27.03.20
Kopf der Woche
Götz Kubitschek
Das Institut für Staatspolitik (IfS) wurde letzte Woche vom Verfassungsschutz in Deutschland zum rechtsextremen Verdachtsfall erklärt. Götz Kubitschek hatte jenes vor 20 Jahren gegründet. Es ist auf einem Rittergut in Schnellroda, Sachsen-Anhalt, ansässig. Von dort aus gibt er u.a. die Zeitschrift Sezession heraus, in der er gerne Autor*innen aus der Identitären Bewegung zu Wort kommen lässt. Kubitschek ist ausserdem Vertrauter von AfDs Björn Höcke und dessen völkischem Gedankengut. Und ein Kopf kommt selten allein oder der Kopf fällt nicht weit vom Kopf – so veröffentlichte er tatsächlich den Nachruf auf unseren letzten Kopf der Woche Armin Mohler, sowie eine sogenannte ‚politische Biographie‘ über ihn. Ach ja, nun darf der Verfassungsschutz also Telefonate abhören und V-Personen einschleusen. Hoffen wir mal, dass sie nicht wieder helfen, rechte Strukturen aufzubauen und aktiv mitzugestalten, wie sie es beim NSU taten.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/rechtsextremismus-goetz-kubitscheks-institut-fuer-staatspolitik-wird-zum-verdachtsfall-a-a099e200-d1b6-4b9c-a36c-87e6419e0e31
16.03.20
Unglaubliche Erkenntnis des deutschen Verfassungsschutzes: Der „Flügel ist rechtsextrem“
Wegen „erwiesen extremistischen Bestrebungen“ wird der faschistischste „Flügel“ der AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz zum „Beobachtungsfall“ erklärt. Der Entscheid war längst überfällig. Der Verfassungsschutz wird – wie bereits zuvor – vor allem die öffentlich zugänglichen Informationen aus Tweets, Reden, Zeitungen usw. mitlesen. Neu darf er nun aber auch offiziell verdeckte Ermittlungen durchführen und zu ausgewählten Personen Akten anlegen. Neu werden sich wohl auch mehr staatliche Vorgesetzte beim Verfassungsschutz melden, um sich über Angestellte zu erkundigen, die potenziell beim Flügel aktiv sind. In Deutschland schreibt das Gesetz vor, dass Vorgesetzte im öffentlichen Dienst „Verfassungsfeinde“ entlassen müssen. Mit etwa 7000 Sympathisant*innen ist der Flügel eine starke Kraft innerhalb der AfD. In verschiedenen Bundesländern hat die AfD genau wegen „dem Flügel“ und seinen Figuren wie Björn Höcke Wähler*innenanteile gewonnen. Auffällig ist, dass der Verfassungsschutz sich dagegen entschieden hat, die gesamte AfD ins Visier zu nehmen, um sie gesamthaft zu schwächen, zu durchleuchten und öffentlich als faschistisch und rassistisch zu entlarven. Ebenfalls ins Visier des Verfassungsschutzes gerät die Zeitschrift „Compact“. „Das Magazin bedient sich revisionistischer, verschwörungstheoretischer und fremdenfeindlicher Motive“, schreibt der Verfassungsschutz und stuft „Compact“ als Verdachtsfall ein.
https://taz.de/Entscheidung-des-Verfassungsschutzes/!5671396/
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/das-magazin-das-jetzt-auch-der-verfassungsschutz-liest-a-2dd9ac07-47bc-4461-9962-b9078274b925
https://www.nzz.ch/international/deutscher-inlandsgeheimdienst-beobachtet-fluegel-der-afd-ld.1545969?kid=_2020-3-12&trco=&mktcid=nled&mktcval=167_2020-03-12&reduced=true
Erster Juni 2019
Rechtsextremer Rutsch im Europaparlament
Anlässlich der Europawahlen erzielten die rassistischen Parteien grosse Siege. Am eindeutigsten setzten sich die rechtsradikalen Parteien in Frankreich und Italien durch. Die italienische Lega unter der Leitung von Innenminister Matteo Salvini erzielte mit 34,27% der Stimmen den ersten Platz, gegenüber 6,15% im Jahr 2014. In Belgien stieg der Wähler*innenanteil des Vlaams Belang auf 11,45%. In Spanien hat die vor sechs Jahren gegründete Gruppe Vox ihren Anteil von 1,57% im Jahr 2014 auf 6,2% fast vervierfacht. In Deutschland punktete die AfD mit 11% besser als 2014, als sie 7,1% der Stimmen erhielt. Einzig in Österreich, das wenige Tage vor der Wahl von einem Skandal heimgesucht wurde, verliert die Freiheitliche Partei Österreichs einen gewählten Vertreter.
