+++ÄRMELKANAL
Mehr als 70 Migranten in Booten im Ärmelkanal aufgegriffen
Nur eines der insgesamt acht Boote, in denen 74 Migranten versuchten durch die stark befahrene Meeresenge nach Grossbritannien zu kommen, schaffte es bis zur Küste im Südosten Englands. Viele Migranten und Flüchtlinge werden von Schleppern wegen des geplanten britischen EU-Austritts zur Eile angehalten, da die Kontrollen danach angeblich weiter verschärft würden.
https://www.nzz.ch/international/fluechtlinge-mehr-als-70-migranten-in-booten-im-aermelkanal-aufgegriffen-ld.1486194
-> https://www.srf.ch/news/international/fluechtlingsboote-im-aermelkanal-besorgniserregende-situation
+++MITTELMEER
Italien: „Jugend rettet“ vor Gericht
Sie haben Menschen bei ihrer Flucht über das Mittelmeer in großer Not geholfen. Jetzt sollen sie vor Gericht. Mitgliedern der deutschen Hilfsorganisation „Jugend Rettet“ drohen in Italien lange Haftstrafen.
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/italien-jugend-rettet-vor-gericht-100.html
Seenotrettung im Mittelmeer: „Sea-Watch 3“ ist wieder frei
Das in Italien beschlagnahmte Seenotretter-Schiff „Sea-Watch 3“ darf wieder fahren. Der Fall zeigt, wie schwer es auch für den rechtspopulistischen Innenminister Salvini ist, Hilfsorganisationen zu stoppen.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/seenotrettung-sea-watch-3-ist-wieder-frei-a-1270433.html
-> https://www.neues-deutschland.de/artikel/1119922.seenotrettung-sea-watch-ist-wieder-frei.html
-> http://taz.de/Schiff-der-Seenotretter-ist-frei/!5599730/
+++DROGENPOLITIK
Ärzte begrüssen einen Cannabis-Pilotversuch in Winterthur
Der Winterthurer Gemeinderat hat den Stadtrat aufgefordert, einen Cannabis-Pilotversuch zu prüfen. Auch unter Ärzten gibt es Befürworter eines solchen Cannabis-Pilotversuchs.
https://www.toponline.ch/news/winterthur/detail/news/aerzte-begruessen-einen-cannabis-pilotversuch-in-winterthur-00112849/
+++POLIZEI CH
Ein Opfer rassistischer Polizeikontrollen erzählt: «Ich habe mich extrem geschämt»
Erstmals beleuchtet eine Studie rassistische Polizeikontrollen in der Schweiz. Dutzende Fälle zeigen, wie die Betroffenen leiden.
https://www.blick.ch/news/schweiz/ein-opfer-rassistischer-polizeikontrollen-erzaehlt-ich-habe-mich-extrem-geschaemt-id15353524.html
-> https://www.derbund.ch/schweiz/standard/polizeikontrollen-sind-oftmals-rassistisch/story/24988667
-> https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Polizeikontrollen-oftmals-rassistisch-29669091
-> https://www.facebook.com/events/rosa-luxemburg-stiftung/racial-profiling-erfahrungen-wirkungen-widerstand/2389404764629339/
-> https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/EC62U/?fbclid=IwAR1rYJhUSR5rzr6UiY_DqKb5I7gvjVMMrSyiiUBdLO9sN35z2bFUOrqSjBA
-> http://www.stop-racial-profiling.ch/de/berichte-studien/
+++ANTIFA
Geschichte des Hooliganismus: Ackerkampf und Kampfsport
Der deutsche Hooliganismus ist dabei, neue Gewaltformate zu entwickeln. Dabei bleibt der Einfluss der extremen Rechten konstant hoch.
http://taz.de/Geschichte-des-Hooliganismus/!5599356/
+++PATRIARCHAT
In Bern wurden 15 Orte des Grauens markiert
Aktivisten machten in einer nächtlichen Aktion Berner Tatorte sichtbar, an denen Frauen Opfer von Gewalttaten wurden. Deren Zahl hat in den letzten Jahren stark zugenommen.
https://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Tatort-24688638
-> https://anarchistisch.ch/schildaktion-patriarchale-gewalt-sichtbar-machen/
-> https://www.facebook.com/InfoAGB/posts/1309990505815969
+++BIG BIG BROTHER
NZZ am Sonntag 02.06.2019
Ein Firmen-Konsortium will die Macht über unsere intimsten Daten im Netz – und die Politik willigt ein
Bankgeschäfte, amouröse Kontakte, Patientendossier: Bald sollen wir für Aktivitäten im Internet nur noch ein einheitliches Login benutzen. Mit der Anonymität im Netz wird es vorbei sein.
von Anja Burri
Selten kommen in der Schweiz so viele einflussreiche Menschen zusammen wie an diesem Morgen des 25. Oktober 2018 in einem Sitzungszimmer des Finanzdepartements in Bern.
