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+++BERN
derbund.ch 09.01.2021
Polizei rückt öfter ausUnruhe um Berner Asylunterkünfte
Zunehmende Kriminalität rund um das Asylzentrum Kappelen-Lyss stellt der Gemeindepräsident von Lyss fest. Dies treffe zu, sagt die Polizei. Es handle sich um einen kleinen Täterkreis.
Sarah Buser
Sie schleichen in Häuser oder brechen ein, sie stehlen Gegenstände aus Fahrzeugen oder «bedienen» sich in Läden. Solche Delikte rund um das Bundesasylzentrum Kappelen bei Lyss häuften sich, sagt Andreas Hegg (FDP), Gemeindepräsident von Lyss, gegenüber dem «Regionaljournal Bern Freiburg Wallis». Kriminelle Asylbewerber müsse man internieren.
Diese wüssten genau, dass wegen geschlossener Grenzen infolge der Pandemie und fehlender Rücknahmeabkommen eine Abweisung schwierig sei, so Hegg. Die Pandemie erschwere Ausschaffungen, bestätigt Mediensprecher Lukas Rieder vom Staatssekretariat für Migration (SEM). Allerdings würden rund 60 Prozent der Ausschaffungen durchgeführt. Zur Forderung Heggs nach einer Internierung sagte Rieder, Bundesasylzentren seien keine Gefängnisse. Dies habe das Stimmvolk mehrmals zum Ausdruck gebracht.
Wenige, aber aktive Täter
Die Zunahme beruht keineswegs auf subjektivem Empfinden. In den letzten Monaten hätten im Kanton Bern die Einsätze und Interventionen im Zusammenhang mit Personen aus allen drei Bundesasylzentren zugenommen, bestätigt die Kantonspolizei Bern. Sie betont aber, dass die Delikte von einer verhältnismässig kleinen Anzahl Asylsuchender verübt würden. Personen, die die Polizei anhalte, seien sehr mobil und kämen oft auch aus Asylzentren anderer Kantone.
Polizei, Straf- und Migrationsbehörden haben Massnahmen ergriffen, um die Lage zu beruhigen. Dank mehr Kontrollen und anderen Massnahmen sollen Delinquenten erkannt und bestraft werden.
In Lyss befindet sich eines der drei Bundesasylzentren im Kanton Bern. Es verfügt über 270 Plätze. Bewohner in Bundesasylzentren erhalten ein Taschengeld von täglich drei Franken. Unterkunft, Verpflegung, Kleidung und Hygieneartikel werden gestellt.
Arbeitseinsatz wird belohnt
Die Bewohner können ihre Finanzen aufbessern, indem sie sich an gemeinnützigen Arbeiten in Beschäftigungsprogrammen beteiligen. Dazu gehören Wald- und Schneeräumungen oder der Unterhalt von Wanderwegen. Dafür werden ihnen pro Tag maximal 30 Franken vergütet.
Für die Unterbringung und Betreuung in allen drei Bundesasylzentren im Kanton – Kappelen, Boltigen und Bern – ist die Firma ORS zuständig. Auch die derzeit sechs Rückkehrzentren führt ORS im Auftrag des SEM.
In Rückkehrzentren bestehe ein Anspruch auf Nothilfe, sagt ORS. Diese beläuft sich auf acht Franken pro Tag. Damit müssen sich die Bewohner selber versorgen. Laut ORS ist die medizinische Betreuung gewährleistet. Für Bewohner der Rückkehrzentren sei eine Teilnahme an Beschäftigungseinsätzen nicht vorgesehen, somit falle dieser Zusatzverdienst weg. Für schulpflichtige Kinder würden pro Schuljahr zusätzlich 100 Franken zur Verfügung gestellt*.
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*In der ursprünglichen Version des Textes hiess es fälschlicherweise, dass schulpflichtige Kinder in den Rückkehrzentren 100 Franken pro Monat erhalten. Richtig hingegen ist, dass sie 100 Franken pro Schuljahr erhalten.
(https://www.derbund.ch/unruhe-um-berner-asylunterkuenfte-334339167175)
+++LUZERN
Wie Menschen im Schatten von Corona leiden – Luzerner Beraterin: «Sans-Papiers gehen in der Krise noch mehr vergessen»
Sie arbeiteten als Reinigungskraft, als Pflegerin und haben mitten in der Pandemie ihren Job verloren: Menschen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung. Aus Angst aufzufliegen lassen sich viele auch bei Coronasymptomen nicht testen, sagt eine Beraterin der Luzerner Beratungsstelle. Diese wurden 2020 regelrecht überrannt.
https://www.zentralplus.ch/luzerner-beraterin-sans-papiers-gehen-in-der-krise-noch-mehr-vergessen-1978607/
+++FLUCHT
Was die Schweizer Corona-App mit der Verteilung von Nahrungsmittel an Flüchtlinge zu tun hat
Das Internationale Rote Kreuz will mithilfe der ETH und biometrischen Daten Hilfsgüter effizienter und gerechter verteilen. Doch das birgt grosse Risiken, wenn die Daten in falsche Hände geraten.
https://www.luzernerzeitung.ch/leben/hightech-fur-fluchtlingskrisen-ld.2083368
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
«Das ist bundesrechtswidrig» – SP wehrt sich gegen politischen Maulkorb für gemeinnützige Organisationen
Gemeinnützige Organisationen, die sich politisch betätigen, sollen nicht mehr steuerbefreit sein. Dieser Vorschlag liegt auf dem Tisch der St.Galler Regierung. Die SP wehrt sich vehement dagegen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/umstrittenes-engagement-das-ist-bundesrechtswidrig-sp-wehrt-sich-gegen-politischen-maulkorb-fuer-gemeinnuetzige-organisationen-ld.2083839
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Basler Zeitung 09.01.2021
Demo in der Innenstadt
In Basel fand am Samstagnachmittag ab 14 Uhr eine Demonstration für einen feministischen Antifaschismus statt, wie dem Portal barrikade.info zu entnehmen ist. Die Demo wollte an drei kurdische Revolutionärinnen erinnern, die sich gegen das türkische Regime eingesetzt haben, wie es auf dem Portal weiter heisst. Zudem wollten sich die Demonstration gegen eine geplante Erneuerung des Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und der Türkei stark machen.
Gemäss „Prime News“ nahmen ein paar hundert Menschen an der Demonstration teil, die am Nachmittag von Grossbasel nach Kleinbasel zog. Die BVB leitete wegen der Kundgebung für wenige Stunden mehrere Tramlinien um. Die Demo ist mittlerweile beendet, es kann aber gemäss BVB noch zu Folgeverspätungen kommen.
(https://www.bazonline.ch/nach-der-kurve-ins-schleudern-geraten-177714431135)
-> https://telebasel.ch/2021/01/09/umleitungen-auf-ganzem-bvb-netz-wegen-demo-in-der-innenstadt
-> https://primenews.ch/news/2021/01/demo-der-innenstadt-umleitungen-auf-ganzem-bvb-netz
-> Demoaufruf: https://barrikade.info/article/4124
+++POLIZEI BS
Basler Zeitung 09.01.2021
Überwachung auf Rädern – Wie datenhungrig sind die Tesla der Polizei?
Die Alarmpikett-Fahrzeuge der Kantonspolizei sind mit diversen Kameras ausgerüstet. Müssen Passanten befürchten, grundlos gefilmt zu werden? Datenschützer Beat Rudin gibt Auskunft.
Martin Furrer
Die Elektroautos von Tesla seien so etwas wie «Überwachungsmaschinen» auf vier Rädern, war kürzlich in der BaZ zu lesen. Tatsächlich bieten sie dem Fahrer nicht nur diverse elektronische Assistenzhilfen. Ihre Kameras erfassen auch, was ausserhalb des Autos vor sich geht – und das in einem Umkreis von bis zu 250 Metern. «Jeder Wagen filmt seine Umgebung und verstösst damit gegen Schweizer Datenschutzregeln», hiess es im Artikel. Dessen Autorin zog ein alarmistisches Fazit: «Wer sich in der Nähe eines Tesla aufhält, sollte sich benehmen. Tesla might be watching you.»
Das wirft Fragen auf – besonders im Kanton Basel-Stadt. Denn hier hat die Polizei sieben Alarmpikett-Fahrzeuge der Marke Tesla im Einsatz. Die vor zwei Jahren angeschafften blau-gelben Autos gehören mittlerweile zum Stadtbild. Müssen Passanten deshalb jedes Mal befürchten, elektronisch registriert zu werden, wenn ein Polizei-Tesla an ihnen vorbeibraust – auch wenn sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen? Sollten sie ihre Mütze von nun an tief ins Gesicht ziehen, wenn ein Wagen in einer Tempo-30-Quartierstrasse an ihnen vorbeischleicht, und einen Umweg machen, wenn in der Fussgängerzone ein Gefährt parkiert steht?
«Keine Änderung der Konfiguration»
Die «Basler Zeitung» stellte diese Fragen dem kantonalen Datenschutzbeauftragten Beat Rudin. «Nein», lautet seine Antwort: «Bürgerinnen und Bürger müssen nicht damit rechnen, gefilmt und registriert zu werden, wenn ein Polizei-Tesla in der Nähe vorbeifährt.»
