Medienspiegel 20. Januar 2019

+++SCHWEIZ
Flüchtlingshelferin Anni Lanz: Förderung der rechtswidrigen Einreise
Anni Lanz hätte einem Asylsuchenden auch helfen können, ohne ihn in die Schweiz zu bringen: Diesen Schluss zieht das Bezirksgericht Brig in seinem schriftlichen Urteil. Der Afghane beging derweil nach seiner Ausschaffung erneut Suizidversuche.
https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/fluechtlingshelferin-anni-lanz-foerderung-der-rechtswidrigen-einreise-133981340

+++MITTELMEER
170 Menschen sind in diesen Tagen im Mittelmeer ertrunken. Und die nächste Katastrophe ist schon absehbar, denn in Libyen geht niemand ans Telefon
In diesen Tagen sind vor der libyschen Küste 170 Migranten ertrunken. Ein weiteres Boot mit über 100 Passagieren befand sich am Sonntag in schwerer Seenot. Die libysche Küstenwache reagiert nicht.
https://www.nzz.ch/international/keiner-geht-ans-telefon-neue-tragoedien-auf-dem-mittelmeer-ld.1453080
-> https://www.bernerzeitung.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/keine-helfer-mehr-weit-und-breit/story/28919990
-> https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/dieser-zynismus-vor-den-toren-europas/story/17284963

Seenotretter müssen dem Sterben zusehen
2.000 Menschen protestieren in Barcelona für das Auslaufen der Hilfsorganisation »Proactiva Open Arms« / 117 Menschen vor der libyschen Küste ertrunken
Geflüchtete ertranken am Freitag vor der libyschen Küste. Jenes Gebiet im Mittelmeer, wo die Hilfsorganisation »Proactiva Open Arms« eigentlich Schiffbrüchige rettet. Doch die Seenoretter liegen weiterhin zwangsweise vor Anker.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110369.proactiva-open-arms-seenotretter-muessen-dem-sterben-zusehen.html

Bis zu 170 Flüchtlinge ertrunken – Friedhof Mittelmeer
Und wieder sterben Menschen im Mittelmeer – bis zu 170 Tote könnten es alleine an diesem Wochenende sein. Italiens Innenminister Salvini gibt privaten Hilfsorganisationen Schuld.
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/fluechtlingsschiffe-im-mittelmeer-verunglueckt-mehrere-tote-100.html
-> Info-Updates: https://twitter.com/alarm_phone
-> http://taz.de/Verunglueckte-Boote-im-Mittelmeer/!5566610/

Orlando gegen Salvini: Palermo bereit, die Geflüchteten aufzunehmen
Nach der jüngsten Schiffstragödie vor der libyschen Küste hat der Bürgermeister von Palermo Leoluca Orlando erklärt, dass die Stadt bereit sei, die von der Sea Watch 3 geretteten Boat-people aufzunehmen. „Jetzt, da dank der Humanität der NGOs und dank des Engagements der Männer und Frauen der Sea Watch erneut Dutzende von Menschen gerettet werden konnten, wünsche ich mir, dass sich das beschämende Hin und Her, das wir in der Silvesternacht erlebt haben, nicht wiederholt und die Schiffbrüchigen, wie es das Völkerrecht verlangt, schnell in einem sicheren Hafen anlegen können.“
https://ffm-online.org/orlando-gegen-salvini-palermo-bereit-die-migrantinnen-aufzunehmen/

56 Menschen im Mittelmeer ertrunken – 117 weitere vermisst
Bei einem Bootsunglück zwischen Marokko und Spanien sind Dutzende Menschen gestorben. Vor Libyen sank zudem ein Schlauchboot mit 120 Passagieren.
https://www.tagesspiegel.de/politik/flucht-aus-afrika-56-menschen-im-mittelmeer-ertrunken-117-weitere-vermisst/23886850.html
-> https://www.derbund.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/117-tote-bei-schiffsunglueck-vor-libyen-befuerchtet/story/16257033
-> https://de.euronews.com/2019/01/20/keine-hilfe-migranten-ertrinken-im-mittelmeer