Mehr Infos bezüglich Italien: https://antira.org/2019/05/31/drei-fragen-zu-den-eu-wahlergebnissen-in-italien/#more-4614
https://www.tagesschau.de/ausland/europawahl-italien-101.html
https://www.srf.ch/sendungen/tagesgespraech/christian-fuchs-die-neue-rechte-hat-sich-in-europa-etabliert
26. Mai 2019
Aufmarsch der Ultrarechten in Mailand
In Mailand haben sich eine Woche vor den EU-Wahlen Vertreter*innen ultrarechter Parteien aus zwölf Ländern versammelt, unter ihnen die Chefin des französischen »Rassemblement National«, Marine Le Pen, Jörg Meuthen von der AfD und Geert Wilders, der Vorsitzende der niederländischen »Partij voor de Vrijheid«.
Die Rechten verkündeten, mit einer »europaweiten Allianz« die EU in eine »Festung Europa« verwandeln zu wollen. Sie erwarten bei der am Donnerstag beginnenden EU-Wahl ein Ergebnis, mit dem Salvini die bisher auf drei verschiedene, bedeutungslose Gruppen verteilten Ultrarechten zur zweitgrößten Fraktion zusammenschließen kann, um so die Sozialdemokrat*innen und Liberalen als Partner der Christdemokrat*innen abzulösen.
Salvini verkündete, den Kontinent von der »illegalen Besatzung« durch Brüssel befreien zu wollen und bekräftigte seinen migrant*innenfeindlichen Kurs. Le Pen nannte das Treffen der Ultrarechten einen Augenblick, »auf den wir lange gewartet haben und der jetzt unter dem Himmel Italiens wahr wird«. Wilders schleimte, Europa brauche »mehr Salvinis«, die »harte Linie gegen Migranten« sei beispielhaft. Tausende Antifaschist*innen protestierten gegen den Aufmarsch der Rechten.
https://www.jungewelt.de/artikel/355188.mailand-aufmarsch-in-mailand.html
https://www.derbund.ch/ausland/europa/salvini-gibt-den-chef-der-schwarzen-internationalen/story/31501892
Die Österreichische Fascho-Kalition aus FPÖ und ÖVP bricht auseinander
Auslöser der Krise ist ein Skandalvideo, das den bisherigen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zeigt, wie er vor der Wahl von 2017 auf Ibiza einer vermeintlichen russischen Oligarchin Staatsaufträge für Wahlkampfhilfe in Aussicht stellte. Auch werden darin möglicherweise illegale Parteispenden an die FPÖ thematisiert. Strache nennt freimütig die Gönner*innen der FPÖ: einen Waffenhändler, die Erbin eines aus Arisierungen zusammengeraubten Milliardenvermögens, einen Immobilienspekulanten und einen Glückspielkonzern. Strache ist inzwischen als Vize-Kanzler und FPÖ-Parteichef zurückgetreten. Es folgte eine Kettenreaktion, an deren Ende die ÖVP-FPÖ-Koalition platzte. Sämtliche FPÖ-Regierungsmitglieder sind zurückgetreten und von Kurz durch „Expert*innen“ ersetzt worden. Nun will die FPÖ Kurz mittels Misstrauensvotum ebefalls von seiner Position stossen. Erstaunlich ist das ja alles nicht: Es sind rechte Parteien, denen es nur ums Geschäftemachen geht und die Hetze gegen Migrant*innen benutzen, um politisch an Einfluss zu gewinnen um so diese Geschäfte umzusetzen. Es ist auch gut möglich, dass dieser „Skandal“ der FPÖ langfristig gar nicht so schadet, denn ihrer Wähler*innenbasis sollte gerade in Österreich klar sein, dass die rechte politische Elite Freude an solchen Geschäften hat.
