Medienspiegel 16. Dezember 2019

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++SCHWEIZ
Nothilfe – Angst, Willkür und Isolation
Abgewiesene Asylsuchende werden in die Nothilfe und in Lager gezwungen. Durch Repression und Kontrolle sollen schutzsuch¬ende Menschen zur Ausreise aus der Schweiz bewegt werden.
https://www.neuewege.ch/nothilfe-angst-willkuer-und-isolation


+++BALKANROUTE
Räumung von Flüchtlingslager – «In Bosnien bleiben will niemand»
Die Räumung des Lagers Vucjak an der bosnisch-kroatischen Grenze halte Migranten nicht auf, sagt ein Journalist.
https://www.srf.ch/news/international/raeumung-von-fluechtlingslager-in-bosnien-bleiben-will-niemand


EU-Grenzpolitik: «Die Lager sind Orte der Entmenschlichung»
Der Winter macht die Lage für Tausende Geflüchtete in Bosnien-Herzegowina immer prekärer. Die Journalistin und Aktivistin Nidzara Ahmetasevic schildert unhaltbare Zustände – und fordert europäische Solidarität.
https://www.woz.ch/1950/eu-grenzpolitik/die-lager-sind-orte-der-entmenschlichung


+++MITTELMEER
Vom Seenotretter zum angeblichen Spion
Ein Deutscher und eine Syrerin retteten in der Ägäis Flüchtlinge und Migranten. Sie landeten im Gefängnis, ihnen drohen nun bis zu 25 Jahre Haft
https://www.derstandard.at/story/2000112258339/vom-seenotretter-zum-angeblichen-spion
-> https://www.amnesty.ch/de/ueber-amnesty/publikationen/magazin-amnesty/2019-4/sarah-mardini-und-sean-binder


+++LIBYEN
Libyen-Direktor der IOM über Flüchtlinge: „84 Prozent kommen zum Arbeiten“
Anfang des Jahres eskalierte in Libyen der Bürgerkrieg. Federico Soda von der IOM erklärt, warum viele Geflüchtete trotzdem im Land bleiben.
https://taz.de/Libyen-Direktor-der-IOM-ueber-Fluechtlinge/!5650641/


+++SRI LANKA
EDA kritisiert Sri Lanka für Verfahren gegen Angestellte
Nachdem eine Angestellte der Schweizer Botschaft in Sri Lanka verhaftet wurde, kritisiert das EDA nun die fehlende Rechtsstaatlichkeit beim Verfahren.
https://www.nau.ch/news/ausland/eda-kritisiert-sri-lanka-fur-verfahren-gegen-angestellte-65629487
-> https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-77584.html
-> https://www.derbund.ch/schweiz/standard/angestellte-der-schweizer-botschaft-verhaftet/story/23101166
-> https://www.nzz.ch/schweiz/angestellte-von-schweizer-botschaft-in-sri-lanka-verhaftet-sie-soll-falsche-beweise-fabriziert-haben-ld.1528907
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/angestellte-von-schweizer-botschaft-in-sri-lanka-verhaftet-65629409
-> http://www.swissinfo.ch/ger/eskalation_sri-lanka-inhaftiert-angestellte-der-schweizer-botschaft-/45438618
-> https://www.srf.ch/news/international/falsche-beweise-fabriziert-angestellte-von-schweizer-botschaft-in-sri-lanka-verhaftet
-> https://www.20min.ch/ausland/news/story/Polizei-in-Sri-Lanka-verhaftet-Mitarbeiterin-29322158


+++FLUCHT
Ein Heimspiel auf fremdem Boden
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist frühzeitig ans UNO-Flüchtlingsforum gereist. Seine Anhänger haben ihn in Genf begeistert empfangen.
https://www.derbund.ch/schweiz/standard/ein-heimspiel-auf-fremdem-boden/story/27695450
-> Aujourd’hui RTS: https://www.rts.ch/play/tv/popupvideoplayer?id=10949924&startTime=98.745
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/tagesschau-vom-16-12-2019-hauptausgabe?id=4e98bc8e-15b5-4401-97e0-7637e59f0624
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/fluchtlingsforum-rechtfertigt-teilnahme-von-recep-tayyip-erdogan-65629090
-> https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/erdogan-zu-besuch-in-der-schweiz?id=8933be47-4105-4106-a7f4-038d3e4e1f38
-> https://www.watson.ch/international/schweiz/728299722-erdogan-kommt-heute-nach-genf-kurdenverbaende-rufen-zu-protesten-auf
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/westschweiz/auftritt-in-nobel-hotel-hier-begruesst-erdogan-seine-anhaenger-in-genf-id15666921.html


