antira-Wochenschau: Rassisten morden in El Paso, SEM schliesst Lager für “Renitente”, Tessiner SVP dreht durch

Bild: Richard Gere nutzt seine Privilegien als weisser Promimann und besucht die Open Arms. Die Aufnahmen davon gehen viral und zeigen auch auf, welche Körper Beachtung finden und welche nicht.

Was ist neu?
Das Bundesasyllager für sogenannte “renitente” Geflüchtete schliesst vorläufig
Das “besondere” Lager hat Ende 2018 den Betrieb aufgenommen. Nach neun Monaten stellt das SEM den Betrieb nun vom 1. September bis zum 31. Dezember 2019 vorübergehend ein. Grund für die Schliessung ist die tiefe Auslastung des Lagers. Seit der Eröffnung haben insgesammt 33 Personen im Lager gewohnt. Bei einer Vollbelegung der 60 Plätze würden jährliche Kosten von rund 5 Millionen Franken entstehen. Mit der Stilllegung des Lagers können allein in diesem Jahr 750 000 Franken eingespart werden. Ebenfalls unterbricht das SEM die Standortsuche für ein zweites solches Lager, welches in der Deutschschweiz geplant war.
In das abgelegene Les Verrières verbannen die Behörden erwachsene männliche Asylsuchende, die in den Augen der Behörden „den ordentlichen Betrieb der herkömmlichen Bundeszentren stören oder die durch ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden“. Das SEM versucht weiss zu machen, das „besondere Lager“ sei kein Knast. Wir lassen uns aber nicht täuschen. Dazu hier ein älterer aber leider immer noch sehr aktueller Artikel von antira.org:
https://antira.org/2017/01/24/the-good-and-the-bad-asylum-seeker-renitenz-as-a-new-category-in-the-swiss-migration-regime/?fbclid=IwAR1iFSMQPC7omPVCqa-ZHvjEwuVct-vxNoSfjgQ_5U-wJiyLRc8VQVMlg3w
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-76009.html
https://www.nzz.ch/schweiz/asylsuchende-bund-schliesst-zentrum-nach-nur-neun-monaten-ld.1500489?mktcid=nled&mktcval=152_2019-08-09&kid=_2019-8-9


Antiziganismus verhindert Durchgangsplatz für Fahrende in St. Gallen

Nachdem Nein von Thal vor zwei Monaten lehnt nun auch der Gemeinderat in Vilters-Wangs die Einrichtung eines Durchgangsplatzes für Fahrende ab. „Das was nirgends gewollt ist, muss nicht alles zu uns verschoben werden“, argumentiert der Gemeindepräsident von Vilters-Wangs gegenüber TVO und spielt darauf an, dass auch ein Bundesasyllager in der Region errichtet wurde. Das ein Exekutivpolitiker im Interview offen antiziganistisch und rassistisch argumentieren darf, erklärt warum im Kanton ST. Gallen seit 13 Jahren erfolglos nach Plätzen gesucht wird. Im Mai 2006 verabschiedete St. Gallen als einer der ersten Kantone ein entsprechendes Konzept. Gefordert wurden sechs Durchgangsplätze: «Weil die Fahrenden auf die Nähe zu ihrer Kundschaft in den Agglomerationen angewiesen sind, wird je ein Standort im Umkreis (bis ca. 10 km Distanz) der Zentren St.Gallen, St.Margrethen, Buchs, Sargans, Rapperswil/Jona und Wil benötigt.» Das Konzept ist sogar im kantonalen Richtplan verankert. Daraus geworden ist aber Nichts. Es gibt genau null Durchgangsplätze im Kanton St.Gallen.
http://www.tvo-online.ch/mediasicht/73740
https://www.saiten.ch/hallo-durchgangsplatztor/


Neues von den Migrationsrouten über das zentrale, westliche oder ägäische Mittelmeer

