Migration und Arbeit

07.07.20
Italienisches Gesetz zur „Legalisierung“ von Migrant*innen floppt 
Im Mai hatte die Landwirtschaftsministerin angekündigt, bis zu 600.000 Sans-Papiers temporär  und wirtschaftsfördernd zu regularisieren (vgl. https://antira.org/2020/05/18/antira-wochenschau-securitas-gewalt-im-bundesasyllager-juedinnen-liste-wegen-polizei-migrantinnen-streik-gegen-spargelhof-ritter/). Bisher sind jedoch nur 32.000 Anfragen beim Ministerium eingegangen, grösstenteils von Haushaltshilfen und privaten Pflegekräften, also nicht von dringend benötigten Erntehelfer*innen. Die Gründe dafür liegen sowohl in den komplexen Verfahren, als auch in der mangelnden Bereitschaft von Unternehmer*innen ihre bisherige Nutzung von irregulären Arbeitskräften einzugestehen und 500 € pro Verfahren zu zahlen sowie nicht zuletzt im Fehlen von Dokumenten, die die Aufenthaltsdauer der Migrant*innen in Italien belegen.
Widerstand gegen die Bedingungen der Regularisierung wurden am vergangenen Wochenende von der Gruppe „Forum Antirazzista Palermo“ auf die Strasse getragen.

Sie kritisieren die unfairen Bedingungen des Gesetzes, das nur in den vier Sektoren Landwirtschaft, Fischerei, Pflege und Haushaltshilfe zur Anwendung kommt. Dies entmenschliche Migrant*innen zu reinen Arbeitsmitteln und schliesse viele aufgrund ihrer Hautfarbe aus: „In Italien leben 700.000 unsichtbare Menschen, Frauen und Männer, die aufgrund der italienischen und europäischen Einwanderungsgesetze, die sie in den letzten zehn Jahren illegal gemacht haben, keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten können. Die jüngste Bellanova-Amnestie schliesst die meisten dieser Personen aus.“ Die Initiative fordert daher die sofortige Ausdehnung der Regularisierungsverfahren auf alle Bereiche der Arbeit und auf alle Personen, auch wenn ihre Aufenthaltsgenehmigung längst abgelaufen ist sowie die Ausstellung einer Aufenthaltsbewilligung zur Arbeitssuche oder für gesundheitliche Notfälle und die Beseitigung der Kosten des Verfahrens.
https://www.borderline-europe.de/sites/default/files/projekte_files/Newsletter%20Juni%202020%20-%20final_0.pdfhttps://www.facebook.com/events/2018869091579090/

08.06.20
Neues neoliberales Bezahlungsmodell des berner Integrationsbusiness
Darüber, dass vorläufig aufgenommene Geflüchtete mit Ausweis F im Kanton Bern ab Juli nicht mehr aus den Asylcamps in eine eigene Wohnung ziehen dürfen, bevor sie ein Sprachzertifikat A1 und eine 60%-Stelle vorweisen, hat antira.org letzte Woche berichtet (https://antira.org/2020/06/01/6416/). Nun veröffentlichte die Zeitung «Der Bund», wie die privaten Organisationen und Firmen bezahlt werden, die sich der Kanton als sogenannte «Partner» ausgesucht hat, um geflüchtete Menschen zu verwalten. Damit diese sich kräftig am Integrationszwang beteiligen und die Menschen um jeden Preis von der Sozialhilfe in irgendeine Arbeitsstelle zwingen, bezahlt ihnen der Kanton nicht einen fixen Preis. Die ORS, Heilsarmee und Konsorten erhalten nur noch 40% von maximal 12.000 Franken als fixe Bezahlung pro Person, die ihnen zugeteilt wird. 60 Prozent ihres Einkommens macht der Kanton vom «Integrationserfolg» abhängig.
https://www.derbund.ch/corona-krise-schmaelert-chancen-fuer-asylsuchende-752631457064

