Externalisierung der EU-Aussengrenze

03.08.20
Was die EU mit der Gewalt auf den afrikanischen Landrouten zu tun hat
Menschen auf der Flucht erleben nicht erst auf dem Mittelmeer oder an den europäischen Aussengrenzen die brutale Gewalt von Migrationsregimes, sondern bereits viel früher, zum Beispiel auf den Landrouten auf dem afrikanischen Kontinent Richtung Libyen. Die Landrouten sind in den vergangenen Jahren zu extrem gefährlichen und mitunter tödlichen Korridoren geworden, unter anderem weil die EU ihre Aussengrenzen kontinuierlich nach aussen verschiebt und mittlerweile viele Grenzpassagen in Nordafrika kontrolliert. Somit gibt es für Menschen auf der Flucht bereits auf diesen Landrouten fast kein (legales) Durchkommen mehr, weshalb vielen nichts anderes übrig bleibt, als sehr gefährliche Routen einzuschlagen oder sehr viel Geld zu bezahlen.


Eine eben erschienene Studie berichtet von dieser Gewalt gegen Migrant*innen auf den Landrouten über den afrikanischen Kontinent (https://unhcrsharedmedia.s3.amazonaws.com/2020/Central_Med_Route_report/UNHCR_report-On_this_journey%2C_no_one_cares_if_you_live_or_die.pdf):
– Für die Studie hat das Mixed Migration Centre zwischen 2018 und 2019 Migrant*innen auf den Fluchtrouten zwischen Ost-Sudan, der Sahara-Wüste und Libyen befragt. Die Menschen berichten von Mord, sexueller und geschlechterspezifischer Gewalt, physischer Gewalt und Kidnapping. An der Tagesordnung liegen für die Migrant*innen und Geflüchteten auf diesen Routen laut der Studie brutalste Gewalt wie Verbrennungen mit heissem Öl oder heissen Metallgegenständen, Elektroschocks, Fesselung in Stresspositionen und sexuelle Gewalt.
– 2018 und 2019 sind mindestens 1.750 Menschen auf den Routen gestorben. Hinzu kommen diejenigen, die auf dem Weg über das Mittelmeer nach Europa sterben: Auf der zentralen Mittelmeerroute, vor allem von Libyen aus, waren das mehr als 2.500 Menschen in den beiden vergangenen Jahren. Ausserdem gibt eine hohe Dunkelziffer, weil viele Menschen unbemerkt in den Wüsten sterben.
– An Durchgangsstationen in der Wüste und an Grenzposten ist sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen, aber auch Jungen und Männer, an der Tagesordnung. Rund 31 Prozent der befragten Menschen, die 2018 oder 2019 sexuelle Gewalt erlebten, waren ihr an mehr als einem Ort ausgesetzt. In Nord- und Ostafrika waren Menschenhändler die Haupttäter, sie machten 60 und 90 Prozent der gemeldeten Übergriffe auf den jeweiligen Routen aus. In Westafrika werden Sicherheitskräfte, Militär- und Polizeibeamte als Haupttäter genannt.
– Hauptverantwortlich für die Gewalt sind laut der Studie Regierungsangestellte wie die Grenzwache, Polizei oder das Militär. Nicht selten sind diese von der EU bezahlte Jobs zur Migrationsabwehr.
– Die Menschen, die überleben, leiden oft unter Traumata. Für viele ist die Ankunft in Libyen die letzte Station einer Reise, die von Misshandlungen wie Folter, Zwangsarbeit und Schlägen geprägt war – sowie von willkürlichen Morden. Gemeinsam mit den Menschen, die die libysche Küstenwache auf dem Mittelmeer festgenommen hat – in diesem Jahr bereits mehr als 6.200 – werden sie meist unter menschenverachtenden Umständen in libyschen Lagern eingesperrt. Einigen gelingt die Flucht aus diesen Lagern. Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden sie aber auf dem Mittelmeer wiederum von der libyschen oder einer europäischen Küstenwache abgefangen und zurück nach Libyen gebracht. Einige Wenige schaffen es zu einem europäischen Hafen. Dann beginnt für sie die Tortur der europäischen Asylregimes.
All dies ist seit Jahren bekannt. Es sind keine erfundenen Geschichten oder kleine Unregelmässigkeiten im System. Es ist die tägliche Realität tausender von Menschen. Diese Realität ist nicht zufällig entstanden. Sie wurde bewusst durch ein undurchlässiges, brutales Migrationskontrollsystem geschaffen, das grösstenteils von der EU finanziert wird. Mit «Migrationspartnerschaften», Rückübernahmeabkommen, finanzieller, logistischer, personeller und materieller Unterstützung.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-07/migration-vereinte-nationen-afrika-gewalt-fluechtlinge-routen
https://ffm-online.org/on-this-journey-no-one-cares-if-you-live-or-die-abuse-protection-and-justice-along-routes-between-east-and-west-africa-and-africas-mediterranean-coast/
https://www.infomigrants.net/en/post/26305/death-and-atrocities-constant-companions-for-migrants-on-african-land-routes-report