Verstärkter Luftpolizeischutz und Anti-Erdogan-Demonstrationen bei Flüchtlingsforum in Genf
Für den Schutz des globalen Flüchtlingsforums vom Dienstag und Mittwoch in Genf haben die Schweizer Armee und kantonale Behörden ein verstärktes Sicherheitsdispositiv aufgezogen. Bewaffnete Helikopter und Kampfjets sind in erhöhter Alarmbereitschaft
https://www.limmattalerzeitung.ch/schweiz/verstaerkter-luftpolizeischutz-und-anti-erdogan-demonstrationen-bei-fluechtlingsforum-in-genf-136116281


Das Flüchtlingsforum in Genf will dem Uno-Flüchtlingspakt Schwung verleihen
Am Dienstag eröffnet Bundesrat Ignazio Cassis in Genf das erste Globale Flüchtlingsforum. Es soll die Zielsetzungen des Uno-Flüchtlingspakts bei staatlichen und privaten Akteuren verankern.
https://www.nzz.ch/international/das-fluechtlingsforum-in-genf-will-dem-uno-migrationspakt-schwung-verleihen-ld.1528825


Idee aus Deutschland kommt bei Grünen und SP gut an: Schweizer Pass für Klima-Flüchtlinge?
Die deutschen Grünen wollen jenen Menschen, die wegen der Klimaerwärmung vertrieben werden, die deutsche Staatsbürgerschaft schenken. Auch in der Schweiz stösst die Idee auf Anklang.
https://www.blick.ch/news/politik/idee-aus-deutschland-kommt-bei-gruenen-und-sp-gut-an-schweizer-pass-fuer-klima-fluechtlinge-id15667137.html


+++GASSE
Sozialwerk Pfarrer Sieber
Gerade jetzt in den kalten Wintermonaten ist es besonders hart für die Obdachlosen auf Zürichs Strassen. Ein kleiner Lichtblick in diesem Moment ist das Sozialwerk Pfarrer Sieber. TELE TOP hat die verschiedenen Einrichtungen besucht, um mehr über die Betroffenen und die Mitarbeiter zu erfahren.
https://www.toponline.ch/tele-top/sendungen/top-fokus/news/top-fokus-sozialwerk-pfarrer-sieber-00125664/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Saubannerzug durch Luzern: Ermittlungen eingestellt – Jungfreisinniger: «Der Rechtsstaat hat vor ein paar Vermummten kapituliert!»
Beteiligte einer unbewilligten Demonstration haben in Luzern im Dezember 2016 grossen Sachschaden angerichtet. Eine Gruppe von Jungfreisinnigen wurde mit einem Pfefferspray angegriffen. Die Täter kommen ungestraft davon. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt.
https://www.zentralplus.ch/jungfreisinniger-der-rechtsstaat-hat-vor-ein-paar-vermummten-kapituliert-1680925/
-> https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/luzern/vorfall-aus-dem-jahr-2016-erledigt-linksextreme-demonstranten-kommen-unbescholten-davon-ld.1177646


+++BIG BROTHER
Nachrichtendienst hat Verbesserungspotenzial – Echo der Zeit
Der Nachrichtendienst des Bundes muss besser arbeiten. Zu diesem Schluss kommt die unabhängige Aufsicht. Handlungs-Bedarf sieht auch die parlamentarische Aufsicht des Nachrichtendienstes, die Geschäfts-Prüfungs-Delegation.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/nachrichtendienst-hat-verbesserungspotenzial?id=dfa79a21-1a02-400c-aaad-b62074399a97


