Medienspiegel: 22. Januar 2017

+++AARGAU
35 statt 10 Tonnen Hilfsgüter: Marit Neukomm wird von Spendenwelle überrollt
Erst kannte kaum jemand ihren Verein. Doch seit Marit Neukomm den Titel «Aargauerin des Jahres» verliehen bekam, wird sie mit
Hilfsgütern regelrecht überhäuft. Dass das nicht nur ein Segen ist,
zeigt ein Besuch bei der Flüchtlingshelferin aus Oberentfelden.
http://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/35-statt-10-tonnen-hilfsgueter-marit-neukomm-wird-von-spendenwelle-ueberrollt-130869379

+++LUZERN
Junge Luzerner engagieren sich im Asylbereich: Auf Pirsch mit der
Pfadi für Flüchtlingskinder
So geht Integration: Junge Luzerner haben für Kinder aus dem
Asylzentrum Hirschpark eine Pfadi gegründet. Jeden zweiten Sonntag gibt’s Programm. Pfasyl ist vor knapp einem Jahr gestartet und hat schweizweit Pioniercharakter. Die Aufmerksamkeit, die sie bekommen, hilft den Engagierten. Wenn da nur die Selbstüberschätzung nicht wäre.
http://www.zentralplus.ch/de/news/gesellschaft/5521098/Auf-Pirsch-mit-der-Pfadi-f%C3%BCr-Fl%C3%BCchtlingskinder.htm

+++ZÜRICH
Flüchtlinge: Der Ansturm der Freiwilligen
Die Asyl-Organisation Zürich professionalisiert die
Freiwilligen-Arbeit. Andere Gemeinden zahlen für Vermittlung.
http://www.schweizamsonntag.ch/ressort/zuerich/fluechtlinge_der_ansturm_der_freiwilligen/

+++SCHWEIZ
Zahl der Sonderflüge für Ausschaffungen ist letztes Jahr gestiegen
Die Zahl der Sonderflüge für Ausschaffungen aus der Schweiz ist im
vergangenen Jahr auf 67 gestiegen. Mit einem solchen Flug das Land verlassen mussten 341 Menschen.
http://www.basellandschaftlichezeitung.ch/schweiz/zahl-der-sonderfluege-fuer-ausschaffungen-ist-letztes-jahr-gestiegen-130870582
->
https://www.cash.ch/news/politik/zahl-der-sonderfluge-fur-ausschaffungen-ist-letztes-jahr-gestiegen-1034565
->
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/zahl-der-sonderfluege-fuer-ausschaffungen-steigt/story/29316772

Zentralschweiz am Sonntag 22.01.2017

Mehr Sonderflüge für Ausschaffungen

Bern · Erwartet der Bund starken körperlichen Widerstand, chartert er für abgewiesene Asylbewerber Sonderflüge. 2016 hat er das so oft gemacht wie nie in den letzten Jahren.

Von Kari Kälin

Der Bund hat 2016 in 67 Sonderflügen 341 abgewiesene Asylbewerber und Ausländer ohne Aufenthaltsrecht ausgeschafft. Das sind 22 Flüge und 113 Personen mehr als 2015, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage mitteilt. Noch 2010 organisierte der Bund nur 27 Sonderflüge, in denen er 136 Personen in ihr Heimatland zurückschickte. «Der Grund für die Zunahme im letzten Jahr ist die verstärkte Beteiligung der Schweiz an EU-Sammelflügen», sagt SEM-Sprecher Lukas Rieder. Die Schweiz spannt bei den Zwangsausschaffungen mit der EU zusammen. Sie begleitet zum Beispiel wegzuweisende Ausländer in eine europäische Stadt. Von dort aus erfolgt dann der Rückflug ins Heimatland.

Sonderflüge sind die härteste Massnahme im Vollzug. Der Bund chartert sie nur bei renitenten Personen, welche die Schweiz nicht freiwillig verlassen. Sie stemmen sich voraussichtlich derart heftig mit Händen und Füssen gegen die Ausschaffung, dass diese in einem Linienflug verunmöglicht wird. Solche unangenehmen Reisen gehen ins Geld, zumal pro Flug durchschnittlich lediglich fünf Ausschaffungskandidaten an Bord sind. 2015 verursachten die Sonderflüge Kosten von knapp 2,6 Millionen Franken. Das sind rund 11 000 Franken pro rückzuführende Person. Die Zahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor. Einige nutzen die Schwachstellen des Systems geschickt aus. So hat es ein Algerier mit zahlreichen Verzögerungsmanövern geschafft, bis heute
in der Schweiz zu bleiben. Dabei wurde sein Asylgesuch schon vor bald 14 Jahren abgelehnt, wie aus einem aktuellen Urteil des Bundesgerichts hervorgeht.

Ausschaffung erfolgreich verzögert
ASYL ⋅ Er sass mehrfach in Ausschaffungshaft, tauchte mehrfach unter, legte mehrfach Beschwerde ein: Seit 14 Jahren widersetzt sich ein abgewiesener Asylbewerber aus Algerien seiner Wegweisung. Die Behörden werden zu ohnmächtigen Zuschauern degradiert.
http://www.tagblatt.ch/nachrichten/schweiz/Ausschaffung-erfolgreich-verzoegert;art253650,4884437

Sonntagszeitung 22.01.2017

Asylstatistik widerlegt die Behauptungen der SVP

145 Flüchtlinge reisten im vergangenen Jahr verbotenerweise in ihr
Heimatland. Unter ihnen waren nur gerade 6 Eritreer

Von Dominik Balmer

Zürich – Die eritreeischen Flüchtlinge in der Schweiz stehen unter
Generalverdacht. Vor allem SVP-Politiker behaupten, die Ostafrikaner würden sehr oft verbotenerweise in ihr Heimatland zurückreisen. Doch jetzt nähren neue Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) erhebliche Zweifel an dieser Behauptung.

Wenn sich ein anerkannter Flüchtling in seinen Verfolgerstaat begibt, können die Schweizer Behörden das Asyl widerrufen und den Status als Flüchtling aberkennen. Denn dann ist davon auszugehen, dass er nicht mehr gefährdet oder verfolgt ist.

Wie neue Zahlen zeigen, leitete das SEM im Jahr 2016 in 145 Fällen ein solches Aberkennungsverfahren erfolgreich ein. In der Statistik
tauchen die Eritreer allerdings erst auf der fünften Position auf: Es
gab nur gerade 6 Verfahren, ein Jahr davor waren es 7.

Weit häufiger sind Flüchtlinge aus anderen Asylländern ins Netz
gegangen. Im Jahr 2016 entlarvten die Behörden 33 Fälle bei Irakern, 25 bei Bosniern, 17 bei Vietnamesen und 9 bei Türken.

Immerhin ist einzuwenden, dass Fälle bei den Eritreern besonders
schwer aufzudecken sind, weil es keine Direktflüge in das Land gibt
und die Flüchtlinge – sofern sie mit eritreeischen Papieren reisen –
in der Regel an der Grenze keinen Stempel erhalten, der als Beweis
genutzt werden könnte.