Zentrales Mittelmeer: Das Rettungsschiff “Open Arms” treibt nun mit 160 Migrant*innen an Bord auf dem Mittelmeer. Zu den 121 Migrant*innen, die bereits vor anderthalb Wochen gerettet wurden, sind 39 hinzugekommen. Die maltesische Regierung erklärte sich bereit, die 39 zuletzt Geretteten an Land zu lassen, nicht aber die übrigen. Die 39 Migrant*innen seien im Zuständigkeitsbereich Maltas gerettet worden. Weil das Angebot Maltas “zu einem ernsthaften Sicherheitsproblem an Bord” geführt habe, lehnte die Besatzung der “Open Arms” den Vorschlag ab und besteht darauf, dass Malta alle 160 Geretteten aufnehmen soll.
Um die Geflüchteten zu unterstützen, nutzt Richard Gere seine Privilegien als weisser Promimann und besucht die Open Arms. Er lässt Videos von sich mit schwarzen Menschen erstellen. Diese gehen dann viral. Zusammen mit den 121 Geflüchteten fordert auch Gere einen sicherer Hafen und sichere Zukunft für alle an Bord.
Das neue Rettungsschiff der Hilfsorganisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen, welches erst vor einer Woche die Arbeit aufnahm, hat bereits Retten müssen und Geflüchtete an Bord aufgenommen.
In Rom folgt der Senat den wahnhaften Vorschlägen von Innenminister Salvini und verabschiedet ein Gesetz, das Geldstrafen von bis zu einer Million Euro vorsieht, wenn ein*e Kapitän*in mit einem Schiff unerlaubt in italienische Gewässer fährt.
https://www.dw.com/de/open-arms-rettet-weitere-migranten-im-mittelmeer/a-49978629
https://www.faz.net/aktuell/politik/richard-gere-besucht-rettungsschiff-im-mittelmeer-16327044.html
https://www.nau.ch/news/europa/ocean-viking-rettet-erste-migranten-im-mittelmeer-65566371
https://www.watson.ch/international/analyse/364823718-migration-ueber-das-mittelmeer-auf-beiden-seiten-dominiert-die-heuchelei

Westliches Mittelmeer: Die marokkanische Marine verkündet, dass sie mehr als 400 Personen gerettet und an der Überfahrt nach Spanien gehindert hat. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ist die Zahl der Geflüchteten, die Spanien über das Mittelmeer erreichen, in diesem Jahr um rund 30 Prozent gesunken. So seien im ersten Halbjahr 10 475 Menschen angekommen, im Vergleich zu 15 075 im Vorjahreszeitraum. Mehr als 200 kamen bei der Überfahrt ums Leben. Um die Meeresenge bei Gibraltar dicht zu machen, hat die EU Marokko im vergangenen Jahr 140 Millionen Euro gegeben.
https://www.nzz.ch/international/marokkanische-marine-rettet-mehr-als-400-personen-im-mittelmeer-ld.1500114

Ägäis: Die neue Rechtsaussenregierung in Griechenland macht mit ihren Plänen ernst und will das Asylverfahren beschleunigen und abgelehnte Geflüchtete konsequent in die Türkei abschieben. “Wer kein Asyl bekommt, wird sofort in die Türkei zurückgeschickt”, sagte der für Migration zuständige stellvertretende Innenminister Georgios Koumoutsakos dem griechischen Nachrichtensender Skai. Ziel sei es, in wenigen Wochen das Asylverfahren abschliessen zu können. Deshalb wolle man in den Hotspotcamps auf den Inseln zusätzliches Personal einsetzen. Gemäss dem EU-Türkei Deal könnte Griechenland massenhaft Menschen in die Türkei abschieben. Die Linkspartei Syriza, die bis vor kurzem an der Macht war, hatte darauf verzichtet den menschenverachtenden Deal wortgetrau umzusetzen.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/asylverfahren-abschiebung-griechenland-tuerkei-migration

