Medienspiegel 28. August 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
SP Steffisburg unterstützt Asylzentrum
«Die SP unterstützt den Standort Untere Mühle, weil bei der Unterbringung der Asylsuchenden auch Steffisburg gefragt ist.» Eine Stellungnahme der SP Steffisburg zum geplanten Asyl- und Integrationszentrum in der Gemeinde.
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/202651/


+++SCHWEIZ
Bald mehr psychologische Unterstützung für Geflüchtete?
Seit Jahren wird die Lösung bekannter Probleme in der psychischen Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden von den Verantwortlichen vor sich hergeschoben. Dies, obwohl sich die hohen Folgekosten auch für den Staat nicht rechnen. Nun scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Auf Initiative von Privaten entstehen innovative Unterstützungskonzepte in der psychosozialen Arbeit mit Geflüchteten. Kann die Integration ins staatliche Regelsystem gelingen?
https://www.pszeitung.ch/bald-mehr-psychologische-unterstuetzung-fuer-gefluechtete/#top



NZZ am Sonntag 28.08.2022

Diphtherie: Asyl-Mitarbeiter infiziert

Nach dem Ausbruch in Asylzentren plant der Bund, Flüchtlinge systematisch zu testen.

Mirko Plüss

Seit Wochen kämpfen der Bund und die Kantonsärzte gegen eine Krankheit, die in der Schweiz längst ausgerottet schien. Nach einem ersten Fall Anfang August wurden in mittlerweile vier Bundesasylzentren Diphtherie-Ausbrüche registriert. Total erkrankten 15 Personen in den Zentren Bern, Boudry (NE), Kreuzlingen (TG) und Altstätten (SG).

Den Betroffenen geht es laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) gut. Sie erhielten je nach Schwere der Erkrankung ein Gegengift und Antibiotika. Personen, die mit den Erkrankten Kontakt hatten, wurden gegen Diphtherie geimpft und erhielten eine Antibiotikaprophylaxe, ganze Stockwerke wurden in Quarantäne geschickt. Der Bund betont, dass für die restliche Bevölkerung derzeit keine Gefahr bestehe. Gegen Diphtherie wird in der Schweiz mit einem Kombinationsimpfstoff geimpft. Bei Kleinkindern beträgt die Impfquote gegen 90 Prozent.

Dennoch sind die Behörden beunruhigt – nicht nur aufgrund der ungewöhnlich hohen Anzahl der Fälle, sondern auch, weil sich der Ausbruch mittlerweile nicht mehr auf Flüchtlinge beschränkt. Im neuenburgischen Boudry, wo sich insgesamt drei Menschen ansteckten, kam es nun erstmals zu einem Fall beim Betreuungspersonal. Dies bestätigt der zuständige Kantonsarzt Claude-François Robert. «Bei einem Mitarbeiter wurde festgestellt, dass er Träger von Toxin-positiver Diphtherie ist», sagt Robert. Die Person musste ebenfalls medizinisch behandelt werden.

Letzter Fall vor 39 Jahren

Sorgen macht den Fachpersonen zudem, dass nicht nur die ohnehin schon äusserst seltene Hautdiphtherie umgeht, sondern dass in mehreren Fällen die gefährlichere Rachendiphtherie festgestellt wurde. Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist es 39 Jahre her, dass in der Schweiz das letzte Mal eine Rachendiphtherie diagnostiziert wurde.

Die Sterblichkeit ist hoch: Ungeimpfte und unbehandelte Erkrankte sterben in bis zu 50 Prozent der Fälle. Weitergegeben wird die bakterielle Infektionskrankheit über Tröpfchen in der Atemluft und Hautkontakt. Umso wichtiger ist es, Fälle rasch zu erkennen und zu isolieren und das Umfeld zu behandeln.

Der Bund hat das medizinische Personal deshalb dazu angehalten, bei Konsultationen in den Bundesasylzentren ein besonderes Augenmerk auf die Erkennung von Diphtherie-Symptomen zu richten und «beim kleinsten Verdacht sofort die nötigen weiteren Schritte einzuleiten», wie es beim SEM heisst.