Unter einem Kronleuchter sitzen am grossen, braunen Tisch zwei Bundesräte, Spitzenvertreter von Konzernen wie Roche, UBS, und Google, die Chefs von Swisscom und SBB, die Präsidenten der beiden ETH, ein Regierungsrat, der Bundeskanzler und weitere wichtige Leute der Bundesverwaltung.
Es ist bereits das fünfte Treffen dieses illustren Beirats, der den Bundesrat zur Digitalisierung berät. An diesem Morgen sprechen sie über unsere Gesundheitsdaten.
Die Gäste geben den Bundesräten zu verstehen, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens viel zu langsam vorangehe. Manche ihrer Wortmeldungen machen klar, dass es nicht nur um eine bessere Medizin geht, sondern auch um den Zugang der Firmen zu den Gesundheitsdaten.
Calvin Grieder, der Präsident des Duftstoffkonzerns Givaudan, sagt, Privatsphäre sei ein Luxus der Gesunden. Man müsse aber auch Gesunde dazu bewegen, ihre Daten herzugeben. Urs Schäppi, der Chef der Swisscom, diskutiert auch mit. Das Telekommunikationsunternehmen versucht derzeit, auf dem Gesundheitsmarkt Fuss zu fassen, und baut an einer Informatikplattform für das elektronische Patientendossier. Schäppi berichtet von Widerständen, er sagt, es brauche mehr Leadership vom Bund.
Dieses Gespräch hätte nie publik werden sollen. Doch der «Tages-Anzeiger» hatte via Öffentlichkeitsgesetz erwirkt, dass die Bundesverwaltung das Protokoll herausgeben musste. Das Dokument zeigt, dass die Privatsphäre der Menschen die Entscheidungsträger an dieser Sitzung nur am Rand beschäftigte.
Tatsächlich geht es hier um einen der wichtigsten Kämpfe unserer Zeit: den Kampf um die Macht über unsere privaten Daten. Allein die Digitalisierung unserer Patientendaten ist ein grosses Geschäft. Neben der Swisscom will auch die Schweizerische Post damit Geld verdienen.
Doch das ganz grosse Datenprojekt kommt erst noch: Um in der Zukunft den Zugang zum Patientendossier und zu weiteren sensiblen Daten sicher und einfach zu garantieren, will der Bund eine elektronische Identität für die Schweizerinnen und Schweizer einführen.
Die sogenannte E-ID ist so etwas wie der Schlüssel zur Datenhoheit. Ein Zusammenschluss von rund zwanzig wichtigen Schweizer Unternehmen ist gerade dabei, sich dieses Geschäft zu sichern.
Anders als beim Pass oder bei der Identitätskarte wird diese E-ID nämlich nicht vom Bund herausgegeben, sondern von privaten Firmen. Die Rolle der Bundesverwaltung soll sich darauf beschränken, die Identität der Nutzer zu prüfen.
Dank der E-ID wird es möglich sein, mit dem stets gleichen Login online einzukaufen, Postsendungen nachzuverfolgen oder Bahnbillette zu kaufen. In einem zweiten Schritt soll man damit auch den Strafregisterauszug anfordern, Medikamente bestellen oder die eigenen Patientendaten an ein Spital übermitteln können.
Für solche heiklen Anwendungen oder staatliche E-Government-Aufgaben werden strengere Sicherheitsanforderungen gelten als für die kommerzielle Nutzung. Die E-ID ist grundsätzlich freiwillig. Tatsächlich dürften wir aber alle bald mit sanftem Druck dazu bewegt werden, eine solche E-ID zu lösen.
Denn zum Joint Venture, das plant, eine solche E-ID herauszugeben, gehören grosse Unternehmen der Schweiz: die Post und die Swisscom, die Grossbanken UBS und Credit Suisse, die Zürcher Kantonalbank, Versicherungskonzerne wie Zurich oder Helvetia sowie Krankenkassen – alles Firmen, die auf die eine oder andere Weise ein riesiges Interesse an unseren Daten haben.