«Es geht nicht um einzelne Fälle, es geht um Hunderte»

Trotzdem stehen ausnahmslos die eritreeischen Flüchtlinge in der
politischen Schusslinie. Eine Subkommission der
Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats hat sogar eine Untersuchung wegen solcher Heimatreisen von Eritreern eingeleitet. Das bestätigt GPK-Präsident und Nationalrat Alfred Heer (SVP). «Es geht nicht um einzelne Reisen, es geht um Hunderte von Verdachtsfällen», sagt er. Ins Detail gehen will Heer allerdings nicht.

Urheber der Untersuchung ist Heers Parteikollege Claudio Schmid,
Zürcher Kantonsrat. Er sagt, bei den Fällen handle es sich um
Asyldossiers aus seinem Kanton. Das zürcherische Migrationsamt habe diese nach Bern weitergeleitet – mit dem Hinweis, es seien verdächtige Fälle. Das SEM habe geantwortet, das Phänomen sei bekannt, man könne aber nichts machen. Also habe er die Fälle der GPK unterbreitet. Schmid sagt, es gebe Belege, dass die Eritreer in ihr Heimatland gereist seien. Es seien Fälle vom Flughafen Zürich.

Der Sprecher des Zürcher Migrationsamts, Marc Schmid, will das nicht bestätigen. Er sagt: «Wir melden unsere Verdachtsfälle an den Bund.» Und ob es Hunderte von solchen Fällen gegeben habe, die nicht näher untersucht worden seien, wisse er nicht. «Wir führen keine Statistik.» Insider beim SEM beteuern, die von Schmid und Heer genannten Zahlen seien «an den Haaren herbeigezogen».

Kommt hinzu, dass Eritreer für ihre Heimatreisen selten den Flughafen Zürich nutzen. Das bekräftigen mit der Materie vertraute Personen – auch der eritreeische Honorarkonsul Toni Locher. Aus der Schweiz sollen die Flüchtlinge mit dem Zug nach Mailand fahren und von dort mit Egypt Air weiter in den Sudan oder nach Eritrea fliegen. Recherchen zeigen, dass auch der Bundespolizei an deutschen Flughäfen bereits eritreeische Flüchtlinge aus der Schweiz ins Netz gegangen sind. Bundespolizei-Sprecher des Münchner und des Frankfurter Flughafens bestätigen das. «Wenn wir Belege haben für Heimatreisen, melden wir dies in die Schweiz», sagt der Münchner Sprecher Albert Poerschke. Aus «taktischen Gründen» will sich SEM-Sprecher Rieder nicht dazu äussern. Ebenfalls offen lässt er, ob die Polizei am Flughafen Zürich solche Verdachtsfälle an den Bund meldet.

Zumindest bei der GPK-Untersuchung soll in einem halben Jahr Klarheit herrschen. Heer will dann «erste Resultate» vorlegen. Und im Mai wird der Vernehmlassungsbericht zu einer Gesetzesverschärfung erwartet:
Darin schlägt der Bundesrat vor, in bestimmten Fällen das Reiseverbot für Flüchtlinge vom Verfolger- auf Nachbarstaaten auszudehnen. Bei den Eritreern wäre das der Sudan.

Nach Besuch im Heimatland: Das Bundesamt für Migration streicht 145 Flüchtlingen den Asylstatus
Eritreer sollen besonders häufig aus der Schweiz in ihr Heimatland
zurückreisen. Das ist Asylsuchenden untersagt. Nun zeigen neuste
Zahlen, die Behauptungen der SVP müssen stark angezweifelt werden.
http://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/nach-besuch-im-heimatland-das-bundesamt-fuer-migration-streicht-145-fluechtlingen-den-asylstatus-130869974
->
https://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/auf-party-in-eritrea-schlecht-fuers-leben-aber-gut-fuer-ferien-ld.140998

+++DEUTSCHLAND
Antirassismus ist gerade nicht hip genug
Proteste der deutschen Linken gegen Abschiebungen nach Kabul könnten breiter aufgestellt sein
Die Sammelabschiebung nach Afghanistan im Dezember führte zu einzelnen Demonstrationen. Eine große Protestwelle jedoch blieb aus. Nur in wenigen Städten stehen politische Gruppen kontinuierlich im Austausch mit Geflüchteten.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1039345.antirassismus-ist-gerade-nicht-hip-genug.html

Adecco erhält Aufträge zur Integration von Flüchtlingen
Der weltgrösste Stellenvermittler Adecco führt mehrere Projekte zur Integration von Flüchtlingen in Europa durch. Aufträge hierzu hat der Konzern aus Deutschland und Frankreich erhalten.
https://www.cash.ch/news/politik/adecco-mit-auftragen-zur-integration-von-fluchtlingen-1034548

+++FRANKREICH
In einem verlassenen Krankenhaus in Frankreich: Hier wohnen
Flüchtlinge und Einheimische unter einem Dach
In einem verlassenen Krankenhaus in Frankreich gibt es eine
unabhängige Gemeinschaft mit eigenen Jobs, Wohnungen und sogar einer eigenen Währung. Flüchtlinge, illegale Einwanderer und Einheimische leben hier friedlich zusammen.
http://www.blick.ch/news/ausland/in-einem-verlassenen-krankenhaus-in-frankreich-hier-wohnen-fluechtlinge-und-einheimische-unter-einem-dach-id6071852.html

+++BALKANROUTE
Dominoeffekt der Asylverschärfungen auf der Balkanroute
Slowenien will Asylwerber an der Grenze nach Kroatien zurückschicken. Rechtsexperten sehen das Gesetz kritisch
http://derstandard.at/2000051314738/Dominoeffekt-der-Asylverschaerfungen-auf-der-Balkanroute

Sie können weder weiter noch zurück
In der serbischen Hauptstadt Belgrad stecken Tausende Flüchtlinge fest – Hunderte suchen in Ruinen am Busbahnhof Zuflucht
In Serbien stecken 7500 Flüchtlinge fest, davon rund 700 unbegleitete Minderjährige. Viele suchen Zuflucht in den Ruinen hinter dem Belgrader Busbahnhof, nebenan entsteht ein Viertel für Betuchte.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1039404.sie-koennen-weder-weiter-noch-zurueck.html

+++GRIECHENLAND
Griechenland: Ein Herz für Flüchtlinge
Beheizte Container, aber der Toilettengang führt durch Eiseskälte:
Gerade im Winter bleibt die anhaltende Flüchtlingskrise in
Griechenland spürbar. Nicht nur eisige Temperaturen, sondern auch Gewalt untereinander setzt den Geflüchteten zu.
http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/griechenland-fluechtlinge-winter-100.html

Knackeboul: Schändlich verschwendetes Potenzial
In einem Flüchtlingslager trifft unser Kolumnist die Menschen hinter den Schlagzeilen. Wegen Hetze und Gleichgültigkeit geht in
Griechenland eine ganze Generation vor die Hunde, stellt er fest.
http://www.tageswoche.ch/de/2017_3/schweiz/740240/Sch%C3%A4ndlich-verschwendetes-Potenzial.htm

+++USA
US-Widerstand gegen Abschiebungen: Im Menschenschutzgebiet
Viele Städte und Landkreise in den USA widersetzen sich der nationalen Migrationspolitik. Trump will diesen „Sanctuary Cities“ an den Kragen.
http://taz.de/US-Widerstand-gegen-Abschiebungen/!5376204/

+++REPRESSION
Erdogan verlangt Rechtshilfe von der Schweiz – wegen Beleidigung
Der türkische Staatspräsident fordert, dass die Schweizer Behörden von ihm beschuldigte Personen vernehmen.
http://www.derbund.ch/sonntagszeitung/erdogan-verlangt-rechtshilfe-von-der-schweiz-wegen-beleidigung/story/13987856

Sonntagszeitung 22.01.2017

Die Schweiz darf nicht zum Handlanger von Erdogan werden

Fabian Eberhard warnt davor, dass der Bund den türkischen Machthaber bei seinem Feldzug gegen Andersdenkende unterstützt

Von Fabian Eberhard, Nachrichtenredaktor

Demagogen und Diktatoren zeichnen sich immer durch die gleiche
Charaktereigenschaft aus: ihre Dünnhäutigkeit. Der türkische
Machthaber Recep Tayyip Erdogan ist dauerbeleidigt.