https://taz.de/Regierungskrise-in-Oesterreich/!5597328/
https://www.woz.ch/1921/ibiza-gate/freude-grosse-erleichterung-und-ein-bitterer-beigeschmack
3. Mai 2019
Österreichs FPÖ in der Rechtssucht
Österreichs Vizekanzler und Chef der Freiheitlichen Partei FPÖ Heinz-Christian Strache betreibt mit dem Nazi-Kampfbegriff «Bevölkerungsaustausch» Wahlkampf. Er greift damit eine zentrale These der Faschist*innen auf, wonach es «rassisch reine» Völker gebe, die nicht vermischt werden dürften. Zuvor hatte vor Ostern ein FPÖ-Vizebürgermeister in einer lokalzeitung des Hitler-Geburtsorts Braunau ein rassistisches Gedicht veröffentlicht. Darin verglich er Migrant*innen mit Ratten und beschrieb sie als „Nagetiere mit Kanalisationshintergrund“. Die Metapher hatten die Nationalsozialisten einst auf Juden angewandt.
Diese ideologischen Aussagen zeigen, wie fest sich die rassistischen und faschisten Käfte sicher sind, dass sie mit ihrer Meinung die Menschen bewegen können. Ein Teil der Kraft dieser Bewegung stammt von Ängsten. Gemäss einer OECD-Umfrage haben 50% der Österreicher*innen Angst vor Kriminalität. Das sind fast so viel wie in Mexiko. Erst weit abgeschlagen kam die Furcht vor Altersarmut und dem Verlust des Arbeitsplatzes. Auf diese Ängste antwortet FPÖ nicht ausschliesslich mit rassistischem Blabla, sondern auch mit konkreter Aufrüstung. Seit dem Amtsantritt des FPÖ-Innenministers Herbert Kickl im Dezember 2017 wurde die Polizei mit verschiedenen neuen Waffen und mehr Personal ausgestattet sowie mit neuen Einheiten – wie der Grenzschutzeinheit Puma. Zudem wurden die Anforderungen für die Einstellung in den Polizeidienst gesenkt. Auch kennt der Securitas Markt in Österreich einen riesigen Boom. Rassistische und faschistische Kreise wollen dort Fuss zu fassen, indem sie sich anstellen lassen, versuchen eigene Sicherheitsunternehmen zu betreiben oder Bürger*innenwehre aufstellen.
https://www.nzz.ch/international/oesterreich-fpoe-skandale-belasten-regierung-ld.1478565?mktcid=nled&mktcval=102&kid=_2019-5-1
https://jungle.world/artikel/2019/16/die-fpoe-ruestet-auf
2. Februar 2019
Krieg gegen Geflüchtete: Mittelmeer
Seit Anfang Januar verhindert die spanische Regierung das Auslaufen von NGO-Seenot-Rettungsschiffen mit fadenscheinigen Argumenten. In Barcelona ist die „Open Arms“ blockiert und im Baskenland die „Aita Mari“. Bei beiden Schiffen begründet die Regierung die Blockade damit, die Schiffe seien ungeeignet, bzw nur für 20 Personen zugelassen.
Die Blockade gehört zum Teil eines neuen Regierungsplanes, der vorsieht, die Seenotrettung im westlichen Mittelmeer ganz abzuschaffen. Die spanische Regierung plant nämlich den Abzug des Salvamento Marítimo, um die Fluchtpassage von Marokko und Algerien nach Spanien einzuschränken. Die Schiffe und Hubschrauber der Seenotrettung sollen nicht mehr proaktiv das Seegebiet patrouillieren, sondern nur noch in dokumentierten Notfällen zur Rettung auslaufen. Aus diesem Grund haben es die spanischen Behörden wohl auch unterlassen, die Radarsysteme der Seenotrettungs-Flugzeuge zu reparieren. Ohne diese Radars ist das Aufspüren von Booten in Seenot praktisch unmöglich. Die NGO-Rettungsschiffe sollen nach Regierungsplan stillgelegt werden. Die Taktik der spanischen Regierung ist es, die Menschen ertrinken zu lassen und darauf zu hoffen, dass weniger Leute über Spanien migrieren. „Open Arms“ hat auf Twitter einen Zähler eingerichtet. Dort ist zu lesen, dass seit der Blockade knapp 250 Menschen ertrunken seien.
