Medienspiegel 4. Juli 2022

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
P 078-2022 Kullmann (Thun, EDU) Prüfung einer kantonalen Immobilienstrategie für den Asyl- und Flüchtlingsbereich. Antwort des Regierungsrates
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=704104b1223a4a6eb013d3be0609f2df


+++LUZERN
Perlen Packaging: Integration von Flüchtlingen in die Berufswelt
Es ist Jahr für Jahr die grosse Freude von vielen Lernenden: Der Moment, wenm sie ihre Abschlussprüfungen durch haben und Bescheid erhalten, dass alles gut gelaufen ist. Aufgeatmet und Freude gehabt hat in diesem Jahr auch Seifollah Salehi. Vor 7 Jahren kam er als Flüchtling aus Afghanistan in die Schweiz und hat nun sein Lehrabbschluss im Sack.
https://www.tele1.ch/nachrichten/perlen-packaging-integration-von-fluechtlingen-in-die-berufswelt-147075862


+++ST. GALLEN
St.Galler integriert Flüchtlinge in WG
Sie flüchten aus ihrer Heimat wegen dem Krieg und der Gewalt. Für den Neustart in der Schweiz brauchen aber vor allem junge Menschen Hilfe. Für das gibt es in St.Gallen eine spezielle WG, wo ein Somalier und ein Afghane eine besondere Integration erhalten.
https://www.tvo-online.ch/aktuell/st-galler-integriert-fluechtlinge-in-wg-147075786


+++THURGAU
Flüchtende werden in Kreuzlingen in Hotel untergebracht
Um ausreichend Wohnraum für die Flüchtlinge aus der Ukraine bereitzustellen, mietet die Stadt Kreuzlingen das ehemalige Hotel Post. Die ersten Personen sind bereits eingezogen.
https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/fluechtende-werden-in-kreuzlingen-in-hotel-untergebracht-00187984/


+++LITAUEN
Litauen will Asylgesetz nicht ändern: Vilnius versus Luxemburg
Litauens Asylgesetz erlaubt die Inhaftierung von Flüchtlingen – eine illegale Regelung, so der EuGH. Doch das baltische Land will daran festhalten.
https://taz.de/Litauen-will-Asylgesetz-nicht-aendern/!5865231/


+++ITALIEN
Flüchtlinge auf Lampedusa: Rom fürchtet ein neues Erstarken der Populisten
Die dramatischen Prognosen von Hunger und Not in Afrika lösen in Italien Besorgnis aus. Die Dauerkrise auf Lampedusa müsse nun endlich gelöst werden, verlangt der Bürgermeister der Insel.
https://www.tagesanzeiger.ch/rom-fuerchtet-ein-neues-erstarken-der-populisten-124000872941


+++GRIECHENLAND
Pushbacks in Griechenland: Folgenlose Brutalität
Erpressung, Entrechtung, Pushbacks: Wie griechische Behörden mit Flüchtenden umgehen, verstößt gegen das Völkerrecht und EU-Werte. Aber Konsequenzen hat das nicht.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-07/pushbacks-griechenland-tuerkei-gefluechtete-europa/komplettansicht


+++EUROPA
Europa angreifen bis die Festung fällt!
Hunderte von Verletzten und mindestens 37 Tote an der marokkanischen Grenze zu Spanien bei Melilla.
Die europäischen Staaten rüsten ihren rassistischen und kolonialen Sicherheitsaperat stetig auf.Trotzdem versuchen täglich Menschen mutig und selbstbestimmt die Grenzen Europas zu überwinden. Grenzenlose Solidarität mit Allen auf der Flucht.
https://barrikade.info/article/5251


+++FREIRÄUME
Baugesuch, Gerichtsprozesse und aktuelle Situation – was passiert in der Elsi?
Ein Baubegehren hängt an der Fassade, die Einsprachefrist ist abgelaufen. 130 Einsprachen muss das Bauinspektorat nun überprüfen, das wird seine Zeit dauern. Bis dahin kann nicht gebaut werden. Gleichzeitig findet der zweite Gerichtsprozess statt, wieder ein politischer Schuldspruch. Aber der Sommer ist da und die Elsi lässt sich die Laune nicht verderben von der Areion Management AG und dem Strafgericht.
https://barrikade.info/article/5256


Besetztes Haus Stadt Luzern: Hausbesitzer hat bei der Polizei eine Anzeige gegen Unbekannt eingereicht. (ab 10:32)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/nach-16-jahren-will-ich-einer-juengeren-person-platz-machen?id=12217699


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Operation MOLESTIA: Über rostige Kabel, vernichtete Beweise und die blühende Fantasie der Bundeskriminalpolizei
Ein Einblick in die Ermittlungen der Bundeskriminalpolizei im Zusammenhang mit den vermeintlichen ‹Angriffen› gegen eine SEM-Angestellte.
https://barrikade.info/article/5254


+++JUSTIZ
Behörde versinkt in Arbeit – Basler Staatsanwaltschaft lässt Fälle teilweise jahrelang liegen
Die Aufsichtskommission bezeichnet die Situation als «besorgniserregend». Die Staatsanwaltschaft sei tausende Fälle im Rückstand.
https://www.srf.ch/news/schweiz/behoerde-versinkt-in-arbeit-basler-staatsanwaltschaft-laesst-faelle-teilweise-jahrelang-liegen