Der Schweizer Geheimdienst geht beim Datensammeln zu weit
Einige Parlamentarier wissen bereits, dass ihre Namen dutzendfach in den Systemen des Nachrichtendiensts auftauchen. Jetzt zeigt sich: Es sind mehr Politiker betroffen als angenommen.
https://www.nzz.ch/schweiz/geheimdienst-der-ndb-geht-beim-datensammeln-zu-weit-ld.1528193


Gegen gewalttätige Extremisten – Nachrichtendienst strebt nach mehr Möglichkeiten
Der NDB möchte künftig auch gewaltbereite Links- und Rechtsextremisten abhören und orten können.
https://www.srf.ch/news/schweiz/gegen-gewalttaetige-extremisten-nachrichtendienst-strebt-nach-mehr-moeglichkeiten
-> https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/VBS-will-Freipass-zum-Abhoeren-politischer-Extremisten-/story/10732583


Vernebelt euch!
Der ständigen Überwachung entkommt man nicht mehr. Aber man kann sie gezielt verwirren.
https://www.tagesanzeiger.ch/leben/gesellschaft/vernebelt-euch/story/26678712


+++PRIVATE SICHERHEITSFIRMEN
Ständerat will keine einheitlichen Regeln für Sicherheitsfirmen
Der Ständerat lehnt einheitliche Regeln für Sicherheitsfirmen ab. Eine Motion von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf scheiterte in der kleinen Kammer knapp.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/standerat-will-keine-einheitlichen-regeln-fur-sicherheitsfirmen-65629507
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2019/20191216172718527194158159041_bsd129.aspx


+++POLIZEI AG
So kämpft die Sondereinheit Argus gegen Schwerverbrecher
Sie rückt dann aus, wenn es richtig brenzlig wird: die Aargauer Sondereinheit Argus. Der 44-Jährige mit dem Spitznamen „Q“ ist im technischen Bereich von Argus tätig. Er gewährt einen Einblick in die Arbeit beim Spezialkommando.
https://www.telem1.ch/aktuell/so-kaempft-die-sondereinheit-argus-gegen-schwerverbrecher-136117372
-> https://www.blick.ch/news/schweiz/mittelland/diese-aargauer-sind-die-beste-sondereinheit-der-welt-gut-besser-argus-id15667726.html


+++ANTIRA
antira-Wochenschau: Kritik und Duttweilerareal, Schweiz und Frontex, Geld und Abschottung
https://antira.org/2019/12/16/antira-wochenschau-kritik-und-duttweilerareal-schweiz-und-frontex-geld-und-abschottung/


+++PATRIARCHAT
Die Radikalisierung der enthaltsamen Männer
Alexander Rhodes wollte mit «No Fap» Männern dabei helfen, ihre Pornosucht zu überwinden. Inzwischen hat die Bewegung Kontakte zur neuen Rechten.
https://www.tagesanzeiger.ch/leben/gesellschaft/die-radikalisierung-der-enthaltsamen-maenner/story/24095009


Neuer HCD-Sponsor – Ironische Inszenierung oder diskriminierendes Frauenbild?
Der umstrittene Auftritt von HCD-Sponsor Peter Buser im «Sportpanorama» sorgt für Diskussionen.
https://www.srf.ch/news/regional/graubuenden/neuer-hcd-sponsor-ironische-inszenierung-oder-diskriminierendes-frauenbild
-> https://www.watson.ch/sport/kommentar/689902572-darum-muss-sich-der-hc-davos-sofort-von-sponsor-peter-buser-distanzieren
-> https://www.nau.ch/sport/eishockey/hc-davos-sp-fordert-nach-konsequenzen-fur-peter-buser-65629292
-> https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Neuer-HCD-Geldgeber-mit-Sexismus-Auftritt-19594515
-> https://www.blick.ch/people-tv/zelebrierter-sexismus-im-srf-sportpanorama-die-frau-muss-bei-hcd-sponsor-buser-untertaenig-am-boden-sitzen-id15666598.html
-> https://www.blick.ch/people-tv/schweiz/hcd-buser-verteidigt-sich-und-legt-noch-einen-drauf-meine-freundin-sass-freiwillig-auf-dem-boden-und-der-teppich-ist-schoen-weich-id15667147.html


