Klassenrassismus

01.06.20
Tod von George Floyd nach Polizeigewalt: Geballte Wut
Am Montagabend, den 25. Mai, wurde der Afroamerikaner George Floyd von vier Polizeibeamten in Minneapolis, Minnesota, USA festgenommen. Obwohl die Festnahme laut den Aufnahmen einer Videokamera widerstandslos verlief, drückten sie Floyd zu Boden. Drei der Beamten knieten sich auf ihn. Der weisse Polizeibeamte Derek Chauvin kniete auf Floyds Nacken – insgesamt 8 Minuten und 46 Sekunden, von denen Floyd 2 Minuten und 53 Sekunden bewusstlos war. Floyd rief mehrfach: „I can’t breathe!“, „Ich kann nicht atmen!“. Ein Ausruf, der bereits seit 2014 zu einer Parole im Kampf gegen Rassismus geworden war, nachdem der Afroamerikaner Eric Garner in New York auf die gleiche Weise von Polizist*innen ermordet worden war und ebenfalls „I can’t breathe!“ gerufen hatte. Auch auf die wiederholte Aufforderung von Passant*innen, die Beamten sollten von Floyd ablassen oder seinen Puls fühlen, kam keine Reaktion. Floyd verstarb wenig später. Sein Tod ist ein weiterer auf der langen Liste rassistisch motivierter Polizeimorde. Bis zu 1000 sollen es jährlich in den USA sein, nur wenige werden juristisch verfolgt. Der Umgang mit Rassismus im Polizeiapparat wird anhand folgender Zahlen deutlich: In Minneapolis gingen seit 2012 über 2.600 Beschwerden wegen Polizeigewalt und institutionellem Rassismus ein. In nur zwölf Fällen kam es daraufhin zu disziplinarischen Massnahmen. Und die schärfste dieser Massnahmen war eine 48-stündige Suspendierung vom Dienst. Die rassistischen Strukturen dahinter sind sehr eindeutig: Schwarze Menschen waren zu über 60 Prozent betroffen von Polizeigewalt, obwohl sie nur 20 Prozent der Bevölkerung in Minneapolis ausmachen. Der tatverdächtige Derek Chauvin und die anwesenden drei Beamten wurden direkt nach dem Mord entlassen, allerdings erst am Freitag, nachdem die Proteste den öffentlichen Druck verstärkt hatten, wurde Chauvin verhaftet und wegen Mordes und Totschlag angeklagt. Seit 2008 lagen bereits 17 Beschwerden gegen ihn vor. Floyds Tod kommt in einer Zeit, in der viele Menschen in den USA im Zuge des verheerenden Umgangs der Regierung mit der Covid-19-Pandemie ihren Job, ihre Krankenversicherung, ihre Wohnung oder ihr Leben verloren haben. Und so führt innerhalb eines rassistischen Systems der fehlende Zugang zur Gesundheitsversorgung, prekäre Arbeits- und beengte Wohnverhältnisse dazu, dass Afroamerikaner*innen 23% der Menschen ausmachen, die an Covid-19 gestorben sind. Obwohl sie nur 13% der (registrierten) Gesamtbevölkerung stellen. Auch die besonders gefährdeten Gefängnisinsass*innen in den USA sind überproportional afroamerikanisch – Folge eines rassistischen Strafsystems. Floyds Tod kommt auch während der Amtszeit von Trump, der mit seiner spalterischen Art Konflikte befeuert, ein Klima von weisser Vorherrschaft propagiert, faktenfeindlich unterwegs ist und die Verfassung gerne zu seinen Zwecken anpassen möchte. Dass die Zerstörungswut der Proteste, die momentan allein in 30 Städten in den USA, in London, Berlin, Kopenhagen oder auf Zypern passieren, angeprangert wird, ist irritierend. Diese Wut ist schliesslich Ausdruck für jahrhundertelange und anhaltende Ungleichbehandlung und Unterdrückung. In den meisten Medien wird darüber berichtet, dass die Ausschreitungen von den friedlichen Protesten ablenken würden und dass es nichts mehr mit George Floyds Tod zu tun haben würde. Aber es hat alles damit zu tun. Es wurde ein Mensch umgebracht. Und nicht nur einer. Die rassistische Polizeigewalt hat System – in den USA und überall. Daraufhin zu erwarten, dass Menschen sich nett und freundlich auf die Strasse begeben, ist verlogen und zeugt von weisser Privilegiertheit. Die Verurteilung der Riots von den Medien lenkt von den eigentlichen Beweggründen ab. Und diese sind nachvollziehbar. Kein Riot der Welt kann die Ungerechtigkeit ausdrücken – und alltägliche Polizeigewalt, Stigmatisierung und Ausbeutung sind nur ein Teil davon – die BIPoC (Black, Indigeneous und People of Color) täglich erfahren. Eine Demonstrantin in Berlin hielt ein Plakat hoch, das es auf den Punkt bringt: „If only our pain bothered you as much as our protests.“
https://taz.de/Tod-von-George-Floyd-nach-Polizeigewalt/!5688995/https://www.jungewelt.de/artikel/379187.rassismus-in-den-usa-wut-%C3%BCber-rassistischen-mord.html
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-05/usa-rassismus-george-floyd-minneapolis-polizisten
hthttps://twitter.com/hashtag/GeorgeFloyd?src=hashtag_clicktps://twitter.com/hashtag/Minneapolis?src=hashtag_click
https://twitter.com/UR_Ninja/status/1266218065512919043