Das türkische Regime schiebt syrische Geflüchtete in Kriegsgebiet ab
Die türkischen Behörden inhaftieren syrische Geflüchtete und zwingen diese, Dokumente über ihre freiwillige Rückkehr nach Syrien zu unterschreiben. Danach werden sie abgeschoben.
Knapp zehn Tage nach den ersten Berichten darüber, dass die Polizei Abschiebungen durchführt, veröffentlichte der Istanbuler Gouverneur eine Mitteilung, in der er erklärt, dass alle Syrer*innen bis zum 20. August in die Provinzen zurückzukehren müssen, in denen sie gemeldet seien. Diese Mitteilung fällt in eine Zeit, in der Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gegen Syrer*innen und andere Geflüchtete in der Türkei in allen politischen Lagern zunehmen. In der Türkei leben derzeit mehr als 3,6 Millionen syrische Geflüchtete. Damit befinden sich mehr als vier mal so viele Geflüchtete in der Türkei wie in der ganzen Europäischen Union. Die Abschiebungen aus der Türkei deuten darauf hin, dass die Regierung auch andere Massnahmen verstärken könnte, durch die viele syrische Asylsuchende ihren Schutz verlieren würden. Die Europäische Kommission kündigte zudem an, der Türkei für ihre Torwartfunktion an den Pforten Europas zusätzliche 1,41 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Statt andere Staaten zu schmieren, damit sie Migrant*innen aus der EU fernhalten, könnte die EU auch endlich ihre Grenzen öffnen.
https://www.hrw.org/de/news/2019/08/02/tuerkei-schiebt-syrische-fluechtlinge-kriegsgebiet-ab

Tessiner SVP-Politiker drehen wegen Mundschutz durch
Seit 2016 ist im Tessin das Burka-Verbot in Kraft. Weil ein paar Tessiner SVP-Politiker finden, Muslim*innen würden das Verbot mit einem Mundschutz umgehen, wollen sie jetzt das Tragen von Mundschutz verbieten. Nur in Spitälern und Altersheimen soll das Tragen von Mundschutz ohne Arztzeugnis noch erlaubt sein. Die Stimmbürger*innen des Kantons Tessin hatten das Verhüllungsverbot 2013 mit 65,4 Prozent befürwortet. Vom Verbot betroffen sind neben vermummten Demonstrierenden auch die Trägerinnen von Ganzkörperschleiern Burkas oder Niqabs, welche das Gesicht ausser der Augenpartie vollständig verhüllen. Wer denkt, das sei ein spezifischer Ausdruck des antimuslimischen Rassismus im Tessin, täuscht sich. Eine gesamtschweizerische Burkaverbots-Initiative wurde 2017 eingereicht. Die Initiative zielt darauf ab, die Gesichtsverhüllung aus religiösen oder politischen Gründen an öffentlich zugänglichen Orten zu verbieten. Hinter der Sache steht einmal mehr das rassistische “Egerkinger Komitee”. Dieses hatte bereits die Anti-Minarett-Initiative ins Leben gerufen.
https://www.bzbasel.ch/schweiz/touristinnen-umgehen-tessiner-burkaverbot-mit-mundschutz-jetzt-rufen-svp-politiker-nach-schaerferem-gesetz-135359930


US-Einwanderungspolizei nimmt 680 illegale Einwanderer fest

Die US-Behörden gehen in Mississippi hart gegen “illegale” Einwanderer*innen vor. Fast 700 Migrant*innen wurden festgenommen. Es handelt sich überwiegend um Lateinamerikaner*innen.
https://www.derbund.ch/ausland/amerika/us-einwanderungspolizei-nimmt-680-illegale-einwanderer-fest/story/27974197


Was ist aufgefallen?