Das Konsortium heisst Swiss Sign Group. Ihre «SwissID» ist zwar noch nicht staatlich anerkannt, aber die Gruppe rechnet damit, dass sie schon in drei Jahren von über vier Millionen Menschen genutzt werden wird. Das ist über die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung.
Denn das Konsortium hat nicht nur die Schlagkraft, alternative E-ID-Anbieter aus dem Markt zu drängen. Es hat auch die Macht, die Kunden mehr oder weniger dazu zu zwingen, eine elektronische Identität zu nutzen.
Denn gewisse Dienstleistungen wie Bahnbillette oder das Versenden von Paketen sind nicht oder nur mühsam bei anderen Anbietern erhältlich. So wie es heute aussieht, liefert der Bund seine Bürger faktisch einem Monopolisten aus.
Für die Nutzerinnen und Nutzer stellt sich eine fundamentale Frage: Wollen wir uns in der digitalen Welt gleich frei bewegen können, wie wir das in der realen Welt tun? «Wir sind drauf und dran, diese Freiheit aufzugeben», sagt Bruno Baeriswyl, der Datenschutzbeauftragte des Kantons Zürich.
Er sitzt in seinem Büro und kritzelt Kreise auf ein Notizpapier, die er mit Strichen verbindet. Ein Mensch habe immer mehrere Rollen oder Identitäten: Er sei nicht nur Datenschützer, sondern auch Ehemann und beispielsweise Mitglied eines Sportvereins. Nicht alle wüssten alles über ihn. Gewisse Einkäufe könne er anonym erledigen. Im Internet habe er dazu verschiedene Profile und Logins, die nichts miteinander zu tun hätten.
Die E-ID, wie sie die Politik nun einführen wolle, werde das verändern – je stärker sie genutzt werde, desto einschneidender. «Eine anonyme Nutzung im Internet wird nicht mehr möglich sein», sagt er.
Denn jede Person, die sich eine E-ID machen lasse, erhalte eine Registrierungsnummer. Diese bleibe immer gleich, egal, was man tue. «Das ist, wie wenn ich im realen Leben an jeder Migroskasse, am Kiosk oder im Kino meinen Pass zeigen müsste.»
Was bedeutet das für den einzelnen Nutzer? Intimste Details aus seinem Leben, die er gerne voneinander getrennt halten würde, werden im Hintergrund miteinander verknüpfbar.
Man könnte sie theoretisch zu umfassenden Persönlichkeitsprofilen zusammensetzen: der unangenehme Hautausschlag, den er beim Arzt behandeln lässt, die Steuerdaten, sein Medikamentenkonsum, seine Spenden an eine Partei, Vorstrafen, die Aktivität auf einem Dating-Portal, seine Vorliebe für Sexspielzeuge. Vielleicht wird diese Datenkombination nie sichtbar, vielleicht aber schon.
Bruno Baeriswyl sagt: Selbst wenn sich die Herausgeber der E-ID selbst an das Gesetz hielten, das ihnen die Nutzung dieser Daten verbiete, bestehe ein Risiko. «Solche Daten sind auch für Hacker enorm wertvoll, ein Datendiebstahl wäre verheerend», warnt der Datenschützer. «Denn wenn Sie nur noch einen Schlüssel haben zu all ihren Daten und dieser gestohlen wird, dann können Sie alles verlieren.»
Baeriswyl und seine Kollegen, die Datenschutzbeauftragten der anderen Kantone, haben im vergangenen Herbst versucht, dieses Schreckensszenario zu verhindern. Sie wandten sich mit einem Brief an die Rechtskommission des Nationalrates, der das E-ID-Gesetz zuerst beriet. Es dürfe keine einheitliche Registrierungsnummer geben, mahnten sie. Doch es nützte nichts.
Die zweite grosse Frag lautet: Welchen Preis werden wir für unsere elektronische Identität tatsächlich bezahlen? Alle sind sich einig, dass die E-ID für die Nutzer kein Geld kosten soll – damit sie sich möglichst rasch verbreitet. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass die elektronische Identität für Privatpersonen gratis ist.
Die Währung in der digitalen Welt heisst Daten. Das E-ID-Gesetz verbietet den Anbietern zwar, zusätzliche persönliche Informationen mit den geschützten Personendaten der E-ID zu verknüpfen. Doch rund um die E-ID werden, so lautet die Prognose von Datenschutzexperten, Geschäftsmodelle entstehen, die darauf bauen, den Nutzern viele zusätzliche Daten zu entlocken, unter anderem durch die Analyse des Surfverhaltens.