11 Männer, nur 1 Frau – so soll unser Land im Europarat vertreten werden: Schweiz blamiert sich mit Männer-Delegation
Elf Männer und nur eine Frau sollen die Schweiz in den kommenden vier Jahren im Europarat in Strassburg vertreten. Das verstösst gegen die Richtlinien des Gremiums. Dafür verantwortlich fühlt sich keiner.
https://www.blick.ch/news/politik/11-maenner-nur-1-frau-so-soll-unser-land-im-europarat-vertreten-werden-schweiz-blamiert-sich-mit-maenner-delegation-id15666109.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/die-schweiz-schickt-fast-nur-maenner-nach-strassburg/story/15369584
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/europaparlament-schweiz-will-1-frau-und-11-maenner-nach-strassburg-schicken-136117231


+++HISTORY
Nationalrat will Verdingkinder nicht weiter diskriminieren
Der Nationalrat gibt grünes Licht: Das Gesetz wird abgeändert, sodass der Solidaritätsbeitrag für Verdingkinder nicht von der Ergänzungsleistung abgezogen wird.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/nationalrat-will-verdingkinder-nicht-weiter-diskriminieren-65629383
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2019/20191216165003754194158159041_bsd117.aspx


+++FUNDIS
primenews.ch 16.12.2019

Legitime Ängste und wirre Verschwörungstheorien

Das Thema 5G polarisiert, auch in der Region Basel. Dabei vermischen sich Fakten und Fiktion. Eine Reportage.

von Oliver Sterchi und Luca Thoma

Für viele im Saal ist es ein Schreckensszenario.

Der Beamer projiziert eine Karte des Birsecks gespickt mit roten Stecknadeln auf die Leinwand der Aula Bachmatten in Reinach. Eine grossgewachsene Frau mit Kurzhaarfrisur erklärt die Karte in breitestem Solothurnerdeutsch: «Hier sehen Sie, wie das Birseck aussehen würde, wenn die geplanten 5G-Masten gebaut würden – und ich spreche nur von einem Anbieter».

Ein Raunen geht durch das Publikum, begleitetet von kollektivem Kopfschütteln. Unter dem Titel «Was erwartet uns mit 5G?» hat eine lose Gruppe von 5G-Skeptikern, die unter dem Namen «Birseckkomitee» auftritt, Anwohner und Interessierte zu einer abendfüllenden Vortragsreihe geladen.


5G ist ein Thema, das zurzeit Menschen im ganzen Land bewegt. Es löst Ängste, Verunsicherung, ja sogar Panik aus. Die Mobilfunkanbieter sind seit letztem Frühjahr daran, ihre Antennen auf die neue Technologie umzurüsten.

5G verspricht nicht nur ein schnelleres Netz, sondern soll auch den Weg für zukunftsträchtige Innovationen wie selbstfahrende Autos oder das vielbeschworene «Internet der Dinge» ebnen.

Doch der Widerstand gegen die Aufrüstung von Antennen wächst. Wo immer eine bestehende Sendeanlage auf 5G umgerüstet oder gar ein neuer Mast gebaut werden soll, formieren sich die Anwohner und nehmen alle möglichen Instrumente in die Hand, die ihnen der Rechtsstaat bereitstellt: Seien es Einsprachen, Petitionen oder Beschwerden.

So auch in Reinach: Hier will die Swisscom eine Antenne an der Graham Bell-Strasse auf 5G umrüsten. Gegen dieses Vorhaben reichten mehrere Personen eine Sammeleinsprache ein, die momentan vom zuständigen Lufthygieneamt beider Basel geprüft wird. Parallel dazu läuft eine Unterschriftensammlung für eine Petition.

Warnungen vor dem «5G-Monster»

Das Ziel der 5G-Gegner: Sie wollen ein Moratorium für den Bau neuer Antennen erreichen, bis die Auswirkungen der neuen Technologie auf Mensch und Umwelt restlos geklärt seien. Das könne man heute nämlich noch nicht abschätzen, so die Skeptiker.

Experten wie Martin Röösli vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (TPH) in Basel halten diese Ängste allerdings für «unbegründet». Es gebe keine wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung, dass 5G der menschlichen Gesundheit schade, sagt Röösli gegenüber Prime News.

