkeiten, es war immer
laut. Das Essen war knapp und ungenießbar, häufig vergammelt oder mit
Käfern durchsetzt«, berichtet Yasin. Seit einem Jahr nun wohnt er in der
Inselhauptstadt Mytilini und arbeitet wieder in der Werkstatt.
Yasin hat als Asylsuchender eine sogenannte Afimi-Nummer, wie alle
Einwohner*innen Griechenlands. Durch seine Festanstellung besitzt er
zudem die AMKA-Sozialversicherungsnummer. Er hofft, dass sein Asylantrag
bald beschieden wird. Am vergangenen Dienstag hatte er sein letztes
Interview.
Neue Regierung will 10 000 Menschen bis Ende 2020 abschieben
Yasin hat Glück, dass er noch eine AMKA-Nummer erhielt. Erst vor wenigen
Tagen hat die neue Regierung der Partei Nea Demokratia eine
Verschärfung der Asylgesetze durch das Parlament gebracht. Die seit Juli
diesen Jahres regierenden Rechtskonservativen wollen die Asylverfahren
beschleunigen und Antragsteller im Rahmen des Flüchtlingspakts zwischen
der EU und der Türkei zügiger zurück in die Türkei schicken. Das
entsprechende Gesetz tritt im Januar in Kraft. Aufgrund der
Übergangssituation bekommen neu ankommende Geflüchtete bereits seit
Anfang Oktober keine AMKA-Nummer mehr. Das versperrt ihnen unter anderem
den Zugang zum Gesundheitssystem. Bis Ende 2020 will die neue Regierung
10 000 Menschen abgeschoben haben. In den viereinhalb Jahren der
linksgerichteten SYRIZA-Regierung wurden insgesamt 1806 Abschiebungen
unternommen.
Die Anwältin Thomais Hatzigeorgiou von der Nichtregierungsorganisation
»Human Rights 360 Degree« in Athen befürchtet: »Mit dem neuen Gesetz
wird es sehr große Änderungen zulasten der Geflüchteten geben.«
Asylsuchende seien weniger geschützt. »Wenn ihr Antrag abgelehnt wird,
können sie zwar Einspruch einlegen. Aber noch bevor die Entscheidung in
zweiter Instanz gefällt ist, können sie unter bestimmten Umständen
abgeschoben werden«, erklärt Hatzigeorgiou. Den Geist des neuen Gesetzes
beschreibt sie als geprägt von Kontrolle und Repression. »Asylsuchende
können für längere Zeit – bis zu 18 Monate statt wie bisher drei – in
geschlossenen Lagern festgehalten werden. So können sie im Fall einer
Ablehnung des Asylantrags gleich abgeschoben werden.« Auch das Verfahren
werde strikter: Wenn Menschen zu einem Behördentermin nicht erscheinen,
habe dies negative Auswirkungen auf den Entscheid. Dass viele
Ankommende unter posttraumatischem Stress leiden, und darum
Unterstützung von den Behörden brauchen, werde nicht mehr anerkannt, so
Hatzigeorgiou. »Das neue Asylgesetz bietet den Menschen keinen Schutz.
Es ist ein Bestrafungssystem.«
Die Situation für die Geflüchteten hat sich auch in der Nachbarschaft
der Organisation »Human Rights 360 Degree« im Zentrum Athens verändert.
Die Stimmung ist angespannt. Das Vorhaben, Geflüchtete in Lagern zu
konzentrieren, wird bereits umgesetzt. Gegen selbstorganisierte
Unterkünfte von Geflüchteten geht die Polizei seit dem Regierungswechsel
radikal vor. Davor hatten Geflüchtete und lokale
Solidaritätsinitiativen besonders im linksalternativen Athener Stadtteil
Exarchia verlassene Häuser zu Wohnstätten umfunktioniert. Seit Ende
August wird hier unter massivem Polizeitaufgebot geräumt. Hunderte
Geflüchtete wurden aus ihren Häusern geholt und in Lager gebracht, unter
anderem weit entfernt im Norden Griechenlands.
Geflüchtete in Athen wehren sich gegen Unterbringung in Lagern
Die Vertriebenen bleiben mit der Öffentlichkeit über soziale Medien in
Kontakt und informieren: »Sie haben uns aus unseren Häusern vertrieben
und diese zerstört. Aber sie werden uns nicht das Leben wegnehmen, das
wir uns hier in Athen aufgebaut haben. Unsere Kinder gehen in Exarchia
zur Schule. Wir weigern uns, uns wieder an einen neuen Ort anzupassen.