+++ALGERIEN
Boat-people: EU hat Druck auf Algerien verschärft
In den letzten Tagen haben in Algerien große Konferenzen zu algerischen Harragas und zu Boat-people stattgefunden, die sich im algerischen Transit befunden hatten. Der algerische Innenminister leitete eine entsprechende Konferenz mit Polizeien und Politikern,  dort stand die verschärfte Kontrolle der Fischerboote, der Bootsmotoren und der digitalen Kommunikation der Jugendlichen auf dem Programm. Auf universitären Konferenzen wurden hingegen auch die sozialen Beweggründe und die EU-bestimmte Abschaffung der Bewegungsfreiheit durch Schengen und die Visapolitik thematisiert. Benannt wurde ausserdem, dass die EU starken Druck auf Algerien ausübt, damit das Land reguläre Abschiebegefängnisse und Hot-Spot-Lager nach EU-Vorbild errichtet. Die algerische Regierung lehnt nach wie vor ab und ist stattdessen zu Massenabschiebungen Richtung Niger übergegangen. Von dort werden Transitgeflüchtete und Migrant*innen mehrheitlich wieder an die Mittelmeerküsten wiederkommen.
https://ffm-online.org/boat-people-eu-hat-druck-auf-algerien-verschaerft/

+++LIBANON
Libanons Präsident fordert Unterstützung für Rückkehr von Syrern
Libanons Präsident Michel Aoun hat die Weltgemeinschaft aufgerufen, seinem Land bei der Rückführung syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat zu helfen.
https://www.tagblatt.ch/newsticker/international/libanons-prasident-fordert-unterstutzung-fur-ruckkehr-von-syrern-ld.1086891

+++FREIRÄUME
Einen Platz für den Pantographen
http://www.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2019-01-19#chapter-ce901f5b-5b1b-4d6e-b454-849500aeec8f
-> https://pantographe.info/

+++DEMO/AKTIION/REPRESSION
Urteilsverkündung Basel18
Mit dem Konstrukt der “Mittäterschaft” versucht die Staatsanwaltschaft, die 18 Angeklagten am 25. Januar 2019 zu harten Strafen verurteilen zu lassen.
https://barrikade.info/Urteilsverkundung-Basel18-1803

Bilder der Anti-WEF Demonstration 2019 aus Bern
Am Samstag, den 19. Januar 2019, trafen sich gut 1000 Menschen um gegen das World Economic Forum, welches wie jedes Jahr in Davos stattfindet, zu demonstrieren. Lautstark wurde der Protest gegen das WEF, welches dieses Jahr unter anderem vom faschistischen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro besucht wird. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit genutzt, um über die aktuelle Lage in Rojava zu berichten, eine Grussbotschaft von Genoss*innen wurde verlesen.
https://www.ajour-mag.ch/anti-wef-demonstration-2019-in-bern/

Bilder vom #Womensmarch2019 in Zürich
Am Samstagabend, dem 19. Januar 2019, trafen sich gut 3000 Menschen zum #Womensmarch2019 auf dem Helvetiaplatz in Zürich, um für Frauen*rechte und gegen Gewalt an Frauen* zu demonstrieren. Zusätzlich wurde über die aktuelle Lage von Leyla Güven informiert. In die Demo reihte sich auch ein grosser Frauen*streik-Block ein.
https://www.ajour-mag.ch/womansmarch2019-in-zurich/

+++POLICE BE
Umstrittenes neues Polizeigesetz
Im Berner Kantonsparlament fand das neue Polizeigesetz eine satte Mehrheit. Am 10. Februar wird der Erlass dem Volk vorgelegt – denn Linke und Fahrende haben mit Erfolg das Referendum ergriffen.
https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/umstrittenes-neues-polizeigesetz/story/28109516
-> https://www.derbund.ch/meinungen/die-freie-meinung-geht-so-schnell-nicht-vor-die-hunde/story/28050585