Es sei zwar erwiesen, dass der Gebrauch des Mobiltelefons gewisse «biologische Effekte» im Körper provoziere, doch diese seien äusserst schwach.

Dennoch erhält die Anti-5G-Bewegung immer mehr Zulauf von Menschen, die trotz gegenteiliger Beteuerungen von Wissenschaft und Politik verunsichert sind.

Prime News wollte wissen, wer diese Leute sind, vor was sie Angst haben und warum sie den Experten keinen Glauben schenken.

Also sind wir nach Reinach gefahren, zur Versammlung der 5G-Gegner.

Die grosse Aula ist an diesem Montagabend im Dezember proppenvoll, die Stimmung gelöst. Die Leute kennen sich. Im Publikum sitzen vorwiegend ältere Menschen, viele tragen Softshell-Jacken, dicke Winterschals und Strickpullover.

Manche tragen noch die Eintritts-Sticker ihres letzten Besuchs im Basler Kunstmuseum auf dem Mantel – es sind Menschen aus der Mitte der Gesellschaft.

Auf mehreren Tischen liegen Flyer aus, die über das Thema 5G informieren. Eine Broschüre dreht sich um «Digitalisierung an den Schulen». Andere Flugblätter sind in einer deutlich drastischeren Sprache verfasst und warnen etwa vor dem «5G-Monster» und einer «Kriegserklärung an die Menschheit durch 5G».

An einem separaten Tisch werden Unterschriften für eine Volksinitiative «für einen gesundheitsverträglichen und stromsparenden Mobilfunk» gesammelt. Die Liste der Signaturen zeigt, dass sich an diesem Abend Menschen aus dem ganzen Baselbiet zusammengefunden haben.

Referent tritt in einem Strahlenschutz-Anzug auf

Die Frau auf der Bühne mit dem Solothurner Dialekt heisst Rebekka Meier. Sie ist Uhrmacherin und engagiert sich bei verschiedenen Organisationen gegen den Ausbau des 5G-Netzwerks in der Schweiz, etwa beim Komitee «5G Moratorium Schweiz».

An diesem Montagabend hat Meier jedoch nur eine Nebenrolle inne: der eigentliche Star der Veranstaltung ist Ulrich Weiner, ein bekannter 5G-Gegner und «Elektrosensibler».

«Elektrosensible» sind Menschen, die besonders empfindlich auf Elektrosmog reagieren, oder dies zumindest so wahrnehmen. Die Wissenschaft konnte bisher noch keinen ursächlichen kausalen Zusammenhang zwischen Strahlung und den von den Elektrosensiblen geschilderten Symptomen feststellen.

Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) gibt an, dass etwa fünf Prozent der Schweizerinnen und Schweizer davon überzeugt sind, elektrosensibel zu sein.

So auch Weiner. Der Mann mit weichen Gesichtszügen und einem verschmitzten Lächeln trägt eine Schirmmütze auf dem Kopf und über Hemd und Krawatte einen weit geschnittenen, grau melierten Overall: Es sei ein «Strahlenschutzanzug» erklärt Weiner. Dieser schütze ihn vor dem Elektrosmog im Raum.

«Bitte Handys ausschalten!!» prangt denn auch in fetten schwarzen Lettern auf der Leinwand, denn Weiner leidet gemäss eigenen Angaben physisch unter der Funkstrahlung – und neben ihm auch andere Besucher im Saal, wie sich später herausstellen wird.

Bevor Weiner die Bühne betritt, testet ein Mann mit einem Messgerät die Strahlenwerte im Saal und gibt dann grünes Licht. Es kann losgehen.

Weiner ist ein selbsternannter Experte für die Thematik. Früher sei er «Vollblutfunker» gewesen, erzählt er. So habe er sich schon als 10-Jähriger für Walkie-Talkies begeistert und später eine Funk-Firma mit 20 Mitarbeitern aufgebaut.

In den frühen 2000er-Jahren seien bei ihm dann die ersten Symptome der Strahlenbelastung aufgetaucht: Beeinträchtigungen der Augen und Herz-Rhythmus-Störungen. Nach langwierigen medizinischen Abklärungen habe er schliesslich festgestellt: «Ich bin elektrosensibel».