Rudin hatte die Alarmpikett-Fahrzeuge bereits im April 2019 einer Vorabkontrolle unterzogen, nachdem im Vorfeld der Beschaffung Bedenken laut geworden waren, es könnte datenschützerische Probleme geben. Einem Einsatz der Fahrzeuge stehe «aus Datenschutz-Sicht nichts entgegen», lautete damals Rudins Fazit. Diese Aussage gelte weiterhin, betont jetzt der Datenschützer. 2019 war er zum Schluss gekommen: «Die Bild-/Videodaten, die alle ausserhalb des Fahrzeugs aufgenommen werden, werden nur temporär auf einem internen flüchtigen Speicher festgehalten.» Die Kantonspolizei habe seither «keine Änderungen in der Konfiguration der Hard- und Software vorgenommen», so Rudin. «Deshalb gehen wir davon aus, dass die Videodaten weiterhin nur temporär auf einem internen flüchtigen Speicher festgehalten werden.»
Nicht aktiviert in den sieben Basler Polizeiautos sei auch der sogenannte «Wächtermodus», sagt Rudin. In diesem Anti-Diebstahl-Modus registriert ein Tesla, wenn jemand dem Fahrzeug zu nahe kommt – egal, ob das nun ein Dieb, ein Passant oder ein Hund ist.
Die Tesla-Alarmpikett-Fahrzeuge sind zudem, wie viele andere moderne Autos heutzutage, mit Dashcams ausgerüstet. Damit lässt sich das Verkehrsgeschehen ausserhalb des Fahrzeugs durch die Windschutzscheibe hindurch filmen, wenn der Fahrer die Kamera aktiviert. Die Basler Polizei hat aber von Anfang an auf den Einsatz dieser Dashcams in ihren Tesla verzichtet. Sie verwende sie auch weiterhin nicht, bestätigt Rudin.
«Tesla might be watching you» – das mag für Privatautos gelten. Die Polizei-Tesla hingegen sind, glaubt man Beat Rudin, keine fahrenden Kameras. Was nicht heisst, dass ihre uniformierten Insassen nicht einen wachsamen Blick auf das Geschehen draussen haben.
(https://www.bazonline.ch/wie-datenhungrig-sind-die-tesla-der-polizei-903307726847)
+++RECHTSEXTREMISMUS
Rechtsextremismus: Es geht nicht um Donald Trump
Man sollte sich nicht vom US-Präsidenten ablenken lassen. Der Mob, der das Kapitol angriff, ist Teil einer globalen Bewegung, die ihn überleben wird, in den USA wie hier.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-01/rechtsextremismus-globale-bewegung-angriff-us-kapitol-washington-faschismus/komplettansicht
Parler, 8kun und »thedonald« – Der Mob aus den Paralleluniversen
Der Sturm auf das Kapitol war auch ein Sturm der Onlinetrolle. In alternativen Netzwerken hatten sie die Aktion für jedermann sichtbar geplant. Aber die Sicherheitsbehörden schauen dort offenbar noch immer nicht hin.
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/parler-8kun-und-thedonald-sturm-auf-kapitol-wurde-online-sichtbar-geplant-a-64e757b8-a714-4535-91b4-0d3914c477e5
Faschismus beginnt mit der Lüge
Der US-Kongress wird attackiert. Es ist ein radikaler Epochenbruch – und war doch erwartbar.
https://www.republik.ch/2021/01/09/faschismus-beginnt-mit-der-luege
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
luzernerzeitung.ch 09.01.2021
Nazi-Binde, Danksagungen, Zweifel an den Massnahmen – so verlief die Corona-Kundgebung in der Urschweiz
Am Samstag hat die Kundgebung des Aktionsbündnisses der Urkantone stattgefunden. Die Demonstranten sprachen von ihren Zweifeln, verseuchten Impfungen und Verbrechern.
Chiara Z’Graggen / Jürg auf der Maur
Eine halbe Stunde vor der Kundgebung ist noch nicht viel los auf dem Lehn in Altdorf. Just an jenem Ort, an welchem Gessler seinen Hut zur Unterdrückung der Urner hingehängt haben soll, wird gegen die Coronamassnahmen des Bundes demonstriert. Doch nicht nur an diesem Standort, auch in Sarnen, Stans und Schwyz führt das Aktionsbündnis bewilligte Demonstrationen gegen die «Corona-Willkür» durch. Ein Helfer wird sagen, dass Nazibinden im Gegensatz zu den Masken harmlos sind. Aber dazu später mehr.
Der Anlass hat bereits im Vorfeld für Schlagzeilen gesorgt. Denn: Das Verwaltungsgericht hatte die Schwyzer Regierung zurückgepfiffen und so die Maskenpflicht für Redner aufgehoben. Zudem beschränkte die Schwyzer Regierung die Teilnehmerzahl auf 400 Personen.
Bis zu Beginn der Kundgebung finden sich 1300 Personen an den Standorten in Uri, Schwyz, Nidwalden und Uri ein, 600 weitere schalten den Live-Stream ein. Bereits zehn Minuten vor Beginn, der Lehnplatz hat sich zwischenzeitlich etwas mehr gefüllt, sagt Barbara Stadler, Sekretärin des Bündnisses, die Zuschauer sollen sich in die Abschrankungen bewegen. Sie erinnert an die Maskenpflicht, diese sei zur Sicherheit von allen. «Jene mit einem Attest sollen bitte die Abstände wirklich einhalten», mahnt sie. Es gehe um Anstand und Respekt.
Schwyzer Polizei führt Masken-Verweigerer ab
Zeitgleich versammeln sich am Hauptplatz in Schwyz rund 400 bis 450 Personen. Etwa die Hälfte der Teilnehmer in Schwyz trägt die Maske trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Organisatoren nicht. Die Schwyzer Polizei, die mit einem grossen Aufgebot vor Ort ist, macht Kontrollen und führt auch mehrere Personen ab. «Ich gehe davon aus, dass die anderen Personen, die keine Masken trugen, ein Attest hatten», wird Josef Ender, einer der Organisatoren im Aktionsbündis Urkantone, am Ende des Tages bilanzieren.
In Altdorf wird ebenfalls immer wieder an die Anwesenden appelliert, die Maske zu tragen. Der überwiegende Teil leistet Folge, auch wenn bei einigen die Maske unter die Nase oder unters Kinn rutscht.
Nachdem an allen Standorten zur selben Zeit «getrychelt» wurde, beginnen die Redner mit ihren Auftritten. René Bünter, der bis vergangenen Juni Schwyzer SVP-Regierungsrat war, eröffnet. «Ich bin kein Coronakritiker. Und ich bin vor allem kein Politiker. Sie können mir also glauben», erklärt er unter Applaus. Bundes- und Kantonsregierungen seien «Verbrecher». Er fordert die Politik auf, die «fehlgeleitete Corona-Politik sofort zu beenden und mit der geheuchelten Besorgnis für uns Bürger aufzuhören».
«Ich kann einfach nicht verstehen, warum Restaurants schliessen mussten»
In Altdorf hört man gespannt zu. So etwa ein älterer Herr, der nicht in der dafür vorgesehenen Absperrung steht. Er sei zufällig hier vorbeigekommen. «Ich wusste gar nicht, dass das hier stattfindet», erzählt er. Während er seine beschlagene Brille an der Jacke abwischt, erörtert er seinen Standpunkt. Er sei nicht grundsätzlich gegen die Massnahmen. «Ich kann einfach nicht verstehen, warum Restaurants schliessen mussten, und in Zürich werden die Leute auf engem Raum in einen Bus gepfercht.»«Ich kann einfach nicht verstehen, warum Restaurants schliessen mussten, und in Zürich werden die Leute auf engem Raum in einen Bus gepfercht.»
Unterdessen hat der Redner gewechselt. Musers Märtl, der als Muotathaler Wätterschmöcker bekannt ist, lässt wie die anderen Referenten kein gutes Haar an der herrschenden Politik. «Die in Bern haben wohl schon selbst den Verstand verloren», ist er überzeugt.
Die Voten von der Bühne decken sich mit den Aussagen auf den Plakaten, die in Schwyz – umrahmt von Trychler-Klängen – in die Höhe gehoben werden. «Covid-19-Impfung. Versuch am Menschen» heisst es etwa, oder «Wer schweigt, stimmt zu» bis «Wir sagen Nein zur CH-Diktatur». In Altdorf liest man Ähnliches. Es ist die Rede von «Wir wollen unsere Beizen zurück» oder «Beendet den Lockdown sofort».
In der Menge in Altdorf, die nicht im eingezäunten Bereich stehen, fällt einer besonders auf: Ein Mann um die 50 Jahre, der einen hohen Hut ähnlich jenem von Hugo Ball trägt, mit langem Bart und US-amerikanischer Herkunft. Er mahnt, man solle nicht blind der Regierung gehorchen. Darüber hinaus sei die Pandemie eine grosse Verschwörung und Bill Gates deren Anführer. In den Vakzinen seien Nano-Chips eingebaut, mit welchen die Regierung die Menschen kontrollieren könne. Die Impfung hemme die Fruchtbarkeit. Zu den Masken hat er eine klare Meinung: «Masken sind viel schlimmer als Nazi-Armbinden. Sie symbolisieren den blinden Gehorsam der Bevölkerung.»