27.07.20
Geeinter Wille zur Abschottung am Treffen der EU-Innenminister*innen
Am 22. und 23. Juli fand ein Treffen einiger EU-Innenminister*innen „zum Kampf gegen illegale Migration“ in Wien statt. Neben Minister*innen aus Deutschland, Dänemark, Griechenland, Slowenien, Tschechien und Ungarn wurden auch Vertreter*innen der Schweiz, der EU-Kommission, FRONTEX (Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache) und ICMPD (International Centre for Migration Policy Development) von österreichs Innenminister Nehammer (ÖVP) eingeladen.
Und was entstand in diesen zwei Tagen des intensiven Austausches? Alle waren sich einig, dass die Staaten enger zusammenarbeiten wollen, um sich effektiver abschotten zu können. Nehammer sprach auf der Pressekonferenz von einem überraschenden Erfolg. Er sei beeindruckt von der gemeinsamen Entschlossenheit der teilnehmenden Akteur*innen gewesen. Selbst Staaten, die sich üblicherweise auf EU-Ebene selten einig werden, scheinen die gemeinsame Haltung von noch mehr Abschottung zu teilen und handeln ausnahmsweise einmal lösungsorientiert.
Um dies zu erreichen sollen erstens eine neue Koordinationsstelle fürs Migrationsmanagement eingerichtet werden, zweitens schnellere Asylverfahren und schnellere Abschiebungen durchgeführt werden und drittens der Ausbau des Grenzschutzes gefördert werden. Die wichtigste Änderung besteht aber wohl in diesen neuen Koordinationszentren. Diese sollen die Zusammenarbeit der einzelnen bestehenden EU-Institutionen und Agenturen (etwa Frontex) und betroffener Staaten in Sachen Grenzschutz, Asylpolitik und Migration verstärken. Unter anderem soll die sogenannte «Schlepperei» effizienter bekämpft werden (was sich meist einfach in noch mehr Grenzmauern und Grenzsoldat*innen manifestiert) und Abschiebungen besser koordiniert werden. Die Details dafür sollen im Herbst ausgearbeitet werden. Je nach Grösse und Ausgestaltung dieser Koordinationsplattform könnte dieses enorme Effizienzgewinne mit sich bringen und die Verwaltung von Menschen auf der Flucht weiter perfektionieren. Teilweise hat dies auch bereits im Rahmen der Neustrukturierung von Frontex stattgefunden. Seither fungiert die Agentur unter anderem als Ausschaffungsinstitution, die einerseits selbständig oder im Auftrag von Staaten koordinierte Ausschaffungen durchführt und dieses auch finanziert. Besonders Deutschland nimmt dieses Angebot oft in Anspruch. Dies hat dazu geführt, dass der Anteil an Charterflügen bei Ausschaffungen stark zugenommen hat. Extra gecharterte Flüge sind zwar meist teurer als eine Ausschaffung per Linienflug, bieten aus Sicht der Behörden aber einen entscheidenden Vorteil: Anders als im Linienflug gibt es keine Dritten, die sich einmischen oder hinterher als Zeug*innen aussagen könnten. Und so geht es dabei wohl deutlich gewaltvoller zu, denn: 2019 wurde rund ein Viertel der Abschiebungen mit Charterflügen vollzogen. Auf diese Sammelabschiebungen entfielen aber nur 0,3 Prozent der Abschiebungen, die wegen Widerstand der Betroffenen abgebrochen wurden. Berichte über massive Gewaltanwendung im Zuge von Abschiebungen gibt es immer wieder. Doch gerade weil Abschiebungen meist nicht in der Öffentlichkeit stattfinden, wird diese Polizeigewalt weder gesehen noch verurteilt. Momentan baut Frontex zudem einen Pool von sogenannten Rückkehrbegleitern (»forced return escorts«) auf. Dabei handelt es sich um Polizist*innen und Grenzschutzbeamt*innen der EU-Staaten, aus denen die Abschiebungen starten und die innerhalb der EU flexibel einsetzbar sind. Mittlerweile gibt es 690 solcher „Expert*innen“. Derzeit sind beispielsweise vier Personen der Bundespolizei als „Escort Officer“ auf Lesbos in Griechenland eingesetzt – offenbar um von dort aus Abschiebungen in die Türkei durchzuführen.
https://barrikade.info/article/3721

https://www.jungewelt.de/artikel/382815.eu-und-fl%C3%BCchtlinge-abschottung-wird-versch%C3%A4rft.html

https://www.derstandard.at/story/2000118937581/eu-staaten-einigen-sich-auf-plattform-fuer-grenzschutz-und-asyl?ref=rss
https://taz.de/EU-Grenzschutzagentur-Frontex/!5701399/

08.06.20
Regierung von Malta und Übergangsregierung in Libyen perfektionieren die Festung Europa
Die italienische Zeitung Avvenire veröffentlichte letzte Woche eine Absichtserklärung, unterzeichnet von Maltas Premierminister Robert Abela und Fayez al Sarraj, Präsident GNA – der international als Regierung anerkannten Bürgerkriegsfraktion Libyens. Es ist geplant, Koordinationszentren in den Häfen von Tripolis und Valletta einzurichten, die ab Juli 2020 einsatzbereit sein sollen. In Wirklichkeit gibt es schon seit Jahren gemeinsame Operationen, aber nun sind sie offiziell und auf Papier gebracht. Die gemeinsamen Strukturen „werden die notwendige Unterstützung bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung in Libyen und im Mittelmeerraum leisten“, heisst es darin. Zunächst wird Malta die Aktivierung der Einsatzzentren, die von drei Beamt*innen der jeweiligen Regierungen geleitet werden, vollständig finanzieren. Premierminister Abela verpflichtet sich jedoch von Anfang an, zusätzliche EU-Mittel für die sogenannte libysche Küstenwache zu beschaffen, die weiter aus- und aufgerüstet werden soll. „Die EU hat die Verantwortung, ein Abkommen mit Libyen zu erreichen“, heisst es in der Vereinbarung, die Malta und Libyen vertraglich verpflichtet, den gesamten sizilianischen Kanal zu kontrollieren, mit Ausnahme der letzten 12 Territorialmeilen vor der Küste von Lampedusa. Wie genau die Zusammenarbeit zwischen Libyen und Malta aussehen wird, bzw. welche Funktion die Einsatzzentren einnehmen, wird aus den publizierten Dokumenten noch nicht klar. Anhand der Entwicklungen im Mittelmeerraum, sowie der Verweigerungshaltung Maltas gegenüber Seenotrettung, wird aber stark angenommen, dass das einzige Ziel dieser neu aufgebauten Strukturen darin bestehen wird, die Festung Europa weiter auszubauen und massenhaft Menschen in libyschen Gefangenenlagern zu inhaftieren.
https://www.avvenire.it/c/attualita/Documents/MOU%20with%20Libya.pdf
https://www.avvenire.it/attualita/pagine/accordo-malta-libia-respingimento-migranti