Ähnliche menschenverachtende Pläne hat die italienische Regierung, sie will NGO-Seenotrettungsschiffe verbieten. Die italienischen Hafenbehörden setzen die faschistische Politik von Innenminister Matteo Salvini bereits konsequent durch: Kein*e Migrant*in darf italienischen Boden betreten, solange nicht geklärt ist, welches EU-Land die betreffende Person aufnimmt. So liegt vor der italienischen Küste bei Syrakus das Rettungsschiff „Sea Watch 3“ mit 47 Geretteten und wartet darauf, anlegen zu dürfen. Da das Warten auf einen Anlegeplatz die maximale Zeit eines Polizeigewahrsams überschritten hat und das Schiff immer noch unter menschenunwürdigen Umständen vom Anlanden ferngehalten wird, bereiten italienische Staatsanwält*innen eine Klage gegen Salvini vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof vor. Trotz des von Salvini staatlich angeordneten Verbots gelang es einer Gruppe von Parlamentarier*innen, Ärzt*innen und Rechtsanwält*innen an Bord zu gelangen und Folter-Gründe der Geflüchteten, sowie den zunehmend lamentablen Zustand an Bord des blockierten Schiffs zu dokumentieren. Ebenso ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen unterlassener Hilfeleistung, da die italienische Küstenwache am 19.1.19 117 Menschen hatte ertrinken lassen. Eine Rettung wäre möglich gewesen, da die Notlage frühzeitig gemeldet wurde. Die italienische Küstenwache reagierte aber erst als es bereits zu spät war (s. antira-Wochenschau vom 26. Januar 2019)
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110933.open-arms-open-arms-von-madrid-festgehalten.html
https://ffm-online.org/spanien-plant-abzug-der-seenotrettung-im-westlichen-mittelmeer/
https://ffm-online.org/sea-watch-salvini-vor-dem-europaeischen-menschenrechtsgerichtshof-egmr/
https://ffm-online.org/117-tote-staatsanwaltschaften-ermitteln-wegen-behoerdlicher-unterlassener-hilfeleistung/
27. Januar 2019
Rom schliesst erstes Lager für Geflüchtete
Trotz heftigen Protesten seitens der Anwohner*innen hat Italiens Regierung diese Woche mit der Deportation von (geflüchteten) Migrant*innen aus dem Lager bei Castelnuovo di Porto begonnen. Als Gründe werden Probleme mit Drogenkriminalität und Sexarbeit in den Vororten vorgeschoben. Probleme, die auf die günstigen strukturellen Bedingungen auf Autobahnraststätten zurückzuführen sind und seit jeher existieren. Doch sagt der in Uniform erscheinende Salvini im gleichen Interview, dass sich durch die Schliessung aller grossen Lager und einer Deportation in kleinere bis zu acht Millionen Euro sparen liessen.
Die Zukunft der 500 Betroffenen ist ungewiss, da nur die Minderheit über einen sogenannten „offiziell anerkannten Status“ verfügt und ohne Rücksicht auf laufende Ausbildungen und soziale Beziehungen in den Gemeinden auf andere Lager umverteilt wird. Noch schlimmer trifft es die Mehrheit der Geflüchteten, welche nur über eine „humanitäre Aufenthaltsbewilligung“ verfügt und die, gelinde gesagt, sich selbst und der Obdachlosigkeit überlassen werden. Massnahmen, welche die Lebensbedingungen der Betroffenen erschweren und sie gezielt in die Kriminalität abdrängen sollenn. Ganz nach dem Willen Salvinis.