Das Bundesamt für Polizei schafft Gefährder*innen ohne Gerichtsentscheid aus
Das Fedpol hat in drei Jahren vierzehn islamistische Gefährder*innen abgeschoben. Das Fedpol tut dies ohne richterliches Urteil. Während die Linke diese Ausschaffungspraxis kritisiert, möchte die Rechte im Umgang mit islamistischen Gefährder*innen noch weitergehen. Zwar trifft die Repression derzeit vorwiegend Muslim*innen. Der Begriff Gefährder*in ist jedoch breiter gefasst. Gemeint sind Personen, gegen die kein genügender Verdacht besteht, um ein Strafverfahren zu eröffnen, denen die Behörden aber nachsagen, dass sie «gewaltextremistische» oder «terroristische» Taten begehen könnten. Um von der Polizei als «Gefährder» eingestuft zu werden, reichen Anhaltspunkte wie «die Kontaktpflege zu Personen, die zu terroristischer Gewalt aufrufen; das Erstellen von Social-Media-Profilen und das Weiterverbreiten (durch das «Befürworten» (z.B. auf Facebook liken) oder das «Verlinken») terroristischer Inhalte und Äusserungen; erste Abklärungen oder anderweitige Vorkehrungen, die auf eine Reise in Konfliktgebiete (z.B. das Austesten von Sicherheitsvorkehrungen an einem Flughafen) oder den Anschluss an ein terroristisches Netzwerk schliessen lassen.»
https://www.nzz.ch/zuerich/ausschaffung-ohne-gerichtsurteil-fedpol-praxis-sorgt-fuer-kritik-ld.1500545
https://www.ajour-mag.ch/wer-sind-die-gefahrder/


Frontex: Interne Berichte belegen Hetzjagden an EU-Aussengrenzen

Kurz vor den Europawahlen peitschte die EU eine Reform der Grenzagentur Frontex durch. Die Behörde wird so mächtig wie nie zuvor und die Aktivitäten von Frontex lassen sich kaum mehr kontrollieren. Frontex wächst seit der Gründung im Jahr 2004 wie keine andere europäische Behörde. Damals nahm Frontex mit einem Budget von sechs Millionen Euro die Arbeit auf. 2021 werden es rund 1,6 Milliarden Euro sein. Statt bisher rund 1.500 sollen künftig 10.000 Frontex-Beschäftigte für den Grenzschutz eingesetzt werden.
Frontex wird zudem unabhängiger von den EU-Mitgliedsstaaten. Die Grenzbehörde darf eigene Schiffe, Flugzeuge und Fahrzeuge kaufen. Ihre Beamt*innen dürfen neuerdings eigenständig Kontrollen an Grenzen durchführen und Daten von Migrant*innen sammeln. Frontex schließt eigenständig Vereinbarungen mit Ländern wie Serbien, Nigeria und Kap Verde und sendet Verbindungsbeamt*innen in die Türkei. War Frontex ursprünglich vor allem mit Aufgaben wie Risikoanalysen betraut, ist die Behörde heute an allen Außengrenzen der EU aktiv. Sie koordiniert sowohl Einsätze auf dem Mittelmeer als auch den Umgang mit neu ankommenden Geflüchteten in EU-Staaten und anderen Ländern.
Das ARD-Magazin „report“ und „correctiv“ haben hunderte interne Frontex-Dokumente ausgewertet, um wenigstens einen kleinen Teil der dreckigen Arbeit von Frontex sichtbar zu machen. Die Dokumente belegen schwere Misshandlungen von Geflüchteten an den EU-Aussengrenzen, die durch Frontex-Beamt*innen geduldet und auch selbst begangen werden. Die Rede ist von schwerer körperlicher Gewalt, Hetzjagden mit Hunden und gezielten Pfefferspray-Attacken. Zudem drängen Frontex-Beamt*innen immer wieder Migrant*innen rechtswidrig zurück über die Grenze, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, einen Asylantrag zu stellen.
Bislang eher unbekannt war, dass Frontex neu auch Abschiebeflüge der EU-Staaten übernimmt. Organisierte Frontex 2015 noch die Abschiebung von 3500 Personen, waren es 2017 schon 13.000. So übernahm Frontex auch die Kosten für elf Sammelabschiebungen, die im vergangenen Jahr aus Deutschland nach Afghanistan stattfanden. Auch bei diesen Abschiebeflügen zeigt sich Frontex von ihrer gewohnt brutalen Seite. Sie schieben unbegleitete Minderjährige ab, stellen Geflüchtete medikamentös ruhig und wenden starke körperliche Gewalt an. Das Fatale daran ist zudem, dass Frontex-Beamt*innen nicht für ihre Gräueltaten angeklagt werden können. Denn entsendete Beamt*innen geniessen in einem anderen Land Immunität vor zivilrechtlicher und strafrechtlicher Verfolgung.
Animierte Grafik, die den Machtausbau bei Frontex zeigt: https://vimeo.com/351673775
https://taz.de/Menschenrechtsverstoesse-an-EU-Grenzen/!5615353/
https://correctiv.org/top-stories/2019/08/04/frontex-transparenz/