Das Virus leugnen tut er indes nicht. Ihn überrascht jedoch, dass ein Virus gar nicht schädlich oder übertragbar sei bei Kindern.
Massnahmen – eine verlorene Schlacht?
Unter den rund 150 Helfern an den vier Standorten findet sich unter anderem ein ehemaliger Arzt, der nicht namentlich genannt werden möchte. Bereits seit Beginn der Pandemie und der damit folgenden Massnahmen ist er skeptisch. «Die Schlacht war schon verloren bevor sie begonnen hat», sagt er.
Mittlerweile hat Prisca Bürgler, Lehrerin aus dem Kanton Uri, die Schwyzer Bühne betreten. Auch sie hat im Vorfeld für Schlagzeilen gesorgt. Sie hatte sich für eine Kundgebung in Altdorf eingesetzt und an der Organisation mitgewirkt, weswegen die Schule Emmetten sie freigestellt hat. Ihre Rede beinhaltet Danksagungen, vor allem an Lehrer. «Mein Dank geht an die Mathematiklehrer, die den Schülern beibringen, Zahlen richtig zu interpretieren», sagt sie etwa. Darüber hinaus dankt sie unter anderem ihrem ehemaligen Lehrer, der die Geschichte von Wilhelm Tell erzählt und sich gegen sinnlose Befehle von Obrigkeiten gestemmt habe. «Es ist auch unsere Pflicht, Widerstand zu leisten», appelliert sie, was die Zuschauer mit grossem Applaus quittieren.
Summa summarum ist es in den Kantonen zu keinen Zwischenfällen gekommen. Wie die Kantonspolizei Schwyz in einer Medienmitteilung schreibt, wurden vier Teilnehmer wegen Missachtung der Maskentragepflicht bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz angezeigt. Laut der Urner Kantonspolizei verlief die Veranstaltung aus polizeilicher Sicht ruhig und ohne Probleme. Auch die Obwaldner Polizei sagt auf Anfrage, die Veranstaltung sei ohne Zwischenfälle über die Bühne gegangen. Ähnlich tönt es bei der Nidwaldner Polizei. Die Kundgebung in Stans sei friedlich verlaufen. Es seien rund 300 Personen auf dem Dorfplatz versammelt gewesen.
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/coronademo-nazi-binde-danksagungen-zweifel-an-den-massnahmen-so-verlief-die-corona-kundgebung-in-der-urschweiz-ld.2084119)
-> https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/nazi-binde-danksagungen-zweifel-an-den-massnahmen-so-verlief-die-corona-kundgebung-in-der-urschweiz-140420841
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-> https://www.nau.ch/news/schweiz/coronavirus-kritiker-versammeln-sich-in-zentralschweiz-65849228
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/corona-kundgebung-des-aktionsbuendnis-urkantone-in-schwyz?urn=urn:srf:video:74e0c562-9e2d-4d4c-9f8c-d555bcd88587
-> https://www.blick.ch/schweiz/zentralschweiz/corona-skeptiker-demo-schwyz-demonstranten-werden-am-eingang-von-polizei-kontrolliert-id16284352.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zentralschweiz/corona-skeptiker-demo-in-den-urkantonen?id=11911010
-> https://www.tele1.ch/nachrichten/grosses-polizeiaufgebot-bei-demo-gegen-corona-willkuer-140420477
-> Berichte + Fotos: https://twitter.com/__investigate__
-> https://telebasel.ch/2021/01/09/ueber-1000-corona-kritiker-versammeln-sich-in-der-zentralschweiz
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Wie Esoteriker und Sekten Stimmung gegen die Corona-Impfung machen
Die unheilige Allianz mit Impfgegnern schreckt nicht vor Verschwörungsmythen und Lügen zurück.
https://www.watson.ch/!496032613
Verwirrung um Veranstaltung von Corona-Leugnerin Theres Schöni
Abgesagt oder nicht? In Wettinger Briefkästen lagen Flyer für einen Vortrag der Politikerin Theres Schönie. Sie ist auch eine Kritikerin der Coronamassnahmen.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/baden/verwirrung-um-veranstaltung-von-corona-leugnerin-theres-schoeni-140416183
Grindelwald markiert Maskenlose mit gelbem Zettel
Ein gelber Zettel als Abzeichen für Passagiere mit Maskendispens: Ein betroffener Jungpolitiker ärgert sich über fehlendes Geschichtsbewusstsein.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/grindelwald-markiert-maskenlose-mit-gelbem-zettel-65847379
Twitter sperrt US-Präsidenten – Keine Trump-Tweets? Für seine Anhänger gibt es Alternativen
Twitter sperrt das Konto von Donald Trump. Doch der Austausch seiner Fans findet längst nicht nur auf Twitter & Co. statt.
https://www.srf.ch/news/international/twitter-sperrt-us-praesidenten-keine-trump-tweets-fuer-seine-anhaenger-gibt-es-alternativen
+++POLICE BE
derbund.ch 09.01.2021
Was darf die Polizei? – Neuerdings fliegen Drohnen auch bei Demos
Die Kantonspolizei Bern setzt seit 2006 Drohnen ein – seit wenigen Monaten auch zur Beobachtung von Menschenansammlungen. Das ist nicht unproblematisch.
Dölf Barben
Die Kamerasysteme von Polizeidrohnen sind sehr leistungsfähig. Bei der Suche nach vermissten Personen ist diese Sehkraft von Vorteil. Wenn aber Menschen aus der Luft beobachtet werden, stellen sich sofort heikle Fragen.
Die Kantonspolizei Bern verfügt seit dem Jahr 2006 über Drohnen. Auf diesem Gebiet spielte sie schweizweit eine Vorreiterrolle. Die Drohnen wurden zunächst lediglich zur Vermessung und Dokumentation von Unfallstellen oder Schadenplätzen eingesetzt. Seit 2019 sind die Einsatzbereiche nun flächendeckend ausgeweitet worden. Dies geht aus Informationen hervor, welche die Medienstelle der Kantonspolizei Bern dem «Bund» auf Anfrage zugestellt hat.
Eine Fachgruppe Drohnen ist seit April 2019 operativ tätig. Geflogen wird mit 3 verschiedenen Typen von Drohnen, insgesamt mit 25. Sie sind verteilt auf das ganze Kantonsgebiet und werden von rund 30 Polizisten pilotiert, für die das eine Nebenfunktion darstellt. Der Pilotenbestand soll im Frühling erhöht werden.
Mit Drohnen Täter suchen
Die Drohnenpiloten unterstützen mit ihren Geräten die Suche nach vermissten Personen oder erkunden nach Naturereignissen wie Hochwasser oder Erdrutschen unwegsames oder unübersichtliches Gelände. So können Informationen für die Lagebeurteilung gewonnen werden, an die man sonst nicht oder nur mit grossem Aufwand herankäme. Die Drohnen können mit Wärmebildkameras oder Nachtsichtgeräten ausgerüstet werden.
Vorgesehen ist der Einsatz von Drohnen weiter «als Massnahme bei gerichtspolizeilichen Ermittlungen – etwa, um aus der Luft gezielt die Suche nach Tätern zu unterstützen», schreibt die Medienstelle.
Panikgefahr erkennen
Und seit diesem Herbst nutzt die Polizei Drohnen auch, «um sich eine Übersicht über grosse Personenströme oder Personenansammlungen zu verschaffen oder um diese zu dokumentieren». Bei einem Grossanlass kann die Polizei sich mithilfe von Drohnen einen Überblick verschaffen. Das erlaubt es ihr, rasch zu handeln, wenn sich irgendwo eine kritische Entwicklung abzeichnet. Das könnte dann der Fall sein, wenn es in grösseren Personenmengen zu einem Gedränge kommt und die Gefahr einer Panik entsteht.
Drohne beobachtet Demo
Drohnen können auch bei Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen eingesetzt werden. Am 12. September kreiste eine Drohne bei einer illegalen Party in Bern auf der kleinen Allmend am Nachthimmel – nachdem es zu Sachbeschädigungen und Angriffen auf die Einsatzkräfte gekommen war, wie die Polizei damals gegenüber der «Berner Zeitung» festgehalten hatte. Die Drohne war mit einem Nachtsichtgerät ausgestattet und lieferte Informationen über den «weitläufigen und unübersichtlichen Einsatzraum». Schliesslich wollte die Polizei mit dem Drohneneinsatz feststellen können, ob weitere Sachbeschädigungen verübt werden.
Die Polizei halte sich bei solchen Einsätzen «wenn immer möglich» an die Bestimmungen, wie sie auch für zivile Drohnenpiloten gälten, heisst es bei der Medienstelle.
Doch wie ist es mit der Überwachung von einzelnen Personen? Die Video- und Audioüberwachung ist der Polizei unter bestimmten Umständen erlaubt – auch mittels Drohnen. Gemäss Polizeiverordnung etwa dann, wenn an Massenveranstaltungen mit Gewalttätigkeiten gerechnet werden muss. Aufzeichnungen, die es ermöglichen, einzelne Personen zu identifizieren, dürfen von der Polizei nur für ganz bestimmte Zwecke verwendet werden, zum Beispiel, um bei strafbaren Handlungen die Täterschaft zu ermitteln.