Wir wollen hier bleiben. Wir bleiben stark.«
Auf den Inseln ist die Stimmung zwischen staatlichen Behörden und
Geflüchteten noch aufgeheizter. Immer wieder protestieren die
Bewohner*innen der überbelegten Camps gegen die Lebensbedingungen. Nach
Angaben des Ministeriums für Bürgerschutz lebten Ende Oktober im Lager
Moria 14 272 Menschen – dabei hat das Camp nur einer Kapazität von 2840.
Ende September brach ein Feuer aus. Eine Bewohnerin, Faride Tajik aus
Afghanistan, kam dabei ums Leben. Mitte Oktober brannte es auch im Lager
Vathy auf der Insel Samos. Hier leben zurzeit über 6000 Menschen.
Dieses Camp ist nur für 648 Bewohner*innen ausgelegt. Die Unterkünfte
wurden völlig zerstört, die Menschen mussten evakuiert werden.
Die Zustände auf den Inseln entfachen aber auch Konflikte unter den
Bewohner*innen und mit der lokalen Bevölkerung, die von den Medien
befeuert werden. So fragte der Sender Skai nach dem Feuer im Lager Vathy
eine griechische Inselbewohnerin, ob die Bevölkerung von Samos Angst
vor den Geflüchteten habe statt mit den durch das Feuer endgültig
obdachlos Gewordenen zu sprechen.
Der Aktivist Nasim Lomani, selbst vor mehr als 15 Jahren aus Afghanistan
nach Griechenland gekommen, kritisiert diese Medientaktik und die
Regierungspolitik. Er hat sich in der letzten Woche auf Lesbos wieder
einmal ein Bild von den Lebensumständen auf der Insel gemacht und
resümiert: »Wenn Menschen ihre Würde für einen Teller Essen, Zugang zur
Toilette oder einen Moment der Privatsphäre aufgeben müssen, darf man
sich nicht beklagen, wenn es zu Kämpfen und Konflikten kommt. Dafür sind
allein diejenigen verantwortlich, die die Menschen in solche
Situationen bringen.«
Entgegen dieser Entwicklungen gibt es aber auch zahlreiche
selbstorganisierte Initiativen der Geflüchteten und
Solidaritätsstrukturen, die in den letzten Jahren aufgebaut wurden.
Besonders in Lesbos ist eine stark verzahnte Struktur entstanden. Selbst
unter den schwierigen Bedingungen von Moria organisieren meist
afghanische Lehrer*innen zwei Schulen namens »Wave of Hope«, in denen
über 700 Menschen in Englisch und Griechisch unterrichtet werden. Auch
andere Nichtregierungsorganisationen außerhalb der Camps spezialisieren
sich meist auf bestimmte Angebote: Sprachkurse, medizinische und
rechtliche Hilfe, Kleidersammlung oder Essensversorgung. Sie bilden
Unterstützungsketten und verweisen aufeinander, wenn Geflüchtete
bestimmte Bedarfe haben.
Freiwillige versorgen Menschen mit Seife und Unterricht
Eines der vielen Graswurzelprojekte, das sich auf die Verteilung von
Hilfsgütern spezialisiert hat, ist Attika. Aris, der schon lange auf
Lesbos wohnt, verwaltet für Attika ein Lagerhaus in der Nähe von Moria
mit Sachspenden europäischer Partnerorganisationen wie dem Hamburger
Flüchtlingskonvoi oder von Einzelpersonen. Jeden Tag kommen
Unterstützer*innen und holen vorbestellte Waren ab: »Eurorelief«
versorgt Moria mit Paletten, um den Zeltbewohnern im Winter ein
Mindestmaß an Schutz vor der Kälte zu ermöglichen. »Team Humanity« holt
täglich Winterkleidung ab, die es seit zwei Wochen verteilt. »One Happy
Family« deckt individuelle Bestellungen von Wintersachen für Familien
mit Kleinkindern ab, darunter Schuhe und Spielzeug für die Kinder in der
»School of Peace«. Die Initiative »Because we carry« bringt Nachschub
für die Weiterverteilung vorbei: 2000 Seifen und genau so viele
Rucksäcke. Auch »Iliaktida« liefert 20 Säcke voll mit verschiedenen
Dingen des täglichen Bedarfs ab.
Attika selbst betreibt auch ein Wohnhaus für Freiwillige in Mytilini.