+++KNAST
Todesfall: Häftling im Gefängnis Liestal erhängt aufgefunden
Im Gefängnis Liestal ist am Sonntagabend ein Inhaftierter tot aufgefunden worden. Der 30-jährige Mann befand sich als beschuldigte Person in einem Tötungsdelikt in Untersuchungshaft.Der Verstorbene habe sich in seiner Zelle erhängt, teilte die Baselbieter Sicherheitsdirektion am Montag mit.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/todesfall-haeftling-im-gefaengnis-liestal-erhaengt-aufgefunden?id=12217564
-> https://www.20min.ch/story/30-jaehriger-haeftling-im-gefaengnis-tot-aufgefunden-123552467227
-> https://telebasel.ch/2022/07/04/haeftling-30-in-liestal-tot-in-zelle-gefunden/?channel=105100
-> https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/liestal-haeftling-tot-in-zelle-gefunden-er-war-der-tatverdaechtige-in-einem-toetungsdelikt-ld.2313149


Einmal Täter, immer Täter?
Wieso werden Menschen kriminell? Wie bringt man sie zurück auf den rechten Weg? Und was tun, wenn sie unbelehrbar sind? Diesen Fragen geht Mona Vetsch nach.
https://www.srf.ch/play/tv/reporter/video/einmal-taeter-immer-taeter?urn=urn:srf:video:1bfbe067-2d50-4206-9b7c-d20cff70ccaa&aspectRatio=16_9



solothurnerzeitung.ch 04.07.2022

Sie beaufsichtigen Häftlinge: Private Securitys arbeiten für das Solothurner Gefängnis – wie heikel ist das?

In der Justizvollzugsanstalt Solothurn helfen private Sicherheitsfirmen aus, wenn Personalmangel herrscht. Sie übernehmen Aufgaben, die eigentlich in die Hände der Behörden gehörten. Was dies für das staatliche Gewaltmonopol bedeutet.

Sven Altermatt

Wenn Feste gefeiert oder Konzerte gespielt werden, sorgen sie für Recht und Ordnung. Vor allem deswegen kennt man die Männer und Frauen, deren Markenzeichen das grosse rote «X» auf ihrer Arbeitsuniform ist. Die Angestellten der Sicherheitsfirma X-Protect sind bei vielen Veranstaltungen im Solothurnischen nicht wegzudenken.

Doch das Oensinger Unternehmen arbeitet auch an einem Ort, wo naturgemäss weniger Feierlaune herrscht: Der Kanton Solothurn vertraut im Gefängnis auf die Dienste der Firma. Die privaten Securitys arbeiten für die Justizvollzugsanstalt Solothurn im Deitinger Schachen. Hier, in einem der modernsten Hochsicherheitsgefängnisse des Landes, gibt es insgesamt 93 Plätze. Die meisten davon sind für den geschlossenen Massnahmenvollzug.

Private Sicherheitskräfte im Solothurner Justizvollzug? Das lässt aufhorchen. Denn daran gibt es nichts zu rütteln: Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Nirgends ist das so bedeutsam wie im Gefängnis. Wenn Menschen die Freiheit entzogen wird, tangiert dies ihre Grundrechte massiv. Deshalb hat der Staat eine besondere Verantwortung gegenüber Häftlingen, die in seiner Gewalt stehen.

Unterstützung bei Überwachungseinsätzen

Dass im hiesigen Justizvollzug wichtige Aufgaben an private Dienstleister übertragen werden, blieb bisher öffentlich weitgehend unbeachtet. Die zuständige Behörde äussert sich auf Anfrage nur vage dazu. Zu erfahren ist: Die Justizvollzugsanstalt wechselt dann private Securitys ein, wenn sich die eigenen Reihen gelichtet haben.

Michael Leutwyler, der Chef des kantonalen Amts für Justizvollzug, spricht von «vorübergehenden, personellen Engpässen». Wie oft die externen Kräfte genau eingesetzt werden, bleibt unklar. «Der Beizug erfolgt im Einzelfall ad hoc», erklärt Leutwyler bloss. Den entsprechenden Entscheid fälle ein Direktionsmitglied der Justizvollzugsanstalt. Der Amtschef führt weiter aus: «Die Übergabe und die Instruktion der beigezogenen Drittpersonen erfolgen jeweils durch unser Sicherheitspersonal.»

Laut Leutwyler unterstützen die privaten Securitys «in aller Regel» Überwachungseinsätze der Justizvollzugsanstalt, namentlich auch in Kliniken oder auf Notfallstationen. Im Einsatz stünden sie in der Nacht oder an Wochenenden. Näher äussert sich Leutwyler nicht dazu. So bleibt offen, unter welchen vertraglichen Bedingungen die privaten Sicherheitsfirmen arbeiten. Ebenso die Frage, wie die Mandate vergeben wurden. Und ob neben X-Protect noch weitere Unternehmen im Einsatz stehen.