Doch reicht das? Oder weisen die 15 entdeckten Infektionen innert gut drei Wochen darauf hin, dass es noch viel mehr Fälle gibt und sich Infizierte ohne Symptome in den Asylzentren aufhalten? Das SEM, das BAG und die Kantonsärzte erörtern in diesen Tagen weitere Massnahmen. Zur Diskussion steht die Einführung von systematischen Tests. Flüchtlingen, die in ein Bundesasylzentrum eintreten, soll ein Rachenabstrich entnommen werden. Diskutiert wird auch, ob bei Neueintritten in jedem Fall eine Impfung angeboten werden soll.

Ansteckung im Camp?

Die grosse Zahl an Erkrankten in so kurzer Zeit liess bei den Behörden auch rasch die Frage aufkommen, ob die Fälle zusammenhängen. Der Bund versucht nun, den Ursprung der Ausbrüche zu eruieren. Im Rahmen dieser epidemiologischen Untersuchung wird das Genom der bisher bekannten Diphtherie-Fälle sequenziert.

Und die Betroffenen werden zu ihren genauen Fluchtrouten befragt. Ein mögliches Szenario, von welchem der Bund und die Kantonsärzte derzeit ausgehen, ist, dass der Ursprungsherd im Ausland liegt. Das SEM weist darauf hin, dass sich die Erstinfizierten in einem Flüchtlingscamp angesteckt haben könnten. Es lasse sich aber noch kein abschliessendes Fazit ziehen.

Doch die Vermutung liegt nahe und wurde auch schon 2016 aufgestellt, als Forscher einzelne Hautdiphtherie-Fälle in der Schweiz und in Deutschland analysierten. «Die Reservoire sind wohl ausserhalb Europas zu finden», hiess es damals. Die Forscher nannten Camps in der Sahara-Region und in Libyen, wo afrikanische Flüchtlinge monatelang ausharren müssen, bevor sie übers Meer weiter nach Europa gelangen.

Mit dem plötzlichen Diphtherie-Ausbruch steht die Schweiz zudem nicht alleine da. Die Berner Kantonsärztin Barbara Grützmacher sagt: «Im europäischen Kontext wird aktuell eine Zunahme der Fälle bei jungen Migranten, die alleine und häufig unter sehr schweren Bedingungen reisen, vermerkt.» Das SEM ist zu diesem Thema unter anderem mit der Weltgesundheitsorganisation WHO in Kontakt.
(https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/diphtherie-asyl-mitarbeiter-infiziert-ld.1700034)


+++NIEDERLANDE
Niederländisches Asylzentrum – «Die Leute schlafen einfach draussen auf der Wiese»
Hunderte Asylsuchende verbringen die Nacht draussen vor einem niederländischen Asylzentrum. Das Problem ist hausgemacht.
https://www.srf.ch/news/international/niederlaendisches-asylzentrum-die-leute-schlafen-einfach-draussen-auf-der-wiese


+++ÄRMELKANAL
Seenotrettung – Über 1000 Migranten aus Mittelmeer und Ärmelkanal gerettet
„Im Mittelmeer und im Ärmelkanal haben die Behörden am Samstag über 1000 Bootsflüchtlinge aufgegriffen.
https://www.srf.ch/news/international/seenotrettung-ueber-1000-migranten-aus-mittelmeer-und-aermelkanal-gerettet


+++ITALIEN
Rekordzahl von Flüchtlingsbooten auf Lampedusa gelandet
Auf der italienischen Insel trafen 1.000 Menschen binnen 24 Stunden ein. Auch am Ärmelkanal wurde eine große Zahl Menschen von britischen Behörden aufgegriffen
https://www.derstandard.at/story/2000138605837/rekordzahl-von-fluechtlingsbooten-auf-lampedusa-gelandet?ref=rss


+++MITTELMEER
Seenotrettung: „Ocean Viking“ rettet rund 470 Geflüchtete im Mittelmeer
Ohne Rettungsweste und in überfüllten Holzbooten versuchen viele Geflüchtete, das Mittelmeer zu überqueren. Vor Malta haben Freiwillige wieder Hunderte Menschen gerettet.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-08/seenotrettung-mittelmeer-sos-m-diterran-e-ocean-viking-schiff
-> https://taz.de/Flucht-uebers-Mittelmeer/!5877355/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Freispruch wird weitergezogen: «Kill Erdogan»-Plakat kommt vor das Obergericht
Die Berner Generalstaatsanwaltschaft zieht den Freispruch für die mutmasslichen Drahtzieher des «Kill Erdogan»-Plakats an das Obergericht weiter.
https://www.blick.ch/ausland/freispruch-wird-weitergezogen-kill-erdogan-plakat-kommt-vor-das-obergericht-id17827143.html