11.05.20
Schwarze Menschen sterben viermal häufiger an Corona als weisse Menschen
Nicht nur Corona, sondern auch Rassismus tötet und deshalb sind vor Corona nicht alle gleich. Wovor Rassismustheorien warnen, zeigt nun eine neue Studie anhand der Bevölkerung in England. Gemäss des Office for National Statistics sterben schwarze Frauen 4,3-mal häufiger an Covid-19 als weisse Frauen, während schwarze Männer 4,2-mal häufiger sterben. BIPoC-Menschen sind gemäss der Studie von einem statistisch bedeutsam erhöhten Sterberisiko bedroht, schlussfolgert die Studie. Dies gelte auch unter Berücksichtigung von Faktoren wie sozialer Klasse, Alter, Gesundheitszustand. Leider decken sich die Studienergebnisse mit früheren Studien. Alle erklären immer wieder aufs Neue, dass Rassismus tötet, tötet und tötet.
https://www.ons.gov.uk/peoplepopulationandcommunity/birthsdeathsandmarriages/deaths/articles/coronavirusrelateddeathsbyethnicgroupenglandandwales/2march2020to10april2020
https://edition.cnn.com/2020/05/07/uk/uk-coronavirus-ethnicity-deaths-ons-scli-gbr-intl/index.html