Wie Europa den Konflikt in Libyen schürt
Der ehemalige Bundesaussenminister Sigmar Gabriel wirft führenden europäischen Staaten vor, den Bürgerkrieg in Libyen durch Unterstützung gegnerischer Kriegsparteien anzuheizen und zu verlängern. Europa mache sich „mitschuldig“, dass der Krieg kein Ende finde. So treibe Europa auch die Fluchtbewegung über das Mittelmeer an. Die Europäische Union schaffe „die Voraussetzung dafür, dass der Migrationsdruck größer wird“, sagte Gabriel Panorama.
https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2019/Fluchtursachen-Wie-Europa-Konflikt-in-Libyen-schuert,fluchtursachenlibyen100.html

Nazis in der österreichischen Polizei
Gegen fünf österreichische Polizeibeamte wird derzeit wegen rechtsextremistischer Hetze ermittelt. Die Beamten fielen auf, weil sie auf Social Media und in Druckwerken den Nationalsozialismus verherrlichten. In einer Razzia wurden bei einem der Beamten NS-Material gefunden. Er wurde zu einer Bewährungsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Laut Kritiker*innen habe sich die Problematik durch die kurze Amtszeit des rechtsextremen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) verschärft. Dieser hatte in teils rechtsextremen Zeitschriften nach neuem Personal für Polizisten gesucht. Auch die Richtlinien für sichtbare Tätowierungen wurden unter Kickl gelockert. Das war bislang für viele rechtsextreme Bewerber ein Problem gewesen.
https://www.derstandard.at/story/2000107043775/oesterreichweit-fuenf-polizisten-unter-neonazi-verdacht

Grenzenlose Hetze: Freier Zugang zu extremistischen Webseiten
Hass im Netz in besonders perfider Form: Die extremistische Webseite judas.watch dokumentiert Namen von angeblichen „Verrätern an weißen Personen“ sowie angeblichen „jüdischen Einfluss“. Die Behörden nehmen sie nicht vom Netz.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/grenzenlose-hetze-freier-zugang-zu-extremistischen-webseiten,RYOAWex


In El Paso zeigt sich die mörderische Macht von Worten

Zuerst in El Paso, Texas, dann in Dayton, Ohio. Bewaffnete Rassist*innen erschossen in den USA innert 24 Stunden 29 Menschen. Der mutmassliche Täter von El Paso stützt sich auf Schriften, die in der Nazi-Szene verbreitet sind. Er habe die Hispanic-Community erst im Visier gehabt als er „Der große Austausch“ gelesen habe. In diesem einflussreichen Pamphlet sagt der französische Rassist Renaud Camus in Europa und Nordamerika einen Bevölkerungsaustausch voraus, der zum Untergang der Weissen führen werde.
Kurz vor den Morden wurde auf der rechten Internetplattform 8chan ein Manifest hochgeladen, welches vom mutmasslichen Täter stammen soll. Darin wird eine «Invasion» von Hispanics beklagt und zum rassistischen Handeln aufgefordert. Trump verwendet den Invasions-Begriff ebenfalls oft, um etwa seine Grenzmauer zu begründen. In diesem Zusammenhang fragte der Präsident während einer Wahlkampfveranstaltung im Mai seine Zuhörer*innen: «Wie kann man diese Menschen stoppen?» Ein Anhänger rief laut: «Erschiesst sie!» Trump lächelte darauf verlegen, widersprach aber nicht. Laut dem FBI ist die Gefahr ausgehend von einheimischen Extremist*innen mittlerweile so gross wie jene durch Islamist*innen.
https://www.nzz.ch/international/die-massaker-entzweien-die-usa-noch-weiter-ld.1500826?mktcid=nled&mktcval=102&kid=_2019-8-9
https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=aca98c6c-c860-4721-a82a-bf9de1660bf7
https://taz.de/Massaker-in-El-Paso/!5610835/