Zionisten-Gegendemo verlief friedlich
Am Sonntag fand das 125-Jahr-Jubiläum zum Zionistenkongresses statt. Begleitet wurde dieser von einer Gegendemonstration.
https://telebasel.ch/2022/08/28/zionisten-gegendemo-verlief-friedlich/?utm_source=lead&utm_medium=grid&utm_campaign=pos%202&channel=105100
-> https://www.20min.ch/story/hunderte-demonstrieren-gegen-zionisten-kongress-536789977227
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/kundgebung-friedliche-demonstration-gegen-zionistenkongress-in-basel-eskortiert-von-der-polizei-ld.2334532



derbund.ch 28.08.2022

Basler Zionistenkongress-JubiläumRiesiges Sicherheitsaufgebot für 300 Demonstrierende

Strassensperren, Polizeiketten, Militärhelikopter, eingestellter ÖV: Rund um das Jubiläum des ersten Zionistenkongresses in Basel will man kein Risiko eingehen.

Am Sonntagnachmittag wurde in Basel gegen die Jubiläumsfeier des ersten Zionistenkongresses demonstriert. Die Polizei war mit einem Grossaufgebot präsent, der öffentliche Verkehr in Basel wurde schon vor 15 Uhr – dem Startzeitpunkt der Demonstration – grossflächig eingestellt. Die Demo führte die Teilnehmenden vom De-Wette-Park via Freie Strasse zur Mittleren Brücke.

Rund 300 Personen versammelten sich am Sonntag gegen 15 Uhr in der Nähe des Bahnhofs SBB, um ihren Unmut über den Zionismus auszudrücken. Die Teilnehmenden trugen die palästinensische Fahne und teilweise T-Shirts mit der Aufschrift «Boycott Israel».

Einige führten Transparente mit sich: «Free Palestine – No Zionist Congress», hiess es auf einem. Eine Sprecherin betonte vor dem Abmarsch um 15.30 Uhr mehrmals, dass es an der Demo keinen Platz für Antisemitismus gebe. Dass Basel den Zionistenkongress feiere, sei nicht in Ordnung.
-> https://unityvideo.appuser.ch/video/uv446116h.mp4

Die Polizei war mit einem Grossaufgebot präsent. Die Demo führte die Teilnehmenden vom De-Wette-Park via Freie Strasse zur Mittleren Brücke. Die Kundgebung blieb bis zum Abschluss auf dem Claraplatz um 17 Uhr mehrheitlich friedlich.

Jedoch kam es zu Versuchen der Einschränkung der Pressefreiheit durch Demonstranten. Der Chefredaktor des jüdischen Wochenmagazins «Tachless» wurde körperlich angegriffen und Telebasel stellenweise am Filmen gehindert.

Zur bewilligten Demonstration haben propalästinensische Gruppierungen aufgerufen. Der Aufruf wurde unter anderem in Linksaussenkreisen verbreitet. In einer Version des Aufrufs wurde explizit darauf hingewiesen, dass Antisemitismus untersagt und nur palästinensische Flaggen erwünscht seien.
(https://www.derbund.ch/riesiges-sicherheitsaufgebot-fuer-300-demonstrierende-745741692570)


+++KNAST
Solidarité avec les grévistes de la Brénaz
Communiqué de parlons prisons suite au recours déposé par les grévistes de la Brénaz contre la sanction disciplinaire qu’ils ont subie suite à leur action du 15 juillet dernier.
https://renverse.co/infos-locales/article/solidarite-avec-les-grevistes-de-la-brenaz-3659