Alleine in den letzten zwei Jahren hat er knapp 2000 Strafverfahren wegen «Präsidentenbeleidigung» angestrengt. Es braucht wenig, dass Erdogan sich persönlich gekränkt fühlt. Eine Karikatur etwa oder einen kritischen Facebook-Eintrag.

Jetzt hat die türkische Regierung ihren Feldzug gegen Gegner auch auf unser Land ausgeweitet. In mehreren Rechtshilfeersuchen fordert Ankara das Bundesamt für Justiz in Bern auf, Erdogan-Kritiker in der Schweiz zu vernehmen und Beweise gegen sie zu sammeln.

Das bringt den Bund in eine heikle Lage. Sind die Anschuldigungen auch hierzulande strafbar, muss die Schweiz der Türkei grundsätzlich Rechtshilfe gewähren. Dies dürfte der Fall sein, denn auch unser Strafgesetzbuch beinhaltet Ehrverletzungsdelikte und den Tatbestand der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts – ein veralteter Artikel, dessen Aufhebung das Parlament 2011 abgelehnt hat.

Trotzdem sollte die Schweiz sich davor hüten, auf die Gesuche
einzugehen. Die Verfahren sind reine Machtdemonstrationen. Helvetische Ermittler dürfen sich auf keinen Fall als Handlanger für Erdogans Kampf gegen Oppositionelle einspannen lassen.

Der Bund muss die Staatshilfe verweigern. Dabei kann er sich auf das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen berufen. Dieses erlaubt Ausnahmen, wenn sich das Ersuchen auf strafbare Handlungen bezieht, die nach schweizerischer Auffassung politischen Charakter haben. Genau das ist der Fall: Erdogan will Andersdenkende einschüchtern und mundtot machen. In der Türkei ist ihm das schon fast gelungen.

+++FREIFRÄUME
Rund 500 Menschen demonstrieren in Basel für günstigen Wohnraum
Rund 500 Menschen haben gemäss den Organisatoren am Samstagnachmittag in Basel gegen die Verdrängung von Mieterinnen und Mietern demonstriert. Anlass war eine im Herbst ausgesprochene Massenkündigung an der Mülhauserstrasse 26 durch die Pensionskasse Basel-Stadt, wie aus einer Mitteilung hervorgeht.
http://www.tageswoche.ch/de/2017_3/basel/740557/Rund-500-Menschen-demonstrieren-in-Basel-f%C3%BCr-g%C3%BCnstigen-Wohnraum.htm
->
https://telebasel.ch/2017/01/21/demonstration-gegen-massenkuendigung-und-mieterverdraengung/?channel=105100
->
http://bazonline.ch/basel/kurzmeldungen/Rund-500-Menschen-demonstrieren-fuer-guenstigen-Wohnraum/story/24616668

+++SOZIALES
Die Schweiz wird zum Sozialfall
Bis 2030 braucht es für die Betreuung von alten, behinderten oder
süchtigen Menschen 134’000 zusätzliche Stellen.
http://www.derbund.ch/sonntagszeitung/die-schweiz-wird-zum-sozialfall/story/31777120
->
http://www.srf.ch/news/schweiz/der-schweizer-sozialstaat-duerfte-stark-wachsen

+++JENISCHE/SINTI/ROMA
Fahrende in Bern-Buech warten auf ein Zeichen des neuen Gemeinderats
Der abgewählte Gemeinderat Alexandre Schmidt hatte den Fahrenden auf dem Standplatz Bern-Buech Hoffnung auf mehr Platz gemacht. Wie steht der neue Gemeinderat dazu?
http://www.derbund.ch/bern/stadt/fahrende-in-bernbuech-warten-auf-ein-zeichen-des-neuen-gemeinderats/story/22877957

+++RASSISMUS
Workshop gegen Vorurteile: Rassismus am eigenen Leib erfahren
In den 1960er-Jahren wollte US-Primarlehrerin Jane Elliott ihrer
Klasse zeigen, wie sich Diskriminierung anfühlt. Heute kämpfen
Erwachsene mit Elliotts Methode gegen Vorurteile.
http://www.srf.ch/kultur/wissen/rassismus-am-eigenen-leib-erfahren

+++KNAST
«Ein Gefängnis ist nie Kuscheljustiz»
Roland Zurkirchen leitet seit vier Jahren das Gefängnis Limmattal. Im Sommer wird er Direktor aller Zürcher Untersuchungsgefängnisse. Als neuer Chef möchte er die Haftbedingungen während der U-Haft verbessern. Mit Kuscheljustiz, betont er, habe das nichts zu tun.
http://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/ein-gefaengnis-ist-nie-kuscheljustiz

+++BIG BROTHER
E-Mails anonym verschlüsseln: ProtonMail geht ins Tor-Netz
Der verschlüsselnde Mail-Service ProtonMail lässt sich ab sofort als
Hidden Service im anonymisierenden Tor-Netzwerk nutzen.
https://www.heise.de/security/meldung/E-Mails-anonym-verschluesseln-ProtonMail-geht-ins-Tor-Netz-3604573.html

+++RACIAL PROFILING
Bundespolizei und Racial Profiling: Warum wird nur er kontrolliert?
Ein Mann soll sich ausweisen. Weil er schwarz ist, sagt er. Weil es
nach Marihuana riecht, sagt die Polizei. Unsere Autorin sagt als
Zeugin vor Gericht aus.
http://www.taz.de/Bundespolizei-und-Racial-Profiling/!5372692

+++POLICE CH
Drohnen auf der Abschussliste
Schweizer Polizeikorps fürchten sich vor Drohnen. Nun rüsten sie für die Abwehrschlacht am Himmel auf.
http://www.schweizamsonntag.ch/ressort/nachrichten/drohnen_auf_der_abschussliste/

+++POLIZEI SBB
SBB-Polizei nimmt über 2000 Personen fest
Die Präsenz der Transportpolizei hat markant zugenommen; die Anzahl von Festnahmen dementsprechend ebenso.
http://www.20min.ch/schweiz/news/story/SBB-Polizei-nimmt-ueber-2000-Personen-fest-11643801->
http://www.bernerzeitung.ch/schweiz/standard/sbbpolizei-immer-mehr-gefordert/story/26716208

NZZ am Sonntag 22.01.2017

Über 2000 Verhaftungen in Bahnhöfen und Zügen

Markant mehr Interventionen durch die SBB-Transportpolizei 2016
Die Transportpolizei der SBB legt ihre Einsatzstatistik für 2016
offen. Zur Zunahme der Zahl an Festnahmen von 24 Prozent gegenüber 2015 trugen auch «terroristische Herausforderungen» bei.