27.04.20
Ausbreitung von Covid-19 in Lagern in Deutschland – Folge von rassistischer Politik
Auch nach mehreren Wochen Corona gibt es für Geflüchtete in Asyllagern weiterhin kaum Schutzmöglichkeiten vor dem Virus. Die momentane Strategie vieler Asyllager-Betreiber*innen besteht momentan darin, das komplette Lager unter Quarantäne zu setzen, sobald Menschen positiv auf Corona getestet werden. Gegen die Verbreitung innerhalb der Lager werden jedoch kaum Schutzmassnahmen getroffen. Dass sie den Quarantäne-Bereich nicht verlassen dürfen, erschwert schliesslich das Abstandhalten untereinander. In einem Lager in Ellwangen, Baden-Württemberg z.B. sind derzeit 313 der 560 Bewohner*innen mit dem Virus infiziert. Die provisorische Quarantäne innerhalb der Einrichtung ist mittlerweile aufgehoben und die Menschen begegnen sich beim Essen, bei der Arbeit (z.B. in der Küche) und in den Waschräumen. Ein Bewohner berichtet, er habe sich weit nach Beginn der Pandemie ein kleines Zimmer mit vier weiteren Personen geteilt, die Sanitäranlagen seien ungenügend gereinigt und sie hätten pro Person eine Seife und eine Rolle Klopapier ausgehändigt bekommen, mit der Aussage, es müsse für zwei Wochen reichen. Zusätzlich erschwere der geringe Zugang zum W-LAN die unabhängige Informationsbeschaffung der Bewohner*innen. So würden teilweise Verschwörungstheorien die Runde machen. Auch sarkastische Witze würden gerissen: „Wäre es nicht lustig, wenn wir ausgerechnet in Deutschland sterben würden!?“ Auch in einem Lager in Bremen wurden diese Woche 120 Menschen positiv auf das Virus getestet. Nun steht das ganze Lager unter Quarantäne. Ein Gebäude, in dem nicht einmal die Fenster geöffnet werden können. Sarah Ebrahimi vom BIPoC-Bündnis Bremen (Black, Indigenous and People of Color) schreibt: „Seit gestern werden 347 Schutzsuchende gegen ihren Willen in der Lindenstrasse eingesperrt“. Einem Bewohner, der fragte, wieviele Menschen eigentlich in ihrem Flügel wohnten, erteilte die AWO, Betreiberin der Lager, willkürlich Hausverbot. Er wurde in eine Obdachlosenunterkunft gebracht.
Im Lager in Halberstadt, Sachsen-Anhalt sind momentan 108 von 620 Menschen positiv auf Corona getestet worden. Die Bewohner*innen des Lagers befinden sich seit Ende März in Quarantäne. Nach einer Woche protestierten sie gegen die Bedingungen. Einige verweigerten das Essen und kündigten einen Hungerstreik an. Andere stiessen die Bauzäune um, die um das Lager aufgestellt worden waren. Die Lagerleitung begegnet der angespannten Stimmung im Lager vor allem mit Polizeieinsätzen. Ein Pozileibeamter machte während eines Einsatzes Fotos in der Unterkunft und veröffentlichte diese später auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite.
Dass in einer kapitalistischen (und rassistischen) Gesellschaft (bestimmte) Menschenleben weniger wert sind, als der Profit, der erwirtschaftet werden kann, zeigt eine Aussage des Halberstadter Lagerleiters René Seidel. Er meint, die dezentrale Unterbringung sei zu teuer. Gerade jetzt, wo Deutschland aufgrund der Folgen der Pandemie vor wirtschaftlichen Problemen stünde. Und das sollen jetzt Menschen ausbaden, die sich eh schon in einer prekären Situation befinden, Herr Seidel? Zudem müsse er der ‚einheimischen’ Bevölkerung die Mehrkosten erklären. Weil deren Meinung wichtiger ist, mehr zählt, als die der Bewohner*innen des Lagers? Die momentane Ausbreitung des Covid-19-Virus in Asyllagern in Deutschland ist das Ergebnis einer rassistischen Politik. Die sich immer weiter normalisiert und mit der Normalisierung unsichtbar gemacht wird. Es wird mit zweierlei Mass gemessen. Denn kaum Personen werden auf so engem Raum eingesperrt wie die Asylsuchenden. Und durch die fehlende Bereitschaft, daran etwas zu ändern, wird ihr Tod in Kauf genommen.
https://taz.de/Gefluechtete-in-Ellwangen/!5677121/

https://twitter.com/WeAreBremen/status/1253173825312894977

https://twitter.com/coronasoli/status/1253311742332952578
https://m.facebook.com/zusammenlebenwillkommen/photos/a.822850014422816/3807977142576740/?type=3&source=48                               
https://taz.de/In-Unterkunft-jeder-Dritte-infiziert/!5678268/

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-04/zast-coronavirus-erstaufnahme-asylsuchende-sachsen-anhalt/komplettansicht
https://www.tagesspiegel.de/politik/corona-in-fluechtlingsunterkuenften-der-fehlende-abstand-wird-zum-toedlichen-risiko/25766136.html

Keine*r darf mehr raus: die Zast in Halberstadt unter Corona-Quarantäne.