Die technologischen Möglichkeiten sind gross, das aktuelle Schweizer Datenschutzgesetz lasch. Und was die Chefs der grossen Unternehmen vom Schutz privater Daten halten, hat sich an der eingangs erwähnten Sitzung gezeigt.
So sieht es auch Dirk Helbing. Er ist Professor für computergestützte Sozialwissenschaften an der ETH Zürich und empfängt in seinem Büro nahe dem Zürcher Hauptbahnhof. «Wer über die E-ID spricht, muss sich bewusst sein, in welcher Welt wir heute leben», sagt er.
Eine elektronische Identität sei wohl in Zukunft unvermeidlich. Man müsse sie aber so organisieren, dass jeder Nutzer die vollständige Kontrolle über seine Daten zurückerlangt.
Die E-ID dürfe daher nicht in den Händen von Privaten sein. Das sei ein Schritt in Richtung eines digitalen Feudalismus. «Das derzeitige Schweizer Modell unterstützt die unkontrollierte Datensammelwut.»
Die meisten Länder Europas kombinieren staatliche und private Lösungen. Auch in der Schweiz gibt es das Beispiel des Kantons Schaffhausen, der für seinen Online-Schalter eine E-ID einsetzt. Die Technologie stammt von einer privaten Firma, die Herausgabe der E-ID und die Daten bleiben jedoch unter staatlicher Kontrolle. Doch wie kommt nun der Bund darauf, eine solch heikle Aufgabe an profitorientierte Konzerne auszulagern?
Diese Frage stellten sich vor zwei Jahren nicht nur Linke und Datenschützer, sondern auch bürgerliche Parteien wie die CVP und die BDP, wichtige Vertreter der Tech-Branche, der Verband Schweizerischer Einwohnerdienste oder der Städteverband. Sie alle forderten den Bundesrat dazu auf, die Herausgabe der elektronischen Identität nicht aus der Hand zu geben. Ihr Argument: Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Doch das ist lange her.
Viele Kritiker sind verstummt, im Parlament ist die grundsätzliche Absegnung des E-ID-Gesetzes in der am Montag beginnenden Sommersession Formsache, Opposition kommt nur noch von links.
Von der breiten Kritik ausserhalb des Parlaments ist eine kleine Gruppe um die Stiftung für Konsumentenschutz, die Digitale Gesellschaft und den Kampagnenspezialisten Daniel Graf übrig geblieben. Letztere beiden bereiten ein Referendum vor.
Dass die Unternehmen den Kampf um unsere Daten gewonnen haben, hat drei Gründe. Der erste hat mit Realismus zu tun: Die Bundesverwaltung sei weder in der Lage, noch habe sie den Willen, dieses riesige Projekt selbst umzusetzen, sagen Verwaltungsinsider. Die Liste der teuren gescheiterten Informatikprojekte des Bundes sei lang, die Angst vor neuen Flops gross.
Der zweite Grund ist wirtschaftlicher Natur: Will die Schweiz den Anschluss an die Digitalisierung nicht verpassen, braucht sie eine staatlich anerkannte E-ID. Zudem treiben internationale Konzerne wie Google und Facebook universelle Logins voran. Es geht auch darum, diesen globalen Datenkraken etwas Eigenes entgegenzusetzen.
Der dritte Grund hat mit der Lobbymacht des Konsortiums zu tun. Werben zwanzig derart wichtige Firmen und Wirtschaftsverbände für dasselbe Anliegen, sind die Erfolgsaussichten in der Politik gross. Wie die NZZ kürzlich berichtete, gab es auch in der SVP Kritiker. Ein Treffen mit Vertretern der Zürcher Kantonalbank habe zu einem Meinungsumschwung beigetragen.
Thomas Kläusli ist der Sprecher der Swiss Sign Group. Er kann Befürchtungen, dass Nutzer am Ende immer mit ihren Daten bezahlen werden, nachvollziehen, sagt aber: «Die Swiss Sign Group darf und wird mit den Daten keinen Handel betreiben und wird damit bestimmt kein Geld verdienen.» Das Konsortium wolle sich dadurch abheben von ausländischen Anbietern wie Google.
Die notwendigen Personenangaben seien verschlüsselt und würden in der Schweiz aufbewahrt. Rückschlüsse darauf, was der Kunde bei den Portalen mache, seien für Swiss Sign nicht möglich. Geld verdienen will man mit Nutzungsgebühren, die man von jedem Online-Portal verlange, wenn sich dort ein Nutzer mit der SwissID eingeloggt habe.