Stefan Bühler

Die rund 190 Polizistinnen und Polizisten der Transportpolizei haben letztes Jahr in Bahnen und Bahnhöfen 2063 Personen angehalten und an die zuständigen Polizeikorps der Städte oder Kantone übergeben. Im Jahr 2015 waren es noch 1671 Festnahmen gewesen, 24 Prozent weniger. Im gleichen Ausmass hat die Zahl der Auswertungen von Videomaterial aus den Überwachungskameras zugenommen, welche die Transportpolizei im Auftrag von Staatsanwaltschaften vornimmt: nämlich von 3100 Analysen
2015 auf über 3800 Analysen im Jahr 2016. Diese Zahlen gaben die SBB auf Anfrage bekannt.

Die Transportpolizei habe ihre Präsenz «vor dem Hintergrund der
terroristischen Bedrohung erhöht», sagt SBB-Sprecher Christian Ginsig zu der starken Zunahme. Ausserdem seien Bahnkunden und SBB-Mitarbeiter «durch die terroristischen und migrationsbedingten Herausforderungen in Europa stärker sensibilisiert», sie würden verdächtige Beobachtungen rascher melden.

SBB fordern mehr Rechte

Die vermehrte Auswertung der Überwachungsvideos aus Zügen und Bahnhöfen begründet Ginsig damit, dass die Staatsanwaltschaften dieses Instrument auch dank der verbesserten Qualität der Videodaten für ihre Fahndungen und bei der Beweisführung gezielter nutzten.

Die Zunahme der Interventionen der Transportpolizei ist bemerkenswert – und sie kommt zu einem brisanten Zeitpunkt. In den nächsten Monaten dürften die Diskussionen um eine Aufwertung der Transportpolizei wiederaufflammen. Denn wie jetzt bekannt wird, haben sich die Chefs der Transportpolizei mit dem Verwaltungsrat und der Konzernleitung der SBB im Herbst auf eine Liste von Forderungen gegenüber dem Bund
geeinigt.

Im Kern soll die Transportpolizei – im Bereich der Bahn – weitgehend gleiche Möglichkeiten erhalten wie die Kantonspolizeien. So fordern die SBB, dass die Transportpolizei direkten Zugriff auf die polizeilichen Informationssysteme erhält, namentlich das Ripol. Darin sind zur Fahndung ausgeschriebene Personen registriert. Heute müssen Transportpolizisten bei Personenkontrollen mit jener Kantonspolizei Kontakt aufnehmen, in deren Kanton sie sich gerade befinden. «Somit sind gleich zwei Polizeibeamte für dieselbe Tätigkeit administrativ gebunden», sagt Ginsig. Mit dem direkten Zugriff auf das Ripol liesse sich die Effizienz ihrer Arbeit steigern, zudem würden die Einsatzzentralen der Kantons- und Stadtpolizeikorps entlastet, so
Ginsig.

Parlament macht Druck

Weitere Forderungen der SBB zielen darauf ab, dass die
Transportpolizisten Personen direkt büssen dürfen, die gegen das
Eisenbahngesetz verstossen; etwa, wenn jemand die Türe blockiert, um die Abfahrt eines Zuges zu verzögern, oder wenn jemand unnötig die Notbremse zieht. Bei Verkehrs- und Sicherheitspolitikern stossen die SBB auf offene Ohren. Bereits vor über zwei Jahren hat das Parlament eine Motion überwiesen, die der Transportpolizei den Zugriff auf das Ripol gewähren will. Dass diese bis heute nicht umgesetzt ist, stösst etwa bei SP-Nationalrätin Evi Allemann «angesichts der Bedrohungslage» auf Unverständnis. Und auch CVP-Sicherheitspolitikerin Ida Glanzmann weist auf die Sicherheitslage mit der Gefahr von Attentaten hin und fordert, «dass der Bund nun rasch vorwärtsmachen sollte». Die Transportpolizei wurde vor sechs Jahren geschaffen, für Allemann ist deshalb die Zeit reif, dass die gesetzlichen Grundlagen nun überprüft werden. Dabei sei auch zu klären, ob die Transportpolizei
Behördenstatus erhalten solle – dass sie als Polizei mit allen Rechten und Pflichten gilt. Heute ist das nicht möglich, weil sie den SBB und also einem privatrechtlichen Unternehmen angehört.

Beim Bund sind das Fedpol aus dem Justizdepartement von Simonetta Sommaruga und das Bundesamt für Verkehr (BAV) aus Doris Leuthards Departement für diese Fragen zuständig. Zwar hat Sommaruga im Herbst bereits angekündigt, die Transportpolizei solle Zugang zum Ripol erhalten – wie weit die Berechtigung gehen soll, liess sie freilich offen. Das Fedpol teilt auf Anfrage mit, die entsprechenden Fragen würden im Rahmen der geplanten Gesetzgebungsarbeiten zum Ausbau der präventiv-polizeilichen Massnahmen angeschaut. Beim BAV verweist man auf ein geplantes Treffen mit den Verantwortlichen der SBB im Februar.

Sicherheit im öffentlichen Verkehr

Ausgebildete Polizisten

Die Transportpolizei der SBB gibt es in der heutigen Form seit gut
sechs Jahren. Sie steht mit über 190 Polizisten im öffentlichen
Verkehr und auf Bahnhöfen im Einsatz. Zum Korps mit knapp 250
Angehörigen zählen zudem Experten zur Videoüberwachung. Die Polizisten durchlaufen die gleiche Ausbildung wie die Beamten kantonaler Polizeikorps. Da die Transportpolizei den SBB angegliedert ist, hat sie aber keinen Behördenstatus – die rechtlichen Befugnisse der Transportpolizisten im Einsatz sind entsprechend begrenzt.