Ruchbar wurde der Name dieser Firma freilich nur, weil ein Gremium des Europarats hierzulande unterwegs war – und dabei unter anderem das Solothurner Gefängnis inspizierte. In dessen kürzlich publizierten Bericht wird das Unternehmen erwähnt. Die privaten Securitys arbeiteten immer mit erfahrenen Sicherheitsbeamten zusammen, rapportieren die Experten ohne weitere Wertungen. X-Protect selbst wollte sich gegenüber dieser Zeitung nicht äussern.

Rechtsgrundlage war dürftig, Securitys schon da

Das Amt für Justizvollzug verweist auf die rechtlichen Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen. Seit dem 1. November 2021 ist das neue kantonale Justizvollzugsgesetz in Kraft. Mit diesem wurde auch der Einsatz von privaten Sicherheitskräften im Gefängnis geregelt. Bis dahin gab es in Solothurn keine expliziten Regeln dafür.

Pikant ist jedoch: Es ist aktenkundig, dass die Gefängnisverantwortlichen schon mindestens ein halbes Jahr vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes auf private Securitys gesetzt haben. Das offenbaren die Beobachtungen der Europarats-Experten. Sie besuchten das Solothurner Gefängnis im März 2021, also zu einem Zeitpunkt, als noch das alte Gesetz galt.

Dass dieses nicht wirklich eine ausgereifte Rechtsgrundlage für Auslagerungen an Dritte bot, räumte selbst der Regierungsrat ein, als er die Botschaft für das neue Gesetz vorlegte. So war zuvor lediglich festgehalten, dass die Behörden mit Privaten Vereinbarungen «über besondere, für den Justizvollzug erforderliche Leistungen» abschliessen können.

Für Rechtsexperten war da der Fall ohnehin klar: In einem grundrechtlich so sensiblen Bereich ist ein solcher Passus zu dürftig. Es ist noch keine zwei Jahre her, als das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte eine Studie zum Thema vorlegte. Darin kamen die Autoren um den Berner Staatsrechtsprofessor Jörg Künzli zum Schluss: Die entsprechende Regelung des Kantons Solothurn sei «zu wenig spezifisch, als dass auf deren Grundlage sicherheitspolizeiliche Aufgaben im Justizvollzug ausgelagert werden könnten».

Bemerkenswert ist zudem: Der Beizug privater Sicherheitsfirmen wurde im Kantonsrat praktisch diskussionslos abgesegnet. In anderen Kantonen sorgte das Thema für Kontroversen. Warum nicht in Solothurn? Erklären lassen dürfte sich das erstens mit der umfangreichen Vorlage; die Liste der Änderungen war lang, die einzelnen Punkte komplex. Und zweitens stand bei der Debatte zum neuen Gesetz anderes im Fokus.

Menschenrechtler bleiben skeptisch

Tatsächlich stellen sich in der Praxis heikle Fragen – gerade mit Blick auf das staatliche Gewaltmonopol. Zwar betonen die Behörden, dass privaten Sicherheitsleuten nur eine unterstützende Funktion zukomme. Vorgesehen ist überdies auch eine Sicherheitsüberprüfung durch die Kantonspolizei. Aber wie weit dürfen die Securitys beispielsweise gehen, um einen renitenten Häftling unter Kontrolle zu bringen?

Im neuen Gesetz steht: Wenn Sicherheitsaufgaben an Private übertragen werden, müssten «insbesondere deren Befugnisse zur Anwendung von unmittelbarem Zwang» bestimmt werden. Gemeint ist damit allen voran der Einsatz von Muskelkraft, wenn etwa eine Person festgehalten oder gefesselt wird. Solche Massnahmen sind ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.

Es solle «stets die Ausnahme bleiben», dass private Sicherheitsleute unmittelbaren Zwang ausüben, wird dazu ausgeführt. Die Befugnisse dazu erhielten sie nur in jenem Umfang, «als dies für die konkrete Aufgabenerfüllung unabdingbar ist». So weit, so diffus. Denn welche Leitplanken die privaten Kräfte genau befolgen müssen, wenn es zu brenzligen Situationen kommt – das bleibt unklar.

Kein Wunder, rufen Juristen vor diesem Hintergrund zu Zurückhaltung auf. So bilanzierte etwa das Kompetenzzentrum für Menschenrechte in seiner Studie: Selbst wenn eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von privaten Sicherheitskräfte in Gefängnissen existiere, bleibe ein solcher umstritten.

Die Solothurner Behörden haben derweil die Macht des Praktischen auf ihrer Seite. Man sei nun mal darauf angewiesen, in Ausnahmefällen private Securitys beiziehen zu können, heisst es. Bereits in seiner Botschaft zum neuen Gesetz mahnte der Regierungsrat: Nur mit dieser Möglichkeit könnten Lücken beim Personal «wirksam abgefedert werden».
(https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/umstrittene-unterstuetzung-sie-beaufsichtigen-haeftlinge-private-securitys-arbeiten-fuer-das-solothurner-gefaengnis-wie-heikel-ist-das-ld.2310933)


+++BIG BROTHER
Gemeinderatsantwort auf Postulat Fraktion SP/JUSO (Bernadette Häfliger/Yasemin Cevik, SP): Kameraüberwachung des öffentlichen Raums durch Private (PDF, 21.8 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-4-juli-2022/postulat-fraktion-spjuso-kamerauberwachung.pdf/download