Diese Gebühren sind allerdings ein Schnäppchen im Vergleich zu den möglichen Datenspuren, die ein Nutzer auf einem Portal hinterlässt, nachdem er sich dort mit der E-ID eingeloggt hat. Die Firmen des Konsortiums haben die Macht der Daten längst entdeckt. Postfinance zum Beispiel speichert die Stimmen ihrer Kunden, die über die Hotline anrufen. Nur wer dies ausdrücklich ablehnt, wird ausgenommen.
Ein Mann, der seine Kritik am privaten E-ID-Modell revidiert hat, heisst André Golliez. Er ist 64 und einer der ersten an der ETH ausgebildeten Informatikingenieure der Schweiz.
Als er merkte, dass eine staatliche E-ID in der Schweiz nicht durchsetzbar ist, hat er sich dafür eingesetzt, die Rahmenbedingungen zu verbessern: Er lud Gegner und Befürworter an einen runden Tisch zur «Swiss Data Alliance», gemeinsam erarbeitete man Vorschläge für mehr Datenschutz. Nicht alle wurden vom Parlament ins Gesetz aufgenommen.
Heute habe er dennoch Vertrauen in das Konsortium, sagt er. Es sei diesem verboten, die Personendaten der E-ID-Nutzer für andere Zwecke zu verwenden oder weiterzugeben. Golliez’ Vorschlag, eine unabhängige Expertenkommission zur Aufsicht über die Firmen einzusetzen, dürfte nächste Woche vom Ständerat neu in das Gesetz aufgenommen werden.
Zurück zum Treffen des digitalen Beirats vom 25. Oktober 2018. Nach der Veröffentlichung dieses Protokolls hat der Beirat beschlossen, die Gespräche nicht mehr im Detail festzuhalten. «Die letztjährigen Protokolle waren einigen Mitgliedern des Beirats Digitale Transformation zu lang und zu ausführlich. (…) Sie äusserten zudem den Wunsch, Themen informell diskutieren zu können», heisst es beim Bund.
Es sieht so aus, also sei Datentransparenz nur etwas für das gemeine Volk. Für die Wirtschaftsführer und Bundesvertreter gelten offenbar andere Regeln.
–
Elektronische Identität: Wie ein Pass auf dem Smartphone
Wozu dient eine E-ID?
Wer im Alltag seine Identität beweisen muss, zeigt eine Identitätskarte oder einen Pass. Im Internet ist es heute deutlich komplizierter, diesen Nachweis zu erbringen. Weil immer mehr Einkäufe, Dienstleistungen und künftig auch staatliche Aufgaben ins Internet verlagert werden, hat der Bundesrat beschlossen, eine staatlich anerkannte elektronische Identität zu ermöglichen. Mit dieser könnte man bei Amazon einkaufen, online Bankgeschäfte tätigen oder bei der Gemeinde einen Betreibungsregisterauszug beziehen – mit demselben Login. Obwohl die E-ID oft «elektronischer Pass» genannt wird, ist sie kein Reisedokument.
Wer im Alltag seine Identität beweisen muss, zeigt eine Identitätskarte oder einen Pass. Im Internet ist es heute deutlich komplizierter, diesen Nachweis zu erbringen. Weil immer mehr Einkäufe, Dienstleistungen und künftig auch staatliche Aufgaben ins Internet verlagert werden, hat der Bundesrat beschlossen, eine staatlich anerkannte elektronische Identität zu ermöglichen. Mit dieser könnte man bei Amazon einkaufen, online Bankgeschäfte tätigen oder bei der Gemeinde einen Betreibungsregisterauszug beziehen – mit demselben Login. Obwohl die E-ID oft «elektronischer Pass» genannt wird, ist sie kein Reisedokument.
Wie regelt die Politik die elektronische Identität?
Derzeit berät das nationale Parlament die Gesetzesvorlage, am nächsten Dienstag entscheidet der Ständerat. Das «Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste» (E-ID-Gesetz) schafft die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen für die staatlich anerkannte E-ID. Die spezifischen Bedingungen für E-Government-Anwendungen wie das E-Voting oder das elektronische Patientendossier werden in einem zweiten Schritt in anderen Gesetzen und Verordnungen geregelt.
Wie bekommt man eine E-ID?