Heute lebt Weiner in einem Wohnwagen im Schwarzwald in einem der «letzten Funklöcher Europas». Nur hier, in der Natur und weit abgeschieden von der strahlenverseuchten Zivilisation, fühlt er sich fit und kann durchschlafen.

Eine «Verschwörung» der Eliten gegen die Menschheit

Weiner ist nicht der einzige Elektrosensible im Raum. Mehrere Besucher erklären an diesem Abend gegenüber Prime News, dass sie unter der Strahlung litten. Darunter Heinz Frei aus Kappel bei Olten, der seit Jahren im Keller seines Hauses schläft.

2001 sei eine Mobilfunkantenne 50 Meter neben seinem Haus montiert worden, seither leide seine Gesundheit permanent. Zuerst versuchte er, in seinem Schlafzimmer eine Art Schutz-Box gegen die Strahlen zu bauen. Als auch diese Massnahme scheiterte, zog er in den Keller.

«Es wird eindeutig zu wenig unternommen gegen 5G und Strahlung», ist der ältere Herr überzeugt. Er wünsche sich mehr Aufklärungsarbeit in Gesellschaft und Politik.

Das Spektrum an Meinungen und Einstellungen ist an diesem Abend in der Aula Bachmatten sehr breit. Viele Menschen geben an, selber unter der Strahlung zu leiden.

Sie haben legitime Ängste vor der 5G-Technologie, deren effektive Langzeitwirkungen in der Tat noch nicht mit endgültiger Sicherheit bestimmt werden können. Das räumt auch die Forschung ein. Kurz: Die Leute fühlen sich unwohl. Sie wissen nicht, was da auf sie zukommt.

Doch einige, darunter auch der Referent Ulrich Weiner, belassen es nicht bei dieser Skepsis. Sie sind nicht nur verunsichert, sondern wittern eine Verschwörung.

Experten, Politik, Medien — sie alle seien von der Mobilfunkindustrie gekauft, würden Unwahrheiten verbreiten und die Menschen anlügen. Denn 5G sei viel gefährlicher, als «man» uns weismachen wolle.

So ist Weiner überzeugt, dass Mobilfunkstrahlen hochgradig gesundheitsschädigend seien. Sie verursachten nicht nur Schlafstörungen und Kopfschmerzen, sondern seien oft auch für Krebs und Alzheimer verantwortlich.

Sogar Diabetes bei Kindern sei letztlich auf die Strahlenbelastung zurückzuführen — und es sei jetzt an uns, «unsere Kinder aus den Fängen der Pharmaindustrie zu befreien».

Womit ein weiteres Feindbild bedient wäre: Die Pharmaindustrie, die uns absichtlich krank macht, um uns ihre Medikamente verkaufen zu können. Waren es gestern noch die Chemtrails am Himmel, so ist es heute eben 5G. Eine Verschwörung der Eliten aus Industrie und Politik gegen die Menschheit.

Der Mann im «Strahlenschutzanzug» legt selbst viel Wert darauf, sich als Experte zu inszenieren. Er zitiert «internationale Medien», «Fachzeitschriften» und jede Menge «Studien». Das Publikum wird regelrecht mit «Fakten» bombardiert.

Dabei wird alles mit allem vermischt. So spricht Weiner auch über ADHS und Ritalin, als habe das ebenfalls ganz direkt mit Mobilfunkstrahlung zu tun. Einen wissenschaftlichen Beleg für diese These bleibt er seinen Zuhörern schuldig.

Weiner behauptet monokausale Zusammenhänge zwischen allen möglichen gesundheitlichen Problemen des 21. Jahrhunderts und Strahlung.

Ohne Strahlung, so die implizite Pointe, gäbe es weniger Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen, weniger Burnouts oder deutlich weniger Krebspatienten. Das würde wohl kaum ein seriöser Mediziner so unterschreiben.

Uni-Experte widerspricht

Wenn er solche Aussagen hört, kann Strahlenexperte Martin Röösli vom Tropen- und Public-Health-Institut denn auch nur den Kopf schütteln. Er sagt: «Über 5G gibt es in der breiten Bevölkerung viele Missverständnisse. Es besteht definitiv Aufklärungsbedarf».