08.06.20
EU rüstet Nordafrika zur Migrationsabwehr teuer und massiv auf
Die Europäische Union integriert Libyen im Rahmen der «Mission Seepferdchen» offiziell weiter in ihre Abschottungsstrategien für das zentrale Mittelmeer. Mittel für sog. Forschungsprojekte an Grenzen fliessen in dreistelliger Millionenhöhe aus dem EU-Forschungsrahmenprogramm «Horizon 2020», für die Installation der Technik an EU-Grenzen aus dem EU-Sicherheitsfonds, für die Bereitstellung in anderen Ländern kommen sie aus dem EU-Nachbarschaftsfonds oder auch aus der Entwicklungshilfe. Auf EU-Ebene ergibt sich hier ein Milliardenbetrag – das Frontex-Budget ist noch gar nicht hinzugezählt. Zusätzlich müssen noch die Ausgaben der einzelnen Mitgliedstaaten hinzugerechnet werden. Die deutsche Bundesregierung unterstützt beispielsweise Tunesien bei der Aufrüstung: Berlins polizeiliches und grenzkontrollpolitisches Engagement in Tunesien zielt weiterhin vor allem auf die Bereiche Terrorismusbekämpfung und Verminderung der »irregulären« Migration ab. Schon seit Jahren unterstützt die Bundesregierung Tunesien dabei, seine Landgrenzen zu den Nachbarstaaten Libyen und Algerien hochzurüsten, um diese undurchlässiger für bewaffnete Gruppen und vor Krieg und Elend flüchtende Menschen zu machen. Dafür führt sie Ausbildungsmassnahmen zugunsten tunesischer Polizeibehörden durch und liefert Ausrüstung wie Radargeräte, Fahrzeuge und Ausstattung für die Küstenwache.
https://www.jungewelt.de/artikel/379547.eu-abschottung-damit-soll-die-festung-europa-perfektioniert-werden.html
https://www.jungewelt.de/artikel/379468.brd-und-tunesien-seegrenze-im-visier.html

11.05.20
EU-finanzierte Abschiebungen von Nord- nach Südafrika gehen trotz geschlossener Grenzen weiter
Während die Grenzen zwischen den afrikanischen Staaten aufgrund der Corona-Krise geschlossen sind, gehen die Abschiebungen weiter. Tausende Migrant*innen und Geflüchtete werden von Algerien oder Libyen südwärts abgeschoben, oft in den Niger. Nach einem Bericht des Journalisten Sofian Philip Nacer wurden Ende März etwa hundert Menschen aus Ostlibyen in den Sudan ausgewiesen. In der ersten Aprilhälfte schoben die libyschen Behörden mindestens 236 Personen in den Sudan, nach Mali, Somalia, Nigeria und Ghana ab. Oft werden die Menschen bei Abschiebungen in den Niger im Grenzgebiet ausgesetzt und müssen dann zu Fuss durch die Wüste zum Grenzposten Assamaka im Niger gehen. Ohne Orientierungshilfe, Wasser oder Essen. Dabei sterben immer wieder Menschen. Anschliessend werden sie in Lagern blockiert und an einer erneuten Reise Richtung Norden gehindert. Sie haben zudem nicht einmal mehr die Option, wieder zurück in ihre Herkunftsländer zu gehen (falls sie diese Option überhaupt jemals hatten), da sämtliche Grenzen geschlossen sind, ausser für Abschiebungen.
Das alles ist direkte Folge der europäischen Migrationspolitik, die seit Jahren versucht, die europäische Aussengrenze in den Norden des afrikanischen Kontinents zu verschieben. Die EU nennt das „Migrationsmanagement“ und bezahlt die afrikanischen Staaten für diese Praxis oder stellt es als Bedingung an die Vergabe von Entwicklungsgeldern.
In den von der IOM (International Organisation for Migration) geführten Lagern im Niger sind die Bedingungen miserabel. Im IOM-Lager in Assamaka gibt es weder Trinkwasser noch Matratzen und für die ungefähr 900 (geflüchteten) Migrant*innen gibt es genau vier Zelte. Es kommt deshalb immer wieder zu Protesten von Betroffenen. Während eines Aufstandes sind Menschen beispielsweise in die IOM-Läden eingedrungen und haben sich die notwendigen Vorräte halt selbst besorgt. Auch im IOM-Lager in Arlit (Niger), in dem fast 640 Personen leben, gab es in den letzten zwei Wochen Proteste und Revolten gegen die unerträglichen Bedingungen.
https://alarmephonesahara.info/fr/news/migrant-e-s-et-refugie-e-s-expulse-e-s-au-niger-malgre-la-crise-de-la-corona-et-bloques-dans-les-camps-de-l-oim-des-protestations-declenchees-par-des-conditions-insupportables?fbclid=IwAR2_1hQAaSEuFyDDk7hmmekAKxqqq8DcN01svub9uflOAOqgBCDM8ofJ5Fc