Hier feierte Nayem* in der letzten Woche seinen 26. Geburtstag. 2015
hatte er Bangladesch verlassen, 2016 landete er auf Lesbos und lebte ein
Jahr lang in Moria, meist mit mehreren anderen Männern in einem
Container. »Das war eine schlimme Zeit«, sagt er und legt die Stirn in
Falten. Er schaffte es, nach Athen zu gelangen und lebte dort ohne
Papiere. Vor einem Jahr wurde er jedoch zurückgeschickt. Jetzt lebt er
in Mytilini, engagiert sich bei der Spendenverwaltung und genießt ein
wenig Alltag in der 37 000-Einwohner-Stadt. Dreimal in der Woche besucht
er Griechisch-Kurse in einer Schule, zweimal Englisch bei der
Initiative »Mosaik«. Sein Asylverfahren läuft immer noch. Nayem hofft,
dass seine Freiwilligentätigkeit und seine Sprachkenntnisse bald
ausreichen, um einen Aufenthaltstitel zu erhalten.
Am frühen Abend verteilt die »No Border«-Kitchen in Mytilini ein kleines
Abendbrot an 150 bis 200 Frauen, Kinder und Männer. Für viele ist das
die einzige Mahlzeit am Tag. Die Lebensmittel, die die Kochinitiative
benutzt, sind gespendet. Ort und Zeit der Ausgabe werden nicht
veröffentlicht, da die Polizei bereits mehrmals die Verteilung
verhinderte. Was übrig bleibt, wird auch vor dem Camp Moria verteilt,
auch hier außer Sichtweite der Militärverwaltung. Das restriktive
Vorgehen der Polizei gegen alle Initiativen, die in und um die Camps wie
auch in Mytilini die prekäre Lebensmittelsituation verbessern wollen,
wird von den meisten Initiativen als Abschreckungsmaßnahme für die
Geflüchteten verstanden. Es wird in nächster Zeit wohl noch verschärft
werden.
* Namen von der Redaktion geändert
(https://www.neues-deutschland.de/artikel/1128112.gefluechtete-vom-schwer-ertraeglichen-alltag-auf-lesbos.html)
+++ITALIEN
Der Schlepperboss sass mit Ministern an einem Tisch
Die Kooperation zwischen Italien und Libyen bei der Verwaltung der
Migrationsströme ist hoch kontrovers. Nun wurde sie erneuert, mit
kleinen Auflagen.
https://www.bernerzeitung.ch/contentstationimport/der-schlepperboss-sass-in-rom-mit-ministern-an-einem-tisch/story/23061910
Libyscher „Pakt der Schande“ bringt Italien in Dilemma
Das Abkommen ließ die Zahl der Bootsflüchtlinge schrumpfen, doch stellt
es Rom vor ein Problem: Die Linke will es abschaffen, Premier Conte
sieht das anders
https://www.derstandard.at/story/2000110657013/italiens-dilemma-mit-dem-libyschen-pakt-der-schande?ref=rss
+++FREIRÄUME
Regierungsratsantwort auf Interpellation SP Kasernenareal Bern – Unternutztes Areal mitten in der Stadt
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-48366e46cfe945ad8e1ec1b502355733.html
Regierungsratsantwort auf Motion SVP Keine Zwischennutzung von kantonalen Gebäuden mit Besetzern und Vertragsbrechern
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-6767f315579f41a5b5192fe06d215e14.html
-> https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/kanton-willnur-verlaesslichezwischennutzer/story/21874956
—
derbund.ch 04.11.2019
Brachen beleben: Hauseigentümer laufen Sturm
Der Berner Gemeinderat will die temporäre Nutzung von Gebäuden und
Brachen erleichtern. Hauseigentümerlobby und SVP finden es «illegal».
Simon Preisig, Mathias Streit
Zu einer Stadt gehören heute Pop-up-Bars und hippe Zwischennutzungen auf
Brachen. In Bern fördert die rot-grüne Stadtregierung diese Zeichen des
urbanen Lebens aktiv. Immer wieder stossen solche Ideen aber auf
grossen Widerstand einzelner Anwohner und verzögern sich erheblich oder
scheitern ganz.
Nun hat der Gemeinderat genug und will im Rahmen einer Teilrevision der
Bauordnung mehr Kompetenzen bei der Zulassung von Zwischennutzungen.
Dies sei illegal, finden hingegen die SVP und der Hauseigentümerverband,
sie haben bei der Stadt Bern Einsprache erhoben.
Dabei zeigt sich ein grundlegender Konflikt um die Frage, was wichtiger
ist: das Bedürfnis des einzelnen Anwohners, sein Eigentum zu schützen,
oder ein breiteres Interesse beispielsweise der Quartierbevölkerung nach
einem neuen Treffpunkt?