+++POLIZEI SH
Schaffhausen beschliesst neue Regeln für polizeiliche Überwachungen
Die Schaffhauser Polizei soll mehr Möglichkeiten erhalten, Personen zu observieren und verdeckt zu ermitteln, um Verbrechen oder Vergehen zu verhindern. Der Kantonsrat hat am Montag der notwendigen Teilrevision des Polizeigesetzes mit 51 zu 3 Stimmen zugestimmt.
https://www.toponline.ch/news/schaffhausen/detail/news/schaffhausen-beschliesst-neue-regeln-fuer-polizeiliche-ueberwachungen-00188007/


+++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Versklavung für Pushbacks, Niederlage von #WirbleibeninBiel, Proteste in Spanien und Italien
https://antira.org/2022/07/04/versklavung-fuer-pushbacks-niederlage-von-wirbleibeninbiel-proteste-in-spanien-und-italien/


+++RECHTSPOPULISMUS
Sind Aargauer Kantonsschulen zu links? – Schweiz Aktuell
Eine Maturarbeit wirft hohe Wellen im Aargau, sie wirft den Lehrerinnen und Lehrern vor, politisch zu links zu unterrichten. Die Politik will das mit einer Studie untersuchen. Jetzt wehren sich die Lehrpersonen.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/sind-aargauer-kantonsschulen-zu-links?urn=urn:srf:video:d1f0a81a-70b8-4b19-bb42-816de57fde0e
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/linkes-aargauer-lehrpersonal-umstrittene-maturaarbeit-lehrpersonen-melden-sich-zu-wort



aargauerzeitung.ch 04.07.2022

Jetzt macht auch die Goldküsten-SVP Andreas Glarner zum Sündenbock für Wahlschlappen

In Christoph Blochers Heimat an der Zürcher Goldküste schiessen sich SVP-Lokalpolitiker auf Andreas Glarner ein. Sie sehen den Aargauer Parteikollegen als eine der Ursachen für die bitteren Wahlniederlagen in ihren Gemeinden. Glarner wagte sich in die Höhle des Löwen und stellte sich seinen Kritikern.

Rolf Cavalli

Der Schuldige war schnell ausgemacht. Urheber für die empfindliche Niederlage bei den Kommunalwahlen letzten Herbst (minus 23 Sitze) sei Andreas Glarner, fand ein Teil der Aargauer SVP. Am schärfsten formulierte es Hans-Ulrich Mathys, alt Nationalrat und früherer Kantonalparteipräsident: «Glarner zerstört unsere Partei», sagte er. Viele Wähler würden sich abwenden, weil ihnen der Ton in der «Teppichetage der SVP» nicht mehr passe. Die Ortsparteien würden besonders darunter leiden.

Glarner übte sich am Parteitag kurz nach den Wahlen in Selbstkritik. Er sei sich bewusst, dass die schlechten Resultate «auch mit dem Stil zu tun haben». Er stellte in Aussicht, in der Sache hart zu bleiben, «aber im Ton freundlicher» zu werden.

Doch die Ruhe währte nicht lange. Glarners Position zum Ukraine-Krieg, die er in einem Artikel in der «Schweizerzeit» ausführte, löste neue Diskussionen aus. Wie sein Nationalratskollege Roger Köppel stellt sich Glarner auf den Standpunkt, der Westen trage eine wesentliche Mitschuld und bekundete ein gewisses Verständnis für Putins Handeln. Grossrats-Fraktionschefin Désirée Stutz distanzierte sich ausdrücklich von Glarners Position und Regierungsrat Jean-Pierre Gallati soll Glarner am Rande einer SVP-Sitzung als «Putin-Verehrer» bezeichnet haben.

Gefragt sind weniger Polemik und mehr Sachlichkeit

Als schweizweit bekannte Figur polarisiert Nationalrat Glarner auch in SVP-Sektionen ausserhalb des Kantons Aargau. Am konkretesten artikulierte sich dies jüngst an der Zürcher Goldküste. Ortsparteien sehen in Glarners Wirken eine Ursache für die herben Rückschläge bei den Lokalwahlen Mitte Mai.

So verlor die SVP im Bezirk Meilen, zu dem etwa Küsnacht, Meilen und Herrliberg gehören, jeden dritten Gemeinderatssitz. Drei amtierende SVP-Gemeinderäte sind sogar abgewählt worden. Von 17 Kandidierenden verpassten 7 den Sprung in die Exekutive.

Besonders tief sass der Frust am Wahlabend des 15. Mai bei der SVP-Ortspartei Meilen. Bei der Wahl in den achtköpfigen Gemeinderat blieb ihr Kandidat auf der Strecke. Sogar bei der normalerweise unbestrittenen Wahl der Schulpflege wurde der SVP-Kandidat abgestraft und ging als Überzähliger leer aus. Ein Debakel, ausgerechnet in der Gemeinde, wo SVP-Übervater Christoph Blocher seine Polit-Karriere begann (er war Gemeinderat von 1975 bis 1980, heute lebt er im benachbarten Herrliberg).