04.05.20
Geschlossene Grenzen führen zu mehr Binnengeflüchteten
Die Zahl der Menschen auf der Flucht steigt seit einigen Jahren immer stärker an. Gleichzeitig wird das europäische Grenzregime durch Militarisierung und Technologisierung so stark aufgerüstet, dass es kaum noch zu überwinden ist. Das führt dazu, dass es immer mehr Binnengeflüchtete gibt, d.h. Menschen, die aus ihren Wohnorten vertrieben wurden, aber nicht über Grenzen geflüchtet sind.
Die Beobachtungsstelle für intern Vertriebene (IDMC) hat in ihrem Jahresbericht einige Zahlen dazu publiziert:
– Weltweit lebten Ende des vergangenen Jahres ca. 45.7 Millionen Menschen als Binnengeflüchtete. Das sind so viele wie noch nie.
– Dreiviertel der Binnengeflüchteten befinden sich in nur zehn Ländern: vor allem in Syrien, Kolumbien, Kongo, Jemen und Afghanistan.
– Laut des IDMC waren vor allem bewaffnete Konflikte und Naturkatastrophen Auslöser für die Binnenflucht. So flohen im vergangenen Jahr allein 4.5 Millionen Menschen wegen des Zyklons Fani in Indien und Bangladesch, vor den Stürmen Idai und Kenneth in Mosambik und dem Hurrikan Dorian auf den Bahamas in andere Regionen des Landes. Zu dieser Gruppe gehören auch all jene Menschen, die wegen der Dürre in Afghanistan Haus und Hof verlassen mussten.
– Die Zahl der Binnengeflüchteten ist deutlich höher als die Gesamtzahl derjenigen, die 2019 über Landesgrenzen hinweg flohen. Dies waren dem Bericht zufolge ca. 26 Millionen Menschen. Obwohl auch diese Menschen meist unter sehr prekären Bedingungen leben müssen, ist die Situation selten Thema in den Medien, in parlamentarischer oder ausserparlamentarischer Politik oder in Solidaritäts- und Unterstützungsstrukturen. Möglicherweise fehlt hier die Sichtbarmachung von Flucht durch Grenzzäune und Frontexbeamt*innen. Doch auch diese Menschen sehen sich unmittelbar mit Grenzgewalt konfrontiert. Durch die Externalisierung der europäischen Aussengrenzen ist es in Staaten wie bspw. dem Niger kaum mehr möglich, innerhalb des Landes Richtung Norden zu reisen, weil sich das europäische Grenzregime mit Zäunen, Check-Points und Grenzbeamt*innen bereits dort platziert hat.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-04/jahresbericht-idmc-vertreibung-konflikte-gewalt-flucht

30.03.20
Handelsschiffe übernehmen für EU Pushbacks nach Libyen
Auf dem Mittelmeer hat sich eine neue Praxis privatisierter Push-backs etabliert. Handelsschiffe, die ihre Pflicht auf Seenotrettung wahrnehmen, sind gezwungen, den Weisungen offizieller Stellen wie der sogenannten libyschen Küstenwache zu folgen. Anders als zivile Seenotrettungsschiffe, die in Berufung auf den Krieg und die humanitären Zustände in Libyen eine Rückführung dorthin verweigern und auf einen „sicheren“ Hafen in Europa beharren, wurden seit November 2018 dreissig Fälle dokumentiert, in denen Handelsschiffe mehr als 1.800 Personen nach Libyen zurück brachten. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen. In einigen Fällen ist bekannt geworden, dass die italienische Küstenwache in dieses Vorgehen involviert ist. Das Handelsschiff Nivin beispielsweise hatte im November 2018 auf Anweisung der italienischen Seenotrettungsleitzentrale in Rom (MRCC) nach einer Meldung der NGO Alarmphone, das als erstes den Notruf erhielt, 95 Menschen aus einem sinkenden Boot in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste geholt und zurück nach Libyen geschleppt. Das MRCC Rom war also direkt involviert und hatte nicht, wie sonst üblich, darauf verwiesen, eine Seenotrettungsstelle in Libyen anzurufen. Vor zwei Wochen forderte die maltesische Rettungsstelle die sogenannte libysche Küstenwache auf, ein Holzboot mit 49 Geflüchteten an Bord aus der maltesischen SAR-Zone nach Libyen zurückzubringen. Ein weiterer Fall ist der der El Hiblu 1 (mehr dazu unter „Was nun“). Mit der Nutzung der Handelsschiffe für „Seenotrettung“ und Push-backs lagert die EU ein weiteres Mal ihre Grenzsicherung aus und gibt Verantwortung ab. Die Grenze verschiebt sich immer weiter in den Süden. Nach der Einstellung eigener Seenotrettungsstrukturen und der wiederholten Kriminalisierung und Boykottierung von zivilen Rettungsschiffen, die diese Lücke zu füllen versuchten, ist dies ein weiteres Kapitel europäischer Menschenverachtung. Seit Wochen ist kein einziges ziviles Rettungsboot auf dem Mittelmeer im Einsatz. Einschränkungen in den Werften behindern Reparaturen, Reiseeinschränkungen erschweren das Crewing und auch ein zukünftiges Anlegen von Rettungsschiffen in europäischen Häfen scheint unmöglich. Wann sich die Situation ändert, ist unklar. Die neue EU-Marinemission „Irini“, Nachfolgerin der Mission „Sophia“, ist noch nicht gestartet. Im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 16. März  2020 haben bereits 219 Menschen im Mittelmeer ihr Leben verloren. Mindestens 940 Personen wurden in dieser Zeit von der sogenannten libyschen Küstenwache in das Bürgerkriegsland zurückgeschleppt.
https://www.migazin.de/2020/03/20/keine-seenotrettung-wegen-corona-pandemie/
https://www.nytimes.com/2020/03/20/world/europe/mediterranean-libya-migrants-europe.htmlhttps://ffm-online.org/privatized-pushbacks-how-merchant-ships-guard-europe/
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/eu-staaten-einigen-sich-auf-libyen-mission-im-mittelmeer-16697937.html
https://alarmphone.org/en/2020/01/05/central-mediterranean-regional-analysis/
https://www.borderline-europe.de/sites/default/files/projekte_files/Salvinis%20Italien%202%20-%20Abschottungspolitik%20auf%20Kosten%20von%20Menschen%20in%20Seenot.pdf
https://euobserver.com/migration/147768