https://www.nzz.ch/international/italien-salvini-produziert-obdachlose-ld.1454268
https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=f58e6cd4-902f-4ece-b18c-7586a7b3fdfe
Deutschland weiter auf Abschottungskurs
Die deutsche Regierung lässt keine Möglichkeit ungenutzt, sich noch stärker gegenüber Geflüchteten abzuschotten. Einerseits will sie sich aus der EU-Mission Sophia im Mittelmeer zurückziehen. Die deutsche Marine wird nach Ablauf des Mandats Anfang Februar 2019 kein neues Schiff zur EU-Mission vor der libyschen Küste schicken, sondern sich statt dessen lieber an Nato-Manövern in der Nordsee beteiligen. Obwohl die Sophia-Mission grundsätzlich zum Ziel hat, gegen „Schlepperbanden“ vorzugehen, den Mittelmeerraum zu überwachen und die libysche „Küstenwache“ auszubilden, wäre deren Wegfall trotzdem nicht nur positiv zu beurteilen. Denn im internationalen Seerecht ist die Pflicht zur Seenotrettung festgehalten, was auch für die Sophia-Mission gilt. Da die Seenotrettung im Mittelmeer momentan sozusagen inexistent ist (unter anderem aufgrund der Kriminalisierung ziviler Seenotrettung), wurde die Sophia-Mission zu einer wichtigen Rettungsakteurin. Allein seit 2014 hat sie 42.000 Personen aus Seenot gerettet. Wenn also die Mission Sophia nicht durch eine zivile Mission ersetzt wird (was natürlich zu begrüssen wäre), wird ihre Wegfall zu nur noch mehr Toten im Mittelmeer führen.
Zudem versucht die deutsche Regierung momentan mit aller Kraft, Geflüchtete abzuschieben. Dabei scheut sie auch nicht davor zurück, Menschen nach Afghanistan abzuschieben (siehe antira-Wochenschau vom 12. Januar 2019: https://antira.org/2019/01/12/allahu-akbar-abschiebung-nach-afghanistan-ueberschwemmungen-in-camps/). Zudem schiebt Deutschland so viele Menschen in andere EU-Staaten ab wie nie zuvor. Von Januar bis Ende November 2018 wurden 8658 Menschen unter Andwendung der Dublin-Verordnung in andere EU-Staaten abgeschoben. Hauptzielland der innereuropäischen Abschiebungen war Italien: Dorthin wurde fast jede*r Dritte gebracht. Nebst der unsäglichen Praxis, Menschen wie Waren zwischen unterschiedlichen Orten hin –und herzuschieben, erscheint gerade eine Abschiebung nach Italien mehr als problematisch. Wir berichteten vor einigen Wochen über die brutalen Auswirkungen des neuen „Sicherheitsdekrets“ von Salvini (antira-Wochenschau vom 15. Dezember: https://antira.org/2018/12/15/antira-wochenschau-nutella-banane-karin-keller-sutter/)
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-01/eu-mittelmeermission-sophia-deutsche-beteiligung-gestoppt
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-deutschland-schiebt-so-viel-in-andere-eu-staaten-ab-wie-nie-zuvor-1.4295346
12. Januar 2019
Rechtsaussenparteien bereiten sich auf die EU-Parlamentswahlen vor
Im Mai finden in der EU Parlamentswahlen statt. Damit es noch brauner wird in Europa, wollen sich die Rechtsaussenparteien verschiedener Länder vereinen. Der italienische Innenminister und Lega Chef Salvini reiste diese Woche deshalb nach Polen und propagierte eine neue Achse zwischen Rom und Warschau, wo die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) regiert. Salvini möchte die PiS überzeugen, dem bestehenden Bündnis, der ‚Lega Nord‘, der ‚Freiheitlichen in Österreich‘ (FPÖ) und dem ‚Rassemblement national‘ von Marine Le Pen beizutreten.
Derzeit sind die Rechten im europäischen Parlament auf drei Fraktionen verteilt. Neben Salvinis ‚Formation Europa der Nationen und der Freiheit‘ organisieren sich andere in der ‚Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten‘ oder in der ‚Gruppe Europa der Freiheit und der direkten Demokratie‘. Zu dieser zählen z.B. die ‚Cinque Stelle‘ und die ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD). Wenn es ihnen gelingt, ihre Zersplitterung durch eine gemeinsamen Fraktion zu überwinden, könnten diese Parteien über 150 Sitze erlangen und zur zweitstärksten Kraft aufsteigen, noch vor den Sozialdemokrat*innen.
https://www.nzz.ch/international/salvini-wirbt-fuer-einen-populistischen-fruehling-ld.1450138?mktcid=nled&mktcval=102&kid=_2019-1-10
https://www.politico.eu/2019-european-elections/
Bolsonaro raus!