+++POLIZEI BS
JSVP-Polizist, Schengen und Frauen für Zersiedelungsinitiative
Sibel Arslan, Sebastian Frehner und Nadine Gautschi diskutieren über den JSVP-Polizisten, Schengen und über Frauen für die Zersiedelungsinitiative.
https://telebasel.ch/2019/01/18/jsvp-polizist-schengen-und-frauen-fuer-zersiedelungsinitiative/?utm_source=lead&utm_medium=grid&utm_campaign=pos%200

+++ANTIFA
Wegen Rassenhass: Alain Soral wird weggesperrt
Der schweizerisch-französische rechtsextreme Essayist Alain Soral ist in Frankreich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.
https://www.infosperber.ch/Artikel/FreiheitRecht/Wegen-Rassenhass-Alain-Soral-wird-weggesperrt

SVP-Werber Segert involviert: Liste von AfD-Spendern wird länger
In der Affäre um Spenden an die AfD prüft der deutsche Bundestag eine weitere Liste mit Namen von angeblichen Unterstützern. SVP-Werber Alexander Segert ist auch darunter.
https://www.blick.ch/news/politik/svp-werber-segert-involviert-liste-von-afd-spendern-wird-laenger-id15126871.html
-> https://www.derbund.ch/ausland/europa/geld-aus-der-schweiz-auch-an-afd-landtagskandidaten/story/17602933

+++ANTI-PATRIARCHAT
Umstrittener Intellektueller: Ein Wanderprediger auf der Durchreise
Vor dem Zürcher Volkshaus demonstrieren Aktivisten gegen den umstrittenen Intellektuellen Jordan Peterson, drinnen lauschen seine Jünger andächtig seinen Worten.
https://www.blick.ch/news/schweiz/umstrittener-intellektueller-ein-wanderprediger-auf-der-durchreise-id15126467.html
-> https://www.watson.ch/wissen/forschung/386886275-er-sieht-unterdrueckt-und-glaubt-das-frueher-gluecklicher-waren-jordan-peterson

+++AUSSCHAFFUNGEN
– augenauf-Bulletin Nr. 99 Dez 2018 –
29-JÄHRIGER TOT – KEINER IST SCHULD
Niemand ist schuld am Tod des Nigerianers, der während der Fesselungsprozedur am 17. März 2010 starb. Alle Verfahren sind eingestellt.

März 2010: Joseph Chiakwa ist eingesperrt im Flughafengefängnis Kloten 2. Seit Längerem ist er im Hungerstreik aus Protest gegen die angedrohte Ausschaffung. Er hat 30 Kilo verloren und wiegt noch ganze 60 Kilogramm. Ohne Vorwarnung erhält er am 17. März Besuch in der Zelle. Er wird einer Leibesvisitation unterzogen und anschliessend gefesselt in einen Gefangenentransporter gebracht. Nach wenigen Minuten Fahrt erreicht er die Halle, in der die Kantonspolizei Zürich mehrere Afrikaner für den Charterflug vorbereitet. Eine ganze Reihe von an Händen, Füssen, Armen und Beinen an spezielle Rollstühle gefesselte Männer warten dort. Einige tragen zusätzlich einen Helm und man hat ihnen ein Netz als Spuckschutz über den Kopf gestülpt.

Die Polizist*innen fangen an, auch Joseph Chiakwa entsprechend zu fesseln. Dieser wehrt sich ein letztes Mal. Mehrere Beamt*innen drücken ihn auf den Boden und überwältigen ihn. Chiakwa wehrt sich nicht mehr. Er wird auf den Stuhl gefesselt, sein Kopf hängt vornüber. So gefesselt wird er in einen Nebenraum gefahren. Man wartet auf das medizinische Begleitpersonal.

Der Patient wird voll gefesselt untersucht

Einige Minuten später trifft der Sanitäter in der Halle ein. Sein Ausweis wird kontrolliert, sein Gepäck ebenfalls. Danach wird er zum Patienten geführt, den er voll gefesselt untersucht. Nach einigen Minuten stellt er fest, dass kein Puls mehr zu spüren ist. Erst jetzt wird die Polizei angewiesen, das Netz und den Helm wegzunehmen, Chiakwa die Fesseln zu lösen und ihn auf den Boden zu legen. Nach einer halben Stunde Reanimationsversuchen wird der 29-Jährige für tot erklärt.