Der Bund will sich nicht selbst um die Herausgabe der E-ID kümmern, sondern er plant, diese Aufgabe an Private auszulagern. Erfüllt ein Unternehmen die Auflagen, anerkennt der Bund dieses als «Identitätsdienstleister».
Wer eine elektronische Identität möchte, kann diese künftig bei einem solchen Identitätsdienstleister beantragen. Diese Firma leitet die Anfrage an den Bund weiter, der die Identität des Antragstellers überprüft: In einem ersten Schritt anhand von Name, Vorname und offiziellen Ausweisdokumenten, in einem zweiten Schritt über weitere persönliche Fragen, zum Beispiel nach dem Vornamen und Ledignamen der Mutter und deren Geburtsdatum.
Der Antragsteller muss via Smartphone das Einverständnis dazu geben, dass der Bund seine Daten an den Aussteller der E-ID weiterleitet. Auch später muss der Nutzer jedes Mal, wenn er sich mit der E-ID irgendwo einloggt, in die Übermittlung seiner Daten einwilligen.
Als Trägermittel für die E-ID kommen verschiedene Varianten infrage, zum Beispiel das Smartphone, eine virtuelle Datenwolke oder eine Chipkarte. Um die Personendaten zu schützen, wird es den Anbietern der E-ID verboten sein, mit den Daten Handel zu betreiben.
Wie sicher ist die elektronische Identität?
Je nach Art der Daten, die mit der elektronischen Identität abgefragt werden sollen, wird es drei unterschiedliche Sicherheitsniveaus geben. Für Einkäufe dürfte das niedrige Schutzniveau reichen, für E-Government-Aufgaben wie beispielsweise die Abfrage des elektronischen Patientendossiers wird das höchste Schutzniveau gelten.
Wer wird die Kontrolle über die E-ID haben?
Das E-ID-Gesetz sieht vor, dass es mehrere E-ID-Anbieter geben kann. Ein faktisches Monopol kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, weil sich ein derart starkes Konsortium aus 20 wichtigen Schweizer Firmen gebildet hat. Es heisst Swiss Sign Group, seine E-ID «SwissID». Im Moment ist die SwissID zwar noch nicht staatlich anerkannt, aber vor allem dank den Postkunden nutzen bereits fast 800000 Personen ein SwissID-Login. In den nächsten Monaten können auch die Hunderttausenden Swiss-Pass-Inhaber, die ein Abonnement des öffentlichen Verkehrs besitzen, zu SwissID-Nutzern werden.
(https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/datenschutz-firmen-konsortium-will-macht-ueber-private-daten-ld.1486159)
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Sonntagszeitung 02.06.2019
Wie die 5G-Verschwörer ihr Netz auswerfen
Vor allem in den sozialen Medien werden die Ängste gegen den neuen Mobilfunkstandard geschürt. Dabei steht einiges auf dem Spiel.
Andreas Tobler
Diesen Sommer will der Bund eine Studie mit Fakten zum neuen Mobilfunkstandard 5G veröffentlichen. Zu welchen Ergebnissen sie kommt, ist noch nicht bekannt. Aber die junge Frau im Youtube-Video, das in wenigen Wochen über 100’000-mal angeklickt wurde, wähnt sich offensichtlich im Vollbesitz allen Wissens – und macht es kurz: «Da wird man gegrillt», sagt sie, als sie nach den Auswirkungen von 5G gefragt wird.
Die junge Frau, die im Schneidersitz auf einem Sofa sitzt und im rosafarbenen Pulli mit Schmetterlingsmotiv so wirkt, als habe sie jemand auf grösstmögliche Unschuld getrimmt, ist nicht irgendwer, sondern Christina von Dreien: Die 18-Jährige ist eine Art Greta Thunberg der deutschsprachigen Esoterik-Szene – mit grosser Gefolgschaft, zwei Buchbestsellern und Vorträgen, zu denen der Eintritt 180 Franken kostet.
Vor zwei Wochen wollte von Dreien in Bern einen Flashmob, also einen spontan wirkenden Menschenauflauf gegen die Einführung des Mobilfunkstandards veranstalten – mit der Parole «Von 5G nach 5D». Dazu kam es nicht: Da gleichentags der Fussball-Cupfinal stattfand, zog die Toggenburgerin das Gesuch bei der Berner Gewerbepolizei für ihre Demonstration zurück.