23.03.20
Türkei schliesst die Grenzen zu Griechenland und Bulgarien wieder 
Als der türksiche Diktator Erdogan im Februar die Grenzen öffnete, setzte er die EU gehörig unter Druck. Die Bilder der folgenden Tage machten klar, dass die europäische Abschottungspolitik auf die Zusammenarbeit mit der Türkei angewiesen ist. Erdogan wollte mit dieser Massnahme Gespräche zur Verlängerung des EU-Türkei-Deals von 2016 erzwingen, denn sein Budget von 6 Milliarden Euro hat er nach vier Jahren aufgebraucht. Erdogan fordert nun neue finanzielle Mittel zur Versorgung der Geflüchteten im Land und für die „humanitäre Hilfe“ im nordsyrischen Kriegsgebiet Idlib. Europa wolle sich nicht erpressen lassen, hiess es von den EU-Regierenden. Die Grenzschliessung sei Voraussetzung für weitere Gespräche. Es sei dahin gestellt, ob die Corona-Krise oder eine Telefonkonferenz ausschlaggebend war, aber Erdogan hat versprochen, die Grenze zu Bulgarien und Griechenland wieder zu schliessen. An der Telefonkonferenz nahmen Erdogan, die deutsche Kanzlerin Merkel, der französische Präsident Macron und der britische Premier Johnson teil. Alle bekräftigten, am EU-Türkei-Deal festhalten zu wollen. Zu welchen Bedingungen und mit welchem Budget werden kommende Verhandlungen zeigen. Klar ist, dass Erdogan, die personifizierte Fluchtursache schlechthin, erneut Milliarden spendiert bekommen wird. Dies zeigt, um welchen Preis die Regierenden Europas geflüchtete Menschen aus Europa fernhalten wollen. Derweil versuchen diese weiterhin, über die Grenze zu kommen. Am Mittwoch versuchte eine Gruppe aus 500 Geflüchteten, den griechischen Grenzzaun einzureissen. Dass es bei den neuen Verhandlungen nicht um die Rechte von Geflüchteten, sondern um die Durchsetzung politischer Interessen geht, dürfte allen klar sein.
https://www.srf.ch/news/international/tuerkei-schliesst-grenze-wieder-jetzt-koennen-die-verhandlungen-mit-der-eu-beginnen
https://www.derstandard.at/story/2000115881525/erdogansoll-mehr-geld-von-der-eu-bekommen?ref=rss
https://taz.de/EU-Fluechtlingsdeal-mit-der-Tuerkei/!5672247/
https://taz.de/Versagen-der-EU-in-der-Fluechtlingspolitik/!5668947/
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-03/grenze-griechenland-tuerkei-fluechtlinge-konflikt-migration
https://anfdeutsch.com/aktuelles/erneut-auseinandersetzungen-an-der-griechisch-tuerkischen-grenze-17971
https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-griechenland-zusammenstoesse-101.html

3. Mai 2019
Zäune gegen Geflüchtete in Bulgarien
In den letzten Jahren ist die Zahl der Geflüchteten und illegalisierten Personen in Bulgarien stark zurückgegangen. Auf Migration und Flucht reagieren die Behörden weiterhin mit Haft und Zäunen. So haben die Herrschenden rund 85 Millionen Euro für einen Zaun an der Grenze zur Türkei ausgegeben. Die Bauarbeiten begannen 2014 und dauerten bis im Oktober 2017. Der Zaun erstreckt sie sich über 236 Kilometer. Weitere Einzelheiten zur rassistischen Gewalt und Ungleichbehandlung zwischen Bulgar*innen und (geflüchteten) Migrant*innen gibt es im Länderbericht der NGO Global Detention Project (GDP).
https://www.globaldetentionproject.org/immigration-detention-bulgaria-fewer-migrants-refugees-fences

Trotz Krieg nimmt libysche „Küstenwache“ Push-Back-Arbeit wieder auf
Seit Anfang April rücken die Milizen aus dem Osten Libyens in die Hauptstadt Tripolis vor und nahmen sie unter Beschuss. Inmitten und in der Nähe der Kämpfe sind seither Tausende von Geflüchteten, eingesperrt in Lagern, den Kampfhandlungen ausgesetzt und werde teilweise beschossen. Der Bürgerkrieg verschlimmert die schon katastrophale Situation der Geflüchteten. Verschiedene EU-Staaten kündigten an, Geflüchtete aus den Kampfzonen nach Europa evakuieren zu wollen, Italien hat bereits 146 Geflüchtete aus Libyen nach Rom geflogen. In den letzten Wochen war auch die libysche „Küstenwache“ nicht mehr bereit auszufahren, weil die von der EU finanzierten Schiffe und Soldaten für den Krieg eingesetzt wurden. Seit dieser Woche hat die sogenannte libysche „Küstenwache“ ihre Arbeit als externe Push-Back-Agentur der EU wieder aufgenommen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch fingen sie 98 Boat-people ab und deportierten sie zurück in ein Internierungslager bei Khoms, wie MSF und Mediterranea Saving Humans melden. Seit dem jüngsten Ausbruch der Kämpfe sind laut Schätzungen der UNO bereits über 42’000 Libyer*innen selbst auf der Flucht und Expert*innen warnen, dass im Zuge des Bürgerkriegs in Libyen bis zu 200’000 Menschen versuchen könnten, nach Italien überzusetzen, was angesichts der fehlenden Seenotrettung im Mittelmeer verheerende Folgen für zehntausende von Menschen haben wird.
https://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/video-eskalation-in-libyen-fluechtlinge-im-kreuzfeuer-100.html
https://www.handelsblatt.com/politik/international/gewalt-und-missbrauch-internierungslager-fuer-fluechtlinge-europas-schandfleck-liegt-in-libyen/24269420.html?ticket=ST-39042-FUMDZXAmB5OCe1U4Uaag-ap6
https://derstandard.at/2000102190590/Salvinis-falsche-Zahlenspiele-mit-illegalen-Einwanderern