Kräfteverhältnis ändern
In der Stadt Bern wurde dieses Spannungsfeld bei umstrittenen
Zwischennutzungsprojekten wiederholt offensichtlich. Am Egelsee wehren
sich Anwohner bisher erfolgreich gegen ein Parkcafé. In der alten
Feuerwehrkaserne Viktoria behinderten 2015 Anwohner mittels Einsprachen
über Monate hinweg die Eröffnung des Restaurants Löscher. Und auch gegen
die Zwischennutzung auf der Warmbächli-Brache in Holligen gab es zu
Beginn eine Einsprache.
Für die Stadtregierung scheint daher klar: Zurzeit haben Anwohner einer
Zwischennutzung zu viel zu sagen. Und jene, die eine Brache oder ein
Gebäude zwischennutzen wollen, eher zu wenig. Viele Faktoren kann die
Stadtregierung aber nicht selbst verändern, sie sind im übergeordneten
Recht festgeschrieben. Es gibt aber auch Bereiche, wo die Stadt über
ihre eigene Bauordnung Einfluss nehmen kann – und das will sie mit einem
neuen Zwischennutzungsartikel tun.
Bisher gibt es nämlich keine eigene rechtliche Definition für
Zwischennutzungen. Im Baubewilligungsverfahren gelten für solche
Projekte dieselben Regeln wie für alle anderen Nutzungen.
Dementsprechend lange dauert das Verfahren. Keine gute Ausgangslage für
Zwischennutzungen, die oftmals von ihrem spontanen, temporären Charakter
leben.
Aus illegal wird legal
Die grösste Verzögerung im Bewilligungsverfahren entsteht meist dann,
wenn Zwischennutzungen dort entstehen sollen, wo sie normalerweise
«zonenfremd», sprich verboten sind. Die Nutzungszone schreibt vor, was
wo gebaut werden darf – und was eben nicht. So ist etwa das Egelsee-Café
im Berner Kirchenfeldquartier bisher an diesem Zonenplan gescheitert:
In dieser Zone ist nach aktueller Rechtslage kein Restaurant erlaubt,
auch nicht temporär.
Mit der geplanten Teilrevision der Bauordnung würde sich das ändern.
Künftig könnte der Gemeinderat temporäre Nutzungsformen auch dann
genehmigen, wenn sie zonenfremd sind. Das würde den Bewilligungsprozess
in vielen Fällen beschleunigen. Konkret dürften Gebäude und Brachen mit
der neuen Regel während bis zu acht Jahren zwischengenutzt werden.
Verlierer der neuen Bauordnung wären die Anwohner. «Wer künftig eine
temporäre Bar in seinem Wohnquartier verhindern will, hat mit seiner
Einsprache geringere Erfolgsaussichten», meint Adrian Haas, Präsident
des Hauseigentümerverbands Bern und Umgebung (HEV). Als Kläger könne er
sich nicht mehr darauf stützen, dass die Bar nicht zonenkonform ist. Der
HEV hat deshalb Einsprache gegen die neue Bauordnung erhoben.
Haas stört auch die vorgesehene Dauer der Zwischennutzungen: «Eine
acht Jahre andauernde Nutzung ist nicht mehr temporär.» Mit dem neuen
Artikel werde faktisch eine neue Nutzungszone geschaffen und damit
systematisch kantonales Baurecht ausgehebelt. «Der Gemeinderat kann sich
aber nicht einfach Sonderrechte rausnehmen, nur weil ihm das geltende
Recht nicht passt», findet Haas.
Ist es eine «Lex Egelsee»?
Auch die SVP Stadt Bern bekämpft das Vorhaben des Gemeinderats auf
juristischem Weg. Ihr Präsident Thomas Fuchs fürchtet finanzielle
Verluste für die Anwohner. «Der Wert einer Liegenschaft kann durch eine
lang dauernde, störende Zwischennutzung stark abnehmen.» Für Fuchs ist
deshalb klar: «Die Stadt mischt sich in Privateigentum ein, das sie
nichts angeht.»
Die Stadt will sich zu den Vorwürfen von bürgerlicher Seite nicht
äussern. Man warte zuerst das Ende der Einspracheverhandlungen ab, sagt
Sprecher Walter Langenegger. Sie betont aber, dass es sich bei der
geplanten Änderung nicht um eine «Lex Egelsee» handle. Es wäre
blauäugig, mittels einer langwierigen Bauordnungsrevision die
Ermöglichung des Parkcafés erwirken zu wollen, so Langenegger. Die Pläne
der Stadt seien längerfristig, denn «Zwischennutzungen entsprechen in
Bern einem vielfach geäusserten Bedürfnis».
Nach Abschluss der Einspracheverhandlungen muss die geplante Revision
noch von Gemeinde- und Stadtrat genehmigt werden. Akzeptieren diese die
Vorlage, ist für November 2020 eine Volksabstimmung vorgesehen.