Gemäss AZ-Recherchen sahen einige SVPler am Zürichsee Leute wie Andreas Glarner als Grund für die Wahlschlappe und bekundeten das auch lauthals. Wie im Aargau kritisierten die Lokalpolitiker, das Politisieren à la Glarner schade ihnen, weil auf Gemeindeebene weniger Polemik und mehr Sachlichkeit gefragt seien, auch bei der Volkspartei.

Glarner stellte sich in der Blocher-Gemeinde kritischen Fragen

Prompt wurde Glarner darauf in die Höhle des Löwen eingeladen, um Red und Antwort zu stehen. Andreas Glarner bestätigt auf Anfrage: «Ja, einige Parteikollegen am Zürichsee fanden offenbar, dass sie auch wegen Roger Köppel, Thomas Aeschi und mir an den Wahlen so abgeschifft sind.» Ortsparteipräsident Adrian Bergmann, den er persönlich kenne, habe ihn dann angerufen und gefragt, ob er an ihre Parteiversammlung kommen und sich den kritischen Fragen stellen könne.

«Das habe ich natürlich gerne gemacht», sagt Glarner. Es habe eine «Chropfleerete» gegeben. Nach eigenen Angaben ging es weniger um seinen Polit-Stil, sondern um die beiden Kernthemen Corona und Ukraine-Krieg. «Da gibt es halt unterschiedliche Meinungen in unserer Partei. Ich habe ihnen dann erklärt, dass die Medien das teils aufgebauscht haben und es keinen Eklat wegen Putin gab in der SVP Aargau.»

Er habe in Meilen aber auch einen Vortrag darüber gehalten, wie man in urbanen Gebieten, zu denen er die Zürichsee-Gemeinden zähle, wieder Stimmen holen könne. «Sicher nicht mit Stellungnahmen zu mehr Fotovoltaik-Beiträgen in der Gemeinde», so wie es die SVP Meilen gemacht habe. Tatsächlich ist das Erste, was Interessierte auf der Homepage der SVP Meilen sieht (Stand 3.7.22), ein wenig einladender langer Text mit dem Titel «Erhöhung der Fotovoltaik-Einspeisevergütung».

Wie im Aargau hielt Glarner den Zürcher Ortspartei-Vertretern den Spiegel vor: «Man muss schon etwas mehr tun im Wahlkampf, um erfolgreich zu sein.» Glarner wie Bergmann werten die Aussprache als «Erfolg».

Glarner verwirft Frage nach Rücktritt

Neben dem Ausflug an die Goldküste traf sich Glarner kürzlich auch im kleinen Kreis mit Aargauer SVP-Freunden, darunter ehemalige Führungsleute. Dem Vernehmen nach ging es – einmal mehr – um Glarners Rolle und die bevorstehenden nationalen Wahlen im Herbst 2023. Dabei soll thematisiert worden sein, ob es nicht besser sei für Glarner und die Partei, wenn er das Kantonalpräsidium abgeben würde. Glarner habe dies kategorisch abgelehnt und einen solchen Schritt allenfalls für nach den Nationalratswahlen in Aussicht gestellt.

Bis dahin gibt Glarner den Ton an, so wie man ihn kennt. Vor allem in den sozialen Medien teilt er aus wie eh und je und schont auch Parteikollegen nicht. Einer seiner notorischen Kritiker, ein Zürcher Lokalpolitiker, betitelte ihn letzte Woche auf Twitter als «erbärmlich» und als Nationalrat «untragbar», nachdem sich Glarner über einen Dritten lustig gemacht hatte. Der Aargauer SVP-Präsident schoss mit voller Wucht zurück: «Ich werde dafür sorgen, dass Du elender Nestbeschmutzer endlich aus der SVP entfernt wirst!»

    Ich werde dafür sorgen, dass Du elender Nestbeschmutzer endlich aus der SVP entfernt wirst !
    — Andreas Glarner (@andreas_glarner) June 28, 2022
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/parteistreit-jetzt-macht-auch-die-goldkuesten-svp-andreas-glarner-zum-suendenbock-fuer-wahlschlappen-ld.2312069)


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
aargauerzeitung.ch 04.07.2022

Polizeikontrolle vor Bezirksgericht: Freiheitstrychler stören Prozess gegen Maskengegner

Ein 28-jähriger Italiener landete vor dem Aarauer Bezirksgericht, weil er einen Strafbefehl wegen Nichttragens einer Maske im öffentlichen Verkehr nicht akzeptieren wollte. Vor Gericht ging es dann abenteuerlich zu und her.

Florian Wicki

Es ist ein Fall, bei dem es keine Gewinner gibt, sondern nur Kosten: Alles begann damit, dass Antonio (Name geändert), ein 28-jähriger, in der Region Aarau aufgewachsener Italiener, im letzten Februar zweimal in der S14 zwischen Schöftland und Menziken fuhr und dabei keine Maske tragen wollte.

Auf den Hinweis auf die damals noch geltende Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und die Aufforderung des Sicherheitspersonals entgegnete Antonio, er habe ein Attest, das ihn von der Maskenpflicht befreie – auf Nachfrage des Personals wollte er dieses aber nicht vorzeigen.

