Rassistische Behörden und Institutionen allgemein

27.07.20
Wie Antirassismus und Technologiekritik zusammenhängen
In Deutschland besteht seit 2005 die Pflicht, für amtliche Dokumente ein biometrisches Passfoto vorzulegen. Seit mehreren Jahren ist aber bekannt, dass die in den Ämtern stehenden offiziellen Fotoautomaten der deutschen Bundesdruckerei Schwarze Menschen regelmässig nicht erkennen und für jene dementsprechend keine brauchbaren Bilder erstellen können. Oft müssen diese Personen weiteren Aufwand betreiben, um für herkömmliche Dokumente normgerechte Fotos von sich vorlegen zu können.
Nachdem die taz die deutsche Bundesdruckerei – das „Sicherheitsunternehmen des Bundes“, das mit „Dienstleistungen und Technologien für den Schutz sensibler Daten und Infrastrukturen“ sorgt – kontaktiert hat und von solch einem Fall in Hamburg informiert hat, wies diese jeglichen Diskriminierungsvorwurf ab, obwohl dieses Phänomen in Deutschland schon mehrmals aufgezeigt wurde: Die Automaten gehörten zu den modernsten des Welt und würden nicht nach Hautfarbe unterscheiden sondern seien von der Qualität der jeweiligen Beleuchtungssituation abhängig. Zusätzliche kenne das optische System genauso wenig Rassismus wie die Bundesdruckerei.
Wer kurz im Internet nachforscht, findet rasch ähnliche Geschichten aus der ganzen Welt, die schon seit über fünfzehn Jahren von Journalist*innen und Aktivist*innen thematisiert werden. Wie modern ein System denn auch sein mag, es wird immer denjenigen Rassismus widerspiegeln, den seine Entwickler*innen inne hatten: bei der Biometrie wird Technologie mit einem Datensatz entwickelt, der vor allem weisse Menschen repräsentiert und Menschen, die von der Norm des Weiss-Seins abweichen im alltäglichen Einsatz nicht erkennen kann, da sie dafür ungenügend mitgedacht wurden. Mehrere Studien belegen dieses rassistische Charakteristikum von Technologie. Das Massachussets Institute of Technology zeigte 2018 zum Beispiel auf, dass die Datensätze, die die Gesichtserkennungssysteme der Marktleader Microsoft, IBM und MEGvii of China nährten, zu 77% aus männlich gelesenen Menschen und zu 83% aus weissen Personen bestehen. Weisse Männer wurden von jenen zu 99.2% richtig von den Systemen erkannt, Schwarze Frauen aber nur zu 65.3%. Dass 2016 in den zehn grössten Technologiekonzernen des Siliconvalley nicht eine einzige Schwarze Frau und bei drei davon überhaupt gar keine Schwarze Person arbeitete, half wohl auch nicht gerade dabei, ausserhalb der weiss-männlichen hegemonialen Norm zu denken.
Bei diesem Thema geht es aber um weit mehr, als lästige Mehraufwände bei den einfachsten staatsbürgerlichen Verfahren für Schwarze Menschen: die rassistischen Tendenzen der Entwickler*innen von Technologie und der Behörden, gekoppelt mit dem strukturellen und lebensgefährlichen Rassismus in der Gesellschaft, kann ganze Leben ruinieren. So wurde in der USA diesen Juni ein unschuldiger Schwarzer Mann festgenommen, weil eine mit künstlicher Intelligenz ausgestatte Überwachungskamera ihn mit einem anderen Schwarzen Mann verwechselte. Antirassismus muss in diesem Sinne auch kritisch technologische Entwicklungen beobachten, repräsentieren diese ja meistens die Interessen derer, die in sie investieren und schlussendlich von ihr profitieren.
https://taz.de/Rassismus-im-Bild/!5700872/
https://metro.co.uk/2020/04/01/race-problem-artificial-intelligence-machines-learning-racist-12478025/https://www.raconteur.net/technology/biometrics-ethics-biashttps://www.nytimes.com/2020/06/24/technology/facial-recognition-arrest.htmlhttps://taz.de/Rassismus-im-Bild/!5700872/

21.07.20
Nordafrikanische Polizei soll Menschen von der Überfahrt nach Europa abhalten
Seit dem 1. Juli hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Schon das Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ lässt nichts Gutes vermuten. Als zentrales Thema der Ratspräsidentschaft wurde die Reform der europäischen Migrations- und Asylpolitik angekündigt. Dazu heisst es im Programm unter anderem, man wolle Fehlanreize gegenüber Menschen auf der Flucht vermeiden, schnelle Entscheidungen treffen, wer schutzbedürftig sei und mit Verfahren an den EU-Aussengrenzen, also bereits in Nordafrika, prüfen, wen man gar nicht erst nach Europa lässt, um ein Asylgesuch zu stellen.
Das erste Innenminister*innentreffen vor einer Woche, bei dem unter anderem die Verteilung Geflüchteter auf die europäischen Länder besprochen wurde, blieb ohne konkrete Ergebnisse. Einig wird man sich hingegen eine Woche später mit den Innenminister*innen nordafrikanischer Staaten bei einem weiteren Treffen: Die Polizei nordafrikanischer Länder soll Menschen auf der Flucht von der Mittelmeer-Überfahrt nach Europa abhalten. Dafür soll die Zusammenarbeit zwischen der Behörde für Polizeikooperationen der Afrikanischen Union (Afripol) und den EU-Agenturen Frontex und Europol sowie des Europäischen Netzwerks von Verbindungsbeamten für Einwanderung gefördert werden sowie Ausbildungen und technische Ausstattung finanziert werden. Offiziell heisst das dann „Schleuserbekämpfung“. In der Praxis zieht es tägliche Menschenrechtsverletzungen in Libyen und die Inhaftierung Geflüchteter mit sich. Die „Grenzmanagementprogramme“  allein in Libyen belaufen sich jetzt auf 57,2 Millionen Euro u.A. für Schulungen, 20 Gummiboote, 40 Geländewagen, 13 Busse und 17 Krankenwagen. Auffällig ist auch das Machtgefälle von Nord nach Süd. Wie würden europäische Staaten reagieren, wenn ihnen afrikanische Staaten solche Aufgaben übertragen würden?Die europäische Grenzmauer auf dem afrikanischen Festland wird, bildlich gesprochen, immer höher. Leere Worthülsen bleiben die Versprechen, sich um die „Rettung von Menschen aus Seenot zu bemühen oder Direktaufnahmekapazitäten (Resettlement-Programme) auszubauen“.
https://www.migazin.de/2020/07/14/eu-fluechtlingspolitik-afrikanische-polizei-bootsfluechtlinge/https://www.proasyl.de/pressemitteilung/unter-dem-deckmantel-der-schleuserbekaempfung-verhinderung-von-flucht-statt-seenotrettung/https://www.tagesschau.de/ausland/eu-migration-innenminister-103.htmlhttps://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/news_corner/news/eu-delivers-support-border-management-libya_en