+++POLICE BE
Bern / Zeugenaufruf: Farbgläser auf fahrendes Polizeifahrzeug geworfen
In der Nacht auf Sonntag haben unbekannte Täter in Bern das Amtshaus und ein fahrendes Polizeifahrzeug unter anderem mit Farbe gefüllte Einmachgläser beworfen. Die Frontscheibe des Autos ging dabei zu Bruch. Die Einsatzkräfte blieben unverletzt. Die Kantonspolizei hat unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen.
http://www.police.be.ch/police/de/index/medien/medien.meldungNeu.aktuellBox.html/police/de/meldungen/police/news/2017/01/20170122_1537_bern_zeugenaufruffarbglaeserauffahrendespolizeifahrzeuggeworfen
->
http://www.derbund.ch/bern/stadt/unbekannte-warfen-farbglaeser-auf-fahrendes-polizeiauto/story/29148669
->
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/vermummte-bewerfen-amtshaus-und-polizeiauto-mit-farbglaesern/story/23809767
-> https://linksunten.indymedia.org/de/node/201796
-> https://transprisoners.net/
->
https://abcdd.org/2016/01/18/veranstaltung-zum-trans-prisoner-day-of-action/

+++POLIZEI BL
Wenn die Polizei Partei nimmt für ihren Polizisten
Die Baselbieter Polizei hat den Grundsatz der Unschuldsvermutung sowie der Verhältnismässigkeit verletzt. Zu diesem Schluss ist das
Baselbieter Kantonsgericht gekommen. Sie hat die Polizei verpflichtet, eine Medienmitteilung zu verschicken. Doch diese ist nur verständlich, wer die Geschichte dazu kennt.
http://www.basellandschaftlichezeitung.ch/basel/baselbiet/wenn-die-polizei-partei-nimmt-fuer-ihren-polizisten-130869022
->
http://www.20min.ch/schweiz/basel/story/Schlaegerei-im-Zic-Zac—Polizeibericht-nicht-neutral-28655000
->
https://telebasel.ch/2017/01/22/polizeibericht-ueber-ziczac-schlaegerei-war-nicht-neutral/

+++ANTIFA
Hakenkreuz und Hitlergruss: Nazi-Schande auf dem Waffenplatz
WANGEN A.A. BE – Sechs Soldaten der Schweizer Armee strecken den Arm zum Hitlergruss. Das Bild soll in Bern entstanden sein. Die Militärpolizei ermittelt.
http://www.blick.ch/news/schweiz/hakenkreuz-und-hitlergruss-nazi-schande-auf-dem-waffenplatz-id6093159.html
->
http://www.bernerzeitung.ch/panorama/vermischtes/soldaten-posieren-mit-hitlergruss-und-hakenkreuz/story/10919275
->
http://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/nazi-schande-auf-berner-waffenplatz-130869881
->
http://www.telem1.ch/35-show-aktuell/14317-episode-sonntag-22-januar-2017#nazi-schande-auf-waffenplatz
->
http://www.telebaern.tv/118-show-news/14313-episode-sonntag-22-januar-2017/33891-segment-nazi-schande-auf-waffenplatz

PNOS-Konzert: Geheimdienst verfolgte falsche Fährte – und stoppte Geburtstagsparty
Die Polizei stützt sich im Einsatz gegen die Pnos auf Tipps aus der
Antifa-Szene. Das kann auch mal schief laufen.
https://www.watson.ch/Schweiz/Rassismus/967516595-PNOS-Konzert–Geheimdienst-verfolgte-falsche-F%C3%A4hrte-%E2%80%93-und-stoppte-Geburtstagsparty

ENF in Koblenz Alle für Frauke
Das Stelldichein europäischer Rechtspopulisten in Koblenz ist nicht
zuletzt Wahlkampf für AfD-Chefin Frauke Petry. Und eine große
Inszenierung. Das Bild, das erzeugt werden soll, ist überdeutlich.
http://www.fr-online.de/politik/enf-in-koblenz-alle-fuer-frauke,1472596,35099276.html

Sonntagszeitung 22.01.2017

Patrioten vor den Toren der Macht

Europas Rechtspopulisten demonstrieren in Koblenz den Schulterschluss

Von Tobias Müller

Koblenz – «2017, das Jahr der Patrioten» – verkündeten dreisprachige Tafeln im Konferenzraum der Rhein-Mosel-Halle. Das Treffen europäischer Rechtsparteien am gestrigen Samstag in Koblenz stand ganz in diesem Zeichen. Als «Wahlkampfauftakt» hatte die organisierende EU-Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) die Versammlung angekündigt – wohl wissend, dass die Zugpferde der Bewegung, Marine Le Pen und Geert Wilders, bei den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden in diesem Frühling beste Chancen haben und auch die AfD
im September in den deutschen Bundestag einziehen dürfte.

Es war Le Pen, die die veränderten politischen Kräfteverhältnisse auf den Punkt brachte: «Wir gehen zur nächsten Etappe über», rief die Präsidentin des Front National (FN) den knapp 1000 Besuchern zu. «Wir geben uns nicht mehr damit zufrieden, eine Minderheit im EU-Parlament zu sein. Wir wollen die Mehrheit an den Urnen, bei jeder Wahl.» Es war eine von vielen Ansagen, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen brachten. Aktueller Bezugsrahmen der spürbaren Euphorie in der Halle
war der Amtsantritt von Donald Trump, den kaum ein Redner ausliess. Geert Wilders, Chef der niederländischen Partij voor de Vrijheid (PVV), verkündete einen allfälligen «patriotischen Frühling».

«Merkel muss weg»- und «Volksverräter»-Sprechchöre

Nicht nur verbal wurde in Koblenz mit grosser Kelle angerührt. Schon die Eröffnung geriet bombastisch, als zu dramatischem Chorgesang und Paukenschlägen die Protagonisten des europäischen Rechtspopulismus einliefen, begleitet von den wehenden Fahnen ihrer Herkunftsländer. Mit riesigen in die Höhe gereckten Pappschildern bezeugten die Besucher ihre Unterstützung. Vielfach unterbrach tosender Applaus
deren Vorträge, gelegentlich auch Buhrufe, wenn es um die aktuellen europäischen Regierungen ging, sowie «Merkel muss weg»- oder «Volksverräter»-Sprechchöre.

Inhaltlich geriet die Europäische Union zu einer der
Hauptzielscheiben. «Vom Moment an, in dem wir das Gefängnis der EU verlasen, werden Kultur und Identität wiedergeboren», beschwor Marine Le Pen das Morgenrot einer neuen nationalstaatlichen Blütezeit. Die Ablehnung Brüssels ist seit je einer der Aspekte, die europäische Rechtspopulisten verbinden. Sie ist nicht zuletzt auch das Fundament, auf dem Le Pen und Wilders 2015 die Fraktion Europe of Nations and Freedom (ENF) im EU-Parlament gründeten. Weitere Kernpunkte sind Einwanderungsbegrenzung, Euroaustritt und die Bekämpfung der
vermeintlichen Islamisierung.

Im Wesentlichen hielten sich die Redner von Koblenz an diese Agenda – mit jeweils persönlichen Noten, ganz analog zum allgemeinen Credo, im angestrebten «Europa der Vaterländer» gebe es Raum für eigene Identität statt Gleichmacherei. AfD-Ikone Frauke Petry etwa begann mit einer philosophischen Herleitung des europäischen Freiheitsgedankens, Geert Wilders legte den Fokus auf islamistischen Terrorismus. Der FPÖ-Abgeordnete Harald Vilimsky agitierte gegen ein «korruptes Establishment im Dienste der Finanzwirtschaft» und die Tausenden Gegendemonstranten in Koblenz – darunter auch Politiker wie Sigmar Gabriel oder Jean Asselborn –, die «mit hoher Wahrscheinlichkeit keiner geregelten Arbeit nachgehen».

Rhetorische Knalleffekte gehören natürlich zu einer
Wahlkampfveranstaltung und sind gerade bei der Fraktion Europe of Nations and Freedom bekannt. Tiefere Diskussionen standen in Koblenz indes nicht auf dem Programm, dabei lieferten weniger bekannte Abgeordnete durchaus interessante Ansätze – so etwa Lega-Nord-Chef Matteo Salvini, der die italienische Jugendarbeitslosigkeit ins Spiel brachte, oder die überwältigende Ablehnung der EU in der Tschechischen Republik, auf die Tomio Okamura verwies, der die tschechische Rechtspartei SPD vertrat.