+++POLIZEI DE
»So werden Menschen aus öffentlichem Raum verdrängt«
Waffenverbotszonen: Bündnis fordert Abschaffung und kritisiert willkürliche Polizeikontrollen. Ein Gespräch mit Oliver Wiebe
https://www.jungewelt.de/artikel/433492.repression-statt-rechtsstaat-so-werden-menschen-aus-%C3%B6ffentlichem-raum-verdr%C3%A4ngt.html


+++DREADLOCKMANIA/WINNETOUWHINING
Andreas Gabalier über den Woke-Wahnsinn: «Ich lasse mir nicht den Mund verbieten»
Er ist der erfolgreichste deutschsprachige Sänger der Gegenwart – und auch einer der umstrittensten. Andreas Gabalier räumt im Interview mit Vorurteilen auf.
https://www.blick.ch/people-tv/musik/andreas-gabalier-ich-lasse-mir-nicht-den-mund-verbieten-id17826245.html


Dreadlocks-Spezialist Marc Mächler versteht die Aufregung nicht: «Verfilztes Haar ist kein geistiges Eigentum von jemandem»
Seit fast 20 Jahren ist Marc Mächler Dreadlocks-Spezialist. Er versteht die Aufregung rund um die verfilzten Haare nicht. Dreadlocks seien in den verschiedensten Kulturen vertreten. Eine Expertin sieht das ähnlich, weist aber auf eine wichtige Differenzierung hin.
https://www.blick.ch/life/dreadlocks-spezialis-marc-maechler-versteht-die-aufregung-nicht-verfilztes-haar-ist-kein-geistiges-eigentum-von-jemandem-id17824229.html


Lauwarm-Konzert in Biel (ab 00:53)
https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2022-08-28


+++RASSISMUS
Kultur-Talk: Hat die Klassische Musik ein Rassismus-Problem?
In klassischen Sinfonieorchestern sind kaum People of Color vertreten. Und die Werke schwarzer Komponistinnen und Komponisten hört man im Konzertsaal fast nie. Hat die klassische Musik ein Rassismus-Problem?
https://www.srf.ch/audio/kontext/kultur-talk-hat-die-klassische-musik-ein-rassismus-problem?id=12239139


+++RECHTSEXTREMISMUS
Die Netzwerke des rechtsextremen Alexander Dugin – Echo der Zeit
Vor einer Woche starb Darja Dugina bei einem Attentat in Moskau. Noch immer sind die Hintergründe der Tat unklar. Sie werfen aber ein Schlaglicht auf ihren Vater, den rechtsextremen Ideologen Alexander Dugin. Wer ist dieser Mann und welche Verbindungen hat er nach Westeuropa? Das Gespräch mit Andreas Umland, Politikwissenschaftler am Stockholmer Zentrum für Osteuropa-Studien.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/die-netzwerke-des-rechtsextremen-alexander-dugin?partId=12245598


Zweite Medienmitteilung zu den Wohlfühltagen
Sehr geehrte Medienschaffende
Zahlreiche Medien haben über unseren offenen Brief[1] berichtet und dabei ein Licht auf verschiedene Kritikpunkte an den Luzerner Wohlfühltagen geworfen. Mit dieser zweiten Medienmitteilung möchten wir auf einige offene Punkte und auf die Stellungnahme der Messe Luzern AG, sowie der Organisator*innen eingehen. Ausserdem wollen wir etwas zu den Aussteller*innen sagen.
https://resolut.noblogs.org/post/2022/08/28/zweite-medienmitteilung-zu-den-wohlfuehltagen/


Absage von Peter Menschensohn: Umstrittener Gast der «Wohlfühltage» kommt doch nicht
Turbulenzen an den «Wohlfühltagen» in der Messe Luzern. Der umstrittenste Redner, Reichsbürger Peter Fitzek, kommt nun doch nicht.
https://www.zentralplus.ch/regionales-leben/prominenter-gast-der-wohlfuehltage-kommt-doch-nicht-2438079/


+++PROPAGANDA
https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/eritrea-ld.1700048

Propagandaveranstaltung getarnt Kulturfestival – Polizei kann nur zusehen: Eritreas Diktator geht in der Schweiz auf Spendenjagd
Der eritreische Diktator Isaias Afewerki sammelt in der Schweiz Geld für sein Regime. Die Opposition ist empört darüber – doch die Polizei kann wegen eines Tricks nichts unternehmen.
https://www.blick.ch/ausland/propagandaveranstaltung-getarnt-kulturfestival-polizei-kann-nur-zusehen-eritreas-diktator-geht-in-der-schweiz-auf-spendenjagd-id17828350.html



NZZ am Sonntag 28.08.2022

Wo sammelt die eritreische Diktatur auf diesem Foto Geld ein, in Afrika oder im Wallis?