In der folgenden Untersuchung werden die Beteiligten kurz befragt. Eine Obduktion wird veranlasst. Das Zürcher Institut für Rechtsmedizin (IRM) befindet, Chiakwa sei an einer angeborenen Herzmuskelerkrankung gestorben. Hungerstreik und Stress der Ausschaffung werden als auslösende, aber nicht ursächliche Faktoren bezeichnet. Auf das Verlangen des Anwalts der Angehörigen, die letzte Stunde vor dem Tod des Opfers zu rekonstruieren, wird weder von der Rechtsmedizin noch von der Staatsanwaltschaft eingegangen. Der Anwalt kritisiert den Befund scharf; er wird unterstützt durch einen namhaften Kardiologen. Neben diversen fachlichen Fragen wird auch auf eine mögliche Befangenheit des Zürcher Instituts hingewiesen.

«Den sterbenden Schwan spielen»

In der Folge wird ein zweites Gutachten beim IRM Giessen in Auftrag gegeben. Dieses bestätigt zwar eine Herzerkrankung – allerdings eine andere als die Zürcher Kollegen. Die beiden Gutachten widersprechen sich im zentralen Befund. Die Staatsanwaltschaft lässt sich dadurch nicht irritieren und stellt das Verfahren im Januar 2012 ein. Fragen zum genauen Ablauf des Geschehens werden vom Tisch gewischt. Es scheint kein Grund zur Irritation zu sein, dass Chiakwa passiv mit hängendem Kopf auf einen Stuhl gefesselt und bis zum Eintreffen des Sanitäters in einem Nebenraum parkiert wurde. Angeblich seien Puls und Atem kontrolliert worden – es bleibt unklar, ob mit oder ohne Handschuhe. Ein Beamter sagt explizit aus, afrikanische Ausschaffungshäftlinge würden eben gerne den «sterbenden Schwan spielen».

Die Beschwerde des Anwalts gegen die Einstellung des Verfahrens wird vom Obergericht Zürich im Dezember 2013 gutgeheissen. Das Verfahren geht an die Staatsanwaltschaft I, die für Ermittlungen gegen Beamt*innen zuständig ist. In der Folge werden endlich vertiefte Einvernahmen mit den beteiligten Beamt*innen und Angestellten des Gefängnisses durchgeführt.

Doch der Untersuchungsrichter hat keine Eile: Erst im August 2015 werden die beteiligten Polizist*innen befragt, also mehr als fünf Jahre nach dem Geschehen. Einmal mehr hat die Zürcher Justiz so eine Ermittlung gegen Polizeibeamt*innen systematisch und gründlich verschlampt. Die Untersuchung konzentriert sich auf die Frage, ob und wie die Information des durch den Hungerstreik geschwächten Zustandes von Joseph Chiakwa zu den ausführenden Beamt*innen hätte gelangen sollen. Sie zeigt ein Bild von diversen Akteurinnen und Akteuren, die letztendlich alle nichts wissen wollten oder sagen konnten. Die geteilte Verantwortung führt letztlich zur Verantwortungslosigkeit aller. Das Verfahren wird im Frühjahr 2018 erneut eingestellt. Wegen Aussichtslosigkeit wird auf eine weitere Beschwerde verzichtet.

augenauf Zürich

Ein Dossier zum Tod von Joseph Chiakwa finden Sie unter
https://www.augenauf.ch/dossiers/70-ausschaffungen/125-joseph-
ndukaku-chiakwa-alias-alex-khamma.html

Fotos:
Ein Auszug aus dem Handbuch des Schreckens:
Minutiös werden alle Schritte festgelegt und festgehalten, wie ein Mensch als Paket auf dem Spezial-Rollstuhl verschnürt werden muss. Die polizeiliche Dokumentation umfasst insgesamt über 60 Bilder. (Quelle: Handbuch der Kantonspolizei Zürich zur Fesselungsmethode)


Aus: augenauf-Bulletin Nr. 99 Dez. 2018
https://www.augenauf.ch/images/BulletinProv/BulletinNr.99Dez2018.pdf