13.04.20
Zürich: Für alle ein Zuhause
Am Donnerstag wurden in Zürich vier Häuser besetzt. Dies geschah unter dem Motto „Für alle. Ein Zuhause.“ – nachdem die Zürcher Stadtregierung Plakate mit dem Titel „Bleiben Sie Zuhause. Bitte. Alle.“ lanciert hatte. Die Besetzer*innen haben sich daraufhin die Frage gestellt: Was ist mit denen, die durch das #staythefuckhome-Raster hindurchfallen? Das Communiqué auf der Internetseite hebt hervor, dass jeder Notstand diejenigen am härtesten trifft, für die die Umstände schon vorher beschwerlich waren. Es war schon vor Corona Notstand. In einer Pressemitteilung von Samstag berichteten die Besetzer*innen unterdessen, dass sie unterschiedliche Erfahrungen mit den Besitzer*innen machten: Von solidarischen Aktionen über Unverständnis bis hin zu Ablehnung. Das erste Haus solle jedoch bald an Menschen übergeben werden, die einen Ort zum Leben brauchen, jedoch den Akt der Besetzung nicht selber ausführen könnten, da die drohende Repression existenzielle Folgen für sie haben könnte.
https://barrikade.info/article/3365
https://zuhause.zureich.rip/
https://twitter.com/ZuHause48246280
https://vimeo.com/405885532
https://daslamm.ch/recht-auf-wohnraum-auch-waehrend-der-corona-krise

13.04.20
Kredite für alle Kapitalist*innen, Einzelfallprüfung für Migrant*innen
Wer wegen Corona in Geldnot gerät, braucht Privilegien. Unternehmer*innen z.B., die wegen Corona in Finanznot geraten, können bei ihrer Bank innert 30 Minuten ein zinsloses Darlehen von bis zu 500’000 Franken abholen. Keine Einzelfallprüfung, keine Garantien, der Staat übernimmt das Risiko. Hierzu der SVP-Finanzminister Maurer: «Wir müssen uns das leisten. (…) Wir leben in ausserordentlichen Zeiten. (…) Es ist einfach schön, wie sich die Leute beteiligen und engagieren.» Anders klingt es, wenn (geflüchtete) Migrant*innen wegen Corona Sozialhilfe beantragen müssten. Wie wir letzte Woche berichtet haben, diskriminieren die Behörden Nichtschweizer*innen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind (vgl. https://antira.org/2020/04/06/antira-wochenschau-antisemitismustradition-in-bayern-regularisierungen-in-portugal-proteste-in-coronazeiten/): (1) Illegalisierte, die im Falle einer Regularisierung Sozialhilfe beziehen könnten, haben kaum Chancen auf ein Härtefallgesuch. (2) Wer einen Ausweis B hat und Sozialhilfe bezieht, verliert dieses Bleiberecht. (3) Menschen mit Ausweis C werden auf einen Ausweis B rückgestuft, wenn sie Sozialhilfe beziehen. (4) Im Kanton Bern können sich Migrant*innen nur einbürgern lassen, wenn sie die in den vergangenen zehn Jahren bezogenen Sozialhilfegelder komplett zurückgezahlt haben. Verschiedene Kreise fordern nun, diese Diskriminierung zumindest bei durch Corona bedingter Sozialhilfe auszusetzen. Ohne klaren Grundsatzentscheid sind Nichtschweizer*innen weiterhin schlecht beraten, Sozialhilfe zu beziehen bzw. praktisch von dieser ausgeschlossen. Als erster positionierte sich der Berner FDP-Regierungsrat Philippe Müller. Er ist gegen eine pauschale Lösung und will weiterhin im Einzelfall prüfen lassen. Begründung: «Das Volk hat es so gewollt». Das Staatssekretariat für Migration (SEM) schlägt auch keine kollektive Lösung vor. Es appelliert ausschliesslich an die kantonalen Behörden, sich im Einzelfall kulant zu zeigen. Auch die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe SKOS) scheint hinter dieser Haltung zu stehen. Obwohl Markus Kaufmann von der SKOS das Abschreckungsproblem der Sozialhilfe gegenüber Watson selber schildert, empfiehlt er ausschliesslich jenen Migrant*innen aufs Sozialamt zu gehen, die sicher sind, dass sie nicht langfristig und in grosser Höhe Sozialhilfe beziehen werden.
https://www.derbund.ch/mueller-verspricht-verhaeltnismaessige-urteile-572670142455
https://www.watson.ch/schweiz/wirtschaft/173257196-coronavirus-warum-auslaender-in-der-schweiz-doppelt-betroffen-sind