Drohnen schweizweit im Einsatz
Ob die Kantonspolizei Bern im Bereich Drohnen nach wie vor eine Vorreiterrolle spielt, ist unklar. Zur Frage, welche Polizeikorps diesbezüglich am weitesten seien, lasse sich keine Aussage machen, heisst es bei der Medienstelle der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS). Es sei auch nicht bekannt, wie viele Polizeidrohnen schweizweit eingesetzt würden. Klar ist hingegen, dass die kantonalen Polizeikorps auf diesem Gebiet zusammenarbeiten. So gibt es innerhalb der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten eine Arbeitsgruppe Drohnen. Darin vertreten sind zudem Fachspezialisten verschiedener Bundesbehörden sowie der Luftwaffe.
(https://www.derbund.ch/neuerdings-fliegen-drohnen-auch-bei-demos-100840557205)
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derbund.ch 09.01.2021
Kein kantonales Drohnengesetz – «Das ist rechtsstaatlich bedauerlich»
In Bern ist der Umgang mit Polizeidrohnen nicht im Gesetz verankert. Der kantonale Datenschützer Ueli Buri findet das problematisch.
Dölf Barben
Wenn die Polizei an der Frühlingsausstellung BEA mit einer Drohne aus 200 Metern Höhe Personenströme beobachte, dann sei das «polizeirechtlich irrelevant und in Bezug auf den Datenschutz unproblematisch». Das sagt Ueli Buri, der Datenschützer des Kantons Bern. Illegal wäre es jedoch, wenn bei diesem Anlass Teilnehmende identifiziert würden. Dabei wäre es einerlei, ob die Drohne mit der Kamera auf einzelne Personen zoomt oder so tief fliegt, dass diese erkennbar werden.
Die Schwierigkeit besteht laut Buri darin, dass bei einer Drohne die eine Situation rasch in die andere übergehen kann. Das sei anders als bei fix installierten Kameras. «Das Problem ist die Beweglichkeit der Drohnen», sagt er.
Unbeteiligte sind das Problem
Anders liegt die Sache, wenn bei Demonstrationen Gewalttätigkeiten erwartet werden oder auch bei zunächst friedlich verlaufenden Versammlungen plötzlich auftreten. Dann ist es der Polizei erlaubt, mit einer Drohne einzelne Personen zu erfassen, damit sie Straftaten verfolgen kann.
In einem solchen Fall besteht das Problem darin, dass nebst den Personen, die sich strafbar machen, zahlreiche andere Personen gefilmt werden. «Das liegt in der Natur der Sache», sagt Buri. Deshalb aber seien strenge rechtliche Anforderungen zu erfüllen.
So ist etwa festgelegt, wer die Aufnahmen überhaupt anschauen darf und wie lange sie aufbewahrt werden dürfen. Ein Beispiel: Wenn eine Drohne bei einer Demonstration mit Gewaltpotenzial Aufnahmen macht, es dann aber doch ruhig bleibt, dürfen die Aufnahmen von niemandem angeschaut werden. «Solche Bedingungen sind streng formuliert und müssen getreu eingehalten werden», sagt er. Zudem dürfen solche Einsätze in der Regel nur vom Kommandanten der Polizei oder seinem Stellvertreter angeordnet werden.
Mit solchen Vorschriften versuche man eine Balance zu finden zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wahrung von Sicherheit und Ordnung einerseits und dem Schutz der Privatsphäre der teilnehmenden Personen andererseits, sagt Buri. Eingriffe in dieses Grundrecht seien so klein zu halten wie möglich. Deshalb müsse bei der Videoüberwachung generell sehr genau hingeschaut werden. «Wenn potenziell jede und jeder gefilmt wird, braucht das eine hohe rechtsstaatliche Legitimation.» Der Datenschützer verweist darauf, wie delikat das Filmen im öffentlichen Raum ist. Es tangiere rasch weitere Grundrechte wie die Versammlungs- und die Meinungsfreiheit. So könnte es sein, dass Leute sich alleine deshalb von politischen Kundgebungen abhalten lassen, weil sie wissen, dass dort gefilmt wird.
«Besondere Art des Eingriffs»
Da es sich «doch um eine besondere Art des Eingriffs» in die Grundrechte handle, sagt Buri, müsste der Einsatz von mobilen Kameras aus seiner Sicht in einem Gesetz verankert sein. Im Kanton Bern sei das nicht der Fall, das sei «rechtsstaatlich bedauerlich». Die konkreten Bestimmungen finden sich lediglich in der Polizeiverordnung. Immerhin werde für die Bevölkerung auf diese Weise ersichtlich, dass der Einsatz von Drohnen vom Regierungsrat erlaubt werde, sagt der Datenschützer. Der Einsatz von Body-Cams, also von kleinen Kameras, die Polizisten auf ihrem Körper tragen, sei dagegen nicht einmal in einer Verordnung verankert.
Was eine Drohne filmt, kann gleichzeitig in der Einsatzleitung der Polizei oder auf anderen Monitoren verfolgt werden. Das stellt laut Buri kein zusätzliches Problem dar, sofern auch das klar geregelt ist. Bei der Überwachung von Besucherströmen sei die sogenannte Echtzeit-Überwachung, die sozusagen einem «verlängerten Auge» entspricht, das einzig Sinnvolle. Denn sollte sich unter den Besuchern beispielsweise eine Paniksituation anbahnen, müsse darauf augenblicklich reagiert werden können, sagt er.
(https://www.derbund.ch/das-ist-rechtsstaatlich-bedauerlich-185445654418)
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derbund.ch 09.01.2021
Die Drohnen der Kantonspolizei – Das fliegende Monsterinsekt mit den Superaugen
Andreas Schild ist einer von 30 Drohnenpiloten der Kantonspolizei Bern. Sein Arbeitsgerät hat erstaunliche Fähigkeiten. Wenn es zum Einsatz kommt, ist meistens etwas Schlimmes passiert.
Dölf Barben
Es ist kalt an diesem Vormittag. Andreas Schild hat für die Demonstration der Drohnen einen Parkplatz beim Saxetbach vorgeschlagen. Es ist der Bach, der das südwestlich von Interlaken liegende Saxettal entwässert. Es ist schattig.
Der 42-Jährige ist Leiter der Gebirgsspezialisten der Kantonspolizei Bern. Die kleine Fachgruppe, eine Handvoll Männer und eine Frau, ist auf der Wache in Interlaken stationiert. Wenn sich Unfälle in schwierigem Gelände ereignen, sind sie zuständig.
Es ist eine knifflige Arbeit, die grosse Drohne bereit zu machen. Sie ist in einem Koffer versorgt, der als Reisekoffer durchgehen würde. Bis die Standbeine eingesetzt, die vier Arme aufgeklappt, die Rotoren aufgesteckt, die Akkus verriegelt und die beiden Kameras an den schwenkbaren Aufhängungen befestigt sind, dauert es eine Weile. Dann steht sie da, rund fünf Kilogramm schwer, und erinnert an einen Wäscheständer.
Als würde ein Insekt lebendig
Als Andreas Schild die Drohne einschaltet, zittert sie kurz und die Kameras richten sich aus. Es ist, als wäre sie plötzlich lebendig geworden, als stünde ein Monsterinsekt vor einem. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, weil wir auf dem Monitor, der an der Fernsteuerung befestigt ist, das sehen, was die Drohne sieht – uns, den Polizisten und den Journalisten.
Die Kantonspolizei Bern verfügt über drei verschiedene Drohnen-Typen, insgesamt sind es 25 Exemplare. Das kleine Modell kostet etwa 1500, das grösste um die 20’000 Franken. Geflogen werden sie von rund 30 Polizisten. Diese sind im Besitz der «Due-Lizenz», die vom Schweizerischen Verband Ziviler Drohnen ausgestellt wird und in einem einwöchigen Kurs erlangt werden kann. Die Drohnen sind – anders als Diensthunde – nicht einzelnen Polizisten zugeordnet; sie sind im Kantonsgebiet auf verschiedene Wachen verteilt.
Andreas Schild schiebt einen Hebel der Steuerung leicht nach vorn. Das Surren der Rotoren wird laut, die Drohne hebt ab und steigt innert kürzester Zeit auf 100 Meter hinauf. Anders als bei einem Modellflugzeug muss die Drohne nicht ständig beobachtet werden. Sie hält die Position von selber. Schild kann sich deshalb auf die Einstellung der Kameras konzentrieren. Die eine liefert ein normales Bild, die andere ein Wärmebild.
Blick auf die Kirchturmuhr
Es ist erstaunlich, wie gut die Drohne «sieht». Im knapp fünf Kilometer entfernten Bönigen, wo man einzelne Gebäude ausmachen kann, mehr aber nicht, liest die Drohne an der Kirchturmuhr die Zeit ab. Und wenn Andreas Schild mit der Kamera nach unten ins Bachbett hineinzoomt, sind selbst kleinste Steine erkennbar.