Röösli sieht sich im Kreis der 5G-Gegner massiven Anschuldigungen ausgesetzt. Er, der schweizweit anerkannte Experte und Mitglied zahlreicher Beratergremien des Bundes, sei von der Mobilfunkindustrie gekauft, lautet der Vorwurf.

Prime News wollte von Röösli wissen, was es wirklich mit 5G auf sich hat. Was kommt da auf uns zu?

«Die Behauptung, dass 5G zwangsläufig eine stärkere Strahlenbelastung bedeutet, ist falsch. Richtig ist: Die Strahlung ist dort am stärksten wo viele Leute Mobiltelefone nutzen», sagt Röösli. 5G strahle nämlich nicht wesentlich anders als 4G oder ein W-Lan-Router.

Dieses «weit verbreitete Missverständnis» führt Röösli in erster Linie auf die Werbekampagnen der Mobilfunkanbieter zurück.

«Wenn beispielsweise die Swisscom behauptet, dass 5G hundert Mal leistungsfähiger sei als 4G, dann meint sie damit die Übertragungsgeschwindigkeit der Daten. Mit der Strahlung an sich hat das nichts zu tun», so der Professor.

«Widerstand gegen 5G-Antennen ist kontra­produktiv»

Vielmehr sei das Gegenteil der Fall: Die 5G-Technologie werde insgesamt zu einer Reduktion der Strahlung führen, sagt Röösli. Der Grund: 5G macht die Datenübermittlung effizienter. «Es ist eine Tatsache, dass die Datenmenge stetig wächst. Die 5G-Technologie kann diese Daten schneller und effizienter übermitteln, was im Durchschnitt die Strahlung reduziert», so Röösli.

Umgekehrt bedeutet das also: Würde man die Technologie bei 4G einfrieren, hätte man wegen der wachsenden Datenmengen am Schluss eine wesentliche höhere Strahlenbelastung.

Martin Röösli sagt denn auch: «Am wenigsten Strahlenbelastung hätten wir, wenn wir von heute auf morgen sämtliche Antennen auf 5G umrüsten würden». Aber das gehe natürlich nicht, da man ja die jetzigen Geräte noch länger nutzen wolle.

Daneben gibt es allerdings noch eine zweite Methode, die individuelle Strahlenbelastung zu mindern, und die ist simpel: Das Handy weniger benutzen.

Denn: Wer sein Mobiltelefon oft und lange am Ohr hat, ist einer wesentlich höheren Strahlung ausgesetzt als jemand, der beispielsweise direkt neben einer Antenne wohnt, aber wenig telefoniert.

«Der Widerstand gegen 5G-Antennen ist in diesem Sinne sogar kontraproduktiv», so Röösli. Die Handystrahlung sei nämlich umso stärker, je weiter das Gerät von einer Antenne entfernt sei.

Zusammenfassend meint der Experte: «Gegen Antennen vorzugehen, ist definitiv der falsche Ansatz. Wenn schon denn schon sind die stetig anwachsende Datenmenge und der exzessive Gebrauch mobiler Geräte das Problem, aber sicher nicht die 5G-Technologie an sich».

Man könne es daher nicht oft genug sagen: «Die wirksamste Präventionsmethode ist ein massvoller Gebrauch des Handys», so der Experte.

Auch Röösli registriert ein zunehmendes Misstrauen gegenüber Experten wie ihm. «Die Skepsis, die meiner Person von gewissen Leuten entgegengebracht wird, hat in letzter Zeit massiv zugenommen».

Er sehe sich einem erhöhten Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Und beteuert daher einmal mehr: «Natürlich bin ich nicht von der Industrie gekauft. Das ist Unsinn. Ich bin ein unabhängiger Wissenschaftler».

«Wir haben mächtige Gegner»

Zurück nach Reinach, ins Bachmatten-Schulhaus: Dort geht es im Verlauf des Abends nicht mehr nur um die Gesundheit, sondern auch um die Politik. Referent Weiner operiert gerne mit politischen Schlagworten und Reizbegriffen, um aufzurütteln und zu provozieren.