13.04.20
Fahrende erhalten weiterhin keine Unterstützung
Die Situation für Fahrende seit den Massnahmen der Regierung aufgrund der Corona-Pandemie ist nach wie vor prekär. Aufträge seien zurückgegangen, ihnen würden die Haustüren nicht mehr geöffnet. So Fino Winter, Präsident von Sinti Schweiz. Existenzen sind bedroht. Simon Röthlisberger von der Stiftung Fahrende in der Schweiz verlangt, den Minderheitenschutz in der Schweiz mit Inhalten zu füllen. Er stellt konkrete Forderungen: Den Erlass der Platzgebühren und die Berücksichtigung von Jenischen und Sinti im Massnahmenpaket des Bundes. Der Bundesrat hat unterdessen noch keine Ergebnisse in der Frage zur Unterstützung Selbstständiger und Kleinstunternehmen parat. Es bleibt also weiterhin unklar, ob der Bund Fahrende finanziell unterstützen wird.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/coronavirus-fahrende-erhalten-weiterhin-keine-unterstuetzung?id=79c184fe-071a-4787-85e1-28ce72d62001

13.04.20
Corona-Kredite könnten zu 25 Jahren nationalistischen und (sozial)rassistischen Konkurrenzkämpfen führen
Die International Labour Organisation (ILO) rechnet mit der schlimmsten globalen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. „Egal wo auf der Welt oder in welchem Sektor, die Krise hat dramatische Auswirkungen auf die Arbeitskräfte“, heisst es in einem aktuellen Report. Es werde erwartet, dass die Krise im zweiten Quartal 2020 weltweit die Arbeitsstunden von etwa 230 Millionen Vollzeitbeschäftigten auslöschen werde, schreibt die UNO-Sonderorganisation. Für das gesamte Jahr 2020 macht die ILO noch keine konkrete Prognose, schreibt aber, dass es ein hohes Risiko gebe, dass die ursprüngliche Vorhersage von 25 Millionen Vollzeitstellen deutlich zu tief sein könnte. Auch Bundesrat Ueli Maurer hatte Neues zu berichten: Der Bund werde für die Abbezahlung der gesprochenen Krisen-Kredite 25 Jahre benötigen, sagte er, und rechnet mit 50 Milliarden Franken. Das heisst: Ein Vierteljahrhundert intensivierter Angriffe auf unsere Lebensbedingungen. Die Zahlen der ILO und von Ueli Maurer haben etwas miteinander zu tun. Die Stellenverluste werden nicht gleichmässig unter den nationalen Standorten verteilt. Das Hauen und Stechen der Nationalstaaten und die Konkurrenz auf den Arbeitsmärkten dürften sich damit nochmals zuspitzen. Das heisst auch, dass sich der nationalistische und (sozial)rassistische Kampf um Arbeitsplätze verstärken dürfte. Diese Tendenz wird von oben noch verstärkt werden. Bekanntlich folgt Angriffen auf Sozialversicherungen und Lohnniveaus in Krisenzeiten auch immer eine legitimierende Hetzte gegen die «Faulen» auf den Fuss. Fast immer zielt sie auf marginalisierte Gruppen. Ueli Maurer hat schon mal klar gemacht, dass er dieses Tagesgeschäft in den kommenden 25 Jahren intensivieren will. Ziehen wir ihm einen Strich durch die Rechnung!
https://www.ilo.org/global/about-the-ilo/newsroom/news/WCMS_740893/lang–en/index.htm?fbclid=IwAR0BYqt4HivEdnIs-vrl51j3md4HLxqn5hgp9ywGaHuvJyOPwqvJJBz-4K8