Die populistische Rechte ist voller Optimismus

Unter dem Strich bleiben zwei Erkenntnisse: Der Optimismus der
populistischen Rechten ist in den letzten Jahren bedeutend gewachsen. Das dröhnende Pathos der «Befreiung vom europäischen Joch» ist eine Sache, die realistischen Chancen auf Wahlsiege von Front National, FPÖ oder PVV eine andere. In deren Sog befinden sich auch lange kriselnde Rechtsparteien wie der belgische Vlaams Belang wieder im Aufwind, und – strategisch bedeutend – Europe of Nations and Freedom hat mit der
gastgebenden AfD die Lücke im grössten Land Europas geschlossen. Zudem scheint es bislang zu gelingen, interne Streitigkeiten im gemeinsamen Kampf gegen die EU zu vermeiden.

Zu möglichen zukünftigen Alliierten im vielfach beschworenen «neuen Europa» könnte auch die Schweizer SVP zählen. «Von uns aus gern», sagte Harald Vilimsky nach der abschliessenden Pressekonferenz. ENF und SVP verbinde «gegenseitiges Wohlwollen». Lega-Nord-Chef Salvini indes musste, auf die SVP angesprochen, erst überlegen. «Wir haben gute Kontakte zur Lega dei Ticinesi», sagte er. Der Name Christoph Blocher liess den Groschen fallen. «Mit Blocher kooperieren? Aber sicher!»

Pnos kündigt Beschwerde an
RECHTSROCK-KONZERT ⋅ Am 14. Januar führte die Pnos ein Konzert mit rechtsgerichteten Bands in Willisau durch. Da der Auftrittsort zunächst nicht bekannt war, verbot die St.Galler Kantonspolizei das Konzert vorsorglich. Gegen dieses Verbot hat die Pnos nun rechtliche Schritte eingeleitet.
http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/kanton/tb-sg/Pnos-kuendigt-Beschwerde-an;art122380,4884519

NZZ am Sonntag 22.01.2017

Es rockt von rechts

Was zum Teufel ist mit der Rockmusik los? Sie galt als links und
rebellisch. Nun aber häufen sich Auftritte rechtsnationaler Bands mit gesetzeswidrigen, rassistischen Texten. Die dummdreiste Aggression erfasst auch die Schweiz.

Von Bänz Friedli

Neonazi-Aufmarsch in einer Tennishalle im lieblichen Toggenburg, Ende Oktober 2016 war’s. Der deutsche Rapper Julian Fritsch, der sich Makss Damage nennt, skandiert: «Ich leite Giftgas lyrisch in Siedlungen, die jüdisch sind», und 6000 Rechtsextreme grölen mit. Am selben Konzert in Unterwasser (SG) singt die Band Stahlgewitter Sätze wie: «Wir brauchen sie wieder, das ist kein Witz, die Jungs in Schwarz mit dem doppelten Blitz.» Gemeint ist Hitlers «Schutzstaffel», die SS.

Ein Anlass, der nie hätte stattfinden dürfen. Die Polizei, wiewohl
vorgewarnt, liess Musiker und Meute gewähren. «Der Einsatzleiter war mehrere Male in der Halle, der Wortlaut der Songtexte war schlichtweg nicht zu verstehen», begründete der St. Galler Polizeisprecher hernach das Nichteingreifen, «es wurde dementsprechend keine Zuwiderhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm festgestellt.»

Dumm nur, dass in einem publik gewordenen Video der Song einer Band namens Frontalkraft deutlich zu verstehen ist, zumal er aus Tausenden Kehlen mitgesungen wird: «Die Stärke deutschen Glaubens habt ihr deutlich unterschätzt. Doch die Antwort darauf, sie kommt jetzt. Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen, weiss sind die Männer, die für Deutschland siegen. Rot ist das Blut auf dem Asphalt.» Die Schweizer Rockgruppe Amok war schon 2005 dabei gefilmt worden, wie sie sang: «Wetzt die langen Messer, lasst die Messer flutschen in den Judenleib.» Amok spielten ebenfalls auf in Unterwasser. «Abhitlern» nannten Konzertteilnehmer ihr Tun später schwärmerisch auf Facebook.

Empörung ging durchs Land, Politikerinnen und Politiker aller Couleur bekräftigten, so etwas dürfe nicht wieder vorkommen. Aber nur wenige Wochen später, am 14. 1., durfte Neonazi Fritsch seine gesetzeswidrigen Verse im luzernischen Willisau schon wieder öffentlich darbieten. Eingeladen hatte die Partei national
orientierter Schweizer (Pnos). Die Polizeikorps sechs verschiedener
Kantone konnten das Konzert nicht verhindern. Auch Dominic «Gixu» Lüthard, der schon mehrfach auf der Pnos-Liste für den Berner Grossen Rat kandidierte, trat in Willisau auf.

Rock von rechts erschüttert die Schweiz, aggressiv, brachial,
dummdreist. «Ihr linken Fotzen, bei eurem Anblick kann man ja nur kotzen», lautet ein Refrain von Amok. Die Texte sind rassistisch, antisemitisch, ausländer- und frauenfeindlich; wer will, kann sich die gebrüllten Naziparolen auf Youtube anhören.

Wir müssen von der Vorstellung Abschied nehmen, Rockmusik sei per Definition links. Anfänglich, ja, da war der Rock’n’Roll allein schon deshalb revolutionär, weil er gegen die Moral seiner Zeit verstiess: 1954 entfesselte Elvis Presley mit seinem Hüftschwung das prüde Amerika, und seine Musik war von enormer gesellschaftspolitischer Sprengkraft. Hier brachte ein Weisser die Musik der Schwarzen ins streng rassengetrennte weisse Radio, er adelte gleichsam die afroamerikanische Kultur und riss Rassenschranken ein.

Rock galt in der Folge als rebellisch, er wurde zum Soundtrack neuer Lebensformen, begleitete Flower Power, den studentischen Aufbruch von 1968, die Vietnam-Proteste und die Bürgerrechtsbewegung. Freilich war
Rock, diese «junge», unangepasste Musik, stets nur ein Medium, welches das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Minderheit transportierte und deren Botschaften befeuerte: von «Make Love, Not War!» bis «Free Nelson Mandela!», von «Peace, Love and Happiness» bis «Sous les pavés la plage», von «Wo wo Wohnige?!» bis «AJZ bleibt!».

Es ist nur folgerichtig, dass das Transportmittel Rock bald auch vom anderen Rand des politischen Spektrums vereinnahmt wurde.

In den USA bedienen sich längst auch stramme Patrioten der Rockmusik, allen voran Kid Rock. Er mimt den langhaarigen Sauf- und Raufbold, spricht – wie Donald Trump, den er offen unterstützte – bewusst die frustrierten weissen Männer an und schwenkt in seinen Shows die Konföderierten-Flagge, die für Sklaverei und Rassentrennung steht. Er und der reaktionäre Hardrocker Ted Nugent galten für Trumps Amtseinsetzung als gesetzt, stattdessen trat an den Feierlichkeiten dieser Woche dann nur eine Reihe kaum bekannter Musiker auf, dazu der Country-Haudegen Toby Keith.