13.07.20
Horst Seehofer verhindert eine Studie zu Racial Profiling
Als Begründung liess der Innenminister der deutschen Regierung verlauten, dass die Praxis ohnehin verboten sei. Dafür, dass diese Argumentation nicht schlüssig und die Entscheidung, die Studie abzusagen, ohnehin fragwürdig ist, hagelt es nun von allen Seiten Kritik. Sogar der Vorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) äusserte Kritik an Seehofers Entscheidung. Sein fehlendes Bewusstsein für Rassismus wurde allerdings in einem Interview deutlich, in dem er sagte, der polizeiintern verwendete Begriff ‚Nafri’ (Nordafrikanischer Intensivtäter) sei vorurteilsfrei. Genau, schliesslisch verwenden Polizeibeamt*innen auch regelmässig den Begriff Deui (Deutscher Intenisvtäter), nicht wahr? Diese Ungereimtheit scheint ihm nicht aufgefallen zu sein. Wenn wir uns anschauen, was bisher von öffentlicher Seite getan wurde, um Daten bezüglich Alltags- und institutionellem Rassismus in der Polizei zu sammeln, fällt das Ergebnis ziemlich dürftig aus. 2013 gab es eine lediglich qualitative Erhebung zu Racial Profiling von Hendrik Cremer am ‚Deutschen Institut für Menschenrechte‘, der daraufhin die Empfehlung gab, die Möglichkeit für verdachtsunabhängige Kontrollen aus dem Polizeigesetz zu streichen. Selbst der 2017 vom Bundeskabinett verabschiedete ‚Nationale Aktionsplan gegen Rassismus‘ geht davon aus, dass Racial Profiling im deutschen Polizeiapparat regelmässige Praxis ist und zuletzt liess die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) im Jahre 2019 vernehmen: „Auch wenn es hinreichende Beweise für ein extensives Racial Profiling gibt, sind sich viele Polizeidienste und -vertreter dessen nicht bewusst.“ Und empfahl eine Studie diesbezüglich. Und das sind nur Forderungen von offiziellen Stellen. Alle Forderungen von nicht-institutioneller Seite und von Einzelpersonen of Color, sich mit Rassismus in der Polizei auseinanderzusetzen, werden seit Jahren ignoriert. Dass dieser weiter reicht als Racial Profiling zeigen alleine diese Woche drei Fälle, die in den Medien zirkulieren. Einerseits der Suizid von Rooble Warsame, der sich angeblich in Polizeigewahrsam erhängt haben soll. Es gibt jedoch zahlreiche Ungereimtheiten und seine Angehörigen fordern eine unabhängige Untersuchung. Oder der Fall vom 19-jährigen Aman Alizada, der von einem Beamten erschossen wurde. Dass der Beamte sich anhand des Arguments, er habe aus Notwehr gehandelt, der Strafverfolgung entziehen konnte und keine Folgen für sein Handeln zu fürchten braucht, trägt dazu bei, dass regelmässig Schusswaffen eingesetzt werden. Und letztlich eine weitere Wendung im Fall Oury Jalloh, der 2005 unter ominösen Umständen in einer Dessauer Polizeizelle umkam. Die zwei letztes Jahr eingesetzten Sonderermittler werden nun vom Justizministerium in Sachsen-Anhalt daran gehindert, sieben Staatsanwält*innen und Richter*innen zu befragen, u.a. jenen Staatsanwalt, der 2017 ausgesagt hatte, es handle sich vermutlich um Totschlag durch Polizeibeamt*innen und er werde die Ermittlungen wieder aufnehmen. Der Fall wurde ihm daraufhin entzogen und seine Nachfolgerin stellte das Verfahren prompt wieder ein. Ihr steht nun eine Beförderung zur Generalstaatsanwältin von Sachsen-Anhalt bevor. Und diese Fälle stehen vor dem Hintergrund der aktuellen Dokumentation ‚Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen‘ der Antirassistischen Initiative. Derzufolge beträgt die Zahl geflüchteter Menschen, die in den letzten 27 Jahren durch Polizei- oder Sicherheitsbeamte verletzt wurden 1298 – 28 von ihnen tödlich. Zusätzlich sind 3375 Selbstverletzungen und Suizidversuche angesichts drohender Ausschaffungen verzeichnet – 309 Menschen begingen Suizid. 568 Menschen wurden durch Zwangsmassnahmen und Misshandlungen während ihrer Ausschaffung verletzt, 5 von ihnen tödlich. Und das sind nur die dokumentierten Fälle. Dass diese Übergriffe System haben, liegt daran, dass geflüchtete Menschen in den vorherrschenden Strukturen weitgehend entrechtet und isoliert werden und sie somit den Beamt*innen nahezu schutzlos ausgeliefert sind. Rassismus organisiert sich in den Regeln, Anordnungen und der geübten Praxis des Polizeiapparats systematisch.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-07/rassismus-polizei-racial-profiling-deutschland-analyse/komplettansicht
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-07/racial-profiling-studie-polizei-abgesagt-justizministerium-horst-seehofer
https://www.deutschlandfunk.de/bdk-zu-racial-profiling-studie-wir-muessen-vertrauen.694.de.html?dram:article_id=480051
https://www.jungewelt.de/artikel/381754.seehofer-sperrt-sich-gegen-studie-untersuchung-unerw%C3%BCnscht.html
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1138851.polizei-und-rassismus-seehofer-willrs-nicht-wissen.html
https://www.derstandard.at/story/2000118543227/innenminister-seehofer-glaubt-nicht-an-rassismus-bei-deutscher-polizei?ref=rss
https://taz.de/Abgesagte-Studie-zu-Racial-Profiling/!5694005/
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1138853.polizeigewalt-im-sitzen-selbst-erhaengt.html
https://www.jungewelt.de/artikel/381908.rassismus-licht-ins-dunkelfeld.html
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-07/fall-oury-jalloh-gescheiterte-aufklaerung-behinderung-justizministerium-polizeirevier-dessau
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1138854.oury-jalloh-sabotierte-sachverstaendige-im-fall-jalloh.html
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/oury-jalloh-warum-das-schweigen-a-b6aed5e1-1cde-4b1a-a5a0-a27a72bb73ad
https://taz.de/Wurde-Oury-Jalloh-ermordet/!5698603/