(https://www.derbund.ch/bern/wer-bestimmt-ueber-die-brache/story/30589014)
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Raumbesetzung an der Universität Zürich
Widerstand gegen Krieg und Vertreibung auch an den Hochschulen
Wir haben den Raum KOL-E-18 an der Universität Zürich Zentrum besetzt.
Dieser Raum wird für die nächsten 24 Stunden einen Informations- und
Solidaritätsraum sein und für alle Interessierten die ganze Zeit
zugänglich sein. Daneben werden morgen, Dienstag 05.11.2019 verschiedene
Aktionen rund um die UZH stattfinden.
https://barrikade.info/article/2832
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bernerzeitung.ch 04.11.2019
Die Berner Klimabewegung plant ihre nächsten Aktionen
Auch nach den Erfolgen der Grünen lassen die Klimaaktivisten nicht locker. Sie planen einen Marsch ans WEF.
Sibylle Hartmann
Die Klimawahl ist mit dem Grosserfolg der Grünen bei den eidgenössischen
Wahlen Tatsache geworden. Für die Klimabewegung, welche die grüne Welle
erst so richtig ins Rollen gebracht hatte, sind die Ergebnisse aber
noch lange kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Auch in Bern
nicht. «Wir machen so lange weiter, bis den Worten der Politiker auch
Taten folgen», sagt Claire Descombes von der Regionalgruppe Bern.
Das neue Parlament sei erst gewählt und habe noch keine Entscheidungen
getroffen. «Wir können es uns nicht leisten, Zeit zu verlieren. Dafür
ist unser Anliegen zu wichtig und zu dringend», betont Descombes. Im
besten Fall werden die neu gewählten Politiker die radikalen Massnahmen,
die es zur Erreichung der Herabsetzung der CO2-Emissionen bis 2030 auf
netto null braucht, durchsetzen. «Aber darauf können wir uns nicht
verlassen», so Descombes.
Vorläufig keine Demos mehr
Dennoch macht die Klimabewegung in Bern nicht im gleichen Tempo weiter
wie im ersten halben Jahr, als die Klimaaktivisten fast monatlich auf
die Strasse gingen. Die Regionalgruppe macht nach derselben Strategie
weiter, die sie vor den Sommerferien beschlossen hatte: Kräfte bündeln
für einen Grossanlass anstatt vieler kleinerer Aktionen. Wie bei der
ersten grossen nationalen Demonstration vom 28. September in Bern liegt
nun der Fokus auf dem schweizweiten Streiktag vom 15. Mai 2020. Um für
den «Strike for Future» nebst den Schülern und Studenten auch die
Erwerbstätigen zu mobilisieren, haben sich die Aktivisten der Gruppe
Klimastreik Schweiz an die Gewerkschaften gewandt. Mit Erfolg. Erst
vergangene Woche hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund seine
Unterstützung zugesichert.
Die Aktionen in Bern
Um bis Mai nicht in Vergessenheit zu geraten, hat die Regionalgruppe
weitere Aktionen geplant. So bereitet sie für den Black Friday vom 29.
November eine Kunstauktion in Bern vor. Eine andere Berner Organisation
hat bereits im Frühjahr vorgesorgt, dass die Bewegung nach den Wahlen
nicht an Fahrt verliert. Das Organisationskomitee der Tour de Lorraine
hat damals beschlossen, die nächste Ausgabe vom 11. Januar 2020 dem
Thema Klimagerechtigkeit zu widmen.
Vielen Besucherinnen und Besuchern ist die Tour de Lorraine vor allem
als Party- und Konzertnacht ein Begriff. Doch das Ziel der ersten Tour
im Jahr 2000 war es, Geld für eine Mobilisierung gegen das WEF in Davos
zu sammeln. Versuchen die Organisatoren nun auf das Thema Klimapolitik
aufzuspringen, um die Veranstaltung wieder zurück zu ihren Wurzeln zu
bringen?
«Die Tour de Lorraine war immer in erster Linie eine politische
Veranstaltung mit Workshops tagsüber und einer Party am Abend», sagt
Luca Hubschmied vom Organisationskomitee. Workshops und Partynacht
werden bei der nächsten Austragung zeitlich getrennt. Die Workshops
werden am 18. Januar stattfinden, also eine Woche nach der Party- und
Konzertnacht. Zwei Tage vorher wird die Grosse Halle ihre Tore für
Künstler, Aktivisten, Schauspieler und Redner öffnen. Diese können dort
an Projekten für eine bessere Welt arbeiten.