Wenn sich Lemmy Kilmister von Motörhead Eicheln und Eichenblätter in einen handgefertigten E-Bass schnitzen liess – Motive, die er von alten SS-Uniformen abgeschaut hatte –, betonte er stets, er sympathisiere keinesfalls mit der Sache, ihm gefalle nur die Ästhetik. Die englische Band Skrewdriver aber setzte schon Ende der 1970er Jahre offen auf nationalistische Slogans und rechtsextreme Hetze. So richtig hässlich wurde es einige Jahre später in Deutschland. Die Rechtsrock-Bands trugen Namen wie Endsieg, Kahlkopf und Störkraft, an ihren Konzerten waren «Sieg Heil!»- und «Ausländer raus!»-Rufe zu hören. All diese Gruppen operierten klandestin, verbreiteten ihre Tonträger auf verschlungenen Wegen und wurden kaum je breit wahrgenommen. Ausser, es wurde wieder einmal ruchbar, dass sich rassistische Attentäter wie diejenigen von Mölln und Solingen an ihrer
Musik aufgegeilt hatten.

Das änderte sich Ende der 1990er Jahre. Der Rechtsrock enterte, von grossen Plattenfirmen wie Virgin und Epic unterstützt, den Mainstream. Der Trick: Man bediene sich faschistoider Posen, ohne sich bei faschistischen Aussagen erwischen zu lassen. Vorreiterin war die Band Böhse Onkelz. Hatte sie früher Lieder mit Titeln wie «Türken raus!» und «Deutschland den Deutschen» gesungen, distanzierte sie sich nun halbherzig von solcherlei «Jugendsünden». Doch die Texte blieben von Blut-und-Boden-Vokabular durchsetzt und schürten ein dumpfes Wir-Gefühl. Ob sie Sex mit einer Leiche oder eine Inzestvergewaltigung besangen, die Onkelz forderten eine reaktionäre Lesart ihrer Lieder geradezu heraus. Weil sie zudem eine Namensänderung stets ablehnten,
blieben sie trotz allen Beteuerungen bis heute eine Kultband der
Rechtsextremen.

Subtiler machten es Rammstein. Die Punkmusiker aus Schwerin kamen aus der einstigen DDR in den Westen, besser: Der Westen kam zu ihnen. Und es war ein jähes Erwachen: Jedes Tabu war hier schon gebrochen. Wie sollten sie noch provozieren? Rammstein begannen mit rollendem Hitler-R und gewaltstrotzendem Herrenmenschengehabe zu kokettieren, sie sangen von Vätern, die sich an ihren Töchtern vergreifen – «mit ihrem eigen Fleisch und Blut sich paaren» –, und zeigten in einem Videoclip Szenen aus dem Film «Olympia» der Nazi-Filmerin Leni Riefenstahl. In England distanzierte sich der schwarze Künstler Goldie, wie Rammstein beim Plattenmulti Polygram unter Vertrag, vom
«Nazi Video», wie der «New Musical Express» es nannte; in der Schweiz führten Parolen wie «Deine Grösse macht mich klein, du darfst mein Bestrafer sein» und «Bück dich, befehl ich dir» an die Spitze der Hitparade.

Schlau und beredt wies Sänger Till Lindemann den Nazi-Vorwurf stets von sich. Doch die «falschen» Fans wurde er nie los. Was die Frage aufwirft, wie sehr Künstler für die Rezeption ihrer Werke
verantwortlich seien. Campino von den Toten Hosen hat eine klare
Antwort: «Diese diffusen Kapellen spielen mit dem Faschismus rum, ohne sich klar zu distanzieren, und nehmen es in Kauf, dass sie die Nazis im Konzert haben. Das fängt bei den Böhsen Onkelz an und hört bei Rammstein auf.» In ihren eigenen Konzerten dulden die Toten Hosen keine Skinheads und keine Hakenkreuze. «Wir wollen klar das linke Gegengewicht sein zur ganzen Rechts-Rock-Musik, die sich den Kids anbietet.»

Doch bald hatte jedes Label eine Band unter Vertrag, die mit gotischem Gedröhne und düsteren Gebärden Deutschtümelei betrieb, jedoch beteuerte, mit Politik nichts am Hut zu haben – als liessen sich die Gesten aus ihrem gesellschaftlichen Kontext lösen, als dürfte Rockmusik ihre Wirkung ignorieren. Das Genre hiess «Neue Deutsche Härte» und setzte auf das Protest- und Frustpotenzial einer desillusionierten Jugend, die ihre Eltern schockieren wollte. «Der Spiegel» ortete im Osten Deutschlands «eine rechtsradikale Subkultur, deren Pop-Begriff aus den Untiefen einer deutschnationalen Gefühlslage stammt».

Derweil mutierte diejenige Rockmusik, die einst als zu laut, zu derb, zu schräg angefeindet wurde, zu Biedermeier. Es ist kein Widerspruch mehr, dass sich der SVP-Saubermann Roger Köppel am AC/DC-Konzert zeigt. Und formal ist der Rock so gängig geworden, dass der Inhalt überhört wird. Bruce Springsteen muss sich immer wieder dagegen wehren, dass sein kritisches «Born in the USA» als patriotische Hymne missverstanden wird.

Nun dröhnt der Rechtsrock also in der Schweiz. Schon Gölä hätte uns 1998 lehren sollen, dass Rock nicht nur urban, juvenil und links ist, sondern sich auch an Büezer und bürgerliche Wähler richten kann. Mit harmlosen Liedlein bediente er kleinbürgerliches Fernweh, in Interviews sonderte er dagegen krude Sätze ab wie: «Wenn irgendwo eingebrochen wird, war es halt meistens ein Jugo.» Achtzehn Jahre später stürmt wieder einer die Charts, über den die Feuilletons keine Zeile verlieren: Trauffer. Mit rockiger Heimattümelei hat der KMU-Unternehmer aus dem Berner Oberland, der im Hauptberuf eine Schnitzerei für Holztiere betreibt, 2016 in der Schweiz mehr Platten erkauft als alle anderen. Natürlich ist Trauffers Musik kein Rechtsrock, nur ein Rechtsröcklein light, das niemandem weh tut und aufzeigt, wie domestiziert der Rock inzwischen geworden ist.

Der Rechtsrock hingegen, der in Unterwasser und Willisau an illegalen Konzerten zelebriert wurde, ist die einzige Jugendkultur, die Eltern noch erschrecken kann. Er hat, und dies ist die schmerzhafte Erkenntnis, all das, was Rockmusik einst so aufregend machte: das Rebellische, Aussenseiterische, Gefährliche, den Ruch des Verwegenen, Verbotenen. Nazirock ist die neue Gegenkultur – nur von der anderen Seite.

NZZ am Sonntag 22.01.2017

Das Nazi-Erbe

Die Verbrechen von Psychiatern im Nationalsozialismus sind bisher nicht vollständig aufgeklärt worden. Jetzt untersuchen Historiker die Vorgeschichte des Münchner Max-Planck-Instituts für Psychiatrie und seines ehemaligen Direktors Ernst Rüdin.

