Rassistische Cops in der Schweiz

22.06.20
Köpfe der Woche Philippe Müller, Martin Roth

Philippe Müller

Wie reagieren Rassist*innen, wenn sie mit ihrem Rassismus konfrontiert werden? So wie Polizeichef*innen, wenn sie wegen ihrer strukturell-rassistischen Polizeigewalt oder Racial Profiling in der Kritik stehen. Z.B. unsere Köpfe der Woche Polizeidirektor Müller aus Bern oder Polizeikommandant Roth aus Basel.

Martin Roth

Erstens wird die Kritik verneint: «Es gibt kein Racial Profiling» lässt sich Müller im Bund zitieren, während Roth im SRF abstreitet, dass es in Basel Racial Profiling gebe: «Wir haben keine Fälle. Weder beim Gericht noch bei der Ombutsstelle konnte man uns das konkret vorwerfen». Zweitens: Keine Anzeichen von Problembewusstsein oder Selbstreflexion aufkommen lassen, sondern klugscheissern, um den Lead zu behalten: Roth aus Basel versucht das, indem er sich gut dastehen lässt. Um das strukturelle Racial Profiling Problem zu verhindern, stelle die Basler Polizei extra Nicht-Schweizer*innen an. Dies sorge für eine bessere «Durchmischung des Korps». Zudem seien Polizist*innen gut geschult und supersensibilisiert. In Bern erhielt Müller in der Berner Zeitung eine Plattform, um sich nochmals zu erklären, da sein wirkmächtiges Zitat im Bund doch noch auf Kritik stiess: Seine Aussage stimme und auch wenn BIPoC-Personen auf der Schützenmatte Polizeigewalt erleben, sei dies kein Racial Profiling: «An Hotspots, wo selbst 14-Jährige mit Drogen «angefüttert» werden» gebe es nur verdachtsabhängige Polizeikontrollen und -gewalt. Drittens: Kritiker*innen, die Glaubwürdigkeit absprechen: Roth unterstellt BIPoC-Personen, die Racial Profiling erleben, fehlende Einschätzungsfähigkeit: «Ich kann mir vorstellen, dass Kontrollen, die per se nicht-diskriminierend sind, als diskriminierend wahrgenommen werden können». Und Müller unterstellt BIPoC-Personen, die Racial Profiling – teilweise zusammen mit anderen antirassistischen Zusammenhängen – bekämpfen, fehlende Faktenkenntnis: «Vieles sind Geschichten vom Hörensagen», denn sonst würde es ja mehr Beschwerden geben und «mich stört, dass die Situation in den USA nun ausgenutzt wird, um bei uns politische Ziele zu erreichen, die bisher chancenlos waren».
https://www.derbund.ch/polizeidirektor-mueller-sieht-keinen-handlungsbedarf-910569685831
https://www.bernerzeitung.ch/gewisse-kreise-versuchen-die-polizei-zu-diskreditieren-350167706019
https://www.srf.ch/news/regional/basel-baselland/gegen-rassismus-basler-polizei-sensibiliert-personal-fuer-racial-profiling

01.06.20
Schweizer Special Forces Einheiten und ihre Verbindung zu rechten Strukturen

Bild: Sondereinheit Basilisk der Polizei Basel-Stadt

Die Schweizer Sondereinheiten der Polizei mit den schönen Namen Tigris (Fedpol), Skorpion (Stadt Zürich), Basilisk (Basel-Stadt), Luchs (Innerschweiz) und Diamant (Kanton Zürich), schickten in den Jahren 2014 bis 2018 Beamt*innen nach Güstrow, Mecklenburg-Vorpommern, um Schiessübungen mit anderen sog. Elite-Einheiten durchzuführen. Ein ziviler Veranstalter, Frank T. organisierte den Special Forces Workshop gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern. Auch die Rüstungsindustrie aus der Schweiz war involviert – so u.a. die Ruag und die Thuner Waffenfirma B & T – und stellte Ausrüstung und Munition zur Verfügung. 2019 wurde Frank T’s Mitgliedschaft in der Chatgruppe von Nordkreuz entdeckt. Eine ca. dreissigköpfige rechtsextreme Preppergruppe, die Verbindungen zu Sondereinsatzkommandos in Deutschland aufweist. Frank T. hatte ihnen Waffen und Munition verkauft, sowie Schiesstraining und Ratschläge gegeben. Einen rechten Hintergrund will er nicht bemerkt haben. Bei Hausdurchsuchungen von Nordkreuz-Gründer Marko G. wurden mehr als zwei Dutzend Waffen und über 55’000 Schuss Munition entdeckt. Eine hohe Anzahl der beschlagnahmten Munition wurden auf Polizei- und Bundeswehrbestände zurückgeführt. Etliche stammen aus Dienststellen, die in den letzten Jahren an den Special Forces Workshops teilnahmen. Die Verstrickung vom Polizeiapparat mit rechtsextremen Strukturen ist kein Einzelfall und lange bekannt. https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/heikles-training-der-basler-polizei-sondereinheit-organisator-hatte-kontakt-zu-teils-rechtsextremer-gruppe-137937369
https://www.woz.ch/2021/sondereinsatzgruppen/ruag-munition-bei-den-preppern