Elektrosensible bezeichnet er als «Flüchtlinge im eigenen Land». Sie hätten «zu wenig Wohnraum» und ein Recht auf «Familiennachzug» würde ihnen bisher nicht gewährt.

Dabei schürt er in seinem Vortrag gezielt das Misstrauen gegenüber Experten und der Politik.

«Ist der Staat neutral?», fragt Weiner provokativ. Er ist der festen Überzeugung, dass «ein riesiger Filz» zwischen Staat, Industrie und Presse bestehe, welcher die gesundheitlichen Schäden der Mobilfunkstrahlung verschleiere.

Dazu gehört laut Weiner auch Angela Merkel, welche in ihrer Zeit als Bundesumweltministerin neue Strahlungs-Höchstwerte unterstützt habe. Merkel wurde gemäss Weiner in ihrem Amt als Ministerin «installiert» — von wem, das sagt er nicht. Aber das Publikum denkt sich wohl seine Sache dabei.

Auch unter den Gästen scheint die Skepsis gegenüber Institutionen und Autoritäten verbreitet zu sein. Ein Besucher sagt gegenüber Prime News: «Ich verliere das Vertrauen in Politik und Justiz». Die Politik sei in Kontakt mit Lobbyisten und die Versuchung sei gross, sich Bestechungsgeldern zu beugen.

Der Mann ist überzeugt: «Wir haben mächtige Gegner».

5G als Kampf zwischen Gott und Luzifer

Je länger der Abend dauert, desto tiefer führt Weiner sein Publikum ins Reich der Verschwörungstheorien. Er malt bildgewaltige, apokalyptische Zukunftsbilder, die ans Eingemachte gehen. Sein Plädoyer: Wir können jetzt noch umkehren. Irgendwann wird es zu spät sein.

Er malt ein Schreckensszenario einer Zukunft, in welcher die Menschen in einem Überwachungsstaat leben. Denn auch darum geht es den 5G-Gegnern: Die neue Technologie sei nämlich auch dazu da, damit Geheimdienste uns ausspionieren könnten.

Eine Frau im Publikum spricht sogar von einer «militärischen Waffe», die gegen «uns» in Stellung gebracht werde. Immer wieder fällt das Beispiel China, das die 5G-Technologie nutze, um seine Bürger zu überwachen und zu disziplinieren.

Die Lösung, die sowohl Weiner als auch Meier vorschlagen? Eine Rückkehr in eine «gute alte Zeit» mit Bargeld und Festnetz. Sowohl bei den Rednern als auch im Saal ist eine tiefe Angst vor Veränderung spürbar.


Am Schluss des Vortrages, in der Publikumsrunde, geht es dann sogar um religiöse und heilsgeschichtliche Fragen.

Ein Mann spricht wiederum das Thema Überwachung in China an. Dieses Land habe «eine dem christlichen Gott feindliche Regierung». Er ist überzeugt, bei 5G gehe es «um Gott und den Luzifer».

Weiner antwortet ihm darauf, dass er eine Verbindung zwischen «666», der okkulten «Zahl des Antichristen», und dem «WWW» sehe. Darauf muss man erst einmal kommen.

Da der Saal um 23 Uhr geräumt werden muss, unterbrechen die Veranstalter die Diskussion. Der Abend endet mit Danksagungen. Eine ältere Frau schenkt Weiner und Meier selbstgestrickte Wollsocken, da diese «so oft auf den Socken» seien für ihr gemeinsames Ziel.

Der Applaus ist lange und kräftig, trotz der späten Stunde.

Bevor der Mann im Strahlenschutzanzug die Bühne verlässt, empfiehlt er, man solle sich zuhause im Internet informieren – bevorzugt auf Weilers eigener Website und auf seinem Youtube-Kanal. Er hoffe, «dass eine kritische Masse aufwacht».



Was die Besucher der Veranstaltung in Reinach zum Thema 5G denken, sehen Sie im Prime News-Videointerview: https://youtu.be/Xj1_rBQhZs4
(https://primenews.ch/articles/2019/12/legitime-aengste-und-wirre-verschwoerungstheorien)