https://www.blick.ch/news/politik/ueli-maurer-zum-rettungspaket-fuer-die-wirtschaft-geht-es-so-weiter-sind-wir-in-zehn-tagen-ausgeschossen-id15818920.html

06.04.20
Asylsuchende sollen den deutschen Spargel retten
Wie eng Rassismus und Kapitalismus miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen, zeigt sich in der derzeitige Krise einmal mehr. Weil in Deutschland viele osteuropäische Erntehelfer*innen aufgrund der Einreisesperren ausfallen, wird jetzt halt eine intensivere rassistische Ausbeutung von Geflüchteten gefordert, damit die deutschen Spargelproduzent*innen nicht Konkurs gehen. Die Landwirtschaftsministerin unterstützt die Idee, dass Asylbewerber*innen in der Landwirtschaft eingesetzt werden sollen. Ausgerechnet jene Menschen also, denen teils jahrelang staatlich verboten wurde, zu arbeiten, sollen jetzt die deutsche Ernte retten. Natürlich nur für eine begrenzte Zeit. Die Arbeitserlaubnis soll zeitlich befristet erteilt werden. Sobald die „Krise“ überstanden ist, sollen sie lieber wieder in staatliche Abhängigkeit versetzt werden. Ein Beispiel mehr, wie weiss sozialisierte und privilegierte Kapitalist*innen und Behörden auch im 21. Jahrhundert sklavenartig über die Arbeitskraft von nicht weissen Menschen verfügen dürfen.
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/coronavirus-erntehelfer-101.html
https://www.proasyl.de/news/zum-spargel-stechen-gut-genug-aber-dann-keine-perspektive-so-nicht/

30.03.20
Lohnabhängige (Migrant*innen) tragen Coronarisiken, weil Bundesrat und Kapitalist*innen Verluste vermeiden wollen
Noch am 16. März hiess es klar und deutlich: Besonders gefährdete Personen – sprich Personen ab 65 Jahren oder Personen mit Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, schwachem Immunsystem oder Krebs sollen „zu Hause bleiben und Menschenansammlungen meiden». Falls kein Home-Office möglich sei, sollen sie „vom Arbeitgeber unter Lohnfortzahlung beurlaubt“ werden. Nur vier Tage später gab der Bundesrat dem Druck der Unternehmenden nach und lockerte die Verordnung wieder. Neu müssen besonders gefährdete Lohnabhängige, die nicht von zuhause aus arbeiten können, zur Arbeit gehen. Ausser die Unternehmen schaffen es nicht, «mit geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen die Einhaltung der Empfehlungen des Bundes betreffend Hygiene und sozialer Distanz» zu befolgen. Worin diese Massnahmen bestehen, lässt der Bundesrat bewusst völlig offen. Einerseits verhängt der Bundesrat also für besonders gefährdete Personen ein absolutes ÖV-​Verbot und fordert sie auf, das Haus in der Freizeit ausser für Ärzt*innenbesuche oder Einkauf nie zu verlassen. Anderseits ermöglicht er, dass Unternehmende durch irgendwelche Alibimassnahmen diese Personen zur Lohnarbeit zwingen können. Auf dem Bau, im Detailhandel, in der Industrie oder in der Reinigung gibt es kein Home-Office. Just in den Branchen mit strengen Arbeitsbedingungen und oft schlechter Bezahlung, in denen vorwiegend Migrant*innen arbeiten. Zufall? Nein, ein klassischer Angriff auf die klassistisch-rassistisch diskriminierten Menschen der kapitalistischen Wertschöpfungskette.
https://www.sgb.ch/corona-virus/details/besonders-gefaehrdete-arbeitnehmende-muessen-sofort-wieder-geschuetzt-werden?pk_campaign=newsletter&pk_kwd=26032020
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/novel-cov/besonders-gefaehrdete-menschen.html