Auch in Zürich konnte keine Halle für «ein physisches Treffen» gefunden werden, heisst es in einem Newsletter von Dreiens. Stattdessen sollten ihre Anhänger einen Brief beim Bundeshaus abgeben, in dem «umgehend» der Stopp der vermeintlich illegalen 5G-Antennen gefordert wird. Zudem sollte von Dreiens Gefolgschaft um 17 Uhr meditieren, damit «eine spirituelle Lichtwelle» von Zentraleuropa ausgehen könne.
Christina von Dreiens Aussagen – wie auch ihr Erfolg auf Youtube – sind symptomatisch: Seit Monaten tobt in der Schweiz ein eigentlicher Informationskrieg rund ums Thema 5G, der von den Anbietern mit aussergewöhnlich grossen Werbebudgets bestritten wird – um dem Technologieüberdruss, den Ängsten vor Gesundheitsrisiken, der Digitalisierung oder einer totalen Überwachung begegnen zu können. Selbst Letztere sind gross: So wurde unlängst über Spionagerisiken spekuliert, da Sunrise beim Ausbau auf 5G auf den chinesischen Marktführer Huawei setzt, während Swisscom und Salt mit dem schwedischen Anbieter Ericsson aufrüsten wollen.
Aber nirgendwo erhalten die Ängste vor 5G so viel Nahrung wie in den sozialen Netzwerken und auf Youtube. Dort skizziert Christina von Dreien in wenigen Minuten ein Horrorszenario: Der neue Mobilfunkstandard sei «komplett gesundheitsschädigend», unsere «Schwingungen», «Chakren» und «Emotionalkörper» würden manipuliert – wie auch unser Denken. Die Handys könnten bereits heute unsere Gedanken lesen, ohne dass wir diese je ausgesprochen oder formuliert haben. Mit der Einführung von 5G werde alles noch viel schlimmer. Davon ist von Dreien, die eigentlich Christina Meier heisst, überzeugt.
Eine unter vielen
Von Dreien ist mit ihren Theorien nicht allein: Gibt man auf Youtube «5G» als Suchbegriff ein, erscheinen – in der Regel – unter den ersten zehn Ergebnissen mehrheitlich Videos, die in alarmistischen Tönen vor der neuen Mobilfunkgeneration warnen und die dafür die abstrusesten Theorien verbreiten: Nanoroboter sollen mit 5G in unser Gehirn eingepflanzt werden, um eine totale Versklavung der Menschheit herbeizuführen – im Auftrag der «Kabalen», also irgendwelcher Drahtzieher.
So zumindest ein Youtube-Video, in dem ein Artikel des Verschwörungstheoretikers Jan Walter vorgelesen wird, der die Seite www.legitim.ch betreibt. Weit über 170’000-mal wurde die Lesung von Walters Text angeklickt. Traditionelle Informationssendungen haben mit ihren 5G-Beiträgen auf Youtube nur einen Bruchteil dieser Reichweite.
Auf der weltgrössten Videoplattform wird also kaum zur Kenntnis genommen, dass im SRF-Gesundheitsmagazin «Puls» festgehalten wurde, dass es keine wissenschaftlichen Studien gibt, die negative Auswirkungen von 5G belegen können. Obwohl der «Puls»-Beitrag auf Youtube verfügbar ist.
Gewiss, das lineare Fernsehen und die Zeitungen übertreffen noch immer die Reichweite der erwähnten Youtube-Videos. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass in den sozialen Medien mächtige Gegenöffentlichkeiten entstanden sind, die Ängste schüren und Zweifel säen. Und dass diese Zweifel und Ängste leichter gestreut als wieder aus der Welt geschafft werden können.
Verbreiten die Russen gezielte Desinformationen zu 5G?
Paradoxerweise machen die Verschwörungstheoretiker vor allem jenen das Leben schwer, die eine rasche Einführung von 5G übereilt finden, die sich um Alternativen und um eine wissenschaftlich fundierte Diskussion bemühen. «Wir müssen uns immer abgrenzen, was schwierig ist», sagt Thomas Hardegger.
Der SP-Nationalrat will erreichen, dass Alternativen zum 5G-Mobilfunk verfügbar sind, etwa mithilfe von WLAN. «Die Aktivitäten der Verschwörungstheoretiker in den sozialen Netzwerken machen es extrem einfach, unsere Anliegen in eine bestimmte Ecke zu stellen, womit nicht zuletzt verhindert wird, dass die wirklich Betroffenen, die elektrosensiblen Menschen, von den Mobilfunkanbietern ernst genommen werden.»