07.07.20
Die Verstrickungen der Schweizer Textilindustrie in die Sklaverei
Die Schweiz besass selbst keine Kolonien und hat deshalb auch keine Verantwortung für die Gräueltaten, die während dieser Zeit verübt wurden oder für deren postkoloniale Auswirkungen. Solchen Aussagen begegnen wir immer und immer wieder. Sie werden genutzt, um sich sämtlicher Schuld zu entziehen und das Märchen des selbst geschaffenen, auf harter Arbeit basierenden Wirtschaftsaufschwungs aufrechtzuerhalten. Tatsächlich aber basiert die heutige wirtschaftliche Macht der Schweiz massgeblich auf der Ausbeutung von Menschen und Staaten während der Sklaverei und des Kolonialismus. Viele für die heutige Wirtschaft relevante Strukturen und Institutionen entstanden während dieser Zeit und waren nur durch die Profite aus dem Sklavereihandel möglich. Das zeigt zum Beispiel die Geschichte der Indiennes, der bunten Baumwolltücher: Der Handel mit Indiennes brachte der Schweiz enormen Wohlstand. Die Stoffe wurden als eine Art Währung verwendet, um sie in Afrika gegen versklavte Menschen einzutauschen – die dann nach Amerika geschifft wurden. Bei der Herstellung sowie beim Handel mit den Indiennes spielten Schweizer*innen eine entscheidende Rolle. Auf dem Schiff „Necker“ beispielsweise, das 1789 nach Angola segelte, machten Schweizer Stoffe drei Viertel des Warenwerts aus, der gegen Sklav*innen getauscht wurde. Die Baumwollindustrie, die massgeblich auf der Ausbeutung versklavter Menschen basierte, war enorm wichtig für die industrielle Entwicklung der Schweiz. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts hat die Schweiz über längere Zeit in absoluten Zahlen sogar mehr Baumwolle importiert als England. Nebst der Tatsache, dass das Endprodukt (Indiennes) für den Handel mit versklavten Menschen eingesetzt wurde, entstand auch das importierte Rohprodukt aus versklavter Arbeit. Schweizer Textilunternehmen investierten ihr Vermögen ganz direkt in den Handel mit versklavten Menschen. Aufzeichnungen zeigen, dass das in Basel ansässige Textilunternehmen Christoph Burckardt & Cie zwischen 1783 und 1792 an 21 Schiffsexpeditionen mit versklavten Menschen beteiligt war, die rund 7.350 Menschen aus Afrika nach Amerika transportierten. Ein Grossteil des Wohlstands in Schweizer Textilzentren war mit dem Handel mit versklavten Menschen verbunden. Abgesehen von der Produktion von und dem Handel mit Indiennes wirkten Schweizer*innen an der Sklaverei mit, indem sie sich mit Sachgütern am Handel mit versklavten Menschen, der Produktion von und dem Handel mit Gütern aus versklavter Arbeitskraft sowie dem Besitz von Plantagen beteiligten. Auch bei Finanzgeschäften mischten Schweizer*innen kräftig mit, beispielsweise durch Investitionen, Versicherungen oder Beteiligungen. Besonders bei der Finanzspekulation nahmen Schweizer*innen immer wieder eine zentrale Rolle ein. Ein Beispiel ist die «Compagnie de la Louisiane ou d’Occident», die sogenannte «Mississippi-Gesellschaft»: Sie betrieb Handel mit versklavten Menschen und Produkten aus der Sklaverei. Viertgrösster Aktionär war – nebst vielen weiteren Schweizer*innen – Louis Guiguer aus Bürglen. Auch der Staat Bern beteiligte sich im grossen Stil an Finanzgeschäften: Die 1711 gegründete «South Sea Company» übernahm englische Staatsschulden und erhielt dafür 4 Schiffe sowie das exklusive Recht, die spanischen Kolonien mit versklavten Menschen zu beliefern. Gemäss Vertrag wurden pro Jahr 4.800 versklavte Menschen gehandelt. Zwischen 1719 und 1734 besass der Staat Bern Aktien bei der South Sea Company. In dieser Zeit wurden etwa 20.000 Menschen verschifft, 2.000 sind dabei gestorben. Zeitweise war der Staat Bern sogar grösster Aktionär noch vor der Bank of England und noch vor König George I. Ein weiteres Beispiel ist David de Pury (1709-1786), dem heute immer noch eine Statue in Neuchatel gewidmet ist. Er war unter anderem Aktionär bei der portugiesischen Frachtgesellschaft „Pernambuco e Paraìba“, die 42.000 versklavte Menschen nach Brasilien verschiffte. Damit häufte er ein Vermögen an, wovon er einen Grossteil (600 Mio CHF) der Stadt Neuenburg vererbte. All diese Verstrickungen hatten einen enormen Einfluss auf den Wirtschaftsstandort Schweiz, welcher wiederum massgeblich für den heutigen Wohlstand in der Schweiz verantwortlich ist. Der Handel mit versklavten Menschen hat durch seine Profite, durch die im Dreieckshandel erworbenen Kenntnisse und Techniken (Plantagenorganisation, Bankenwesen, Versicherungen) sowie durch die Anregung vor- und nachgelagerter Industrien (Schiffsbau, Baumwollindustrie, Zuckerraffinerie, Metallindustrie) die materielle Entwicklung Europas im 18. und 19. Jh wesentlich geprägt und die industrielle Revolution erst ermöglicht. Als Teil des europäischen Wirtschaftsraums hat die Schweiz allgemein an jenem Aufschwung von Produktion und Handel teilhaben können, der wesentlich auf der atlantischen Sklavereiwirtschaft beruhte (aus Hans Fässler, Reise in Schwarz-Weiss).

Um dieses ausbeuterische Verhalten irgendwie verantworten zu können, musste eine moralische Legitimierung her. Diese schaffte unter anderem Louis Agassiz an der Uni Neuchatel mit seinen Rassentheorien, welche eine biologisch natürliche Hierarchie zwischen Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben propagierten. Ogette beschreibt es in ihrem Buch «Exit Racism» wie folgt: «Die Europäer*innen […] wurden Rassist*innen, um Menschen für ihren eigenen Profit versklaven zu können. Sie brauchten eine ideologische Untermauerung; eine moralische Legitimierung ihrer weltweiten Plünderungsindustrie. […] Die Idee der Rassentheorie musste geboren werden. […] Und von Anfang an wurden diese vermeintlichen ‹Rassen› mit Bewertungen ausgestattet. Es wurde eine Hierarchie aufgestellt, bei der die weisse Rasse immer an der Spitze stand.“ Eine weitere Folge der Sklaverei sind somit bis heute bestehende, tief in Köpfen und Strukturen verankerte rassistische Ideologien, die wiederum die moralische Legitimierung für die heutige Ausbeutung des globalen Südens sowie von BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) schafften.
Lese-Empfehlungen zu diesem Thema:
– Tupoka Ogette: Exit Rasicm
– Hans Fässler: Reise in Schwarz-Weiss
https://www.swissinfo.ch/ger/die-unappetitliche-vergangenheit-der-schweizer-textilindustrie/45855368