23.03.20
Rassismus  – Klassismus – Corona 
Die schweizer Regierung fordert dazu auf, zu Hause zu bleiben und mindestens zwei Meter voneinander Abstand zu halten. Aber wie ist das für jene unter uns möglich, die kein festes Zuhause haben oder in den Bundeslagern oder in Knästen auf engstem Raum zusammen leben müssen? Welche Menschen gelten für die Regierung als schützenswert und werden von ihr überhaupt mitgedacht?

  1. Fahrende: Es werden zu wenig Plätze für Fahrende zur Verfügung gestellt. Die Radgenossenschaft der Landstrasse, Dachorganisation der Schweizer Jenischen und Sinti, fordert in einer Medienmitteilung, dass Bund, Kantone und Gemeinden mehr Plätze öffnen, z.B. Militärareale oder Chilbiplätze. So könnten reisende Familien in kleineren Gruppen unterwegs sein und sich besser schützen. Besonders im Kanton Bern wird den Fahrenden ein Aufenthalt erschwert. Dort gibt es nur den provisorischen Transitplatz Gampelen, der allerdings erst am 1. April eröffnet wird. Die zuständige Regierungsrätin Evi Allemann (SP) erhofft sich Angebote von anderen Gemeinden und privaten Landbesitzer*innen, sonst sei auch „künftig mit unerwünschten Halten zu rechnen.“ Für wen sind diese Halte unerwünscht? Diese Rhetorik hätte sie sich sparen können. Jenische und Sinti berichten ausserdem davon, dass sie deutlich weniger Aufträge in Handwerk und Handel erhalten haben. Ihre ökonomische Situation verschlechtere sich durch die aktuelle Situation markant.
  2. Sans-Papiers: Viele Sans-Papiers haben ihren Job verloren und stehen nun ohne staatliche Abfederung vor dem Nichts. Sie können kein Arbeitslosengeld und keine Sozialhilfe beantragen. Auch die Anlaufstellen für Sans-Papiers sind nur eingeschränkt geöffnet. Illegalisierte Menschen, die am Coronavirus erkranken sollten, haben auch schlechte Behandlungschancen, da sie oft keine Krankenversicherung haben. Auch droht ihnen nach der Behandlung die Ausschaffung. Der Verein Züri City Card sammelt nun Geld für Essensgutscheine, Krankenkassenprämien und sucht Freiwillige für Kinderbetreuung.
  3. Menschen in Gefängnissen: Ähnlich wie in den Bundeslagern, leben auch Menschen in Gefängnissen auf engstem Raum zusammen und müssen in Mehrbettzimmern schlafen. In Italien sind die Knäste überfüllt. Die einzigen Massnahmen der italienischen Regierung waren, Haftbesuche auszusetzen. Und das gleich bis zum 31. Mai. Die Isolation der Menschen wurde also auch hier verstärkt. Dass sich die Insassinnen aber nicht isolieren lassen, zeigten die darauffolgenden Revolten in insgesamt fünfzig Gefängnissen in Italien. Nun sollen mehr Insassinnen mit elektronischer Fussfessel in den Hausarrest entlassen werden.
  4. Wohnungslose: Für Wohnungslose bricht die Infrastruktur zusammen. Viele Angebote können nur durch die Mitarbeit von Freiwilligen aufrecht erhalten werden. Diese bleiben allerdings zu Hause, teilweise weil sie Risikogruppen angehören. Viele Wohnungslose gehören selbst zu Risikogruppen und ihre Lage wird mit den aktuellen Massnahmen noch prekärer: Einkommen aus Gelegenheitsjobs, Strassenmusik oder Betteln entfällt. Einige Notschlafstellen haben geschlossen. Nur wenige öffnen nun auch tagsüber. Viele Essensabgabestellen haben geschlossen, teilweise geben sie noch Essen zum Mitnehmen aus. Die Schweizer Tafel ist z.B. zu, weil sie von den Grossverteilern fast kein Essen mehr bekommt. Die Verkäufer*innen des Strassenmagazins Surprise sind in ihrer Existenz bedroht, die Geschäftsleiterin des Vereins ruft zu Spenden auf. Für süchtige Menschen ist der Stress, zu beschaffen, noch höher als sonst. Da die Grenzen zu sind, kommt es auch zu Stoffknappheit. So sind die Leute mehr unterwegs und in mehr Kontakt zu anderen – das Gegenteil von dem, was momentan vom Bundesrat geraten wird. Anlaufstellen sind weiterhin geöffnet, allerdings mit Einschränkungen, z.B. können sich weniger Menschen gleichzeitig in den Räumen aufhalten.
    https://www.derbund.ch/bern/fahrende-befinden-sich-in-akuter-notlage/story/18384584
    https://www.bernerzeitung.ch/corona-krise-trifft-suchtkranke-hart-555742636448
    https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/corona-krise-in-basel-die-schwaechsten-der-gesellschaft-leiden-am-meisten
    https://www.zeit.de/hamburg/2020-03/coronavirus-armut-quarantaene-hamburg-obdachlosigkeit/komplettansicht
    https://www.woz.ch/2012/ausnahmezustand-in-italien/nicht-alle-werden-geschuetzt
    http://www.asylnetz.ch/
    https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/baesslergut-mehrere-corona-faelle-im-basler-bundesasylzentrum
    https://www.zuericitycard.ch/nothilfe