26. April 2019
Lebensbedingungen für Geflüchtete in Ungarn werden immer schlechter
Orban und seine rechtsradikale ‘Fidesz’ Partei verschlimmern im Angesicht der kommenden Wahl des europäischen Parlaments Ende Mai die Lebensbedingungen der Asylsuchenden in Ungarn noch mehr. Das ‘Hungarian Helsinki Committee’ hat nun bekannt gemacht, dass ungarische Behörden den in sogenannten ‘Transitzonen’ feststeckenden Menschen bis zu 5 Tage die Nahrung verweigert hatten. Asylsuchende, die als «nicht glaubwürdig» eingestuft werden, oder von einem «sicheren Herkunftsland» (Serbien) aus eingereist seien, hätten kein Anspruch auf diesen „Service“. In 13 Fällen haben die ungarischen Autoritäten die dringend benötigte Nahrung erst ausgeteilt, als der europäische Menschenrechtshof eingeschritten ist. Asylsuchende sollen so gezwungen werden, eigenständig nach Serbien zurückzukehren, da Ungarn rechtlich kein Abkommen hat, um Menschen nach Serbien auszuschaffen. In den ungarischen Transitzonen sind auch viele Kindern inhaftiert und Fotografieren ist verboten. Auch die Solidarität gegenüber Geflüchten wird immer stärker kriminalisiert: Eine letzten Sommer eingeführte „Anti-Migration-Steuer“ zwingt NGO’s, die sich für Flüchtende einsetzten, 25% Steuern auf ihre Einnahmen abzugeben.
https://www.theguardian.com/world/2019/apr/26/hungary-denying-food-to-asylum-seekers-say-human-rights-groups

Krieg in Libyen
Vor drei Wochen brachen in der libyschen Hauptstadt Tripolis Kämpfe zwischen der westlibyschen Milizen-Allianz auf Seiten der international anerkannten „Einheitsregierung“ und der mehrheitlich ostlibyschen „Libyschen Nationalarmee“ aus.
Die mehreren tausend Migrant*innen, welche in den libyschen Lagern festsitzen, sind den Kämpfen schutzlos ausgeliefert. Zwar war die Lage in den libyschen Lagern schon immer katastrophal, seit Ausbruch des Konflikts vor drei Wochen hat sich die Situation aber nochmals extrem verschärft. Einige der internierten Migrant*innen berichteten, dass sie von bewaffneten Gruppen dazu gezwungen worden seien, Verteidigungsgräben auszuheben oder Munition zu schleppen. Zudem versuchen die Milizen beider Fronten, Migrant*innen zwangsweise zu rekrutieren.
600 Migrant*innen aus Eritrea, Sudan und Nigeria protestierten am Montag gegen die Zustände im Lager von Qasr bin Ghashir. Seit dem Beginn des Krieges vor drei Wochen waren immer wieder Granaten neben diesem Lager im Süden von Tripolis eingeschlagen. Soldaten beendeten die Proteste und feuerten mit Kalaschnikows in die Menge. Dabei wurden zwei Migrant*innen erschossen und zwölf verletzt.
Da der internationale Flughafen von Tripolis für Passagiermaschinen nur nachts geöffnet ist und schon bombardiert wurde, werden jetzt nur wenige Migrant*innen nach Niger ausgeflogen. Aus den völlig überfüllten Camps entlang der libyschen Küste senden die Insassen immer wieder Fotos und Hilferufe an ihre Verwandten zuhause oder versuchen Hilfe über Freund*innen zu organisieren.
Viele Internierte des Lagers erlitten zuvor Push-Backs im Mittelmeer durch die libysche „Küstenwache“, die von EU-Staaten finanziert, geschult und zum Refoulement angeleitet wird. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass diese ganze katastrophale Lage in Libyen nur besteht, weil die NATO 2011 beschlossen hatte, imperialistisch einzugreifen und die Gaddafi-Regierung wegzubomben.
https://taz.de/Schlacht-um-Libyens-Hauptstadt/!5590760/