29.06.20
Rassistische Algorithmen & Rassistisches Justizsystem
Die Polizei in den USA (und auch in Deutschland) arbeitet mit Algorithmen um sog. Predictive Policing zu betreiben, also Vorhersagen zu möglichen Delikten zu treffen. Anhand der Daten bisheriger Festnahmen werden rassistische Algorithmen erstellt, die infolgedessen Polizeibeamt*innen in Gegenden schicken, in denen mehr BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) wohnen. In einer Art Rückkopplungseffekt werden daraufhin mehr Delikte festgestellt und / oder provoziert. Denn dort, wo Polizeibeamt*innen hinschauen, werden sie Straftaten erkennen. Dort, wo sie nicht hinschauen, werden sie nie etwas finden. Doch nicht nur Prognosen können rassistisch sein, sondern auch Retrospektiven. In Zürich kam es diese Woche nämlich zum Freispruch eines weissen Polizisten durch einen weissen Richter, nachdem jener elf Schüsse auf einen Mann of Color abgegeben hatte. Omar Mussa Ali war im Dezember 2015 auf der Birmensdorferstrasse mit einem Küchenmesser in der Hand gesichtet und anschliessend von fünf weissen Polizeibeamt*innen angehalten worden. Zwei Minuten bevor die Schüsse fallen, lautete ein Funkspruch: „Der N**** hat ein Messer in der Hand.“ Die Beamt*innen setzten Pfefferspray ein, es kam zu einem Handgemenge und selbst nachdem Ali sich von den Beamten abgewandt hatte, trafen ihn noch drei Kugeln in den Rücken und die Arme. Er wird lebensbedrohlich verletzt und notoperiert und überlebt schliesslich seine Verletzungen, wird jedoch selber wegen Gewalt gegen Beamt*innen angeklagt. Er steht unter Terrorverdacht, kommt vorübergehend ins Gefängnis. Nicht den Beamt*innen, sondern ihm wird das Fehlverhalten unterstellt. Ali gilt allerdings als schuldunfähig, da er eine Schizophrenie-Diagnose hat. Die Nähe der Exekutive und der Judikative erweisen sich anschliessend einmal mehr als Krux. Einige Tage nach dem Vorfall auf der Birmensdorferstrasse gibt die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich bereits eine Medienmitteilung heraus, in der von Notwehr die Rede ist, lange bevor ein rechtskräftiges Urteil besteht. Die Institution, die den Fall untersuchen muss, ist voreingenommen. Der Anwalt des Betroffenen sagt aus, er habe selten eine so kurze Anklageschrift gesehen. Der Polizeibeamte, der die Schüsse abgegeben hat, kommt nicht in Untersuchungshaft. So haben die Beamt*innen die Möglichkeit, sich abzusprechen: Vor Gericht sagen sie letztlich alle aus, sich nicht an die abgegebenen Schüsse zu erinnern oder diese nicht gesehen zu haben. Der Staatsanwalt fordert ausserdem einen Freispruch des angeklagten Polizisten. Auch der Richter ist befangen, spricht in der Urteilsverkündung schliesslich von ‚UNSEREN Polizisten’. Wer zu diesem Wir gehört und wer nicht, scheint eindeutig. Der Anwalt des Betroffenen sagte zu Beginn seines Plädoyers, dass nichts schwieriger sei, als gegen Polizist*innen zu ermitteln, «für sie gelten im Strafverfahren offenbar andere Regeln.»
https://www.deutschlandfunk.de/mathematiker-zu-us-polizeivorhersagen-was-rauskommt-wird.676.de.html?dram:article_id=479172
https://antira.org/2020/06/25/medienspiegel-24-juni-2020/
https://www.tagesanzeiger.ch/richter-spricht-wild-schiessenden-polizisten-frei-159116013374
https://www.srf.ch/news/regional/zuerich-schaffhausen/keine-versuchte-toetung-zuercher-stadtpolizist-freigesprochen
https://www.nzz.ch/zuerich/zuercher-polizist-steht-wegen-schuessen-auf-afrikaner-vor-gericht-ld.1562940
https://www.watson.ch/schweiz/justiz/629056384-nach-messerattacke-zuercher-bezirksgericht-spricht-stadtpolizisten-frei
https://www.republik.ch/2020/06/25/herr-ali-hofft-auf-gerechtigkeit

29.06.20
Melilla: EGMR-Urteil zu Push-backs beruht auf Falschaussagen
Im Gerichtsfall zweier Geflüchteter gegen Spanien befasste sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erstmals mit einem Push-back an der Landgrenze zu Europa. Er urteilte, dass diese Push-backs nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstossen würden. Damit führte der Gerichtshof eine neue gesetzliche Ausnahme von den Menschenrechten an den Grenzen Europas ein und schuf einen gefährlichen Präzedenzfall: Der Gerichtshof stellte fest, dass das Überschreiten der Grenzzäune ein „schuldhaftes Verhalten“ seitens der Geflüchteten sei, die stattdessen legale Einreiseverfahren hätten anwenden müssen. Der Gerichtshof meinte, dass Spanien „mehrere mögliche Mittel zur Beantragung der Einreise“ zur Verfügung gestellt habe (vgl. https://antira.org/2020/02/18/antira-wochenschau-menschenrechtskonforme-pushbacks-millionenschwere-afd-farbige-angriffe/).
Eine Recherche belegt nun, dass sowohl die Behauptungen Spaniens als auch die Schlussfolgerungen des Gerichtshofs falsch sind und dass Schwarze Menschen aus Subsahara-Afrika an der Grenze zu Melilla systematisch diskriminiert werden. Spanien behauptete, dass für Staatsangehörige aus Subsahara-Staaten legale Wege zur Beantragung von Asyl zur Verfügung stünden. Die erste Variante sei der Asylantrag am Grenzübergang Beni Enzar in Melilla. Gegenüber 9.385 Anträgen von Menschen aus nordafrikanischen Staaten oder dem Nahen Osten, gab es dort jedoch zwischen September 2014 und Mai 2017 nur zwei Anträge von subsaharischen Staatsangehörigen. Tatsächlich müssen Schwarze, die versuchen, die spanische Grenze in Melilla zu erreichen, einer marokkanischen Sondergrenzschutztruppe ausweichen und drei marokkanische Grenzkontrollstellen umgehen, an denen ihnen die Durchreise konsequent verweigert wird. In den beiden Fällen, in denen ein Asylantrag gestellt wurde, handelte es sich um Frauen, die „mit typisch marokkanischer Kleidung getarnt“ waren, um ihre Haut zu verdecken. In Ceuta gab es keinen einzigen Fall. Der zweite legale Weg sei der Asylantrag in den diplomatischen und konsularischen Vertretungen Spaniens in Marokko. Zeug*innenaussagen zufolge ist das Konsulat in Nador für Schwarze Staatsangehörige aus Subsahara-Staaten nicht zugänglich, und zwischen 2015 und 2018 gab es in keiner spanischen Botschaft in Marokko Anträge von Staatsangehörigen aus Subsahara-Staaten. Es ist also für Schwarze Menschen praktisch auf keinem Weg möglich, einen Asylantrag zu stellen. Dennoch akzeptierte das Gericht die Argumentation Spaniens. Das Vorgehen der spanischen Behörden offenbart die Mechanismen des strukturellen Rassismus, der in der europäischen Grenzpolitik verankert ist. Während des Prozesses machte Spanien irreführende Behauptungen, die nicht nur durch zahlreiche Berichte und Zeug*innenenaussagen, sondern auch durch eigene Daten widerlegt wurden. Dennoch akzeptierte das Gericht diese Argumente und wies die der Kläger*innen zurück. Das daraus resultierende Urteil ist eine grobe Verzerrung der Tatsachen und verkennt die Realitäten an den Grenzen Europas. Ein geflüchteter Migrant, der seit Jahren in Marokko gestrandet ist, fasst es so zusammen: „Jeder würde lieber Asyl beantragen, als über einen Zaun zu klettern. Wer würde über einen Zaun klettern, über drei Zäune, sich von der Polizei verprügeln lassen, wenn es dort einen einfacheren Weg geben würde?“
https://forensic-architecture.org/investigation/pushbacks-in-melilla-nd-and-nt-vs-spain

BIld: Die Grenze bei Melilla besteht aus drei Drahtzäunen, von denen der höchste 6 m hoch ist.