Wo gabs Widerstand?
Protestaktionen gegen den nationalistischen Kult am 1. August
In Luzern und in Bern fanden Anti-1. Augustaktionen statt. In Luzern wurde in ein acht Meter langes Banner mit der Aufschrift “Menschen ertrinken im Mittelmeer – Die Arktis brennt – ES GIBT NICHTS ZU FEIERN” beim Schirmerturm auf der Museggmauer aufgehängt. Damit lädt die Gruppe RESolut ein zum Blick über den Tellerrand, um die massiven Probleme, die die Schweiz mitverursacht, zu erkennen. In Bern fand am gleichen Tag auf der Aare eine Gummibootdemo gegen „die Morde und Abschiebung im Namen dieses Landes“, statt. Fotos und Communiqué finden sich hier:
https://barrikade.info/article/2504
https://barrikade.info/article/2500

Was nun?
L’Usine in Genf macht es vor und bezieht Stellung gegen Polizeigewalt
Nachdem die Genfer Polizei sowohl am 7. Juli wie auch am 21. Juli 2019 direkt vor der L’Usine gewaltsame, rassistische, homophobe und transphobe Polizeikontrollen durchführte und Personen verhaftete, die diese offen und lautstark kritisierten, reagierte das alternative Kulturlokal mit einer Stellungnahme. Ihre Worte könnten auch Worte von anderen Kneipen oder Ausgangsorten sein, die den Alltagsrassismus der Polizei nicht kommentarlos hinnehmen wollen: „Wir sind stolz auf unsere Besucher*innen, die rassistisches und gewalttätiges Polizeiverhalten nicht tolerieren. Alle Mitglieder von L’Usine sind zutiefst empört über die Aktionen der Polizei an den letzten beiden Sonntagen. Wir möchten unsere Solidarität mit denen bekunden, die 20 Stunden in Polizeigewahrsam verbracht haben, und mit all denen, die täglich der Polizeibrutalität ausgesetzt sind! Regelmässig werden Menschen direkt vor uns gewaltsamen, rassistischen, homophoben und transphoben Polizeikontrollen unterzogen und von kommunalen und kantonalen Beamten öffentlich gedemütigt.“
https://renverse.co/Soutien-de-l-Usine-aux-victimes-de-la-repression-2147

Kein Strafverfahren gegen die Basler Regierung nach Nicht-Ausschaffung eines Afghanen
Die Basler Behörden verweigerte sich im Juni 2019 einen afghanischen Geflüchteten nach Österreich abzuschieben. Noch im Mai rügte Bundesrätin Keller-Sutter die Basler Regierung dafür. Die Basler Staatsanwaltschaft hielt es in der Folge für nötig, gegen die Regierung zu ermitteln. Sie konnte allerdings kein strafbares Verhalten ermitteln und legte den Fall ad acta. Die Basler Regierung begründete die Nicht-Abschiebung mit der unterschiedlichen Praxis der Schweiz und Österreichs bei der Ausschaffung nach Afghanistan. Während Österreich Afghan*innen regelmässig abschiebt, ist die Schweiz bisher zurückhaltender. Kantone, die weiterhin Afghan*innen abschieben, nutzen ihren legalen Handlungsspielraum, um diese der Verfolgung in Afghanistan auszuliefern.
https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/kein-strafverfahren-basler-regierung-musste-afghanen-nicht-ausschaffen

Was war gut?