Die Aargauer Oberstaatsanwaltschaft sah darin eine mehrfache Verletzung der Maskentragpflicht der Covid-19-Verordnung und die mehrfache Missachtung von Anordnungen des Sicherheitspersonals im öffentlichen Verkehr. Sie verurteilte Antonio per Strafbefehl zu einer Busse von 300 Franken, zuzüglich einer Strafbefehlsgebühr von 400 Franken, Rechnungsbetrag also 700 Franken. Antonio akzeptierte den Strafbefehl nicht, darum landete er vor dem Aarauer Bezirksgericht.

Gericht im Ausnahmezustand

Am Montagmorgen war das Bezirksgericht Aarau praktisch im Ausnahmezustand, die Polizei stand vor dem Eingang und kontrollierte die Ausweise der eintretenden Personen. Und das mit gutem Grund: Kurz vor Verhandlungsbeginn erklang lautes Glockengeläute, das im Innern des Gerichtsgebäudes für einigen Unmut sorgte. Antonio kam zum Gebäude gelaufen, inmitten einer kleinen, aber lauten Gruppe von Freiheitstrychlern. Fünf von ihnen hatten sich für die Gerichtsverhandlung angemeldet, weshalb diese vom kleinen in den grossen Saal verlegt und unter Polizeischutz durchgeführt wurde.

Auch wenn durchgeführt eigentlich schon ein zu grosses Wort für diese Verhandlung ist, denn richtig beginnen sollte sie gar nicht. Schon zu Anfang zeigte sich, dass Antonio den Strafbefehl zwar angefochten, an einer ordentlichen Verhandlung aber gar kein Interesse hatte

Mehrfach bat Gerichtspräsident Reto Leiser den Beschuldigten, Platz zu nehmen. Antonio weigerte sich. Erst, weil er einige Anträge stellen wollte. Dann mit der Begründung, er habe mehrere Dokumente erhalten; auf einem stehe erst der Vor-, dann der Nachname, auf einem anderen sei es umgekehrt. Beides sei falsch, er sei einfach nur Antonio, deshalb nicht die beschuldigte Person und nur hier, um ein Missverständnis aufzulösen. Er wollte sich auf die Zuschauer- statt die Anklagebank setzen.

Verhandlung wird gar nicht erst eröffnet

Leiser zog die Schlussfolgerung, dass die beschuldigte Person an einer Verhandlung nicht interessiert sei. Der Fall wird deshalb so behandelt, als hätte Antonio (tatsächlich) nicht teilgenommen. Somit wurde die Gerichtsverhandlung gar nicht eröffnet. Was von den Trychlern – und Antonios Vater, der mit der Aarauer Justiz auch schon Bekanntschaft gemacht hat – mit abenteuerlichen bis despektierlichen Aussagen kommentiert wurde, bis sie von der Polizei aus dem Saal gewiesen wurden.

Natürlich hatte Antonio mit seinem Auftritt keinen Erfolg – zu den 700 Franken, die nun fällig werden, kommen wahrscheinlich noch Gerichtskosten dazu; ob für das Polizeiaufgebot auch etwas berechnet wird, kann das Bezirksgericht noch nicht sagen.

Vor dem Gerichtsgebäude liessen die Freiheitstrychler noch einmal lautstark ihre Glocken erklingen. Danach folgte der typische Slogan «Friede, Freiheit, s Volch isch souverän», der aus einer Gefängniszelle im gegenüberliegenden Polizeirevier von einem unbekannten Insassen mit «Ja Mann, Freiheit!» beantwortet wurde. Im Anschluss trychelten die Trychler ein wenig vor dem Gerichtsgebäude weiter, bevor sie wieder von dannen zogen.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/aarau/aarau-polizeikontrolle-vor-bezirksgericht-freiheitstrychler-stoeren-prozess-gegen-maskengegner-ld.2312935(


+++HISTORY
nzz.ch 04.07.2022

Tipps von Hitlers Blitzkrieg-Helden

Nach dem Zweiten Weltkrieg lockten hohe Schweizer Militärs den deutschen Panzergeneral Heinz Guderian in die Eidgenossenschaft. Die Behörden zögerten und zauderten. Ein Blick zurück.

Marc Tribelhorn

Anfang Juli 1950, kurz vor den Sommerferien, muss sich die Schweizer Regierung mit einem heiklen Geschäft befassen. Es geht um die Bewilligung eines dreiwöchigen «Erholungsurlaubs» in Baden im Kanton Aargau. Das klingt harmlos, ist es aber nicht: Der Gesuchsteller aus Bayern heisst nämlich Heinz Guderian – und war einer von Hitlers gewichtigsten Generälen.