29.06.20
Geflüchtete klagen gegen BAMF wegen der Aussetzung der Dublin-Überstellungsfrist
In Deutschland hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Deutschland (BAMF) Anfang April entschieden, die Überstellungsfrist in den Dublin-Verfahren auszusetzen. Die Überstellungsfrist ist eines der Grundprinzipien der Dublin-III-Verordnung und sagt, dass eine Person im aktuellen Dublin-Mitgliedsstaat bleiben kann und Zugang zu einem Asylverfahren erhält, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten in denjenigen Dublin-Staat ausgeschafft wird, in dem die Person ihre Fingerabdrücke abgeben musste bzw. erstmals registriert wurde. Die Regel wurde dafür geschaffen, dass Betroffene nach einer bestimmten Zeit endlich eine minimale Rechtssicherheit erhalten und nicht während des gesamten Asylverfahrens damit rechnen müssen, ausgeschafft zu werden.
Durch Corona konnten plötzlich relativ viele Menschen von dieser Regel «profitieren», weil während mehrerer Wochen keine Dublin-Ausschaffungen stattgefunden haben. Somit überschritt bei vielen Menschen ihre Zeit in Deutschland die 6-Monate-Frist, wodurch sie laut Dublin-Verordnung in Deutschland bleiben dürften. Doch hier zeigt sich das Verlogene an europäischer Rechtsstaatlichkeit. Das Rechtssystem ist nicht neutral, es ist nicht «fair» und es ist vor allem nicht unveränderbar, wie es von sich selbst behauptet. Verändern können es die Mächtigen, wenn es ihnen nicht mehr passt und das taten sie, weil die Menschen, die sie unterdrücken wollen, von ihren Alibi-Regeln profitieren könnten. Darum wurde die Überstellungsfrist kurzum ausgesetzt. Geflüchtete im Dublin-Verfahren können sich jetzt also nach sechs Monaten nicht mehr sicher sein, dass sie nicht ausgeschafft werden, sondern müssen ständig mit ihrer Abschiebung rechnen. Nebst der Aussetzung der Überstellungsfrist wurde auch gleich die bereits in Deutschland verbrachte Zeit gelöscht. Wenn also eine Person vor Corona bereits 5 Monate in Deutschland durchgehalten hat, wird ihr Zeitzähler nach der Aussetzung der Überstellungsfrist wieder auf null gesetzt. Doch jetzt gibt es Widerstand gegen dieses Vorgehen: Tausende Asylsuchende verklagen die deutschen Behörden für die Aussetzung der Überstellungsfrist. Denn ohne die Aussetzung hätten nun ungefähr 2.500 Menschen ein Anrecht auf ein Asylverfahren in Deutschland. Stattdessen sind diese für weitere sechs Monate jeden Tag der Gefahr einer Ausschaffung ausgesetzt.

29.06.20
Bundesverwaltungsgericht rügt das SEM wegen seiner entrechtenden Asylverfahren
Damit asylsuchende Menschen möglichst wenig Zeit für die Einreichung einer Beschwerde haben, versucht das SEM, möglichst viele Fälle im beschleunigten Verfahren zu erledigen, obwohl sie aufgrund ihrer Dauer und Komplexität als erweiterte Verfahren eingestuft werden müssten. Im beschleunigten Verfahren hätte die asylsuchende Person statt der üblichen sieben Tage 30 Tage Zeit für eine Beschwerde. Dies ist dem SEM ein Dorn im Auge, da auch dem Staatssekretariat bewusst ist, dass viele seiner Entscheide rechtlich nicht korrekt sind (vgl. https://www.bvger.ch/bvger/de/home/medien/medienmitteilungen-2019/mm-asylbilanz-0320.htm).
Diese Praxis ist nun auch dem Bundesverwaltungsgericht aufgefallen. Es weist das SEM in einem Grundsatzurteil zurecht, da die Behörde wiederholt rechtsstaatliche Verfahrensgarantien von Asylsuchenden verletzt habe. Im konkreten Fall wurde das Anfang 2019 eingeführte beschleunigte Verfahren angewendet. Dieses ist für Asylgesuche vorgesehen, die ohne weitere Abklärungen entschieden werden können. Ziel ist es, diese einfachen Fälle innerhalb von 140 Tagen rechtskräftig zu entscheiden und allenfalls eine Ausschaffung anzuordnen. Bereits während des Verfahrens wies die Rechtsvertretung das SEM bereits darauf hin, dass der Fall aufgrund seiner Komplexität im erweiterten Verfahren behandelt werden müsse, für welches mehr Zeit zur Verfügung steht. Das SEM hatte nach der ersten Anhörung des Asylsuchenden zwei weitere Befragungen von jeweils mehr als sechs Stunden durchgeführt. Auch überschritt das SEM die Frist von 29 Tagen, die für einen Entscheid im beschleunigten Verfahren zur Verfügung stehen, massiv. Es dauerte 89 Tage, bis es dem Asylsuchenden die abweisende Verfügung eröffnete. Dennoch blieben der Rechtsvertreterin nur sieben Tage, um eine Beschwerde zu formulieren. Dieses Vorgehen ist kein Einzelfall, wie das Bundesverwaltungsgericht in dem am Freitag veröffentlichten Urteil festhält. Es führt eine Reihe weiterer Fälle an, in denen das SEM einen Wechsel in das erweiterte Verfahren mit den üblichen Beschwerdefristen von 30 Tagen hätte vornehmen müssen. Das SEM verletze mit diesem Vorgehen rechtsstaatliche Verfahrensgarantien, führt das Bundesverwaltungsgericht aus. Eine wirksame Beschwerde in einem komplexen Fall wie dem vorliegenden könne nicht innerhalb von sieben Tagen verfasst werden.

22.06.20
Frontex verschleitert ihre Flugeinsätze
Die Trackingfunktionen in den Flugzeugen wird ausgeschaltet, somit sind diese Flugzeuge nicht länger auf Tracking-Portalen wie „Flightradar“ sichtbar. Unverhohlen erklärt die EU-Kommission auf Anfrage: «Die Einsatzmittel sichtbar zu machen, könnte, insbesondere wenn sie mit anderen Informationen kombiniert werden, sensible operative Informationen preisgeben und damit die operativen Ziele untergraben.“ Seenotrettungs-NGOs glauben, dass die Abschaltung vor allem dem Ziel dient, Rückschiebungen nach Libyen zu erleichtern bzw. die zivilen Seenotrettungsboote nicht auf die Fährte von Seenotfällen zu lenken. Denn dort, wo ein Unglück geschieht, kreisen die Flugzeuge. Die Aufklärungsflüge im Mittelmeer hat Frontex seit 2014 an die private Firma DEA Aviation mit Sitz in Grossbritannien ausgelagert. Im Seegebiet vor Libyen sind in der Regel zwei DEA-Flugzeuge im Einsatz. Entdecken diese in Seenot geratene Geflüchtete, melden sie diese an die Frontex-Zentrale in Warschau. Diese wiederum gibt die Informationen an die Behörden der Region weiter – und die rufen fast nur noch die libysche Küstenwache – teils selbst dann, wenn die Schiffe sich in der maltesischen Rettungszone befinden. Zuletzt ist das offensichtlich am Mittwoch dieser Woche geschehen: Da kreiste eines der Frontex-Aufklärungsflugzeuge rund vier Stunden über einer Unglücksstelle etwa 70 Seemeilen nördlich von Tripolis. Einig Stunden später beobachteten Mitarbeiter*innen der UN-Migrationsorganisation IOM, wie 185 Migrant*innen von der libyschen Küstenwache zurück in den Hafen von Tripolis gebracht wurden.
https://taz.de/Aufklaerungsflugzeuge-von-EU-Grenzschutzagentur/!5692484/