22. April 2019
Wegen dem Krieg in Libyen verschlechtert sich die Situation in Internierungslager
Der Krieg in Libyen spitzt sich seit zwei Wochen zu. Der abtrünnige General Chalifa Haftar, dessen Truppen grosse Gebiete im Osten und Süden des Lands kontrollieren, versucht, in der Hauptstadt Tripolis Terrain zu gewinnen. Dort hat die von der UNO ankerkannte Regierung von Fayiz as-Sarradsch ihren Sitz. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben die Gefechte bereits mehr als 18000 Menschen veranlasst, aus der libyschen Hauptstadt zu fliehen. Auch die Zahl der Todesopfer ist erneut angestiegen, momentan spricht die WHO und libysche Spitäler von 174 Toten und mehr als 760 Verletzten. Im Schatten der eskalierenden Kämpfe wächst das Elend der zahlreichen Geflüchteten im Land. Mindestens 6000 Menschen befinden sich derzeit unter menschenunwürdigen Zuständen in Lagern, die von der Einheitsregierung in Tripolis kontrolliert werden, vermutlich Zehntausende weitere in Lagern von den konkurrierenden Milizen. Geflüchtete berichten immer wieder von Vergewaltigung, Folter, Sklaverei und Erpressungen ihrer Familien. Die Lebensbedingungen sind katastrophal und viele sterben in diesen Lagern. Geflüchtete berichteten zudem jüngst gegenüber der britischen Journalistin Sally Hayden, dass sie im Zuge der neuausgebrochenen Kämpfe auch gezwungen worden wären, die Truppen der Einheitsregierung unter Ministerpräsident Fayez al-Sarradsch zu unterstützen.
Was jetzt dringend notwendig wäre, ist einerseits die Evakuierung der durch den Krieg noch stärker gefährdeten Menschen in den Internierungslager und die unmittelbare Öffnung von Fluchtkorridoren über das Mittelmeer. Die Abschottungspolitik der EU, die Zusammenarbeit mit der brutalen «lybischen Küstenwache» – welche sich inzwischen komplett zurückgezogen hat und nicht mehr erreichbar ist – und die Kriminalisierung ziviler Seenotrettung führen dazu, dass momentan wenige bis keine Rettungen durch Marineschiffe oder Rettungsboote im Mittelmeer erfolgen.
Die von der EU geförderte ‘libysche Küstenwache’ hatte im vergangenen Jahr mehr als 15.000 Menschen auf dem Weg nach Europa abgefangen und zurück nach Libyen verschleppt. Sabine Eckart, die Projektkoordinatorin Migration und Westafrika von der deutschen Hilfsorganisation medico international, warnte gegenüber »nd« vor den Folgen neuer Fluchtbewegungen für die instabilen Anrainerstaaten. »Wenn der Weg über das Mittelmeer weiter versperrt bleibt, sind Fluchtbewegungen Richtung Süden und Westen zu erwarten«, erklärte die Expertin. »Und das in einer Situation, in der schon jetzt eine Überforderung der Nachbarländer Libyens festzustellen ist.« Diese seien bereits mit »multiplen Krisen und repressiven Regierungen konfrontiert«.
Anstatt zusätzliches Sterben zu verhindern, fordern rechte Politiker wie der deutsche Johann Wadephul, dass die EU Aussengrenze militärisch noch stärker gesichert werden.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1116833.buergerkrieg-alle-zivilisten-in-libyen-sind-in-akuter-gefahr.html
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1116834.libyen-kein-ende-in-sicht.html
https://www.tagesschau.de/ausland/libyen-tripolis-101.html

30. März 2019
Neue Studie zeigt das Ausmass der Gewalt in den libyschen Lagern
Dass in den libyschen Lagern gefoltert und vergewaltigt wird ist schon länger bekannt. Eine neue Studie der Women’s Refugee Commission (WRC) zeigt jedoch, anhand von Augenzeug*innenenberichten, erstmals das ganze Ausmass der Brutalität auf. Migrant*innen werden systematisch gefoltert, sexuell missbraucht und dabei gefilmt, um die Familien der Gefangenen zu erpressen. Eine Person aus Sierra Leone musste zusehen, wie Mitgefangene, mit denen kein Geld gemacht werden konnte, umgebracht wurden. Viele dieser Vorfälle geschehen in den offiziellen libyschen Haftanstalten, die von der EU mitfinanziert werden. Mit der Neustrukturierung der Sophia-Mission wird nun noch mehr Geld von der EU nach Libyen fliessen und dieses grausame Spiel unterstützen.
https://www.womensrefugeecommission.org/gbv/resources/1689-more-than-one-million-pains-sexual-violence-against-men-and-boys-on-the-central-mediterranean-route-to-italy?utm_source=ECRE+Newsletters&utm_campaign=f77b91b4ae-EMAIL_CAMPAIGN_2019_03_27_11_41&utm_medium=email&utm_term=0_3ec9497afd-f77b91b4ae-422328393

22. März 2019
EU-finanzierte Mangelernährung und Entrechtung in Libyen und Marroko
Zwei Berichte dokumentieren die Notlagen von Geflüchteten in Nordafrika. Ärzte ohne Grenzen besuchte ein Internierungslager der libyschen Bürgerkriegspartei, die von der EU unterstützt wird. Dort werden derzeit mehr als 300 Menschen willkürlich festgehalten, darunter mehr als 100 Kinder und Jugendliche. Fast ein Viertel der Migrant*innen im Internierungslager Sabaa in Tripolis sind akut mangelernährt oder untergewichtig. Die inhaftierten Menschen, die mit europäischen Geldern in das Bürgerkriegsland zurückgezwungen wurden, berichten, sie bekämen oft tagelang kein Essen. Einige der Gefangenen waren in einem kleinen Raum zusammengepfercht worden, in dem jede Person weniger als einen Quadratmeter Platz hatte. Die Menschen konnten sich nicht einmal hinlegen und es hatte keine Toiletten.

Auch in Marrokko nimmt die Repression gegen (flüchtende) Migrant*innen pausenlos zu. Gemäss einem Bericht der Association marocaine des droits humains (AMDH) wurden dieses Jahr im Hassani-Spital in Nador 244 Leichen von Migrant*innen gezählt. Im Vorjahr waren es deren 14. Verteilt auf 15 Zeltstädte leben in Nador 2000-3000 Migrant*innen. Die Zeltstädte werden regelmässig angegriffen. Letztes Jahr zählte die NGO 340 Angriffe durch Spezialeinheiten der Polizei. 2017 waren es 92, 2016 waren es 90 und 2015 waren es 41 Angriffe dieser Art. Bei den Angriffen werden die Menschen gefilzt und die Handys beschlagnahmt. Dann werden sie in Handschellen gefesselt, verhaftet und in entfernte Gegenden wie Errachidia, Benguerir, Tiznit oder an die algerische Grenze verschleppt. Letztes Jahr traf dieses Schicksal laut der AMDH 9100 Personen. 