Der Kanton Bern wird gestoppt
Rassismus ist ein soziales Herrschaftsverhältnis welches unter anderem den Lebemnstandard von Diskriminierten herabsetzt. Davon profitieren wollte das bernische Sozialamt. Um Geld zu sparen, schrieb es den Leistungsvertrag für die Betreuung und Unterbringung junger Asylsuchendenden mit diskriminierenden Standards aus. Diese Standards entsprechen jedoch jenen von Institutionen für unbegleiteten minderjährigen Schweizer*innen nicht. Zum Beispiel wurde für die UMA-Heime keine Anerkennung als Kinder- und Jugendheime verlangt. Auch war es für die Anbieter*innen zulässig Gewinne zu erzielen. Die Zentrum Bäregg GmbH, eine Konkurrent*in im Rennen um den Leistungsvertrag, klagte nun gegen den Kanton und erhielt Recht. Der Kanton Bern muss nun eine Neuausschreibung starten indem Heimanerkennung und die begrenzte Gewinnerzielung bei der Vergabe berücksichtigt werden.
https://www.derbund.ch/bern/kanton-schreibt-betreuung-zum-zweiten-mal-aus/story/18271393

Was steht an?
21. August: Prozess gegen Anni Lanz in der zweiten Instanz in Sitten
Weil Anni Lanz einer Person über die Grenze half, verurteilte das Bezirksgericht Brig die Aktivistin wegen «Widerhandlung gegen das Ausländergesetz». Anni hat gegen die 800 Franken Busse und 1400 Franken Verfahrenskosten Rekurs eingelegt. Ihr Fall kommt nun am 21. August vor das Walliser Kantonsgericht in Sitten/Sion. Die Verhandlung ist öffentlich. Jene die Anni Lanz ihre Solidarität bekunden möchten, können also direkt dabei sein. Wegen möglicher Personenkontrollen am Eingang zum Gericht wird empfohlen, sich 30 Minuten im Voraus dort einzufinden.


Velotour d’horizon

14.8. – 31.8.2019
Schauen wir hin und setzen gemeinsam ein Zeichen gegen die Politik der Ausgrenzung und der Isolation! 18 Tage mit dem Velo für weniger Abschottung und zur Erinnerung an die Vergangenheit.
Ein halbes Jahr nach dem Inkrafttreten des beschleunigten Asylverfahrens fahren wir mit dem Velo von Zürich nach Bern, u.a über Basel und Biel und dann über das Tessin und Luzern wieder zurück nach Zürich (Velodemo vom Bundeslager Kappelen nach Bern findet am Samstag, 24. August mit anschliessendem Z’Nacht beim Böxli in der Lorraine statt). Wir möchten einen regen Austausch zwischen den regionalen Aktivist*innen und Geflüchteten anstossen, sichtbar werden und zu Aktionen anregen. An den Etappen-Orten werden Aktivist*innen, welche sich der Lagerpolitik entgegenstellen, ein passendes Rahmenprogramm zu den Velofahrten organisieren: gemeinsames Essen, Musik, Diskussion, Workshop, Film, Spiele etc. Wo möglich werden wir die Bewohner*innen der Bundes- und Nothilfe-Lager treffen, mit ihnen kochen, essen, Erfahrungen austauschen, über mögliche Perspektiven sprechen.
http://www.antira.org/velotour

Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Aufstieg der Rechten: Eine faschistische Gefahr?
Der Aufstieg rechtsnationalistischer Protestbewegungen und Parteien in Europa seit Beginn der 1990er Jahre ist besorgniserregend und verlangt eine genaue Analyse. Anstatt den irreführenden Begriff des «Rechtspopulismus» zu verwenden und damit den Mythos einer scharfen Trennlinie zwischen der «vernünftigen Mitte» und der «populistischen Rechten» zu bedienen, sollte die Linke versuchen, zu verstehen: Warum und in welchem Kontext haben rechte Bewegungen Aufwind? Was ist ihnen gemeinsam und worin unterscheiden sie sich je nach Land oder Strömung? Und schliesslich: Droht die Gefahr der Entstehung faschistischer Bewegungen in Europa?
https://sozialismus.ch/artikel/2019/der-aufstieg-der-rechten-eine-faschistische-gefahr/