Der Marsch ans WEF
Schliesslich soll eine Initiative mit Ursprung in Bern sogar
internationale Leuchtkraft haben. Eine mittlerweile eigenständige
Gruppe, die aus dem Organisationskomitee der Tour de Lorraine
hervorgegangen ist, organisiert eine dreitägige Winterwanderung von
Landquart nach Davos. Dort wird am 21. Januar das 50. World Economic
Forum eröffnet. Angesichts des grossen Aufgebots an Sicherheitskräften
rund um das WEF stellt sich die Frage, wie weit die Klimawandergruppe
kommen wird. Die Gruppe hat aber so oder so beste Aussichten auf eine
grosse Resonanz in den Medien.
(https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/die-berner-klimabewegung-plant-ihre-naechsten-aktionen/story/25062403?callerUri=https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/die-berner-klimabewegung-plant-ihre-naechsten-aktionen/story/25062403,https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/die-berner-klimabewegung-plant-ihre-naechsten-aktionen/story/25062403)
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Verfahren gegen Jugendliche – Verurteilungen nach Klima-Demo
Nach den Klima-Demos in St. Gallen sind zwei Jugendliche verurteilt worden. Was sie genau getan haben, ist nicht bekannt.
https://www.srf.ch/news/regional/ostschweiz/verfahren-gegen-jugendliche-verurteilungen-nach-klima-demo
-> https://www.toponline.ch/news/stgallen/detail/news/nach-klimademos-zwei-jugendliche-verurteilt-00122842/
Rückblick: Weltkobanetag 2019 Basel
Am 1. November ist der internationale Weltkobanetag, der Tag des
Widerstands in Rojava gegen Faschismus und für Freiheit. Das Rojava
Komitee Basel organisierte dazu Veranstaltung, Diskussionen, eine
Ausstellung und Konzerte und zusammen mit den kurdischen Kräften eine
überregionale Demonstration.
https://barrikade.info/article/2828
Wirt empfiehlt nach Aufstand kurdischer Arbeitspartei im EPA-Gebäude: «Nie mehr ein politischer Anlass»
Am Wochenende kam es zu einem Aufstand einer kurdischen Arbeitspartei,
welche einen Anlass einer türkisch politischen Veranstaltung störte.
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/grenchen/wirt-empfiehlt-nach-aufstand-kurdischer-arbeitspartei-im-epa-gebaeude-nie-mehr-ein-politischer-anlass-135922241
+++BIG BROTHER
Gemeinderatsantwort auf Postulat Fraktion SP/JUSO „Kameraüberwachung des öffentlichen Raums durch Private“ (PDF, 85.6 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-4-november-2019/postulat-fraktion-spjuso-kamerauberwachung-des.pdf/download
Observationen im Kanton Zürich – Diese Regeln sollen für Sozialdetektive gelten
Der Zürcher Kantonsrat berät darüber, in welchem Rahmen Sozialdetektive zum Einsatz kommen sollen.
https://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/observationen-im-kanton-zuerich-diese-regeln-sollen-fuer-sozialdetektive-gelten
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/was-sollen-sozialdetektive-duerfen-135923269
-> https://www.watson.ch/schweiz/sozialdetektive/744457031-zuercher-kantonsrat-zieht-sozialdetektiven-die-zaehne
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/zuercher-kantonsrat-zieht-sozialdetektiven-die-zaehne-00122877/
+++RECHTSPOPULISMUS
Basler Zeitung 04.11.2019
Erdogan-Anhänger danken der SVP
Die Kurdendemonstration am Samstag blieb friedlich. Dennoch gräbt sich
der Konflikt in Syrien immer weiter in die Basler Politlandschaft:
Während die Linke seit jeher die Kurden unterstützt, sympathisieren
Türken immer mehr mit der SVP.
Katrin Hauser
Die Kurdendemonstration vom Samstag verlief entgegen allen Befürchtungen
vollkommen harmlos. Die Männer und Frauen in den gelben Westen, welche
der Kurdische Verein jeweils als Sicherheitspersonal aufbietet, hatten
die rund 2000 Demonstranten zu jeder Zeit im Griff.
Der vielleicht aggressivste Zwischenfall ereignete sich im Kleinbasel,
als sich Mitglieder des Schwarzen Blocks über die chic gekleidete
Männergesellschaft auf dem Balkon des Meriansaals ärgerten und ihnen den
Stinkefinger zeigten. Zu grösseren Ausschreitungen kam es nicht, wie
die Basler Polizei am Samstag via Twitter bestätigte.
So friedlich der Protestmarsch verlief, so aggressiv geht es weiterhin
in den sozialen Medien zu. Schon im Vorfeld, als SVP, LDP und die junge
CVP die Demonstration während der Herbstmesse verbieten wollten, gab es
einigen Unmut auf Facebook, der sich auch nach der Demonstration nicht
legte.