22.06.20
Regierung in Griechenland streicht Unterstützung für anerkannte Geflüchtete und hindert 22 NGOs bei ihrer Arbeit
Ein neues Gesetz erschwert die Situation von anerkannten Geflüchteten mit Asyl. Sie verlieren in Zukunft den Anspruch auf eine kostenlose Unterkunft und verlieren auch das Recht auf einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 90 Euro. In einem Land, in dem die Arbeitslosigkeit seit Jahren hoch ist und die Coronakrise die Wirtschaftssituation zusätzlich verschlechtert hat, sind die Folgen dieser Verschärfung existentiell. NGOs weisen darauf hin, dass es für die Betroffenen besonders schwierig sein dürfte, eine Arbeit zu finden.
Erschwert wird die Arbeit auch für Unterstützer*innen, was sich ebenfalls auf die Asylsuchenden auswirken wird. Eine neue Reglementierungen der griechischen Regierung verlangt von NGO`s ein Akkreditierungsverfahren. In diesem Verfahren werden die Budgets und Strafregister der Mitarbeitenden geprüft. Die griechische Regierung verkündete nun, dass 22 von 40 NGOs der Zutritt zu Infrastrukturen geflüchteter Menschen verwehrt wird, da sich diese zu spät zum Akkreditierungsverfahren gemeldet hätten. Die Frist lief am 14.06. ab. Die griechische Regierung begründet, dass die Regeln für „Transparenz und Rechenschaftspflicht“ notwendig seien. Kleinere Organisationen sagen aus, dass die Umsetzung und Implementierung dieser Regularien nahezu unmöglich seien.
Ein EU-Beobachter bezeichnete die Politik der griechischen Regierung als „politisiertes Bemühen, das Asyl zu beschneiden“. Die Regeln seien Anfang des Jahres eingeführt worden und im Mai Teil eines umfassenderen Migrationsgesetzes geworden. Melina Spathari von der Organisation Terre des Hommes sagt, dass viele Organisationen nicht über das Budget verfügen, um die „exorbitanten Kosten“ für die Akkreditierungsverfahren zu decken. Dies ist ein weiteres dunkles Kapitel in einem sich abschottendem Europa.
https://www.derstandard.at/story/2000118121868/griechenland-kuerzt-unterstuetzung-fuer-asylberechtigte?ref=rss
https://www.infomigrants.net/en/post/25447/ngos-in-greece-told-to-register-or-cease-operations
https://orf.at/stories/3169971/

08.06.20
Polizeiposten soll Hitlers Geburtsstätte neutralisieren
Das Geburtshaus Adolf Hitlers im österreichischen Braunau am Inn wird umgebaut und soll zukünftig der Sitz einer Polizeiwache werden. Das Haus werde von seiner schwerfälligen Vergangenheit «neutralisiert», so nennt die Regierung das Raumplanungskonzept zu diesem Gebäude. Die Umnutzung soll verhindern, dass es von Neonazis zu einem Wallfahrtsort werde. 5 Millionen Euro aus der Staatskasse werden veranschlagt, die Umbaumassnahmen sollen 2023 abgeschlossen sein. Das Haus der Polizei zu übergeben ist laut Projektleitung der beste Weg, es zu neutralisieren. Das klingt anlässlich von rassistischem Alltagsverhalten sowie Verstrickungen der Polizei in rechte Gruppierungen und Netzwerke grotesk. Wäre die Umnutzung z.B. zu einem antifaschistischen Infoladen nicht um einiges besser geeignet für eine solche «Neutralisierung»?
https://www.lenouvelliste.ch/articles/monde/autriche-la-maison-natale-d-adolf-hitler-va-etre-transformee-en-poste-de-police-943132

08.06.20
Massive Verschärfung der Einreiseregeln in den Schengen-Raum In den nächsten Jahren werden sich die digitalen Grenzkontrollen an den Schengen-Aussengrenzen massiv verschärfen. Dies geschieht vor allem dadurch, dass Grenz- und Polizeibehörden in Zukunft mit einem einzigen Klick Zugriff auf zahlreiche detaillierte Informationen zu einer Person verschaffen können, da europäische Grenzbehörden verschiedene Erfassungs- und Informationssysteme zusammenführen. Hinzu kommt die Pflicht einer Einreisebewilligung, auch für Personen aus visabefreiten Drittstaaten. Anhand des Antrags für eine Einreisebewilligung kann bspw. überprüft werden, ob die Person ein «Migrationsrisiko» darstellt und entsprechend keine Einreisebewilligung erteilt. Zudem wird erschwert, nach Ablauf der Visa-Frist unbemerkt im Schengen-Raum zu verweilen, da den Polizeibehörden durch das neue System automatisch gemeldet wird, wenn ein Visa abgelaufen ist, die Person aber nicht ausgereist ist.Vordergründig geht es bei der offiziellen Kommunikation des neuen schengener Informationssystems natürlich um Terrorismusbekämpfung. Wer sich aber die weiteren Punkte des Dossiers anschaut, wird vor allem Bestimmungen und Verschärfungen des Migrationsmanagements und der Migrationskontrolle finden. Diese wurden bereits in der antira-Wochenschau vom 13. Oktober 2019 (https://antira.org/2019/10/13/tuerkischer-staat-greift-rojava-an-neonazi-greift-synagoge-an-greta-greift-sem-an/), 07. September 2019 https://antira.org/2019/09/07/antira-wochenschau-mehr-geld-fuer-private-sicherheitsfirmen-hungerstreik-gegen-abschiebung-praeventivhaft-in-bayern/), 22. April 2019 (https://antira.org/2019/04/22/antira-wochenschau-krieg-in-libyen-verschaerfung-in-deutschland-gestank-in-taegerwil/) und 16. Februar 2019 (https://antira.org/2019/02/16/antira-wochenschau-betverbote-gegen-musliminnen-schlechte-rechtsvertretung-im-asyllager-antisemitismus-auf-dem-vormarsch/) zusammengefasst. Als Schengenstaat beteiligt sich auch die Schweiz an der Schaffung des neuen Informationssystems. Hierfür müssen gewisse nationale Gesetze, wie das Ausländer- und Integrationsgesetz angepasst werden, weshalb die Vorlage nun vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt wurde. Wie nicht anders zu erwarten, hat der Ständerat den Überwachungsplänen letzte Woche zugestimmt. Als nächstes wird nun der Nationalrat darüber debattieren.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2020/20200602173000827194158159041_bsd184.aspx