In der Bundesverwaltung macht sich operative Hektik breit, wie oft in jenen Nachkriegsjahren, wenn prominente Exponenten des untergegangenen «Dritten Reichs» einreisen wollen. Erkundungen und Einschätzungen werden eingeholt. Aussenminister Max Petitpierre schreibt Justizminister Eduard von Steiger: «General Guderian hatte sich nie als ‹Kriegsverbrecher› zu verantworten. Er soll auch keine politische Tätigkeit entfaltet haben. Die Tatsache allein, ein hoher deutscher Armeeführer gewesen zu sein, ist unseres Erachtens kein Grund zu einer Visumsverweigerung.» Der militärische Nachrichtendienst weiss überdies: «Das Entnazifizierungsverfahren gegen ihn wurde durchgeführt, und er wurde als nichtbelasteter Mitläufer freigesprochen.» Zudem soll er bei den Amerikanern «besonders gutes Ansehen» geniessen, und auch andere Alliierte hätten durch Fachleute Verbindung mit ihm aufgenommen.

Doch so eindeutig ist die Sache nicht.

Aufgeputscht mit Pervitin

Unbestritten ist Heinz Guderians militärische Berühmtheit. 1888 in Westpreussen als Sohn eines Offiziers der kaiserlichen Armee geboren, steigt er schnell die Karriereleiter empor, dient im Ersten Weltkrieg, kämpft dann in einem Freikorps weiter und setzt sich schliesslich für den Aufbau mechanisierter Truppen ein. Er macht sich einen Namen als «Erfinder» der deutschen Panzerwaffe, die er etwa im Buch «Achtung – Panzer!» popularisiert. Er verbreitet Weisheiten wie: «Der Motor des Panzers ist ebenso seine Waffe wie die Kanone.» Bekannt wird auch sein Bonmot für die Kriegführung: «Klotzen, nicht kleckern!»

Seine Fähigkeiten im Feld demonstriert er, als Hitler 1939 Polen überfällt, vor allem aber beim tollkühnen Angriff im Westen, der als «Blitzkrieg» in die Geschichte eingeht. Guderians Panzertruppen überrumpeln und überrollen ihre Gegner, aufgeputscht mit Tausenden Tabletten Pervitin, einem Methamphetamin, «Panzerschokolade» genannt. Nach dem Sieg jubelt der «schnelle Heinz», wie Guderian nun gerufen wird: «Ich habe euch aufgefordert, 48 Stunden nicht zu schlafen. Ihr habt 17 Tage durchgehalten.»

Auch im Krieg gegen die Sowjetunion eilt Guderian mit seiner Panzerdivision von Erfolg zu Erfolg, bis er wegen taktischer Differenzen mit Hitler versetzt wird. Ab 1943 amtet er bereits wieder als Generalinspekteur der Panzertruppe, und nach dem gescheiterten Attentat auf den «Führer» vom 20. Juli 1944 wird Guderian sogar Generalstabschef des Heeres: Mit den Verschwörern hat er nichts zu tun. Nach Kriegsende sitzt er bis im Sommer 1948 in alliierter Gefangenschaft, wird aber bereits 1947 von der Liste der Verdächtigen des Nürnberger Gerichtshofes gestrichen.

Guderian ist kein Nazi, aber ein Opportunist, der Hitler gehorsam gedient hat. «An Treue zum Führer [lasse] er sich von niemandem übertreffen», schreibt der Propagandaminister Goebbels über ihn. Noch im März 1945 erklärt der Panzergeneral an einer Pressekonferenz in Berlin: «Ich habe selbst in der Sowjetunion gekämpft, aber nie etwas von Teufelsöfen, Gaskammern und ähnlichen Erzeugnissen einer kranken Phantasie bemerkt.» Die Geschichte der «sauberen» Wehrmacht verbreitet Guderian später auch in seinen Memoiren. Vom amerikanischen Nachrichtendienst CIA wird er Anfang der 1950er Jahre als «der vielleicht reaktionärste der hochrangigen früheren Offiziere» bezeichnet.

Geheimtreffen in Luzern

Die Zurückhaltung des Bundesrats gegenüber Guderian ist also begründet. Erst nach wochenlangem Hin und Her bewilligt die Regierung am 23. August 1950 den Aufenthalt in der Schweiz, mit einer Auflage: Guderian muss sich «jeder politischen und publizistischen Tätigkeit» enthalten.

Doch genau dies ist die Absicht derjenigen, die Guderians Ferienreise in die Wege geleitet haben. Eine Gruppe hochrangiger Militärs erhofft sich vom deutschen Panzergeneral eine dringend benötigte Expertise. Die Schweiz will aufrüsten und endlich Panzer beschaffen – nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Nur: Welcher Typ eignet sich für das gebirgige Gelände? Und wer kann überhaupt innert nützlicher Frist Panzer liefern?

Federführend beim Besuch Guderians sind zwei Aargauer: Oberst Hermann Mäder aus Baden, ehemals Chef der Heeresmotorisierung im Armeestab, sowie Eugen Bircher aus Aarau, ein Chirurg, Divisionär a. D., Militärpublizist und Nationalrat der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB). Bircher bewegt sich politisch seit langem am äussersten rechten Rand, ist deutschfreundlich, hat während des Weltkriegs die berüchtigte schweizerische Ärztemission an die Ostfront initiiert und pflegt Kontakt zu früheren Offizieren des «Dritten Reichs». Im August 1950 reist Mäder als Tourist zu Guderian nach Bayern und meldet bald: Der Panzergeneral sei «bereit, in kleinem Kreise über seine Kriegserfahrungen zu diskutieren».