Auf dem Profil von SVP-Grossrat Joël Thüring findet mittlerweile eine
regelrechte Kommentarschlacht statt. Während einige hämisch ihr
Mitgefühl bekunden – «Tut mir ja echt leid für Herrn Thüring und
seinesgleichen, dass die Demonstration so friedlich verlief» –, sind
andere der Meinung, dass Basel gerade nochmal mit einem blauen Auge
davongekommen sei: «Das Risikopotenzial war nach den Androhungen doch
ordentlich.»
Die neuen Freunde der SVP
Gemeint ist damit der öffentliche Aufruf von Linksextremen, während der
Grossdemonstration Firmen anzugreifen. Aus diesem Grund, kommentierten
mehrere Facebook-Freunde Thürings, seien sie zu Hause geblieben und
nicht an die Herbstmesse gegangen. Auffällig ist, dass die SVP
mittlerweile auch einigen Zuspruch bei Erdogan-Anhängern zu finden
scheint. «Dass die Demo heute friedlich abgelaufen ist, haben wir dem
Druck der SVP und der LDP zu verdanken», schreibt ein Mitglied der
Basler Muslimkommission, das auf Facebook offen zu seiner Sympathie für
Präsident Erdogan steht. «Joel Thüring macht genau das, wozu er gewählt
worden ist: Die Interessen und das Eigentum der Basler Bevölkerung
schützen.» Thüring freut sich über das Lob und bedankt sich für die
Unterstützung.
Auch die Erdogan-freundliche türkische Zeitung «Post» ist vom
SVP-Grossrat angetan. Sie widmete seiner Intervention am Samstag einen
Artikel, in dem sie schrieb, die Basler SVP stelle sich einer
«Demonstration von Terroristen» in den Weg.
Im Bezug auf diese neuen Sympathien stellt sich die Frage, wie die SVP
zur türkischen Intervention in Nordsyrien steht, gegen die am Samstag
demonstriert wurde. Gemäss Demonstranten handelt es sich beim Eingriff
um einen Vorwand, die dort stationierten kurdischen Truppen anzugreifen.
Joël Thüring bezieht dazu auf Facebook nicht klar Stellung: «Ob diese
Intervention wirklich völkerrechtswidrig ist, haben wir nicht zu
entscheiden», schreibt er lediglich. Er sei «kein spezieller Freund von
Erdogan». In diesem Konflikt sei der Schuldige jedoch eher in Moskau und
in Damaskus zu suchen. Damit ist Thüring anderer Meinung als der
Schweizer Bundesrat, der die militärische Intervention der Türkei Mitte
Oktober als völkerrechtswidrig verurteilte.
Die Linksextremen waren da
Der Konflikt zwischen Türken und Kurden schlägt sich immer mehr in der
Basler Politik nieder. Auf der linken Seite ist das noch deutlicher zu
sehen: Der prokurdische Protestmarsch vom vergangenen Samstag erinnerte
stark an eine 1.-Mai-Demonstration. Zu Beginn der Veranstaltung, als man
sich auf dem Theaterplatz besammelte, sprach niemand Geringeres als
Juso-Präsidentin Ronja Jansen. «Stoppt den Krieg, stoppt das Morden!»,
schrie sie über den Platz. «Alle Menschen sollen ein Recht auf Leben
haben.»
Zwar hielten sehr viele der Mitlaufenden Kurdistan-Flaggen in die Höhe
und riefen zur Befreiung der Demokratischen Föderation Rojava auf.
Andere jedoch nutzten die Demonstration für ihre eigenen Forderungen,
die nur begrenzt mit dem Anliegen der Kurden zu tun haben. Feministische
Forderungen waren darunter zu finden wie auch radikal kommunistische.
Im Flaggenmeer, das vom Theater über die Mittlere Brücke bis zum Raum
für Kultur an der Horburgstrasse zog, waren Hammer und Sichel zu finden,
das Staatsemblem Sowjetrusslands. Auch zu sehen waren die roten Fahnen
des revolutionären Aufbaus – einer Vereinigung, die Teil des sogenannten
Schwarzen Blocks ist, sowie Flaggen der Revolutionären
Volksbefreiungspartei-Front, einer marxistisch-leninistischen
Untergrundpartei in der Türkei, die sich terroristischer Methoden
bedient.
Stau und Tramverspätungen
Die Demonstration am Samstag zog somit tatsächlich linksextreme Kreise
an. Entgegen den im Vorfeld geäusserten Befürchtungen hielten sie sich
jedoch mit Vandalenakten zurück.