27.04.20
„Statt von ‚Rasse‘ wird von ‚Kultur‘ und ‚Identität‘ gesprochen“
Wie und warum wird im österreichischen Nationalrat über Rechtsextremismus gesprochen? Der Politikwissenschafter Matthias Falter hat für sein Buch hunderte Debatten durchforstet
https://www.derstandard.at/story/2000116741797/rechtsextremismusforscher-statt-von-rasse-wird-von-kultur-und-identitaet-gesprochen

20.04.20
Österreich kann abgewiesene Asylsuchende nach Serbien abschieben
Schon vor einem Jahr schloss die österreichische Regierung ein Abschiebeabkommen mit Serbien ab, das nun in die öffentliche Diskussion rückt. Als Zielgruppe des Abschiebeabkommens definierte österreichs Innenminister Nehammer nicht nur Menschen, die ursprünglich aus Serbien kommen, sondern sämtliche sich „illegal in Österreich aufhältige Fremde, bei denen eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt, jedoch die Abschiebung in den Herkunftsstaat nicht möglich ist und ein ausreichender Bezug des Fremden zur Republik Serbien besteht“. Als ausreichenden Bezug sahen es die Unterzeichnenden schon an, dass Serbien auf der Flucht durchquert wurde, was auf viele Geflüchtete zutrifft. Es ist eine weitere Möglichkeit, Geflüchtete aus der EU in Drittstaaten abzuschieben und Gelder in die Auslagerung des Asylregimes zu investieren.
https://www.derstandard.at/story/2000116902861/regierung-will-abgelehnte-fluechtlinge-nach-serbien-schicken
https://orf.at/stories/3162103/
https://taz.de/Abschiebungen-in-Serbien/!5676869/

06.04.20
Griechenland: Entrechtende Asylverfahren werden wieder aufgenommen
Der Entscheid, das Asylrecht in Griechenland auszusetzen, wurde ab dem 1. April wieder aufgehoben. Die Geflüchteten, die aktuell ankommen, sollen vorerst unter Quarantäne gestellt  werden – vermutlich in Hotels – und haben dadurch bis auf weiteres auch keine Möglichkeit, Asyl zu beantragen. Jene 2.000 Asylsuchenden, die im März nach Griechenland kamen, sollen ohne Verfahren, ohne ihr Recht geltend machen zu können, abgeschoben werden. Bereits jetzt werden sie in provisorischen Ausschaffungsgefängnissen auf dem Festland inhaftiert. Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis verteidigte die Massnahmen mit rechter Logik und Rhetorik. Ihm zufolge hätte die türkische Regierung die griechischen Grenzen angegriffen, indem sie tausende Migrant*innen passieren liess. Es sei ein organisierter Versuch gewesen, die Grenzen zu verletzen. Deswegen müsse Griechenland diesen Menschen kein Asyl gewähren. Dass für Menschen auf der Flucht die gleichen Worte wie für Kriegshandlungen benutzt werden, zeigt, dass sie als Druckmittel für Machtspiele zwischen Politiker*innen benutzt werden. Es ist ein ungeheuerliches Ergebnis der europäischen Abschottungspolitik. Die Kette der rhetorischen Entgleisungen reisst nicht ab: Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis bedankte sich bei den Grenzsoldat*innen, die in den letzten Wochen mit Tränengas und Gummischrot auf Migrant*innen geschossen hatten, mit den Worten: „Wir haben es geschafft, eine sehr wichtige Angelegenheit für unser Land und für Europa sicherzustellen: die Fähigkeit und Effizienz, unsere Land- und Seegrenzen zu schützen.“ Die Verdrehung der Machtverhältnisse in dieser Aussage ist verstörend. Die türkische Regierung hat unterdessen die Menschen, die am Grenzübergang Kastanies / Pazarkule ausharrten, ins Innere des Landes verfrachtet und die Überreste der vorübergehenden Lager verbrannt.
https://www.derstandard.at/story/2000116390511/corona-krise-griechische-inseln-werden-abgeschirmt
https://www.tagesschau.de/ausland/asylrecht-griechenland-101.html
https://www.derstandard.at/story/2000116470367/griechenland-beendet-umstrittenen-asylstopp

Urteil ohne Konsequenzen wegen Unsolidarität von Ungarn, Tschechien und Polen
Im Sommer der Migration 2015 sollten bis zu 160.000 Menschen auf die EU-Staaten verteilt werden, um Italien und Griechenland zu „entlasten“. Der Europäische Gerichtshof verurteilte nun Polen, Ungarn und Tschechien, weil sie sich seit 2015 weigern, sich am EU-Flüchtlingspakt zu beteiligen und keine Menschen aufnahmen. Schon bei den Verhandlungen zum Verteilschlüssel 2015 war klar, dass sich nicht alle EU-Staaten beteiligen würden, es war lediglich ein demokratischer Mehrheitsentscheid. Mit einer Strafe müssen die Länder jedoch wohl nicht rechnen. Für eine Beantragung von Strafzahlungen müsste eine erneute Klage bemüht werden. Da das Abkommen schon heute nicht mehr gültig ist, wird das nicht passieren. Auch an der Haltung der drei Länder dürfte sich durch eine Zahlungsaufforderung nichts ändern. Sie lehnen Zuwanderung aus rassistischen Gründen klar ab. Nach aktuellem EU-Recht ist niemand mehr gezwungen, Menschen über Umverteilungsmechanismen aufzunehmen. Auch in westeuropäischen Ländern hat sich die unsolidarische Position der 2015 noch angeklagten Staaten durchgesetzt. Wie das im neuen Migrationspakt, der momentan erarbeitet wird, zum Ausdruck kommt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Federführend dabei ist Ursula von der Leyen, die zuletzt Griechenland für sein militantes und unmenschliches Handeln gegenüber Geflüchteten lobte.
https://www.srf.ch/play/radio/rendez-vous/audio/europaeischer-gerichtshof-zur-umverteilung-von-asylbewerbern?id=b952ed9d-4123-4085-aa9e-c0a34082fa82
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/polen-ungarn-und-tschechien-verstiessen-gegen-eu-recht?id=3f9f5f12-c0ce-4b63-8259-53eefb90eeaa
https://www.derbund.ch/drei-laender-haben-in-fluechtlingkrise-eu-recht-gebrochen-191953317972