Das eritreische Regime veranstaltet in der Schweiz umstrittene Propagandaveranstaltungen. Die Opposition versucht das zu verhindern, die Polizei ist alarmiert. So auch diesen Samstag.
Georg Humbel

Wie ein friedliches Kulturfestival sieht das Ganze nicht aus. Zwar spielt auf der Bühne eine Band. Doch die Tänzer neben den Musikern tragen Kampfanzug. Die zwei Männer in Armeeuniform schwingen ziemlich echt aussehende Maschinenpistolen. Sie ballen immer wieder die Faust und strecken ihre Kalaschnikows in Siegerpose in die Höhe. Neben der Bühne steht ein Zelt, auch hier uniformierte Personen. Sie preisen den Kampf des eritreischen Militärs und rufen zu Spenden für die «Märtyrer» auf.

Aufgenommen wurden diese Bilder nicht am Horn von Afrika – sondern diesen Sommer in einer Mehrzweckhalle in Conthey bei Sitten im Wallis. Getarnt war das Ganze tatsächlich als Kulturfestival. Doch in Tat und Wahrheit war es eine Progagandaveranstaltung von Unterstützern des eritreischen Regimes. Mehrere hohe Beamte wurden als Ehrengäste eingeflogen. Als Gastgeber trat der eritreische Botschafter auf. Zu sehen ist das alles auf einem Youtube-Video.
-> https://youtu.be/K42Gev8_NDo

Was im Nachhinein öffentlich gemacht wird, ist im Vorfeld hoch geheim. So auch der Anlass, der gestern Samstag stattfinden sollte. Zu gross ist die Angst vor Ausschreitungen am Festival, zu gross die Angst, dass Behörden solche Anlässe verbieten könnten.

Mit Recht: Regelmässig kommt es zu Ausschreitungen und Polizeieinsätzen. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) schreibt: Die Vergangenheit habe gezeigt, «dass ein gewisses Gewaltpotenzial besteht und Ausschreitungen möglich sind».

Es ist ein Ausdruck des tiefen Grabens, der durch die Diaspora geht. Es sind vor allem in den achtziger Jahren geflüchtete Eritreerinnen und Eritreer, die noch immer glühende Anhänger von Staatsgründer Isaias Afewerki sind. Für diese ältere Generation ist er ein Freiheitsheld, der die Unabhängigkeit des Landes erkämpft hat. Für sie spielt keine Rolle, dass noch nie Wahlen stattfanden und die Menschenrechtslage miserabel ist.

Ganz anders sehen es jene, die in den 2000er Jahren vor dem Regime Afewerkis geflüchtet sind. Sie haben Unterdrückung und Armut im angeblichen Paradies selber erlebt und kämpfen gegen die Regierung.

So auch Habteab Yemane. Er hat das Land 2016 verlassen. Der ehemalige Rechtsdozent und Richter lebt heute als anerkannter Flüchtling in der Schweiz. Für ihn und seine Mitstreiter ist es ein Schlag ins Gesicht, dass die Anhänger des Diktators solche Veranstaltungen durchführen können. «Das ist ein Missbrauch der Rede- und Versammlungsfreiheit», sagt er. Das Telefon des Oppositionellen klingelte in den letzten Tagen im Minutentakt.

Katz und Maus spielen

Wo der Anlass von diesem Samstag stattfinden sollte, wussten nur wenige. Regimetreue Eritreer und mutmasslich der eritreische Botschafter in der Schweiz Adem Osman haben ihn organisiert. Das Regime veranstaltet jeden Sommer solche Feste. Ausgewählte Künstler touren durch Westeuropa. Sie spielen in Stockholm, London, Bologna – überall, wo es viele geflüchtete Eritreer gibt.