Von Annegret Czernotta

Bei Albertine Hässig bricht die psychische Krankheit wohl nach der
Geburt der zweiten Tochter aus. In der Heil- und Pflegeanstalt
Reichenau bei Konstanz wird sie 1928 als «vorerst nicht heilbar»
diagnostiziert. Ihr Zustand verschlechtert sich zusehends. 1940 wird sie in die Tötungsanstalt Grafeneck bei Reutlingen verlegt und in der Gaskammer ermordet. Grafeneck war einer von sechs Orten, an denen die Nationalsozialisten systematisch kranke und behinderte Menschen ermordeten. Die Zahl der Opfer liegt zwischen 250 000 und 300 000. Hässigs Familie erhält die standardisierte Todesnachricht («Trostbrief») und die Sterbeurkunde zugeschickt: Die Patientin sei infolge einer Herzmuskelschwäche verstorben» und ihre Leiche «aus
seuchenpolizeilichen Erwägungen sofort eingeäschert» worden.

Albertine Hässig war eine von 70 000 Menschen, die der sogenannten Aktion T4 zum Opfer fielen, die zwischen 1939 und 1941 in den Tötungszentren stattfand. Das Kürzel «T4» steht für die Adresse der damaligen Zentraldienststelle an der Tiergartenstrasse 4 in Berlin. Wissenschafter beklagten damals, dass aufgrund der Aktion T4 «Forschungsmasse» verloren geht, weil durch die Einäscherung Versuche und Studien am lebenden Menschen oder durch Autopsie gewonnenes menschliches Material nicht mehr vorhanden war. Tötungszentren wie Grafeneck sendeten fortan Gehirnproben der ermordeten Menschen in
verschiedene deutsche Laborzentren. Eines dieser Labore war die
damalige Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie (DFA), aus der das heutige Max-Planck-Institut für Psychiatrie (MPI) in München hervorgegangen ist.

Forschung auch nach 1945

«Es muss von über 700 Euthanasie-Opfern ausgegangen werden, deren Gehirne die DFA in den Jahren 1939 bis 1945 und weit danach untersuchte», sagt Martin Keck, Direktor der Klinik und Chefarzt am MPI in München. Was allerdings nicht bekannt war: «Im Jahr 2016 war immer noch eine Vielzahl dieser Präparate ermordeter Patienten vorhanden.»

Dies zeigte eine Begehung des Archivs durch unabhängige Experten im Februar 2016. Zu den Konsequenzen gehörte eine sofortige
Umstrukturierung des Archivs. Das Direktionskollegium am MPI fordert nunmehr eine schonungslose Aufarbeitung der Rolle des
Vorgängerinstituts des MPI im Nationalsozialismus. Auch die Frage, warum nach dieser langen Zeit die Präparate noch vorhanden sind, soll beantwortet werden.

Ab dem kommenden Februar wird deshalb im Auftrag der
Max-Planck-Gesellschaft ein unabhängiges Forschungsteam international anerkannter und erfahrener Experten die Geschichte des Instituts erneut aufarbeiten. Insbesondere soll es auch darum gehen, die Humanpräparate zu identifizieren, die Biografien der Betroffenen zu rekonstruieren und «ihnen Identität und Würde zurückzugeben», sagt Keck. Ein weiteres Ziel wird es sein, mit den noch lebenden Angehörigen Kontakt aufzunehmen und die Humanpräparate zu beerdigen. «Wir wissen aus dem Bereich der Traumaforschung, wie wichtig es ist, den Opfern einen Namen und diesen einen Ort der Erinnerung zu geben.»

Auch die historischen Verstrickungen der Wissenschaftsgesellschaft werden intensiv aufgearbeitet: So war einer der Direktoren des damaligen Instituts, der Psychiater und Rassenhygieniker Ernst Rüdin (1874–1952), massgeblich an der Ausgestaltung des «Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses» beteiligt. Dieses Gesetz bildete die Grundlage für die Zwangssterilisation von mehr als 400 000 Menschen, wobei Tausende an den Folgen des Eingriffs starben. Der in St. Gallen
geborene Rüdin arbeitete unter damaligen Psychiatriegrössen wie Eugen Bleuler am Burghölzli in Zürich und Emil Kraepelin in Heidelberg. 1912 wurde er in Deutschland eingebürgert und wurde 5 Jahre später Leiter der genealogisch-demografischen Abteilung an der DFA in München. 1933 trat er der NSDAP bei und wurde Präsident und Reichsführer der «Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater». 1942 schrieb Rüdin an den Reichsforschungsrat, «einwandfrei als minderwertig   klassifizierte Kinder seien eliminationswürdig». Nach Ende des Zweiten
Weltkriegs entzieht ihm die Schweiz 1945 das Bürgerrecht. Das
US-Militär enthebt ihn des Amts. Ein Jahr später wird er jedoch als
Mitläufer klassifiziert und 1946 wieder zum Direktor der DFA ernannt. Dieses Amt behielt er bis zu seinem Tod 1952. Seine Tochter Edith Zerbin-Rüdin (1921–2015) arbeitete bis zur Pensionierung als Psychiaterin und Humangenetikerin am MPI in München. Auswärtige Historiker und auch Medien wiesen seit einiger Zeit darauf hin, dass die Rolle Rüdins in der Zeit des Nationalsozialismus beschönigt wurde.

Externe Untersuchung

Mehrere Anläufe einer historischen Aufarbeitung hatte es am MPI
bereits gegeben. So wurden im Mai 1990 Humanpräparate namenlos auf dem Waldfriedhof in München bestattet und die Euthanasie-Morde erstmals beleuchtet. Die Max-Planck-Gesellschaft entschuldigte sich bei den Opfern des Nationalsozialismus. «Umso erschreckender ist, dass
trotzdem noch immer so viele Präparate ermordeter Patienten vorhanden  sind», sagt Elisabeth Binder, geschäftsführende Direktorin des MPI seit 2013, «wir klären dies nun rigoros auf.»

Dies wird nun die Aufgabe des internationalen Forscherteams sein. Eine interne Klärung hatte sich zuvor als unmöglich erwiesen, weil
entsprechende Versuche – bewusst oder aus Unkenntnis – torpediert wurden. So bekamen Forscher das Archivgut nur selektiv vorgelegt. «Teilweise waren durch irreführende Auskünfte die existierenden Bestände auch nicht einsehbar», sagt der Giessener Medizinhistoriker Volker Roelcke, dessen Untersuchungen ebenfalls behindert wurden.

Daher soll ein Forschungsprojekt Aufklärung bringen. An diesem
beteiligt sind der Historiker Paul Weindling von der Oxford-Brookes-Universität, Patricia Heberer-Rice vom US-Holocaust-Memorial-Museum in Washington und Gerrit Hohendorf von der Technischen Universität in München. Bewilligt sind 1,5 Millionen  Euro über drei Jahre.

«Was geschehen ist, können wir nie wiedergutmachen», sagt Martin Keck. «Aber wir müssen uns erinnern – an eines der dunkelsten Kapitel der Psychiatrie und unseres Vorgängerinstituts», sagt Martin Keck.