01.06.20
Kanton Bern kürzt Gelder für vorläufig aufgenommene Personen
Es wird weniger gekürzt als geplant, dennoch sind es fast 30 Prozent. Aufgenommene geflüchtete Menschen, die im Kanton Bern nach sieben Jahren Aufenthalt keine Arbeit gefunden haben, sollen ab Juli 2020 statt 977 Fr. nur noch 696 Franken pro Monat erhalten. Eigentlich wurden noch massivere Kürzungen vorgesehen. Im Februar 2020 hat der Regierungsrat des Kantons Bern entschieden, dass die Sozialhilfe in vielen Bereichen massiv gekürzt werden solle, unter anderem sollen vorläufig aufgenommene Geflüchtete statt den bisherigen rund 1000 Franken nur noch 382 Franken erhalten. Dies soll abgeschwächt werden: So forderte eine Motion von SP-Vertreter*innen, dass sich die Sozialhilfe zumindest an den Grundleistungen orientieren müsse. Denn, so auch der bisherige Leiter des Sozialamtes Bern, mit so wenig Geld zu Leben sei schlicht nicht möglich. Nun sind 696 Franken entschieden worden. Der Kanton Bern rühmt sich, sich mit diesem Betrag den anderen Kantonen anzugleichen – so bspw. dem Kanton Zürich. Dieser zahlt seit zwei Jahren vorläufig aufgenommenen Personen nur noch Asylsozialhilfe aus. Map-F, eine Anlaufstelle für vorläufig aufgenommenen Personen, hat in einem Monitoring festgestellt, dass mit diesem Betrag eine Integration – was immer das heisst – nicht möglich sei. Fazit: Damit ist im Kanton Bern für die betroffenen Personen auch mit diesem Betrag von 700 Franken kein soziales Leben und keine Teilnahme am öffentlichen Geschehen möglich.
https://www.gr.be.ch/gr/de/index/geschaefte/geschaefte/suche/geschaeft.gid-e06b036a32e64d699fe43aff6b22cca8.html

https://www.watson.ch/schweiz/asylgesetz/244218821-asylfuersorge-vorlaeufig-aufgenommene-haben-nachteil-bei-integration

https://www.derbund.ch/nach-kritik-mildert-regierungsrat-kuerzungen-fuer-fluechtlinge-258018763836

01.06.20
Arbeitslosengeld für Sans-Papiers?
Nachdem letzten Monat die Bilder der kilometerlangen Warteschlange für ein kostenloses Lebensmittelpaket in Genf für mediatischen Aufruhr sorgten, hat die Genfer Regierung entschieden, die Menschen, die während der Lockdown Periode ihre Arbeit verloren haben und weder Arbeitslosengeld noch Sozialhilfe beziehen können, finanziell zu entschädigen. Die Entschädigung soll ein einziges Mal ausbezahlt werden, soll 80 Prozent der letzten Einkünfte abdecken und für die Dauer von zwei Monaten gelten, eine Art quasi-Arbeitslosengeld für präkere Arbeitende, darunter Sans-Papiers, die sich seit einem Jahr in Genf aufhalten und zumindest in den drei Monaten vor Ausbruch der Corona-Krise eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben. Für Sans-Papiers wird es aber schwierig, von diesem 15 Millionen-Notmassnahmenfonds zu profitieren:  Um an die Entschädigung zu gelangen, müssen die in informellen Arbeitsverhältnissen unüblichen Arbeits- und Lohnnachweise vorgelegt und im Falle der Sans-Papiers das rechtswidrige Arbeitsverältnis verraten werden. Ausserdem müssen sich Sans-Papiers selber melden und ihren illegalen Aufenthalt in der Schweiz für die Behörden sichtbar machen.
https://www.derbund.ch/arbeitslosengeld-fuer-sans-papiers-181953015367