Yemane und seine Mitstreiter versuchten, das Festival zu verhindern. Sie sprachen bei der Polizei vor, sie schrieben einen Brief an Justizministerin Karin Keller-Sutter, und sie starteten eine Petition. Sie drohten damit, vor Ort zu demonstrieren, sollte der Event dennoch stattfinden. «Friedlich», wie Yemane betont.

Doch den Behörden und der Opposition waren in den letzten Tagen die Hände gebunden. Nur schon, weil der Austragungsort der Veranstaltung bis zur letzten Minute geheim blieb. Die Veranstalter gingen klandestin vor. Am Samstag warteten an Sammelpunkten Busse auf die Teilnehmer. Wie es auf zuvor verbreiteten Flyern hiess, war der Einlass begrenzt: Einsteigen durfte nur, wer sich telefonisch angemeldet hatte. So wollten die regimetreuen Eritreer verhindern, dass die Opposition die Veranstaltung stört.

Wie angespannt die Stimmung innerhalb der Diaspora ist, zeigt das Beispiel Giessen in Deutschland. Vor einer Woche sollte in der hessischen Stadt eine grosse Veranstaltung stattfinden. Sie endete mit einem Gewaltausbruch: Oppositionelle versuchten den Saal zu stürmen. Über 200 Personen lieferten sich eine Massenschlägerei. Die Kontrahenten attackierten sich mit Eisenstangen, mittendrin eine überforderte Polizei. 33 Personen, darunter sieben Polizisten, wurden verletzt. Der Vorfall sorgte deutschlandweit für Schlagzeilen.

Auch die Niederlande sind ein wichtiger Stopp auf der jährlichen Propagandatour des eritreischen Regimes. Doch das Land hat die Veranstaltung diesen Sommer verboten. Die Behörden befürchteten Gewaltaufrufe und machten Sicherheitsbedenken geltend.

In der Schweiz lieferten sich in den vergangenen Tagen beide ­Seiten ein Katz-und-Maus-Spiel. Yemane verbrachte Nächte vor dem Bildschirm und suchte in den sozialen Netzwerken nach Hinweisen auf den Veranstaltungsort. Laufend meldeten sich Mitstreiter mit Gerüchten. Dauernd piepste sein Handy. Neues Gerücht, Dementi, schon wieder ein neues Gerücht, wieder ein Dementi. So ging das stundenlang.

Auch die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) verfolgte die Entwicklungen. «Wir haben unsere Mitglieder und die Polizeikorps informiert, dass eine solche Veranstaltung geplant ist», so Generalsekretär Florian Düblin.

Devisen für Asmara

Die niederländische Professorin Mirjam van Reisen ist eine aus­gewiesene Eritrea-Kennerin. Sie sagt, diese Festivals seien der «lange Arm Afewerkis» in den Westen. Die gesammelten Spenden sind eine Devisenquelle für das isolierte Regime. Neben den Spenden lebt das Land auch von der Diaspora-Steuer. Alle im ­Ausland lebenden Eritreer sind ­verpflichtet, zwei Prozent ihres Einkommens dem Staat abzuliefern.

An den Festivals wird dazu aufgerufen. «Das sind definitiv keine kulturellen Veranstaltungen», sagt van Reisen. Sie befürwortet ein Verbot, wie es die Niederlande erlassen haben. Neben dem Geld gehe es Asmara vor allem darum, die Stärke und den Einfluss des Regimes zu zeigen. Auch die Auswahl der Künstler sei hochpolitisch.

Für den Anlass am Samstag in der Schweiz war der Dichter Awel Said angekündigt. Er gilt als Chefpropagandist und zeigt sich gerne zusammen mit dem Staatsoberhaupt Afewerki. Seine Reden sind in aggressivem Stakkato vorge­tragene Tiraden gegen alle vermeintlichen Gegner des Regimes. Said schimpft gegen den Westen, gegen die USA und das Volk der Tigray.

Die eritreische Armee führt im Nachbarland Äthiopien Krieg gegen sogenannte Tigray-Rebellen. Awel Said glorifiziert diesen Krieg und bezeichnet die Tigray als minderwertiges Volk. Laut van Reisen ist dieser Krieg auch der Grund für die auf beiden Seiten extrem angeheizteStimmung.