Die Flugmanöver, die er bis jetzt gezeigt habe, seien sehr einfach auszuführen, sagt er. Schwieriger werde es, wenn in einer Schlucht das Satellitennavigationssystem nicht funktioniere und Windstösse manuell auszugleichen seien. «Dann braucht es automatisierte Reaktionen.» So etwas beherrsche man erst nach etwa 50 Flugstunden.
Schild lebt mit seiner Familie in Wilderswil. Er ist gelernter Elektriker und ausgebildeter Bergführer. Bei der Firma Air Glacier hat er als Flughelfer gearbeitet; momentan ist er auch als Rettungsspezialist Helikopter tätig. Schon bevor er zur Polizei kam, hatte er seine eigene Drohne. Auf den Geschmack gebracht hatte ihn sein jüngerer Bruder, der Skifahrer filmte und das auch mit Drohnen tat. Zudem war er als Bergführer mehrmals angeheuert worden, um Kamerateams zu sichern, die an exponierten Stellen Werbespots oder Filmszenen drehten oder Absprünge von Basejumpern festhielten – und dabei auch Drohnen einsetzten. Und schliesslich, sagt er, während die Drohne immer noch 100 Meter über uns schwebt: «Für Angehörige der Generation Playstation, wie ich einer bin, ist es eigentlich kein Problem, so ein Gerät zu steuern.»
Kleiner Wärmebildscherz
Auf dem Monitor sind nun zwei helle Kringel sichtbar. Es sind die beiden Männer, die ein paar Dutzend Meter weiter drüben an der Arbeit sind. Die Drohne hat sie mit der Wärmebildkamera erfasst. «Man sieht, dass sie sich anstrengen.» Andreas Schild schmunzelt, als er das sagt. Es ist ein kleiner Scherz. Weil die Männer wärmer sind als die Umgebung, fallen sie auf. «In den Wäldern sehen wir immer wieder Rehe», sagt Schild.
Damit wird das Prinzip deutlich, wie mit einer Wärmebildkamera eine vermisste Person gefunden werden kann – sofern sie noch lebt. Aber in Wirklichkeit ist auch das nicht immer einfach, wie Schild erklärt. Wenn die Sonne im Sommer die Äste der Bäume aufwärmt, gibt es überall helle Zonen, und ein Mensch, der irgendwo verletzt am Waldboden liegt, fällt kaum auf.
Und überhaupt, sagt Schild: Eine Drohne sei vor allem eine gute Ergänzung, «eines von vielen Puzzleteilen». Ein Gebiet aus einem Helikopter heraus mit blossem Auge abzusuchen, sei immer noch wirkungsvoller, sagt er. Mit dem starken Wind, den der grosse Rotor erzeugt, lasse sich am Boden Laub wegblasen. Oder wenn man nahe an Bäume heranfliege, bewegten sich die Äste und man könne Stellen kontrollieren, die sonst verborgen blieben.
Aber manchmal kann der Helikopter wegen des Wetters nicht fliegen. Oder er ist noch nicht da. Meist setzt Schild dann die kleine Drohne ein, die er immer bei sich hat und an diesem Tag ebenfalls demonstriert. Sie ist etwas über ein Kilogramm schwer, nicht grösser als ein Küchenmixer und lässt sich in wenigen Sekunden auseinanderklappen.
Bald einmal kalte Hände
Und schliesslich macht die Suche nach Menschen, die mehr oder weniger lange schon vermisst werden, oder das Lokalisieren von verunfallten Personen, die irgendwo abgestürzt sind, bloss einen kleinen Teil der Einsätze aus. Weitaus häufiger kommt es vor, dass die Drohnenpiloten der Polizei aufgeboten werden, um Unfallstellen und Schadenplätze zu dokumentieren.
Für Andreas Schild und seine Leute, die nebst ihrer Spezialistenfunktion auch normalen Polizeidienst leisten, stehen immer wieder die Unfälle von Bergsteigern, Wanderern, Gleitschirmpiloten und Skifahrern im Vordergrund. Nach einer Kollision auf einer Skipiste seien nicht bloss Übersichtsbilder aus der Luft gefragt, sagt Schild. So könne er mit der Drohne auch die Anfahrtswege der Verunfallten auf geringer Höhe abfliegen und filmen. Für die Untersuchungsbehörden könnten solche Aufnahmen von grosser Bedeutung sein.
Nun blickt Andreas Schild, der inzwischen kalte Hände hat, in die Höhe, bewegt die Steuerhebel und lässt die Drohne steil abtauchen. Nach wenigen Sekunden setzt sie sanft auf dem Asphalt auf. Das Surren hört auf.
Dort, wo Trauriges passiert
Ist es nicht ein grosses Privileg, sich beruflich mit Dingen beschäftigen zu dürfen, von denen viele Jugendliche, aber bestimmt auch Erwachsene bloss träumen können? Andreas Schild knüpft bei dem an, was er zuvor erzählt hat. Wenn er und seine Leute aufgeboten werden, sei in den allermeisten Fällen etwas Schwerwiegendes passiert. «Dann sind Menschen verletzt oder sogar tot und Angehörige sind verzweifelt.» In solchen Momenten, wo es an ihnen sei, das Bestmögliche zu versuchen, sei eine Drohne nichts weiter als ein Hilfsmittel, sagt er.
Und wenn die Drohne seinen Beruf etwas weniger gefährlich mache, dann sei das alleine schon ein wichtiger Punkt, sagt Schild. Etwa dann, wenn er von einer durch Stein- oder Eisschlag gefährdeten Unfallstelle Fotos machen könne, ohne dass er sich selber exponieren müsse. Wenn es ihm schliesslich gelinge, der Staatsanwaltschaft eine «Topdokumentation ins Fächli zu legen», sei es das, was er als sehr befriedigend empfinde. «Wenn es dann noch eine entsprechende Rückmeldung gibt – umso besser.»
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Freudenspender und Killermaschine
Eine Drohne, die einer Skifahrerin wie ein Schatten folgt und die Fahrt von oben filmt? Kein Problem. Eine Drohne, die über einem Maisfeld autonom einen Kurs abfliegt und Kapseln mit Larven von Schlupfwespen abwirft? Auch das wird längst praktiziert.
Der technische Fortschritt ist atemberaubend. Beim Einsatz der ferngesteuerten Flugobjekte sind der Fantasie kaum mehr Grenzen gesetzt. Mit Drohnen lassen sich schwer zugängliche Teile von Industrieanlagen überprüfen, Baustellen vermessen, Pakete ausliefern, vermisste Wanderer suchen oder Rehkitze vor dem Mähtod retten. Und werden sie mit Lämpchen ausgestattet und bei Dunkelheit im Schwarm losgelassen, bieten sie eine Show, die einem Feuerwerk in nichts nachsteht. Aber sie kommen seit langem auch in Kriegen zum Einsatz, um den Gegner auszuspähen und Bomben über ihm abzuwerfen. Kurz: Drohnen können Freude bereiten – aber auch den Tod bringen.
Mittlerweile gibt es erstaunlich leistungsfähige Drohnen, die auch für Privatpersonen erschwinglich sind und ihnen verlockende Möglichkeiten eröffnen. Sich selber, Freunde und Haustiere bei allen erdenklichen Tätigkeiten aus der Vogelperspektive zu filmen, ist das eine. Aber sobald andere Personen aufgenommen werden, wird es juristisch knifflig. Und wer seine Drohne in fremde Wohnungen hineinschauen lässt, hat die Grauzone schon durchflogen. (db)
(https://www.derbund.ch/das-fliegende-monsterinsekt-mit-den-superaugen-992903925906)
+++RASSISMUS
tagesanzeiger.ch 09.01.2021
Antisemitismus in der Armee: Was, wenn die herausfinden, dass ich Jude bin?
Benjamin besucht in Kloten die Rekrutenschule. Und gerät in einen Albtraum.
Mario Stäuble
Zug eins spielt ein Spiel. Dreissig knapp volljährige junge Männer aus allen Ecken der Schweiz haben sich im Halbkreis aufgestellt, die Aufmerksamkeit liegt beim Wachtmeister, der vor ihnen steht. Zug eins gehört zu Kompanie eins, Rekrutenschule 62-2/2019, Waffenplatz Kloten-Bülach. Die jungen Männer stehen am Anfang der Ausbildung zum Richtstrahlpionier; sie sollen lernen, für die Armee ein Funknetz aufzubauen. Es ist Anfang Juli 2019.
«Hollywood! Hollywood!», bellt der Wachtmeister. Nun haben die Rekruten zehn Sekunden Zeit, sich einen Witz auszudenken. Dann muss einer von ihnen vortreten und das Ausgedachte vortragen. Lacht der Wachtmeister, ist alles gut. Lacht er nicht, sind Liegestütze fällig. Oder, wie es in der Armeesprache heisst: zehn Liegen!
Das «Hollywood! Hollywood!»-Spiel kommt in den ersten Wochen der Rekrutenschule in Zug eins oft zur Anwendung, und eine Vorliebe der Rekruten kristallisiert sich heraus: Witze über Juden.
«Warum haben die Duschen in Auschwitz 14 Löcher? Weil Juden nur zehn Finger haben.»