Letzte Woche berichteten wir bereits über die faschistischen Tendenzen des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.
Diesen vergangenen Mittwoch trat die brasilianische Regierung unter Bolsonaro aus dem UN Migrationspakt aus. Da der UN-Pakt nicht rechtlich bindend ist, wird der Austritt wohl wenig unmittelbare Konsequenzen haben. Jedoch ist der Austritt als klares Signal zu verstehen, welches zeigt, dass die brasilianische Regierung, mit dem Rechtsrutsch unter Bolsonaro, einen härteren Kurs fahren wird, auch in Bezug auf die bisher eher offene Immigrationspraxis.
https://www.nytimes.com/2019/01/09/world/americas/bolsonaro-brazil-migration-accord.html?utm_source=ECRE+Newsletters&utm_campaign=983f177a76-EMAIL_CAMPAIGN_2019_01_10_12_32&utm_medium=email&utm_term=0_3ec9497afd-983f177a76-422315889
6. Januar 2019
Faschismus in Brasilien: Bolsonaro ist Präsident
Am Dienstag (1.1.19) hat Jair Messias Bolsonaro in Brasilien offiziel das Amt als Präsident übernommen. Er gewann die Wahlen insbesondere dank dem Versprechen, hart gegen die Korruption und Kriminalität vorzugehen, was vor allem die frustrierte Mittelschicht im wirtschaftlich angeschlagenen Brasilien ansprach. Bolsonoro erregte aber auch weltweites Aufsehen für sein provozierendes und kontroverses Auftreten, sowie seinen rassistischen, homophoben und frauenfeindlichen Äusserungen und dem Ankünden von gewaltvoller Repression. Sein diskriminierendes Gehabe ist aber alles andere als ein Buhlen nach medialer Aufmerksamkeit. Minderheiten, Frauen, PoC, LGBTI, und Indigene fürchten in Brasilien nun um ihre Rechte und auch um ihr Leben. Insbesondere Organisationen, die sich für die Rechte und das Leben indigener und isolierter Gemeinschaften (uncontacted tribes) einsetzen, haben Angst vor einem erneuten Genozid. Denn Bolsonaro hat während den Wahlen mehr als deutlich gemacht, dass er nichts von den Landrechten der Indigenen hält. So sagte er: „Es gibt kein indigenes Land, in denen es nicht auch Erz-Vorkommen gibt. Auf diesem Land gibt es Gold, Zinn und Magnesium, besonders im Amazonas, die reichste Region der Welt. Ich werde mich nicht auf diesen Unsinn einlassen, Land für Indianer zu verteidigen.“ Diese ultrakapitalistische Aussage ist besonders schwerwiegend, da Bolsonaro auch schon bedauerte, dass die verschiedenen indigenen Gemeinschaften Brasiliens nicht bereits „ausgerottet“ wurden: „Es ist schade, dass die brasilianische Kavallerie nicht so effizient gewesen war wie die Amerikaner, welche die Indianer ausgerottet haben.“ Seine insgesamt rassistische Haltung fasste er so zusammen: „Minderheiten müssen sich der Mehrheit unterordnen, entweder sie passen sich an, oder verschwinden.“ Mit solchen und anderen ähnlich widerlichen Äusserungen hat Bolsonaro mit seinem Amtsantritt eine neue Ära des Faschismus in Brasilien eingeläutet, nicht einmal 35 Jahre nach Ende der letzten Militärdiktatur Brasiliens, die der ehemalige Offizier so beurteilte: „Der Fehler der Diktatur war, dass sie folterte anstatt zu töten.“
https://sozialismus.ch/artikel/2018/brasilien-ist-bolsonaro-ein-neofaschist/
https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/oct/31/jair-bolsonaro-brazil-indigenous-tribes-mining-logging
https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/dec/31/tribes-brazil-genocide-jair-bolsonaro
http://time.com/5433379/brazil-bolsonaro-policies/
https://www.reuters.com/article/us-brazil-politics-bolsonaro-factbox/factbox-far-right-brazilian-candidate-thrives-on-controversy-idUSKCN1II2T3
30. Dezember 2018
Italien entzieht zehntausenden Menschen die Aufenthaltsbewilligung und setzt sie auf die Strasse
Im November stimmte Italiens Regierung dem neuen „Sicherheitsgesetz“ von Innenminister Salvini zu, wodurch das Asylrecht deutlich verschärft wurde. Der Schutz aus humanitären Gründen wurde beispielsweise gänzlich abgeschafft. Dies ist jene Kategorie, in der die meisten Geflüchteten eine Aufenthaltsbewilligung erhielten – im ersten Halbjahr 2018 waren es 28% aller Personen, welche in Italien einen Asylantrag stellten. Durch den Wegfall des humanitären Schutzes werden in Zukunft statt 40 nur noch ca. 10 Prozent der Asylsuchenden einen positiven Entscheid erhalten. Das neue Gesetz gilt nicht nur für zukünftige Asylanträge, sondern betrifft auch Menschen, welche momentan unter dem humanitären Schutz in Italien leben, da diese Aufenthaltsbewilligung alle zwei Jahre erneuert werden muss. Faktisch wird nun also innerhalb der nächsten zwei Jahren ein Grossteil der Geflüchteten in Italien ihr Aufenthaltsrecht verlieren.
Letzte Woche zeigten sich nun die ersten Auswirkungen des neuen „Sicherheitsgesetzes“: Etwa 39.000 Menschen wurden aus den »Aufnahmezentren« vertrieben und auf die Strasse gesetzt. Darunter befinden sich Familien mit Kleinkindern, kranke, z.B. traumatisierte, Menschen. Die Gemeinden wurden angewiesen, Geflüchtete unverzüglich aus den Unterkünften auszuweisen und für sie auch keine Kosten mehr zu übernehmen. Wer nicht bei Bekannten Unterschlupf findet oder genügend Geld hat, sich eine Wohnung zu mieten, wird nun den Winter in Italiens Strassen überleben müssen.
https://www.nzz.ch/international/italien-verschaerft-sein-asylrecht-ld.1422862
https://www.jungewelt.de/artikel/346094.repression-gegen-fl%C3%BCchtlinge-heuchelei-der-regierung.html
15. Dezember 2018
Abschiebungen: Sicherheitsdekret treibt abgewiesene Personen in Italien in die Obdachlosigkeit
Das kürzlich vom italienischen Parlament verabschiedete und von Präsident Matarella formell bestätigte ‚Decreto sicurezza‘ hebt den humanitären Schutz für Geflüchtete auf, die keinen Flüchtlingsstatus haben. Dies hat zur Folge, dass Dutzende von Migrant*innen die sog. ‚Willkommenszentren‘ verlassen müssen und seitdem auf der Straße leben. In Crotone, einer Provinz in der Region Südkalabrien wurden am vergangenen Freitag 24 Menschen gezwungen, ein Zentrum in der Stadt Isola Capo Rizzuto zu verlassen; unter ihnen eine Familie mit einem fünf Monate alten Baby. Bewohner*innen des Ortes unterstützen die Geflüchteten mit einem Fackelzug unter dem Motto ‚Crotone bleibt menschlich‘. Unter diesen Umständen sind Dublin-Rückschaffungen nach Italien sofort zu stoppen. Dies fordern sogar die schweizerische Flüchtlingshilfe und das danish Refugee Council in ihrem gemeinsamen Monitoring-Bericht.
https://ffm-online.org/italien-sicherheitsdekret-treibt-gefluechtete-ohne-status-in-die-obdachlosigkeit/
https://www.fluechtlingshilfe.ch/medien/medienmitteilungen/2018/die-schweiz-muss-ihre-dublin-praxis-aendern.html
13. Juli 2018
Noch mehr Schiffsblockaden in Italien
Salvini will nach der Hafensperrung für private Rettungsboote nun auch (italienischen) Küstenwachschiffen das Anliegen verbieten, wenn diese Flüchtende an Bord haben. Das führte diese Woche erneut dazu, dass ein Schiff mit 67 Migrant*innen tagelang auf See blockiert wurde. Salvini verlangte, dass die Menschen das Schiff erst verlassen dürfen, wenn alle Personalien festgestellt sind. Dies ging selbst dem Präsidenten Mattarella zu weit, der die Blockade am Donnerstag auflöste. Salvini droht den Flüchtenden weiterhin mit rechtsradikaler Rhetorik.
https://www.n-tv.de/politik/Praesident-laesst-Migranten-in-Italien-anlanden-article20528093.html
22. Juni 2018
Die Herrschenden Europas sind sich aktuell über das Asyl- und Grenzregime uneinig
Nächste Woche steht am Mittwoch ein informelles Gipfeltreffen an. Am Sonntag ist dann der grosse EU-Asylgipfel. Worüber wird diskutiert? Salvini, der italienische Innenminister, hat für Seenotrettungsschiffe und hunderte gerettete flüchtende Personen die Häfen geschlossen. Er setzt damit die EU unter Druck, das Dublin-Abkommen auszuhebeln, Er will, dass Geflüchtete nicht in Italien bleiben sondern in andere Staaten weiterreisen. Der französische Präsident Macron, Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, sowie der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz fordern Lager an den Aussengrenzen der Festung Europas. Ziel dieser Lager ist es, Asylanträge zu behandeln bzw. abzuweisen, bevor eine Person überhaupt nach Europa gelangt. Kräfte rund um Merkel setzen eher auf eine stärkere Unterbindung der Weiterreise von Asylsuchenden zwischen EU-Staaten, und verteidigen das Dublin-System. Dafür wird sie in Deutschland von Innenminister Seehofer direkt in Frage gestellt. Auch er tendiert auf noch stärkere Abschottung mit Lager vor den Aussengrenzen.
28. Juni 2018
EU-Gipfel, 3 gruusige Szenarien: Im Zuge der Vorbereitungen des EU-Migrationsgipfels werden momentan mehrere menschenverachtende Strategien besprochen, wie geflüchtete Menschen in Zukunft noch effektiver von der Festung Europa ferngehalten werden sollen:
- wird der Vorschlag diskutiert, geflüchtete Menschen bereits im Mittelmeer abzufangen. Sie sollen in Lager in nordafrikanische Länder zurück gebracht werden, in denen entschieden wird, wer Anrecht auf Schutz und Bewegungsfreiheit hat und wer nicht. Setzt sich dieser Vorschlag, welcher die UNHCR gerade ausarbeitet, durch, würde Europa keine Seerettungen mehr durchführen, da der Europäische Gerichtshof 2012 entschied, dass gerettete Menschen ein Anrecht auf ein Asylverfahren nur in demjenigen Land haben, von welchem sie aufgegriffen wurden.
- Szenario stammt von Macron und Sanchez und sieht unter anderem geschlossene Lager in Europa vor, von wo aus Migrant*innen bei einem positiven Asylentscheid in die europäische Länder verteilt werden und bei einem Negativentscheid noch effizienter ausgeschafft werden. In diesem Szenario würden also Menschen, welche ihre Rechte in Anspruch nehmen (nämlich ein Asylgesuch zu stellen) in geschlossene Lager eingesperrt. Obwohl die europäische Kommission die Inhaftierung von Migrant*innen verbietet, verfolgt sie diesen Vorschlag weiter und erarbeitet momentan ein Konzept dazu.
- Szenario stammt von Österreich. Bundeskanzler Kurz sieht vor, dass Asylanträge nur in Lagern ausserhalb der EU gestellt werden dürfen. Zudem drängt Österreich darauf, Militär an den EU-Außengrenzen einzusetzen.
Auch Italien verfolgt eine unmenschliche Migrationspolitik: Präsident Salvini liess alle Häfen in Italien für Seenotrettungsorganisationen und Schiffe mit geretteten Flüchtenden schliessen. In Deutschland übertreffen sich rassistische Vorschläge zur Ausgestaltung des Asyl und Grenzregimes. Geht es nach den Vorschlägen von Innenminister Horst Seehofer sollen Geflüchtete künftig an der deutschen Grenze abgewiesen werden, wenn sie schon in Europa registriert sind oder keine Papiere haben.
Alle Positionen sind rassistisch und verfolgen eine menschenverachtende Politik der Abschottung. Einig sind sich alle Staaten, dass Frontex aufgestockt und die Rückführungspolitik effizienter gemacht werden soll.