18.05.20
Securitas-Gewalt im Bundesasyllager

Menschen aus dem Bundesasyllager Bässlergut ergreifen das Wort und decken systematische und gewalttätige Übergriffe auf sie, durch Mitarbeitende der Securitas AG, auf. Diese Woche erschienen dazu eine ausführliche Broschüre, sowie ein WOZ-Artikel und eine Rundschau-Reportage. Die Aussagen der Betroffenen, sowie die Protokolle der Sicherheitsleute aus den letzten vier Jahren machen einen Teil der unfassbaren Gewalt sichtbar, die sich täglich hinter den Mauern der Asyllager und im schweizer Asylregime abspielt. Im Zentrum der Erzählungen steht oft ein Ort, der im Behördenjargon «Besinnungsraum» heisst: ein kleines, fensterloses Zimmer, ausgestattet mit einer Matratze und verriegelt durch eine schwere Metalltür. Räume wie diese stehen in den meisten Bundesasyllagern zur Verfügung. Dort werden Asylsuchende, die sich angeblich nicht an die Hausregeln halten, bis zum Eintreffen der Polizei eingesperrt. In vielen Fällen dient der Ort aber schlicht als Prügelkammer für die im Bundesasyllager angestellten Securitas. Aufenthalte im «Besinnungsraum» enden mit Verletzungen wie blauen Knöcheln bis hin zu mehrtägigen Spitalaufenthalten. Ein Bewohner erzählt: «Ich war krank und habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Am Morgen kamen die Securitas, es war sehr kalt, doch sie öffneten das Fenster, nahmen mir die Decke weg. Sie nahmen mich mit Gewalt mit und brachten mich in den Raum. Dort schlugen sie mich in den Bauch, bis ich nicht mehr atmen konnte. Ich kam für zwei Tage ins Spital.»
Eine andere Person erzählt: «Der Securitas wollte, dass ich die Identitätskarte zum Essen mitnehme. Wenn ich keine habe, müsse ich auf die neue warten. Ich habe mir dann einfach etwas genommen. Der Securitas nahm mir das Essen weg, steckte mich in den Raum und schlug mich. Bis abends um elf Uhr gab es nichts zu essen.» Das sind keine Einzelfälle. Geschichten wie diese gibt es unzählige und sie spielen sich meist ähnlich ab.
Selbst nach der Dokumentation dieser unfassbaren Gewalt, die das Staatssekretariat für Migration (SEM) als Auftraggeber dieser Organisation mitzuverantworten hat, sieht dieses kein systematisches Problem. Zu den Vorwürfen der Asylsuchenden, dass sie regelmässig Opfer gewalttätiger Übergriffe werden, schreibt das SEM: «Wir haben keine Hinweise darauf, dass die Sicherheitsdienstleister in Basel oder in anderen Bundesasylzentren unverhältnismässigen Zwang anwenden. Das SEM würde dies nicht dulden und entsprechend sanktionieren.»
Laut Aussagen von Securitas gibt es fast täglich körperliche Auseinandersetzungen zwischen Bewohnenden und Securitas. Und wie gesehen, enden diese meist in brutaler Gewalt gegenüber den Bewohnenden. Dass das SEM nichts davon weiss, ist schlicht nicht möglich. Als es nach den ausführlichen Berichten selbst für das SEM schwierig wurde, die Gewalt zu negieren oder zu verharmlosen, spielte ihr Pressesprecher die beliebte «Einzelfallkarte» und meinte nur, Fehler könnten schliesslich jeder Person mal passieren. Schwere körperliche Gewalt gegen Menschen anzuwenden, die in eine Zelle eingesperrt sind, ist aber kein Fehler, der halt mal passieren kann. Das ist systematische staatliche Gewaltanwendung, die keinen Platz haben darf. Die Reaktion auf die Vorfälle kann deshalb auch nicht darin bestehen, einzelne Securitas zur Verantwortung zu ziehen. Denn die Gewaltanwendung ist ein essentielles Mittel, damit das Lager- und Asylregime überhaupt so effizient funktionieren kann, wie es dies tut. Wir kritisieren deshalb grundsätzlich die Lagerstruktur und die Verwaltung von Menschen durch das Asylregime, die eine solche Gewalt möglich macht.
https://www.woz.ch/2020/asylpolitik/tatort-besinnungsraum
https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/gewalt-im-asylheim-schwedens-sonderweg-verkupplungsboom?id=539cd587-8b5e-46b0-bb3f-62f669d4d371
https://3rgg.ch/securitas-gewalt-im-lager-basel/