«Welches ist das beste Hotel in Europa? Auschwitz. Es hat eine Million Sterne!»
«Was steht auf dem Kamin von Hitler? Je fetter der Jude, desto wärmer die Bude.»
Einer der Rekruten heisst Benjamin, 19-jährig. Er muss einen plötzlichen Wachstumsschub durchlaufen haben, so lang und dünn sind seine Glieder. Auf einem Foto, das ihn im Sanitätsunterricht mit Kopfverband und aufgemalter Wunde am Unterarm zeigt, grinst er halb amüsiert, halb gelangweilt in die Kamera. Im Gymi war er Klassenbester, nach dem Militär will er Mathematik studieren.
Die RS als patriotische Pflicht
Benjamin ist Jude, aufgewachsen in einer Zürcher Familie, die Mitglied in der Israelischen Cultusgemeinde Zürich ist. Seine Kameraden wissen das nicht. Benjamin hat zwar vor dem Eintritt in einem Formular angekreuzt, dass er sich koscher-vegetarisch ernähre, aber ausdrücklich gesagt hat er nichts.
Benjamin sagt heute, er habe es als seine patriotische Pflicht angesehen, die Rekrutenschule zu besuchen und Militärdienst zu leisten: «Mein Vater hat mir immer bewusst gemacht, wie wichtig das Militär gerade im Zweiten Weltkrieg war.» Aber diese Einstellung zerbröselte unter den Eindrücken der ersten RS-Woche. Nach den ersten Runden «Hollywood! Hollywood!» notierte er in sein Tagebuch:
«Ich bin während meines ersten (Abend-)Ausgangs nach Hause gegangen, um mich für den Zivildienst anzumelden, weil ich erschrocken war und glaubte, dass ich den Militärdienst vielleicht nicht mit meinem Gewissen vereinbaren könne. Und da war dieser Antisemitismus, der da herrschte.»
Eine Woche später schreibt er:
«Im Ausgang wollte ich einfach weg von allem Militärischen und mied sogar den Blick von anderen Rekruten an der Bushaltestelle. Nach langem Suchen dachte ich, der beste Rückzugsort sei die Zuschauerterrasse. Dort wurde ich dann aber auch von anderen Rekruten heimgesucht. Ich fühlte mich so schlecht, dass ich in Tränen ausbrach und mit meiner Mutter den restlichen Ausgang telefonierte, um Dampf abzulassen.»
Aus dem Tagebuch, mehreren Interviews mit Benjamin sowie weiteren Dokumenten lässt sich rekonstruieren, was im Zug eins im Sommer 2019 abgelaufen ist.
Einerseits geht die normale militärische Ausbildung vonstatten: In Formation marschieren, Kampfstiefel wienern, das Sturmgewehr zerlegen und wieder zusammensetzen. Mit dieser Welt kommt Benjamin zurecht. Aber da ist auch diese andere Welt. Im Computerunterricht zeichnet ein Mitrekrut im Zeichnungsprogramm krakelige digitale Hakenkreuze. Im Ausgang falten Kameraden eine Bieretikette so zusammen, dass nur noch die Buchstaben «SS» sichtbar sind. Adolf Hitler und das Dritte Reich sind ständig Thema unter einigen Kameraden, oft mit bewunderndem Unterton. Auch der Leutnant, der Zug eins leitet, spielt mit «seinen» Rekruten das «Hollywood! Hollywood!»-Spiel. Mal sind die Witze rassistisch, mal gehts gegen Frauen, mal gegen die Juden. Nebst der ersten Ungläubigkeit – diese Ignoranz! – fühlt Benjamin Angst in sich aufsteigen: Was, wenn die herausfinden, dass ich Jude bin?
Seine Besorgnis hat auch mit dem «Zimmerchat» zu tun. Die sieben Rekruten, die sich mit Benjamin in der Kaserne einen Schlafsaal teilen, haben auf Whatsapp eine Gruppe eingerichtet. Nach wenigen Tagen postet dort ein Rekrut das Foto einer Hand, deren Finger zu einem Hakenkreuz verformt sind. Daneben das Foto eines stöhnenden Adolf Hitlers. Die Botschaft: So befriedigen sich Nazis.
Die Reaktionen:
Rekrut 1: 😂😂😂😂
Rekrut 2: 😂😂
Rekrut 3: 😂😂😂
Später taucht im Chat Adolf Hitlers Gesicht auf, digital auf den Kopf von Anne Frank montiert, dem jüdischen Mädchen, das zum Symbol für den Schrecken des Holocausts geworden ist. Dann das Foto eines Jungen mit Down-Syndrom, in eine SS-Uniform gephotoshoppt. Adolf Hitler im Schulzimmer an der Wandtafel, «ich vergesse, ich vergass, ich vergaste» kritzelnd. Dann ein 174-seitiges PDF-Dokument mit Fotos von jungen nackten Frauen, inklusive Nahaufnahmen ihrer Geschlechtsteile. In diesem Stil geht es wochenlang weiter: Pornografie, Gewaltdarstellungen – und immer wieder Hitler-Fotos, zu Dutzenden.
Benjamin findet, eigentlich seien seine Zugkameraden ganz normale Typen, Monteure, KV-Absolventen, Handballspieler. Umso mehr fragt er sich: Was ist hier eigentlich los?
«Man schaukelt sich hoch»
Zunächst, sagt Dirk Baier, müsse er etwas klarstellen: «Im Jahr 2020 gibt es kaum einen 15-Jährigen, der nicht schon mit harter Pornografie, Gewaltdarstellungen oder antisemitischem Material konfrontiert worden ist. Es sei denn, er hat kein Smartphone.»
Professor Baier ist die erste Station auf der Suche nach einer Antwort auf Benjamins Frage. Der 44-jährige Soziologe leitet das Institut für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften, er hat sich auf Kriminalität und Extremismus unter Jugendlichen spezialisiert.
Der Professor forscht auf dem Zürcher Toni-Areal. In einem Sitzungszimmer im achten Stock sichtet und bewertet er Fotos und Screenshots aus dem Chat – «geschmacklos, rassistisch und abwertend», lautet sein Urteil. Der Verlauf ist laut Baier typisch: Ein Gruppenmitglied fängt mit einer Grenzüberschreitung an, und dann schaukelt man sich hoch, die Posts werden immer drastischer. Baier sagt: «Ich bin mir nicht sicher, ob diese Rekruten wirklich Antisemiten sind. Vielleicht gibt es bei einigen von ihnen rechtsextremes Gedankengut, wer weiss. Aber primär teilen die jungen Männer die Hitler-Bilder, gerade weil sie Grenzen überschreiten.»
Können Sie das näher erklären, Herr Baier?
«Es geht letztlich um Status. In der Rekrutenschule treffen junge Menschen zum ersten Mal aufeinander. Zuvor, in der Schule oder der Lehre, waren ihre Rollen im Klassenverband festgelegt. Und nun müssen sie plötzlich ihre Positionen neu austarieren: Wer hat das loseste Mundwerk? Wer kann Stärke demonstrieren? Schockierende, grenzüberschreitende Bilder zu teilen, erhöht den Status. Früher, vor zwanzig Jahren, waren es vielleicht pornografische Zeitschriften, die man einander zusteckte, oder man ging als Gruppe in den Puff. Auch so lässt sich eine Rangordnung herstellen.»
Für Benjamin sei eine solche Situation hochgefährlich, sagt Baier: «Es muss nicht zwingend etwas passieren, wenn er sich als Jude zu erkennen gibt. Aber es gibt ein Risiko, dass er ausgegrenzt wird. Und es gibt auch die Gefahr, dass er physisch angegangen wird.»
Und das «Hollywood! Hollywood!»-Spiel?
«Ein extrem unbeholfener Versuch, Gemeinschaft zu erzeugen. Unbeholfen, weil man damit gleichzeitig auch Autorität signalisiert. Und Beliebigkeit: Der Wachtmeister entscheidet nach einem völlig willkürlichen Kriterium, ob es Liegestütze setzt.»
Könnte man von den Rekruten nicht erwarten, dass sie sich zur Wehr setzen?
«Ich glaube, das funktioniert nicht. Die Rekrutenschule ist eine streng hierarchisch organisierte Zwangsgemeinschaft, und die Armee hat einen Schutzauftrag. Die Intervention muss von einer Autoritätsperson kommen. Ich muss als Vorgesetzter hinstehen und das unterbinden. Es geht dabei nicht um Strafen, sondern um Werte, welche die Offiziere vorleben. Oder anders gesagt: Wenn der Fisch stinkt, dann tut ers vom Kopf her.»
«Schlag doch zurück!»
Mitte Juli schiebt Benjamin in der Kaserne Wochenendwache. In einer Pause sieht er am Anschlagbrett den Kontakt der Armeeseelsorge. Die könnte ich anrufen, denkt er sich, die sind unabhängig. Die Wachtmeister und der Zugführer haben sein Vertrauen verloren.
Beim ersten Seelsorger kommt die Combox – Ferien. Der zweite empfiehlt Benjamin, den psychologisch-pädagogischen Dienst der Armee (PPD) anzurufen, er selbst sei als Pfarrer im Einsatz und in der Kaserne nicht verfügbar.