30.03.20
EU schweigt zum Aussetzen des Asylrechts durch Griechenland
Seit die griechische Regierung fand, sie setzte das Recht auf Asyl aus, ist es von Seiten der EU erstaunlich still. Eines der Grundrechte der Europäischen Union wird gebrochen. Es geht kein Aufschrei durch Europa. An der griechischen Grenze wird gerade massivste staatliche Gewalt gegen Geflüchtete angewendet. Statt Kritik gibt es Lob von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen : „Ich möchte Griechenland dafür danken, dass es unser europäischer Schutzschild ist“. Die Verantwortung aus zwei Weltkriegen und die festgeschriebenen „gemeinsamen Werte“ der EU sind in der Praxis nicht so unverhandelbar wie sie scheinen. In Ungarn ist es seit Jahren nahezu unmöglich, Asyl zu erhalten. Das Land hat beispielsweise keine eigenständige Asylbehörde mehr. Anträge können nur noch in zwei Transitlagern an der ungarisch-serbischen Grenze gestellt werden. Es werden immer wieder Fälle bekannt, in denen das Land Geflüchtete hungern lässt. Es laufen mehrere Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Ungarn. An der Praxis hat das bisher nichts geändert. Die EU-Kommission leitete auch gegen Bulgarien ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Unvereinbarkeit des nationalen Asylrechts mit den Rechtsvorschriften der EU ein. Griechenland ist also kein Einzelfall wo die EU ihre angeblichen „Werte“ vergisst.
https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/sendung-vom-22032020-100.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-griechenland-un-1.4854422https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/report-2018-annual-report-monitoring-application-eu-law_de.pdfhttps://www.heise.de/tp/features/Die-Aussengrenze-der-EU-als-Schutzschild-4675610.html

Europarat stellt Deutschland Armutszeugnis aus
Steigende Islamfeindlichkeit, vermehrter Rassismus und zu wenig Aufklärungsarbeit, so lautet das Fazit des sechsten Länderberichts des Anti-Diskriminierungs-Ausschusses des Europarats (ECRI). Zudem würden rechtsextreme Angriffe zunehmen und auch mit der Polizei verknüpft sein. Die ECRI hat in den Jahren 2014-2019 die Entwicklungen bezüglich Rassismus in Deutschland beobachtet. Die Autor*innen der Studie raten zu Anti-Diskriminierungskursen in Schulen, Universitäten und speziell für den Polizeiapparat. Denn obwohl z.B. weitläufig Racial Profiling betrieben würde, seien sich dessen nach wie vor viele Polizeibeamt*innen nicht bewusst oder sie leugneten dessen Existenz. Des weiteren wurden die engen Verbindungen der Polizei zur rechtsextremen Szene lange Zeit als Einzelfälle abgetan. Das Ausmass dieser Fälle ist jedoch beträchtlich. Die Bandbreite reicht von rechtsradikalen Stickern und Abzeichen, die auf Uniformen oder Polizeitransportern prangen, über „Sieg Heil“-Rufe vor Synagogen und das Abspielen von Hitlerjugend-Liedern, bis hin zu Mitgliedschaften in der AfD oder rechtsextremen Gruppierungen, die Waffen horteten und Anschläge planten. Die Liste der Geschehnisse reisst nicht ab: Polizist*innen gaben private Daten von anti-rassistischen Aktivist*innen bekannt, liessen Beweismittel gegen mutmassliche Rechtsextremist*innen verschwinden, schrieben Drohungen an eine Anwältin – unterzeichnet mit NSU 2.0 – und ein Beamter verweigerte einer Frau, die Kopftuch trug, den Zugang zu seinem Büro. Darüber hinaus werden die Folgen der Verharmlosung rechtsextremer Netzwerke in Deutschland anhand einer jahrelangen Untersuchung des Bundeskriminalamtes (BKA) deutlich. Die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt wurde widerrufen. Die Bundesregierung hatte diese zuvor mit 63 seit der Wiedervereinigung angegeben. Das BKA spricht jedoch nun von 849 Menschen, die von Rechtsextremist*innen getötet oder lebensgefährlich verletzt wurden.
https://www.migazin.de/2020/03/26/rassismus-bericht-europarat-deutschland-armutszeugnis/0/03/26/rassismus-bericht-europarat-deutschland-armutszeugnis/

22. März 2019
Drei Jahre dreckiger EU-Türkei-Deal
Vergangenen Mittwoch (20.3.2019) waren es 3 Jahre her, seit der dreckige Deal der EU mit der Türkei in Kraft ist. Am 4. April 2016 wurden erstmals Migrant*innen von Griechenland zurück in die Türkei gebracht. Der Deal fordert, dass die Türkei die Grenzen zu den griechieschen Inseln dicht macht, im Gegenzug erhält sie von der EU sechs Milliarden Euro. Der Deal hat vorallem dazu geführt, dass tausende Migrant*innen seither auf den griechischen Inseln Lesbos, Samos und Chios blockiert sind. In der Ägäis herrscht ein permanenter Ausnahmezustand und die drei Inseln sind zu Freiluftgefängnissen für tausende Schutzsuchende geworden. Die Lager auf diesen Inseln — Moria auf Lesbos, Vathy auf Samos oder VIAL auf Chios — sind überfüllt und es herrschen unmenschliche und gesundheitsschädigende Zustände in ihnen. In Moria zum Beispiel sind zur Zeit 5’225 Menschen untergebracht, obwohl das Lager nur für 3’100 Menschen Platz hätte. Am schlimmsten sind die Zustände in Vathy auf Samos, wo zur Zeit 4,112 Leute untergebracht sind, obwohl das Lager nur für 648 Leute vorgesehen ist. Eine weitere Konsequenz des EU-Türkei-Deals ist, dass Menschen wieder die grüne Grenze nach Griechenland zu überqueren versuchen. Dabei überqueren viele den Grenzfluss Evros, wo sie von griechischen Polizist*innen verprügelt, ausgeraubt und zurück in die Türkei gebracht werden. Diesen Winter gab es mehrere Berichte von Menschen, die beim Versuch, den Evros zu überqueren, erfroren sind. Der dreckige Deal der EU mit der Türkei ist eines von vielen Anzeichen für das Versagen der europäischen Politiker*innen.

2. Februar 2019
Räumung und Zerstörung eines Camps in Paris als „Evakuierung“ dargestellt

Im Stadtteil Porte-de-la-Chapelle in Paris haben in der Nacht auf Mittwoch Polizst*innen wieder ein Geflüchtetencamp geräumt. Die Situation für flüchtende Menschen in Paris ist schon lange katastrophal: Auch nach gestelltem Asylantrag bekommen tausende von Geflüchteten weder Unterstützung noch eine Unterbringung. Sie sind von NGO’s abhängig und müssen unter Brücken und auf den kleinen Grünflächen zwischen Autostrassen schlafen – oft ohne Zelte, da die Polizei diese sehr oft zerstört. Dienstagnachts wurde nun wieder eines der grösseren Camps (ca. 500 Bewohner*innen), innerhalb derer sich Geflüchtete und Solidarisierende zu organisieren versuchten, geräumt. Für die Medien wurde es als eine «Evakuierung» in ein Gymnasium wegen der Kälte dargestellt. Aktivist*innen und Geflüchtete berichten aber, dass nicht nur Hunderte, die mitgehen wollten, zurückgelassen wurden, sondern die Polizei nach Abzug der Medien systematisch begann, Papiere zu kontrollieren, Leute abzuführen und Zelte und andere Habseligkeiten zu zerstören und zu beschlagnahmen.
https://enoughisenough14.org/2019/01/31/paris-refugees-evicted-in-porte-de-la-chapelle/
https://openborderscaravan.org/project/paris/
https://www.youtube.com/watch?v=NiDhXSkF2s0