19. Mai 2019
Die profitorientierte ORS AG verwaltet neu auch Sozialhilfebezieher*innen
Wenn im Asylbereich mit der ORS AG gespart werden kann, soll das auch im gesamten Sozialbereich möglich sein. Das dachte sich die Gemeinde Egnach im Kanton Thurgau und beauftragte die ORS AG mit der Betreuung von Sozialhilfebezieher*innen. Die Firma mit Sitz in Zürich wurde 1992 gegründet und beschäftigt schweizweit bereits 800 Mitarbeiter*innen. Da sie profitorientiert arbeitet, hat Geld im Zweifelsfall immer eine höhere Bedeutung als die Bedürfnisse der betreuten Personen oder die Arbeits- und Lohnbedingungen des Personals. Die Vermutung, dass die Herrschenden im Asylbereich an Rassismusmarginalisierten neue Formen der Menschenverwaltung testen, um sie dann auf andere Gruppen auszuweiten, scheint zuzutreffen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kreuzlingen/egnach-geht-bei-der-integration-neue-wege-und-macht-mit-sozialhilfebezuegern-eine-harte-aber-faire-schule-ld.1117739

6. April
Schweizer Milliardär spendete der AfD 150’000-Franken
In einem Rechercheverbund WDR, NDR, «Süddeutscher Zeitung» und Tamedia wurde aufgedeckt, dass Henning Conle 2017 die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel mit 150’000 Franken unterstützte. Da in Deutschland Parteispenden aus einem Nicht-EU-Land verboten sind, wenn sie mehr als 1000 Euro betragen, ermittelt die Staatsanwaltschaft in Konstanz.
Den Conles gehört die Zürcher Immobilienverwaltung «Miwo», die über 2500 Mietwohnungen in der Schweiz betreut. Die Zeitschrift «Bilanz» gibt das Vermögen der Conles mit 1 bis 1,5 Milliarden Franken an. Die 150‚000 Frankenspende ist für Conle daher ein Nasenwasser.
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/zuercher-immobilienmogul-und-svpgoenner-spendete-fuer-weidel/story/28350679