Um den PPD zu kontaktieren, muss Benjamin via Zugführer einen Antrag an den Kompaniekommandanten schreiben, den nächsthöheren Offizier: «Es dauerte drei Wochen und ging mehrmals hin und her, bis ich einen Termin bekam.»
In diese Zeit fällt ein weiterer Zwischenfall. Benjamin und drei Mitrekruten haben den Auftrag, Essensboxen aus der Küche in eine Kantine zu tragen. Einer der Rekruten, nennen wir ihn Ertan, befiehlt Benjamin, die Boxen zu schleppen. Dieser weigert sich – und kassiert dafür Faustschläge von Ertan. «Schlag doch zurück!», ruft Ertan aus (immer gemäss Benjamins Erzählung). Aber Benjamin weigert sich. Als Ertan wenig später versucht, die zwei anderen anwesenden Mitrekruten als «Lastesel» einzuspannen, interveniert Benjamin erneut, worauf Ertan ihn gegen eine Wand stösst und ihm ein «Scheissjud!» an den Kopf schleudert.
«Ich war völlig baff», sagt Benjamin heute. «Zuerst glaubte ich, er hätte herausgefunden, dass ich jüdisch sei. Aber dann merkte ich: Das war für ihn einfach eine alltägliche Beschimpfung.»
Einige Wochen später – der PPD-Termin hat noch nicht stattgefunden – legt Benjamin während seines Qualifikationsgesprächs bei seinem Zugführer die Karten auf den Tisch. Er sagt, dass er jüdisch sei und dass ihn die ständigen antisemitischen Witze stören. Der Leutnant erschrickt und bietet an, dies in der nächsten Zug-Aussprache zu thematisieren. Benjamin erwidert, er wisse nicht, ob es gut sei, ihn zu «outen», weil er nicht wisse, was dann passiere.
Am 15. August reist Benjamin nach Thun zum PPD, wo er erneut seine Geschichte erzählt. Die Experten nehmen Rücksprache mit dem Zugführer. Sie sagen, er könne sich zwar untauglich schreiben oder sich in den Zivildienst einteilen lassen – und schlagen dann vor, er solle doch offenlegen, dass er jüdisch sei. «Ich erklärte ein zweites Mal, dass ich mir nicht sicher sei, weil ich Angst vor den Reaktionen einiger Kameraden hätte», erzählt Benjamin.
Tags darauf steht in Rüti ZH ein Informationstag für den Zivildienst auf dem Programm. Zurück in der Kaserne, ist Benjamin unentschlossen – was nun? Das Militär durchziehen? Zivildienst machen?
Nach dem Abendessen zitiert ihn der Kompaniekommandant in sein Büro. Er habe vom PPD-Termin gehört, und der Zugführer habe ihm «komische Sachen» erzählt, was denn mit ihm los sei? «Für mich klang es so, als ob ich etwas falsch gemacht hätte, dem Kommandanten ein Problem eingebrockt hätte», sagt Benjamin. Er erzählt seine Geschichte ein drittes Mal. Auch der Kommandant drängt nun darauf, dass er sich «outen» sollte, schlägt vor, er solle doch vor der Kompanie oder dem Zug eine Powerpoint-Präsentation über Zionismus und Israel halten. Benjamin wiederholt seine Bedenken. Die Lösung lautet am Ende, dass er sich übers Wochenende überlegen wird, ob er a) die Rekrutenschule weiterführt und b) sich als Jude outet.
Am Samstag, dem 17. August, ist das Zimmer bereits frühmorgens aufgeräumt, die Mannschaft freut sich aufs Wochenende. Benjamin geht es besser – bis ein Kamerad erzählt, dass es im Keller des Kasernengebäudes offenbar eine Gaskammer gebe. Die Kollegen steigen sofort darauf ein und fangen an, Gaskammerwitze zu reissen. Benjamin schweigt.
Dann wird die Kompanie ins Wochenende entlassen. Benjamin, aufgewühlt von den Gaskammer-Scherzen, überlegt hin und her – und bestätigt schliesslich noch am selben Tag im «E-Zivi»-System seine Anmeldung zum Zivildienst.
Sonntagabend, einrücken. Der Kompaniekommandant fängt Benjamin für ein Gespräch ab. Der Tagebucheintrag dazu lautet:
«Er machte mich darauf aufmerksam, dass er die Wachtmeister nach dem Spiel «Hollywood! Hollywood!» gefragt hatte und dass er ihnen erzählt hat, dass ich jüdisch sei. Sie seien anscheinend bleich geworden und hätten sich an den Kopf gelangt.
Dazu meinte er, ich müsse in die Offensive gehen und mit meinem wahren Ich hervorkommen. Ich erklärte ihm, dass ich mich für den Zivi entschieden hätte und ich mir sicher sei, dass es besser sei, wenn ich niemandem mehr sage, dass ich jüdisch sei. Daraufhin wurde er wütend und meinte, ich hätte doch alles angefangen, als ich das Problem zum PPD geschleppt habe.
Dann warf er mir vor, er wolle nichts davon in den Zeitungen lesen müssen. Es klang, als ob er mir unterstellen wollte, ihm mit der ganzen Aktion nur eins auswischen zu wollen. Schliesslich lief er weg, drehte sich aber nochmals um und rief: ‹Danke vil vil Mal!›»
Einen Tag später gibt Benjamin Uniform und Dienstwaffe ab und verlässt die Kaserne.
Gibt! Es! Nicht!
Nein, das «Hollywood! Hollywood!»-Spiel kenne er nicht, sagt Hans-Peter Walser. Aber die Sache sei glasklar: «Rituale ohne zwingenden dienstlichen Grund sind verboten.» So stehe es in den Reglementen – also keine Kollektivstrafen, keine Mutproben.
Korpskommandant Walser ist der oberste Ausbilder der Armee. Er empfängt auf dem Areal des Berner «Pentagon» zum Gespräch, direkt neben dem Hauptquartier des Schweizer Nachrichtendiensts. Walser trägt die Verantwortung, dass Schweizer Nachwuchssoldatinnen und -soldaten richtig schiessen lernen. Gleichzeitig geben er und seine 2500 Mitarbeitenden auch etwas anderes weiter: den Umgang untereinander. Kameradschaft. Werte.
Das Problem des Falls Benjamin lässt sich als Frage formulieren: Wie kann es sein, dass in der Schweizer Armee im Jahr 2020 Unteroffiziere und Offiziere Antisemitismus zuerst ignorieren und dann, damit konfrontiert, dem Betroffenen nicht helfen können?
Walser holt aus: 140’000 Angehörige hat die Armee, die jedes Jahr rund 5,4 Millionen Diensttage leisten. Die jüngsten, die Rekruten, rücken als 19- oder 20-Jährige ein. Alle haben eine Vorgeschichte, aber nicht alle haben eine gute Erziehung genossen. «Wir sind ein Abbild der Gesellschaft», sagt Walser.
Aber die Armee sei auch eine Zwangsgemeinschaft. Sie habe den Auftrag, ihre eigenen Leute zu schützen. «Bei uns gilt Nulltoleranz. Jeder Diskriminierungsfall ist einer zu viel und tut mir persönlich weh.»
In Walsers Augen – der 56-Jährige ist seit über 25 Jahren Berufsoffizier – hat sich die Armee erheblich gewandelt. «Hamburgertaufen» etwa gehörten grösstenteils der Vergangenheit an, gerade einmal noch habe er in seiner Zeit als Kommandant einer Division davon gehört: «Einer, der zum ersten Mal zum Wiederholungskurs antrat, musste Bier aus einem Kampfstiefel trinken.» Gibt! Es! Nicht!, hallte Walsers Urteil durch die Division. Auch wenn die Einheit das «Ritual» zuvor 30 Jahre lang gepflegt habe.Die Regel ist einfach, sagt Walser: «Hinschauen, nicht wegschauen.» Ein Vorfall muss dem Kompaniekommandanten gemeldet werden, und der kann Hilfe holen, bei der Extremismusfachstelle, der Diversity-Fachstelle, der Militärjustiz, der Armeeseelsorge, dem psychologisch-pädagogischen Dienst, dem Sozialdienst.
«Steht alles im ‹Kochbuch› drin», sagt Walser und zeigt auf das Reglement.
Aber was, wenn Offiziere nicht nach dem Buch kochen?
«Es gibt in unserer Miliz immer wieder Führungsfehler», sagt Walser. «Das gehört dazu. Wir brauchen eine Fehlerkultur.» Wachtmeister, höhere Unteroffiziere und Zugführer seien nun mal sehr jung. «Sie müssen Erfahrungen sammeln können. Oft passieren solche Sachen, wenn etwa ein Wachtmeister überfordert ist.» Da helfe nur ausbilden, ausbilden, ausbilden.
Wichtig sei, dass die Betroffenen sich dann auch melden würden. «Dies passiert wahrscheinlich noch zu wenig. Wir müssen diese Kultur hinkriegen: Ein Soldat, der das Gefühl hat, er werde unrecht behandelt, soll das ohne persönliche Zweifel melden können.»