Verteidigungsminister Karl Kobelt, der offenbar als Einziger im Bundesrat eingeweiht ist, erinnert Mäder brieflich an die strikte Einhaltung der Auflagen, die Guderian gemacht worden seien. Er schreibt aber: «Ich begrüsse auch Ihre Anregung für eine private Zusammenkunft mit Generaloberst Guderian.»

Ende September kommt Guderian samt Gattin für einen dreiwöchigen Kuraufenthalt nach Baden, untergebracht sind sie im Haus von Hermann Mäder. Eine detaillierte Zusammenstellung ihrer Aktivitäten ist nicht überliefert, verbürgt ist aber ein geheimes Treffen im Hotel Schweizerhof in Luzern vom 5. Oktober 1950: In einer illustren Runde hoher eidgenössischer Offiziere referiert Guderian über den Panzerkrieg und gibt Empfehlungen für die Schweizer Armee ab. Er favorisiert den Kauf des amerikanischen Panzers M-46 und liefert später ein umfangreiches Gutachten. Schon früher hat er zuhanden der Schweizer Armee die Studie «Verteidigung eines Gebirgslandes» verfasst. Auch in Briefen an Eugen Bircher gibt er Tipps: «Ich bin überzeugt, dass die Tatsache der Anwesenheit guter Panzer mehr abschreckende Wirkung auf eventuelle Angreifer ausüben wird als Befestigungen mit unzulänglicher Bestückung.»

«Höchst unerwünscht»

Guderian hat der Aufenthalt in der Schweiz gut gefallen – «eine rechte Wohltat». Schon im Folgejahr reicht er erneut ein Gesuch ein. Doch diesmal sind die Schweizer Behörden kritischer eingestellt: Über Guderian zirkulieren gerade negative Meldungen in der Presse, besonders weil er das Attentat auf Hitler noch immer als Verrat ansieht. Das Aussendepartement verlangt bei der Schweizer Gesandtschaft in Köln «sachdienliche Angaben über die heutige politische Aktivität Guderians, besonders in rechtsextremen Kreisen». Das Antworttelegramm ist vernichtend: «Ehrgeiziger unzuverlässiger Charakter voll Ressentiments (. . .). Nach dem Attentat auf Hitler ergriff er scharfe Massnahmen gegen nicht linientreue Offiziere. Seine politische Tätigkeit ist hiesigen Behörden höchst unerwünscht. Empfehle Verweigerung der Einreise.»

Im Aussendepartement zaudert man. «Zweifellos handelt es sich bei Guderian um einen Mann, der das Heu nicht auf der gleichen Bühne hat wie wir. Entscheidend muss aber sein, was er gegenüber der Schweiz allenfalls auf dem Kerbholz hat.» Die Beamten wägen ab. Einerseits will man die amtierende deutsche Regierung mit dem Ausstellen eines Visums nicht verärgern, andererseits will man Guderian nicht vor den Kopf stossen: «Ich frage mich, ob das besonders klug wäre, da gar nicht sicher ist, ob er nicht künftig in Deutschland eine wichtige Rolle spielen wird.» Aber da man auch innenpolitisch keine Angriffsfläche bieten will, wird das Gesuch letztlich abgelehnt.

Der kränkliche Heinz Guderian zeigt sich indes beharrlich. Im April 1952 reicht er wieder ein Gesuch ein, das umgehend abgelehnt wird, da «seine Anwesenheit in der Schweiz zurzeit nicht als opportun betrachtet werde». Daraufhin schaltet er seinen Freund Eugen Bircher ein: «Sie wissen, dass ich im Herbst 1950 auf Wunsch massgebender Schweizer Herren in die Schweiz kam.» Bircher interveniert nun direkt bei Verteidigungsminister Karl Kobelt («Mein verehrter, lieber Herr Bundespräsident») und verlangt eine Wiedererwägung des Gesuchs: Guderian wolle sich doch nur wegen seiner «Nierenaffektion» in Kur begeben und habe «sich sehr grosse Mühe gegeben im Interesse der schweizerischen Landesverteidigung». Kobelt reicht das Geschäft an den neu amtierenden Justizminister Markus Feldmann weiter, der aus allen Wolken fällt.

«Aus den Aussagen Birchers ergibt sich die dem Justiz- und Polizeidepartement bisher gänzlich unbekannte Tatsache, dass Guderian vom schweizerischen Generalstab als militärischer Experte in Anspruch genommen worden sei.» Vor diesem Hintergrund könne ihm jetzt ein Kuraufenthalt kaum verboten werden. Guderian erhält das Visum.

Dass der Panzergeneral davon Gebrauch gemacht hat, ist indes unwahrscheinlich. In den Akten finden sich keine Hinweise darauf. Guderians Gesundheitszustand verschlechtert sich immer mehr; im Mai 1954 stirbt er an seinem Wohnort in Bayern. Sicher ist, dass er zuvor nochmals Besuch aus der Schweiz bekam: Eugen Bircher trägt sich 1953 samt Begleitern in Guderians Gästebuch ein.
(https://www.nzz.ch/schweiz/guderian-in-der-schweiz-tipps-von-hitlers-blitzkrieg-helden-ld.1691630)