16. Februar 2019
150 Menschen zurück in die Hölle der libyschen Lager gebracht
Auch ohne die Präsenz von NGO-Rettungsbooten vor der libyschen Küste versuchen Migrant*innen, der libyschen Hölle zu entkommen und sich nach Europa zu retten. Das Alarmphone erreichte am Sonntag (10.02.2019) einen Notruf von einem Schlauchboot mit 150 Menschen, darunter 30 Kindern an Bord. Das Boot habe vor der libyschen Küste einen Motorschaden erlitten. Darauf hin wurden sofort die maltesischen und italienischen Seenotrettungsbehörden alarmiert, die jedoch jegliche Zuständigkeit ablehnten. Italiens Innenminister Matteo Salvini bekräftigte nochmals, dass Italiens Häfen für NGO-Schiffe geschlossen blieben. «Nach Italien gelangt man mit Aufenthaltsgenehmigung, nicht auf Schiffen, oder Schlauchbooten», so Salvini. Schliesslich wurden alle 150 Personen mit einem libyschen Patrouillenboot zurück in die Hölle der libyschen Lager gebracht. Europäische Abschottung tötet!
https://ffm-online.org/new-crisis-looms-as-150-people-drift-at-sea-in-the-central-mediterranean/
https://www.nzz.ch/international/etwa-150-migranten-auf-einem-boot-vor-libyen-in-seenot-ld.1459114


9. Februar 2019
Katastrophe in Libyen
Am vergangenen Samstag sind es 2 Jahre her, seit Italien, mit Rückendeckung der EU, den dreckigen Deal mit libyschen “Küstenwache” eingegangen ist, dass diese Menschen im Mittelmeer abfängt und zurück nach Libyen bringt. Dieser Deal ist eine von der europäischen Politik verschuldete humanitäre Katastrophe, denn Libyen ist defakto ein Kriegsgebiet, kontrolliert und umkämpft von verschiedenen Milizen. Geflüchtete werden in Gefängnisse eingesperrt, teils über ein Jahr, bekommen keine medizinische Hilfe und müssen oft tagelang ohne Nahrung ausharren. Viele der Geflüchteten berichten davon, unter Folter um Lösegeld erpresst worden zu sein, oder auch für die Milizen kämpfen zu müssen. Die UNHCR haben zwar angekündigt, dieses Jahr 2500 Geflüchtete aus dem Gebiet zu evakuieren und auch die kanadische Regierung versprach, 750 Geflüchtete aus Libyen aufzunehmen, aber angesichts dessen, dass allein letztes Jahr (2018) 15’000 Menschen aus dem Mittelmeer zurück nach Libyen gebracht wurden, sind solche Versprechen ein trauriger Tropfen auf den heissen Stein.
https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/feb/05/eu-deal-libya-refugees-libyan-detention-centres
https://www.tagesschau.de/ausland/kanada-libyen-fluechtlinge-101.html

Frontex patrouilliert fortan verstärkt in Montenegro
Mevludin Nuhodžić, der Innenminister von Montenegro und Dimitris Avramopoulos, der EU-Kommissar für Migration und Inneres, einigten sich diese Woche über ein neues Abkommen. Dieses verstärkt die Zusammenarbeit zwischen Montenegro und der europäischen Grenz- und Küstenschutzagentur Frontex. Die Frontex erhält mehr Macht, um im Staatsgebiet von Montenegro aktiv zu werden und darf mit mehr Einsatzkräften vor Ort präsent sein. Nach Albanien (Oktober 2018), Mazedonien (Juli 2018), Serbien (September 2018) und Bosnien und Herzegowina (Januar 2019) handelt es sich um das fünfte Grenzgewaltabkommen mit einem westlichen Balkanstaat.
http://europa.eu/rapid/press-release_IP-19-851_en.htm?utm_source=ECRE+Newsletters&utm_campaign=ad23e4c1d8-EMAIL_CAMPAIGN_2019_02_06_01_00&utm_medium=email&utm_term=0_3ec9497afd-ad23e4c1d8-422315889
http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-6004_en.htm
http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-4567_en.htm
http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-5835_en.htm
https://ec.europa.eu/home-affairs/news/european-border-coast-guard-agreement-operational-cooperation-reached-bosnia-herzegovina_en

30. Dezember 2018
Europa leistet sich ein teures Abschottungsregime
Um illegalisierte Migration zu bekämpfen, fliessen 2,4 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt und dem Europäischen Entwicklungsfonds an den EU-Treuhandfonds für Afrika. Dieses Geld erhalten hauptsächlich Staaten wie Niger, Marokko oder Libyen, weil sie bei der Abschottung aktiv mitmachen, indem sie mit brutalsten Mitteln Menschen an ihrer Reise Richtung Europa hindern. Zudem sollen künftig auch die Ausgaben für die Grenzgewalt an der EU-Aussengrenze von aktuell 13 auf fast 35 Milliarden Euro verdreifacht werden. Allein die gemeinsame Grenzschutz-Agentur EBCA, früher Frontex, soll ihren Personalbestand zwischen 2021 und 2027 von tausend auf 10.000 Grenzbeamt*innen verzehnfachen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1108885.festung-europa-der-preis-der-abschottung.html