Das NZZ Magazin hat letzte Woche mehrmals schriftlich und telefonisch versucht, mit der eritreischen Mission in Genf Kontakt aufzunehmen. Diese war nicht erreichbar und hat keine Anfragen beantwortet.

Warten und aufs Handy starren, Kaffee trinken. Auch am Samstagabend noch kannten ­Yemane und seine Mitstreiter den Veranstaltungsort nicht. Eine Demo vor Ort war unmöglich. Stattdessen versammelten sie sich in Bern, Genf und Zürich zu kleinen Schweigemärschen.

Die Geheimhaltetaktik der regimetreuen Anhänger ging dieses Wochenende auf. Oder die Veranstaltung fand doch nicht statt. Die Oppositionellen vermuten, der Anlass sei am Ende in kleinerem Rahmen auf privatem Grund durchgeführt worden. Vielleicht wird man es später in den sozialen Netzwerken sehen. Die regimetreue Bewegung hat einen eigenen Mediendienst, der Bilder und Videos produziert.

Auch die Botschaft filmt und fotografiert fleissig. Teilweise werden diese Bilder im eritreischen TV ausgestrahlt. Auch die staatliche Nachrichtenagentur berichtet über die Festivals. So will das Regime der eigenen Bevölkerung zeigen, wie sehr Isaias Afewerki im Ausland gefeiert wird.



Besuch aus Asmara: Staatssekretäre empfangen Eritreas Nummer zwei

Es war ein diskretes, aber hochkarätiges Treffen: Wie Recherchen zeigen, weilte der eritreische Präsidentenberater Yemane Gebreab am 18. Oktober 2021 in Bern. Gebreab gilt als engster Mitarbeiter des ­eritreischen Diktators Isaias Afewerki und als zweitmächtigster Mann Eritreas.

Es habe sich um einen «Höflichkeitsbesuch» gehandelt, schreibt das Aussendepartement EDA auf Anfrage. Das Treffen sei von eritreischer Seite angeregt worden. Gemäss Angaben des Aussendepartements dauerte der Empfang des Präsidentenberaters eine halbe Stunde und fand in einem Sitzungszimmer des EDA statt. Für einen derart kurzen Höflichkeitsbesuch war die Schweizer Delegation allerdings gewichtig: Mit Livia Leu und dem damaligen Migrationschef Mario Gattiker nahmen sich gleich zwei Staatssekretäre Zeit für den Gast aus Eritrea.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) kritisiert den Besuch scharf: «Aus Sicht der SFH ist nicht nachvollziehbar, dass der Empfang zu einem Zeitpunkt erfolgte, als eritreische Truppen in der Tigray-Region im Kriegseinsatz standen.» Seit 2020 herrscht im Nachbarland Äthiopien ein Bürgerkrieg. Eritreische Truppen beteiligen sich immer wieder an den Kämpfen. Laut der Flüchtlingshilfe werden den eritreischen Soldaten Kriegsverbrechen sowie mutmassliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.

Das Aussendepartement kontert die Kritik. Solche Kontakte würden es erlauben, wichtige Punkte anzusprechen. So habe Staatssekretärin Leu «dringlich» die Einhaltung des humanitären Völkerrechts gefordert. Neben dem Krieg sei es beim Treffen auch um das Thema Migration gegangen.

Eritreerinnen und Eritreer waren jahrelang die grösste Gruppe von Asylbewerbern in der Schweiz, mehrere zehntausend Eritreer leben derzeit hier. Das Regime akzeptiert keine Rückführungen von abgewiesenen Asylsuchenden. Bürgerliche Politiker fordern deshalb seit Jahren Verhandlungen mit dem ostafrikanischen Staat.

«Es braucht eine Lösung im Bereich der Migrationspolitik», sagt Mitte-Nationalrat Marco Romano. Die Lage sei seit über zehn Jahren blockiert, kritisiert er. «Wir haben eine riesige Diaspora in der Schweiz und sollten deshalb mit dem Regime in Kontakt bleiben», sagt auch FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. «Leider sind nicht alle Länder Demokratien. Wenn ein Dialog aber die Perspektive gibt, den Status quo zu verbessern, ist er dem Kontaktabbruch vorzuziehen.»
(https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/eritrea-ld.1700048)