November 2019

Medienarbeit der Zürcher Polizei fördert weiterhin den Rassismus
Im Kanton Zürich kommt die kantonsrätliche Kommission für Justiz und öffentliche Sicherheit (KJS) zum Schluss, es sei im öffentlichen Interesse, zu erfahren, welche Staatsbürgerschaft Personen haben, die verdächtigt werden, eine Straftat begangen zu haben. Die Polizeikorps im Kanton Zürich sollen deshalb in ihren Medienmitteilungen die Nationalität von mutmasslichen Täter*innen, Tatverdächtigen und Betroffenen nennen. Diese Praxis fördert und bedient rassistische Vorurteile und unterstellt, dass Kriminalität auf nationale Herkunft zurückzuführen sei. Die Position der KJS stellt einen Gegenvorschlag zu einer SVP-Initiative dar. Diese verlangt, dass in den Polizeimeldungen gar der Migrationshintergrund zu nennen sei. Das SVP-Initiativkomitee hat angekündigt, die Volksinitiative zurückzuziehen, falls die KJS die oben beschriebene Position vertrete. Vermutlich aus (parlamentarischem) Opportunismus oder gar aus Überzeugung ist die KJS der SVP-Forderung nun gefolgt.  
https://www.zsz.ch/ueberregional/Nationalitaet-soll-genannt-werden-Migrationshintergrund-aber-nicht/story/13045446

27. Januar 2019
Adrian Spahr wird nach Verurteilung wegen Rassendiskriminierung versetzt

Die JuSo forderte seine Entlassung, wir von antira stimmen dem zu. Nach seiner erstinstanzlichen Verurteilung vor dem Regionalgericht Bern wegen Rassendiskriminierung wurde Adrian Spahr nun in den Innendienst versetzt. Die Basler Kantonspolizei will „das Wohl des Mitarbeiters wie auch die Interessen der Kantonspolizei angemessen schützen“
Wir Fragen uns: Wer schützt uns vor einem offen rassistischen Jungpolitiker, der sich in der Position befindet, staatliche Gewalt ausführen zu können? Wenn es darum geht, die Interessen der Polizei und das Wohl von Adrian Spahr zu schützen, offensichtlich niemand. Das erinnert an die jüngsten rechtsextremen Verstrickungen der Polizei in Deutschland und daran, dass rassistische Tendenzen bei der Polizei weit verbreitet sind.
(Siehe dazu antira-Wochenschau vom 6. Januar 2019: https://antira.org/2019/01/06/antira-wochenschau-neo-koloniale-banken-rechte-polizei-schoene-plakate/)
https://bazonline.ch/basel/stadt/svppolizist-wird-versetzt/story/14602550
https://www.basellandschaftlichezeitung.ch/basel/basel-stadt/nach-zigeuner-hetze-basler-polizist-wurde-von-der-front-abgezogen-133988832

12. Januar 2019
Rassistische Polizistin angezeigt
Im Mai letzten Jahres begrüsste ein 22-jähriger seinen Kollegen mit der Redewendung “Allahu akbar” und erhielt darauf eine Busse in der Höhe von 210.- wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“. Das Ganze fand vor dem türkischen Kulturverein Schaffhausen, direkt neben der Schaffhauser Stadtpolizei, statt. Nach dem sich die Freunde begrüsst hatten, rief sie eine Polizistin heran und wollte wissen, was sie damit gemeint hatten. Der Betroffene erklärte, dass der Ausdruck nichts Schlimmes zu bedeuten habe: „Wir benützen ‹Allahu akbar› zur Begrüssung und in fast jedem zweiten Satz“, sagte er. „Wie zum Beispiel: Das Wetter ist schön, Allahu Akbar. Damit wollen wir etwas, was wir als positiv empfinden, betonen.“ Seine Bemühungen, sich zu erklären, nützten nichts. Die Polizistin forderte Verstärkung an: „Auf einmal fuhren bewaffnete Beamte vor. Sie tasteten mich ab, nahmen meine Personalien auf und sagten mir, ich soll mich verziehen.“ Für die betroffene Person war das ein stark traumatisierendes Erlebnis und ein klarer Fall von Diskriminierung. Eingeschüchtert zahlte er die Busse und getraute sich erst jetzt an die Öffentlichkeit. Die Gruppe ‘Linke PoC Zürich’ haben nun eine Strafanzeige wegen Rassendiskriminierung gegen die Polizistin eingereicht. Sie wollen darauf aufmerksam machen, dass die Verzeigung des 22-Jährigen eine Reflexion der Islamophobie der schweizer Gesellschaft ist: „wenn eine gebräuchliche Redewendung in der Schweiz ein öffentliches Ärgernis erregen soll, ist nicht diese das Problem, sondern es ist die schweizer Gesellschaft, die ein Problem mit Rassismus hat. Wir solidarisieren uns mit der muslimischen Gemeinschaft.“
https://www.20min.ch/schweiz/zuerich/story/-Krasser-Eingriff-in-die-Schweizer-Grundrechte–26896433
https://www.20min.ch/schweiz/zuerich/story/Allahu-Akbar-31435757
https://www.facebook.com/LinkePoC/