Ähnlich sieht die Sache Peter Kälin, der Präsident des Vereins Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, der in der beratendenExpertengruppe des Bundesamts für Umwelt (Bafu) Einsitz hat. «Die Verschwörungstheoretiker sind eine kleine Minderheit, mit der wir nichts zu tun haben wollen», sagt Kälin. «Wir setzen uns für die Erhaltung des heutigen Schutzniveaus ein, ausserdemfür eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung allfälliger gesundheitlicher Folgen der kaum untersuchten Technologien, welche bei 5G zur Anwendung kommen.»
Verschwörungstheorien rund um den Mobilfunk sind keine Schweizer Besonderheit. Und sie sind auch kein Novum. Neu ist nur, dass sie in den sozialen Medien stark zirkulieren. Inzwischen gibt es gar Hinweise, dass die Theorien bewusst verbreitet werden, um die Diskussion zum Entgleisen zu bringen: Weil sie in Sachen 5G hinterherhinken, würden die Russen über Sender wie RT America gezielte Desinformationen zum neuen Mobilfunkstandard pushen. Mit dem Ziel, dass sich die demokratischen Staaten an Diskussionen über den Einfluss von 5G auf die Umwelt und die Gesundheit zerreiben. So zumindest ein Bericht der «New York Times».
Die Zahl besorgter Anfragen scheint vernachlässigbar
Die Gegenöffentlichkeiten sind nicht zuletzt deshalb so beunruhigend, weil sie sich einer offenen Diskussion bewusst entziehen: Fragen dieser Zeitung zu 5G beantwortete Christina von Dreien nicht. Das Misstrauen der Anhänger von Verschwörungstheorien scheint zudem so gross, dass sie keinen Kontakt mehr zu den öffentlichen Institutionen suchen: Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) hat seit Anfang Februar insgesamt nur rund 300 Anfragen von besorgten Bürgern zu 5G erhalten. Ähnlich sieht es beim Bundesamt für Umwelt aus: Gut 400 schriftliche Anfragen trafen dort seit September 2018 ein.
Vergleichbar scheint die Situation bei den zukünftigen 5G-Anbietern zu sein: Die Anfragen bewegen sich «im Rahmen des Angemessenen», heisst es bei Salt. Auf eine Anfrage von besorgten Bürgern kämen fünf, die sich danach erkundigen, «wann und wo von 5G profitiert werden kann», schreibt Sunrise. Von einer «Kontroverse in einem ähnlichen Ausmass» wie bei der Einführung von 3G im Jahr 2004 spricht die Swisscom.
Auch wenn in den letzten Monaten eine Zunahme von Zuschriften zu verzeichnen ist, in denen Ängste vor dem Mobilfunk ein Thema sind, scheint ihre Zahl, zumindest bei den offiziellen Stellen, vernachlässigbar angesichts von über elf Millionen Mobilfunkanschlüssen – und Hunderttausenden Klicks auf Youtube-Videos, die nur ein Ziel haben: Die Köpfe ihrer Zuschauer in Beschlag zu nehmen.
–
Wie gefährlich ist 5G?
Es ist unbestritten, dass elektromagnetische Strahlung mit dem menschlichen Gewebe interagiert und dieses aufheizt. Dieser Effekt ist allerdings beim Handy um ein Vielfaches stärker messbar als bei der Strahlung von Antennen.
Ändert sich das nach der Einführung von 5G? Eigentlich sollte der neue Mobilfunkstandard weniger Strahlung produzieren als die Vorgängernetze: Die Daten sind kompakter verpackt, und die Antennen strahlen fokussierter, was Nichtnutzer deutlich weniger belastet. Es werden für ein 5G-Netz allerdings mehr Antennen benötigt. Die Frage, wie sich hochfrequente Strahlung – die auch bei 5G angewandt wird – auf die Gesundheit von Mensch und Tier auswirkt, kann zurzeit nicht abschliessend beantwortet werden: Es fehlen die Langzeituntersuchungen.
Sehr gut erforscht sind dagegen die Effekte der tieferen Frequenzbereiche älterer Mobilfunkstandards. In den letzten 20 Jahren wurden dazu Tausende wissenschaftliche Studien publiziert. Ein Zusammenhang zwischen elektromagnetischer Strahlung und Krankheiten wie zum Beispiel Krebs konnte dabei nicht belegt werden.
(https://www.tagesanzeiger.ch/sonntagszeitung/wie-die-5gverschwoerungstheoretiker-ihr-netz-auswerfen/story/24309687)
—
Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel