Frontex wird weiter gestärkt

Geplant ist erstens die Schaffung eines Frontex-Soforteinsatzpools von 1500 Einsatzkräften. Diese sollen für Frontex mehr Aufgaben übernehmen und mehr Kompetenzen erhalten. So erfolgten Frontex-Einsätze bisher nur auf Ersuchen eines Schengen-Staates. Neu reicht der Beschluss des Europarates, damit Frontex in einem Schengen-Staat aktiv werden kann. Weigert sich der betreffende Schengen-Staat, so können andere Schengen-Staaten beschliessen, an ihren Binnengrenzen wieder eigene Grenzkontrollen einzuführen.

Was sind die Aufgaben, die Frontex im rassistischen Grenzregime zukommen? Wie bisher aber verstärkt wird Frontex Grenzkontrollaktionen auf See in grösserem Umfang durchführen und Migrationsbehörden in Grenzgebieten, wo viele Geflüchtete durchreisen, bei der Repression unterstützen und kontrollieren. Neu soll Frontex auch vermehrt beim Verschleppen von Geflüchteten aktiv werden. Frontex soll Verschleppungsaktionen für die Schengenstaaten erleichtern, organisieren und finanzieren. Hierfür wird Frontex neues Personal anstellen, das auf Verschleppungen spezialisiert ist. Auch ist vorgesehen, dass sich Frontex die zum Verschleppen nötige Ausrüstung erwirbt und unterhält. Und es ist geplant Frontex-Personal in Nicht-Schengenstaaten (sogenannte Drittstaaten) zu entsenden, um diese zu bewegen, den Prinzipien des rassistischen Grenzregimes Folge zu leisten.

Die Schweiz ist durch das Grenzwachtkorps seit 2011 aktiv an Frontex und ihren Operationen beteiligt und ist im Frontex-Verwaltungsrat vertreten. Finanziell wird die Schweiz künftig massiv mehr Geld an Frontex bezahlen. 2015 bezifferte sich der schweizer Beitrag bei 4.6 Mio. Euro. Dieses Jahr liegt er bei 9.9 Mio. Euro. Dies obwohl lediglich 3.6 Mio. Euro für Frontex budgetiert waren. Insgesamt steht Frontex dieses Jahr ein Budget von 148.2 Mio. Euro zur Verfügung. Das Budget soll bis 2020 auf 345.9 Mio. Euro aufgestockt werden. Dann plant die Schweiz einen Beitrag von 14.2 Mio. Euro.
Die hier beschriebenen Neuerungen sind noch nicht unter Dach und Fach. Der Bundesrat hat die neue Frontex-Verordnung heute in Vernehmlassung geschickt. Informationen zu dieser Verordnung rassistischer Gewalt im schweizer-technokratischen Behördendeutsch gibt’s hier: https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/45644.pdf

Swimmingpools für Alle!

Aufruf zur Demonstration für menschenwürdige Unterbringung in Mörschwil – und überall! Am 15. Oktober 2016 (Besammlung 14.00 Bahnhofplatz Mörschwil) Demo bewilligt

Es ist einer der grossen und absurden Widersprüche in unserer Wohlstandsgesellschaft: In Mörschwil, einer der reichsten Gemeinden des Kantons und Steuerparadies am Rande der Stadt St.Gallen, herrschen äusserst problematische Zustände für die Menschen in der Asylunterkunft.

Durch die Öffentlichkeitsarbeit des Solidaritätsnetzes Ostschweiz und durch persönlichen Kontakt mit Geflüchteten, die in Mörschwil leben, konnten wir uns auch selber ein Bild machen. Trotz Intervention bei der Gemeinde ist – abgesehen von Einzelinitiativen der sogenannten „Spurgruppe“, einer ökonomischen Initiative aus Mörschwil – bislang wenig geschehen. Zeit, die Dinge selber in die Hand zu nehmen und vor Ort zu helfen. Unsere Solidarität für Geflüchtete in Mörschwil!

Wir, eine Gruppe junger OstschweizerInnen, finden es stossend, dass in einer reichen Gemeinde wie Mörschwil – 2013 hatten es sich rund 233 Millionäre in der Steueridylle gemütlich gemacht – offenbar keine ausreichenden menschenwürdigen Strukturen für schutzbedürftige Menschen zur Verfügung gestellt werden können. Viele von diesen Personen sind vor Krieg, Gewalt und Unrecht geflohen.

Die Gemeinde Mörschwil ist damit in bester Gesellschaft: Der Höhepunkt und bekanntestes Beispiel der öffentlichen Verweigerung der Gemeindeaufgaben und der Verantwortung, sich angemessen und MigrantInnen zu kümmern, ist sicherlich Oberwil-Lieli, das sich in den letzten Jahren stur weigerte überhaupt Asylsuchende aufzunehmen. In Mörschwil leben zwar momentan rund 28 Asylsuchende, von einer angemessenen Unterbringung kann jedoch nicht die Rede sein. Das Haus ist in einem miserablen Zustand, gerade im Kontrast zu den vielen schicken Einfamilienhäuser in der Umgebung. Es fehlt an Küchen- und Putzmaterial, Duschen funktionieren teilweise nicht, das Haus ist im Allgemeinen sehr trostlos eingerichtet.
Hinzu kommt die räumliche und soziale Isolation. Das Haus befindet sich ganz am Rande der Gemeinde, Beschäftigungsprogramme scheint es – abgesehen von Einzel(!)initiativen in der Gemeinde – nicht zu geben. Erst vor kurzem wurde die Schaffung einer Teilzeitstelle für die Bewohner beschlossen.

Einige Geflüchtete leben erst seit ein paar Monaten dort, andere wiederum bereits seit mehr als vier Jahren.

Auf die bereits geäusserte Kritik des Solidaritätsnetzes reagierten die Behörden mit vereinzelten kleinen Verbesserungen und der Äusserung, dass man doch zuerst auf die Behörden hätte zugehen können. Es braucht also erst öffentlichen Druck, um die vorhandenen Ressourcen und Mittel in Bewegung zu setzen. Den öffentlichen Druck könnt ihr haben! Und noch besser: Wenn es die Gemeinde nicht tut, tun wir es selber. Wir renovieren, bringen Küchengeräte mit, sitzen mit den Menschen zusammen, kurz: wir übernehmen die Aufgabe der Gemeinde, die dafür notabene vom Bund Geld erhält. Wir tun es laut und bunt. Für die Solidarität. Denn eine Gesellschaft hat sich daran zu messen, wie sie mit den Bedürftigsten umgeht, egal welcher Religion, Herkunft oder Hautfarbe.

Wir möchten uns nicht auf eine Diskussion einlassen, welche Fragen in der Migrationspolitik zu priorisieren sind. Die Forderung nach offenen Grenzen in Como, dem Widerstand gegen Frontex, gegen Ausschaffungen geht einher mit der Forderung nach menschenwürdiger Unterbringung geflüchteter Personen in unserer Nachbarschaft. Dass dafür kein Geld vorhanden sein soll – an dieses Märchen haben wir noch nie geglaubt.

Das soll auch eine solidarische Aktion sein für die Wenigen, die in Mörschwil Geflüchtete unterstützen, Deutschkurse und sonstige Dinge organisieren. Doch Migrationspolitik darf keine Aufgabe von Einzelinitiativen sein, sie geht uns alle an. Lasst uns teilen und verteilen. Swimmingpools für Alle!

Wir möchten betonen, dass diese Aktion zwar mit den Asylsuchenden besprochen, jedoch nicht von ihnen selber initiiert wurde. Oftmals fürchten sich Asylsuchende vor Repression oder Benachteiligung, wenn man sich dezidiert kritisch über die Zustände äussert. Andere wiederum sind in Anbetracht der Zustände in ihren Heimatländern und auf der Flucht, froh ein Dach über den Kopf zu haben. Das kann ein Ausgangspunkt sein, jedoch nicht die Legitimation für menschenunwürdige und ungerechte Unterbringung von Geflüchteten.

«Ziviler Ungehorsam ist Pflicht»

Im Kanton Waadt unterstützen solidarische BürgerInnen und PolitikerInnen Flüchtlinge, um sie vor der Rückführung zu bewahren und ihnen die Möglichkeit zu geben, in der Schweiz einen Asylantrag zu stellen. Der Staat reagiert mit Hausdurchsuchungen und Repression darauf.
«Sie sind in die WG gestürmt, haben alle aufgeweckt und jedes einzelne Zimmer durchsucht», berichtet Pierre Conscience. Der Gemeinderat und politische Sekretär der linken Partei solidaritéS erhielt am 15. September frühmorgens Besuch von der Kriminalpolizei des Kantons Waadt. Gleichzeitig betroffen waren Léonore Porchet, Präsidentin der Grünen Partei von Lausanne, und Céline Cerny, eine waadtländische Schriftstellerin. Alle drei gehören zum «Collectif R». Das Kollektiv ist ein 200 Personen zählendes Netzwerk, das sich gegen das Dublin-Abkommen und die Praxis der Rückschaffungen wehrt. Diesen Frühling hat das Kollektiv rund 25 prominente PolitikerInnen und KünstlerInnen zusammengetrommelt, die sich um die vorliegenden Fälle kümmern. Sie bringen Flüchtlinge während der Rückschaffungsfrist von sechs Monaten unter und sorgen dafür, dass die Behörden die Asylsuchenden nicht als «untergetaucht» registrieren. So steigt die Chance, dass sie trotz Dublin-Abkommen in der Schweiz ein Asylverfahren bekommen. Läuft die Überstellungsfrist nach sechs Monaten ab, beendet das SEM das Dublin-Verfahren und eröffnet ein nationales Asylverfahren, das es wie ein Erstgesuch behandelt. Einige Wochen vor den Hausdurchsuchungen wurden zwei andere Flüchtlinge, die mit Unterstützung des Kollektivs in der Kirche Mon-Gré Unterschlupf fanden, auf offener Strasse von zivilen PolizistInnen verhaftet. Der eine wurde nach Frankreich ausgeschafft, der andere nach Kroatien; zwei Länder, die bereits stark mit der Flüchtlingskrise überfordert sind. «Seit einiger Zeit werden immer mehr Menschen, die von ‹Dublin› betroffen sind, unter Hausarrest gestellt, um sie für die Rückschaffung einfacher zu sammeln», erklärt Pierre Conscience. Personen unter Hausarrest sind gezwungen, jeden Abend nach Hause zurückzukehren, andernfalls machen sie sich strafbar und/oder werden als untergetaucht behandelt, was ernsthafte Konsequenzen für ihr Verfahren nach sich zieht, erklärt der Aktivist.
Der Bund droht dem Waadt
Polizeirazzien, Verhaftungen, Hausarrest. Seit einigen Monaten nimmt die Zahl solcher Vorfälle, die das Kollektiv als «Einschüchterungsversuche» bezeichnet, zu. Aber sie lassen es sich nicht einfach gefallen. Die Presse wurde informiert, eine Petition mit 1500 Unterschriften konnte innerhalb kürzester Zeit gesammelt werden und eine Interpellation, die von dreissig Ratsmitgliedern unterschrieben worden ist, wurde dem Kantonsparlament vorgelegt. «Es findet ein Frontalangriff auf das Asylwesen statt», entrüstet sich Conscience. Diese Verschärfung führt der Kommunalpolitiker auf den 5. Juni zurück, als die Schweizer Stimmberechtigen für die 11. Asylgesetzrevision gestimmt haben. «Ein paar Tage später zeigte Bundesrätin Simonetta Sommaruga mit dem Finger auf den Kanton Waadt und warf ihm Laschheit in Bezug auf Rückschaffungen vor.» Und Ende August wurden finanzielle Drohungen ausgesprochen, die der Bund dem Kanton aufbürdet. Auf den 1. Oktober wurde das Inkrafttreten eines «Monitoring des Wegweisungsvollzugs» angekündigt. «Kommt ein Kanton seiner gesetzlichen Vollzugsverpflichtung nicht oder nicht genügend nach, kann der Bund neu von der Ausrichtung von Pauschalabgeltungen absehen oder bereits ausgerichtete Pauschalen zurückfordern», heisst es in einer Medienmitteilung des Bundesrats.
«Es handelt sich um eine Infragestellung der Politik des Waadts. Der Kanton hatte aufgrund einer starken Mobilisierung der Bevölkerung schon immer eine tiefere Rückführungsrate. Heutzutage ist die Solidarisierung infolge des Drucks von oben zurückgegangen», analysiert Conscience. Gegenüber «le Courrier» versicherte Philippe Leuba von der FDP, der in der Kantonsregierung für die Asylpolitik verantwortlich ist, dass es keinen Druck gebe. Es gehe darum, «ein Gesetz, das vom Volk angenommen wurde und dem alle gleichermassen unterworfen sind», anzuwenden.
«Falls ein Gesetz inhumane Konsequenzen hat, ist ziviler Ungehorsam Pflicht», erwidert Conscience, der daran erinnert, dass das «Collectif R» den Flüchtlingen nur hilft, in der Schweiz einen Asylantrag zu stellen, mehr nicht.
«Besser, sie bleiben»
David Payot, PdA-Regierungsrat der Stadt Lausanne, der ebenfalls zum Netzwerk des Kollektivs gehört und einen Flüchtling beherbergt, äusserte gegenüber dem «Gauchebdo» seine Besorgnis: «Dieser Druck des Bundes und der Wille der Kantonsregierung, ihm nachzukommen, sind beunruhigend.» Wagt er es als Mitglied der Stadtregierung, auch zum zivilen Ungehorsam aufzurufen? «In Situationen, in denen Gesetze nicht mit der Realität in Einklang sind, tragen auch die Städte Verantwortung. Die Menschen werden auf ihrer Flucht blockiert, man zwingt sie, zu bleiben oder in ein Land zurückzukehren, das sie nicht aufnehmen kann. Dadurch bringt man sie in eine prekäre Lage und sie stecken in Massen an den Grenzen oder in urbanen Gebieten fest. Es wäre besser, man würde sie aufnehmen, als sie in ganz Europa hin- und herzuschicken», erklärt Payot. Für ihn muss die bisherige Politik des Kantons Waadt ausgedehnt werden, statt sie zu unterdrücken.
Pierre Conscience pflichtet bei: Der Kanton muss «sich weigern, gewisse Rückführungen durchzuführen, auch wenn es ihn finanziell etwas kostet», fügt er in Bezug auf die Drohungen der Schweizer Regierung hinzu.

Bericht über eine Verschleppung nach Kongo

28. September 2016 im Regionalgefängnis Bern. Es ist drei Uhr in der früh. Sieben Polizisten stürmen in eine Zelle. Sie schreien, verbreiten Stress, packen JD. Für ihn beginnt der tragische vorerst letzte Abschnitt seines fünfjährigen Kampfs gegen Illegalisierung in der Schweiz.

Neue Diskriminierung von vorläufig aufgenommenen Geflüchteten Tritt in Kraft

Zum 1. Oktober
Just am Tag der Grossdemo für das Recht auf Asyl ist eine unscheinbare Gesetzesbestimmung in Kraft getreten, welche das Leben aller vorläufig Aufgenommenen direkt betrifft. Der revidierte Artikel 82 Abs. 3 des Asylgesetzes schreibt nun den Kantonen vor, dass sie Sozialhilfe nur noch „in Form von Sachleistungen“ ausrichten sollen und dass  „Der Ansatz für die Unterstützung (…) unter dem Ansatz für die einheimische Bevölkerung“ liegt.

Vers un accueil carcéral des réfugiéEs

À deux pas de l’aéroport de Cointrin, Genève, entre l’autoroute et la piste d’atterrissage, la Confédération prévoit la construction d’un centre de départ pour requérantEs d’asile déboutéEs. Il s’agit de la mise en place de la nouvelle procédure d’asile prévue par Simonetta Sommaruga et passé en votation le 5 juin 2016. L’idée est d’accélérer le traitement des demandes d’asile. Pour cela on n’hésite pas à incarcérer des personnes dont le seul délit est d’avoir fui les guerres et la misère qui sont les conséquences des politiques impérialistes menées par l’Occident à travers le monde et l’Histoire.

Grenzstadt Como – Wo stehen wir?

Am 19. September 2016 wurde das neue staatliche Flüchtlingslager bzw. Container-Dorf eröffnet, das direkt vom Roten Kreuz und der Caritas verwaltet werden soll. Am selben Tag versammelten sich ab Tageseinbruch, ca. 100 MigrantInnen im Bahnhofspark San Giovanni, um entschlossen Widerstand gegen die bevorstehende Räumung zu leisten. Gegen 9 Uhr traf Roberto Bernasconi, Diakon und Direktor der Caritas Como, ein, begleitet von einigen Vertretern vom Roten Kreuz und der Caritas und dutzende Journalisten. Alle wurden natürlich von der Polizei eskortiert.

Schweiz: Für ein echtes Asylrecht – mit zivilem Ungehorsam gegen Dublin III

Die Verordnung von Dublin III, wie sie im Januar 2014 in Kraft getreten ist, gilt für die 28 Staaten der EU, sowie für Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Dublin III schreibt vor, wie Asylanträge und Anträge auf internationalen Schutz (sogenannten subsidiären Schutz) zu bearbeiten sind. Das Regelwerk hat zum Ziel, die Menschen in das Land zurück zu schieben, wo sie zuerst ihren Asylantrag gemacht haben. Somit verlagert es bewusst einen grossen Teil des «Aufwandes», der durch Asylanträge entsteht, auf die Staaten, die an den äusseren Grenzen der EU liegen.