Grund genug für Basta-Politiker Till Kleisli, der SVP vorzuwerfen, sie
habe grundlos Ängste geschürt: «Ich habe ganz viele Menschen gesehen,
die friedlich an die Messe gegangen sind», schreibt er auf Facebook. Die
Mehrheit habe nicht einmal bemerkt, dass eine Demonstration
stattgefunden habe.
Unseren Reportern vor Ort bot sich ein leicht differenzierteres Bild.
Vor der Manor in der Kleinbasler Greifengasse beispielsweise haben sich
die Passanten genervt, weil aufgrund der Demonstration ein solches
Gedränge geherrscht hat.
Ebenfalls verärgert waren die Autofahrer, die in den Seitenstrassen im
Stau standen. Sie taten ihren Unmut mit lautem Hupen kund. Auch Benutzer
des öffentlichen Verkehrs beschwerten sich über Verspätungen und
Ausfälle. Als sich die Demonstration nach 15 Uhr auflöste, floss der
Verkehr jedoch wieder.
(https://www.bazonline.ch/contentstationimport/erdogananhaenger-danken-der-svp/story/14897491)
+++RECHTSEXTREMISMUS
«Paramilitärische Gruppe plant Treffen in Luzern»
Die Juso sorgt sich, dass sich die «paramilitärische Organisation
Uniter» wieder in Luzern treffen will. Der Verein wehrt sich gegen die
Vorwürfe.
https://www.20min.ch/schweiz/zentralschweiz/story/Juso-will-Treffen-von-Uniter-verhindern-18977245
+++FUNDIS
Niederlage für VGT-Präsident Erwin Kessler
Das Thurgauer Obergericht gibt dem «St. Galler Tagblatt» und der «Luzerner Zeitung» Recht.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/niederlage-fuer-vgt-praesident-erwin-kessler-ld.1165316
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/tierschuetzer-erwin-kessler-unterliegt-gegen-luzerner-zeitung-ld.1165464
Wie eine Anhängerin der einstigen «Psychosekte» VPM Politik macht
Seinen Kritikern galt er als totalitär und sektiererisch, der Verein zur
Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (VPM). Er löste sich vor
siebzehn Jahren auf, doch seine Exponenten sind weiterhin aktiv – neu
auch in einem kantonalen Parlament.
https://www.nzz.ch/schweiz/wie-eine-anhaengerin-der-einstigen-psychosekte-vpm-politik-macht-ld.1468923
Florian Gerber zum neuen Pnos-Präsidenten gewählt
Der Oberaargauer Florian Gerber ist neuer Parteipräsidenten der Partei
national orientierter Schweizer (PNOS). Der 30-Jährige tritt die
Nachfolge von Dominic Lüthard an.
https://www.bernerzeitung.ch/region/oberaargau/florian-gerber-zum-neuen-pnospraesidenten-gewaehlt/story/20083712
+++VERSCHWÖRUNGSIDELOGIEN
Wie Trump von Verschwörungstheoretikern auf Twitter benutzt wird
Immer wieder hat der US-Präsident vormals kaum bekannten Hashtags massive Reichweite beschert, zeigt eine Analyse
https://www.derstandard.at/story/2000110641950/wie-trump-von-verschwoerungstheoretikern-auf-twitter-benutzt-wird
+++SOZIALES
Gemeinderatsantwort auf Motion Fraktion AL/GPB-DA/PdA+ „Stopp
Diskriminierung: Armut darf kein Hindernis für eine Einbürgerung sein,
auch ehemalige und aktuell Sozialhilfebeziehende sollen die Chance auf
eine Einbürgerung haben“ (PDF, 83.5 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-4-november-2019/motion-fraktion-algpbdapda-stopp-diskriminierung.pdf/download
+++HISTORY
«Die Schweiz hätte viele Leben retten können»
Hunderte von Schweizern wurden im Zweiten Weltkrieg in KZ inhaftiert. Redaktor Balz Spörri hat ihre Geschichte aufgearbeitet.
https://desktop.12app.ch/articles/17526119
Per arrivare, bisogna partire
Im Herbst 2018 veröffentlichte Paola De Martin über diesen Blog einen
Brief an Bundesrätin Simonetta Sommaruga. In diesem Brief forderte sie
Anerkennung der Illegalisierung italienischer Saisonnierkinder. Auf
diesen Brief hat Bundesrätin Sommaruga kurz darauf geantwortet. Paolo De
Martin teilt in diesem Blogbeitrag diesen Brief und ihre Gedanken und
Haltungen zu ihm.
https://institutneueschweiz.ch/De/Blog/226/Per_arrivare_bisogna_partire_