Und dann wird Walser grundsätzlich. Um diesen Kulturwandel hinzukriegen, müsse sich die Armee noch viel stärker verändern. Walser will mehr Frauen, mehr Diversität – und er befürwortet persönlich einen obligatorischen, weit gefassten «Bürgerdienst» für beide Geschlechter, um die Idee des «Dienstes am Staat» im 21. Jahrhundert neu zu verankern.
Und der Fall Benjamin? Walser entschuldigt sich höflich, den könne er nicht kommentieren. In der Sache ermittelt inzwischen die Militärjustiz wegen allfälliger Rassendiskriminierung.
«Ein massiver Angriff auf die Persönlichkeit»
Nach dem Ende seines Diensts schickt Benjamin eine Zusammenfassung seiner Erlebnisse an den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG). Der interveniert über einen Kontakt bei der Armee. Das Resultat: Am 8. Oktober, knapp zwei Monate nach Benjamins Austritt, ruft der oberste Kommandant des Waffenplatzes Kloten-Bülach an und entschuldigt sich bei ihm. Hätte er schon im Sommer davon gehört, hätte er früher gehandelt, sagt der Kommandant. Er habe die Militärjustiz eingeschaltet.
Benjamin muss nun sein Mobiltelefon vorlegen. Ermittler werten den «Zimmerchat» aus. Mehrere Rekruten müssen zur Befragung antraben. Allerdings schleppt sich das Verfahren quälend langsam voran – im Januar 2021, über ein Jahr nach Start, befindet es sich laut einem Sprecher der Militärjustiz immer noch im Stadium einer Voruntersuchung. «Das stört mich am meisten», sagt Benjamin, «dass die Armee die Aufklärung so verschleppt.»
Mit dem Ermittler ist ein Gespräch nicht möglich. Aber ein anderer Spezialist ist bereit, die Fotos, Witze und Hitler-Filme einzuschätzen. Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch ist nicht nur Strafrechtsprofessor, als Oberstleutnant in der Militärjustiz ist er laut dem Magazin «Tachles» am militärischen Grad gemessen der zweithöchste Jude in der Armee.
Jositsch reibt sich die Augen, als er den Besucher in seinem Büro an der Uni begrüsst, er leitet gerade einen virtuellen Lehrgang, der Fall Benjamin kostet ihn seine Mittagspause.
Als er die Bilder aus dem Chat sieht, erzählt er zuerst von seinem eigenen Militärdienst: «Ich durchlief meine Ausbildung in den 80ern. Natürlich wurden auch dumme Witze gemacht. Aber damals galt für uns ausnahmslos: Was rechts ist, ist tabu. Die Erinnerungen waren noch frisch. Wir kannten Opfer. Mein Grossvater war im Aktivdienst. Heute haben Sie eine Generation, für die der Zweite Weltkrieg sehr weit weg ist – weniger real. Das macht auch die Grenzüberschreitung weniger real.»
Was aber nicht bedeutet, dass Benjamins Zugkameraden nun kein Problem haben. Laut Jositsch bewegen sich die Chateinträge «im Dunstkreis» der Antirassismusstrafnorm. Da stellt sich unter anderem die Frage, ob ein Gruppenchat eine «Öffentlichkeit» herstellt. Schwieriger Fall, findet Jositsch,den müsste man ganz genau prüfen und die Akten kennen. Aber gleichzeitig sei wohl auch Benjamins Ehre verletzt worden, «diese Fotos sind ein massiver Angriff auf seine Persönlichkeit als Jude». Dabei sei es nicht entscheidend, dass die Rekruten vermutlich nicht wussten, dass sie einen jüdischen Kameraden hatten. «Die haben das meiner Meinung nach billigend in Kauf genommen», sagt Jositsch.
Dann muss er zurück in die Videokonferenz.
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund begrüsst, dass die Armee ermittelt. Benjamins Erlebnisse sind in dessen Antisemitismusbericht ausdrücklich erwähnt und dort als «gravierender Fall» kategorisiert. Solche Geschichten aus der Armee seien selten, sagt Generalsekretär Jonathan Kreutner am Telefon. Nicht aber das antisemitische Material, das seinen Weg in den Chat fand: «Von solchen Schock-Fotos hören wir oft, zu oft.» Kreutner argumentiert ähnlich wie Jositsch: Unter Jugendlichen gehe es heute meist nicht um Antisemitismus, sondern um Provokation, kombiniert mit Unwissen. «Dazu kommen die jahrhundertealten Klischees.»
Ertan erzählt
Es ist schwierig, mit Benjamins Kameraden und Vorgesetzten über ihr Bild des Judentums zu sprechen. Auf einen Kontaktversuch zum Zugführer meldet sich sogleich ein Armeesprecher und erklärt sich zuständig. Die Mitrekruten wollen nicht reden: Einer drückt mehrere Anrufe weg, ein zweiter nimmt das Telefon nie ab, ein Dritter sagt, er könne wegen des laufenden Verfahrens nichts sagen.
Nur einer ist bereit, Auskunft zu geben. Es ist ausgerechnet Ertan – jener Kamerad, der Benjamin laut dessen Erzählung als «Scheissjud» beschimpft hat. Ertan wartet gerade irgendwo in der Zürcher Agglomeration auf einem Parkplatz auf seine Kollegen und findet es merkwürdig, dass ihn jemand anruft, der Journalist sein soll. Per Videochat kontrolliert er den Presseausweis – «okay, cool». Dann erzählt er:
«Es war eine schöne Zeit im Militär. Wir hatten es lustig. Natürlich macht man da Sprüche. Ich bin zum Beispiel Moslem. Da hiess es auch mal: ‹Moslem Pilot? 150 tot›. Es gab Witze gegen Schwarze, Juden, Frauen. Was im Militär passiert, bleibt im Militär.
Benjamin hat mir nie gesagt, dass er jüdisch ist. Ich hatte keine Ahnung. Ich finde, er hätte sich wehren sollen. Hätte er das gemacht, hätten die anderen sofort aufgehört. Bei mir – ich bin nicht gerade dünn – rief ein Wachtmeister mal, als ich am Boden vorwärtsrobben musste: «Robb schnäller, dänn gits Schweinefleisch!» Das sagte ich dem Höheren, und dann war fertig. Wenns zu weit geht, dann sagt man eben ‹Jungs, chilled mal›.»
Zum «Scheissjud»-Zwischenfall sagt Ertan: «Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mit Benjamin je eine Auseinandersetzung hatte. Bis in die dritte Sek war ein Jude einer meiner besten Freunde. Benjamin war immer ein ruhiger Typ. Ein liebe Siech. Aber ich verstehe schon: Es ist hart, wenn man sich so verstecken muss.»
«Nie wieder schweigen»
Benjamin, inzwischen 20-jährig, hat sein Mathestudium an der ETH angefangen. Als er am Telefon von Ertans Version der Dinge hört, wird er laut: «Das stimmt nicht, was er sagt. Natürlich ist das passiert.»
Und was denkt er über den Punkt, dass er sich hätte wehren sollen? Dass er seine Kameraden hätte zurechtweisen sollen?
«Das habe ich mir auch oft überlegt. Wenn ich zurückdenke, ging das damals einfach nicht. Ich war eingeschüchtert von der Organisation und den Offizieren, ich fürchtete die Reaktion der anderen. Ich finde auch heute nicht, dass ich damals einen Fehler gemacht habe. Es waren nicht meine Witze und Hitler-Bilder. Ich finde, das gehört nicht in die Armee, das gehört nicht ins Berufsleben, das gehört nirgendwohin.»
Trotzdem, hängt Benjamin an, habe ihn die ganze Geschichte verändert. «Heute mache ich es anders. Wenn jemand einen antisemitischen, rassistischen oder sexistischen Spruch macht, dann sage ich sofort etwas. Ich werde nie wieder schweigen.»
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Ein 50-Prozent-Pensum gegen Extremismus
Die Armee unterhält eine Fachstelle Extremismus, die mit einer halben Stelle dotiert ist. Im Jahr 2019 beschäftigte sich die Stelle mit 55 Anfragen und Meldungen, die überwiegende Mehrheit davon drehte sich um Rechtsextremismus. Antisemitismus war, wie schon in den Jahren zuvor, ein Randphänomen. Nebst der Beratung von Führungskräften leitete die Fachstelle auch 15 Schulungen. Ein 50-Prozent-Pensum auf 140’000 Armeeangehörige – das klingt nach wenig. Man habe schon mehrfach darüber diskutiert, sagt Hans-Peter Walser, Chef des Kommandos Ausbildung: «Wir sind der Meinung, dass die Ressourcen ausreichen.» (ms)
(https://www.tagesanzeiger.ch/was-wenn-die-herausfinden-dass-ich-jude-bin-146066523102)—
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Jüdischer Rekrut (19) verlässt Schweizer Armee wegen Antisemitismus
In der Rekrutenschule von Benjamin (19) werden täglich Judenwitze erzählt und Nazi-Memes verschickt. Weil er um seine Sicherheit fürchtet, wechselt er in den Zivildienst. Mittlerweile ermittelt die Militärjustiz.
https://www.20min.ch/story/juedischer-rekrut-19-verlaesst-schweizer-armee-wegen-antisemitismus-107335831724