01.06.20
F-Ausweis: Nur wer ein Sprachniveau A1 und eine 60%-Stelle vorweist, darf vom Camp wegziehen
Mehrmals hat antira.org über die Härte und Kälte gegenüber abgewiesenen Geflüchteten und die auf Juli geplanten Ausschaffungscamps im Kanton Bern berichtet. Nun präsentiert die Berner Regierung, was sie ab Juli mit den geflüchteten Migrant*innen mit Asyl (Ausweis B) oder mit vorläufiger Aufnahme (Ausweis F) vorhat. Der zuständige weisse freikirchliche SVP-Regierungsrat Schnegg stampft ein Regime aus dem Boden, das Menschen im Namen der „Integration“ möglichst rasch zurichten und in den Arbeitsmarkt pressen will.. In der neuen „Verordnung über die Sozialhilfe im Asyl-und Flüchtlingsbereich“ geht es nur darum, zu fordern – mit Druck, Zwang, Abschreckung und Sanktionen. Hier einige leider nicht abschliessende Punkte:
– Freiheitsberaub
ung in Camps als Druckmittel: Viele wollen die Asylcamps verlassen, um in eine Wohnung zu ziehen. Ab dem 1. Juli werden die freiheitsberaubenden Camps zu einem Druckmittel der Integrationspolitik: «Der Wechsel von der Kollektivunterkunft in eine individuelle Unterkunft erfolgt bei Erreichen der Integrationsziele. Grundsätzlich müssen die Anforderungen an die sprachliche Integration Sprachniveau A1 sowie an die berufliche Integration erfüllt werden». Das gilt für Menschen mit F-Ausweis. Sie  bleiben also so lange im Asylcamp isoliert, bis sie ein Sprachzertifikat und über mindestens sechs Monate einen 60%-Job vorweisen können. „Anerkannte Flüchtlinge und anerkannte Staatenlose“ haben zwar freie Wohnsitzwahl, doch Unterstützung erhalten sie nur, wenn sie denselben Zielen entsprechen. Die Jobs dürfen übrigens «nicht im Rahmen einer subventionierten Anstellung (z.B. als Teillohn-Anstellung) erfolgen. Praktika gehören ebenso wenig dazu. Das gleiche gilt für die Aufnahme einer Ausbildung», heisst es in den Ausführungen zur Verordnung.
– Zwang und Sanktionen wegen des
«Integrationsplans»: Der Integrationsplan ist eine Art Vertrag, den die geflüchteten Migrant*innen unterschreiben müssen. Darin verpflichten sie sich, die Zwischenziele zu erreichen und Integrationsangebote zu besuchen. Unter Integrationsangebote laufen auch Programme, die mit harter Arbeit einhergehen, die sonst vom 1. Arbeitsmarkt übernommen würde. Die Bezahlung übersteigt jedoch nie 400 Franken pro Monat. Zweimal pro Jahr wird überprüft, ob die Person auf Kurs ist. Sonst gilt: «Die Personen sind zur Einhaltung des Integrationsplans verpflichtet. Eine selbstverschuldete Nichteinhaltung hat für vorläufig Aufgenommene eine Kürzung oder Einstellung der wirtschaftlichen Hilfe zur Folge», schreiben die Behörden. Bis zu 400 Franken können gestrichen werden.
– Privatisierung und Auslagerung
: Über die Integrationszwischenziele, die aufgezwungenen Integrationsprogramme, aber auch über Unterbringung entscheiden keine staatlichen Behörden, sondern die Mitarbeitenden von sogenannten «Regionalen Partnern». Dazu zählen auch die gewinnstrebende ORS AG oder die religiöse Heilsarmee. An sie hat der Kanton die Verwaltung der Geflüchteten ausgelagert. Auch die Macht, die extremen Sanktions- und Druckmittel einzusetzen, wurde an sie übertragen. Die „Partner“ werden diese einsetzen, denn ihre Bezahlung bzw. Profit beruht auf einer «erfolgsorientierten Abgeltung», die sich von der Zielerreichung des Integrationsplans ableitet.
– Sackgassen
wegen hierarchisch-entrechtenden Menschenkategorien: Um den «Integrationsplan» aufzustellen, führen die «Partner» vorgängig eine folgenschwere «Potenzialanalyse» durch. Diese ordnet die betroffenen Menschen in 12 Kategorien ein und kanalisiert sie in ungleiche Bahnen mit ungleichen Möglichkeiten und Zwängen in Bezug auf Integrationsprogramme, (Aus-)Bildungen und Lohnarbeitsstellen. Grundsätzlich soll z.B. nur wer unter 25 ist, Zugang zu einer Lehre oder einer Ausbildung erhalten. Die Älteren sollen «die Planschritte systematisch in Richtung Arbeit gehen». Oder wer bei der Potenzialanalyse schlecht abschneidet oder Betreuungsaufgaben für Kinder hat, verliert gewisse Zugänge.
Entscheidend ist nicht die Perspektive der Bedürfnisse, der Träume oder Wünsche, sondern die Perspektive des Systems, das die Sozialhilfekosten senken und den Arbeitsmarkt mit sprachfitten und passgenau ausbeutbaren Arbeitskräften versorgen wird. Die Berner Regierung vollzieht in diesen Monaten einen gewaltigen qualitativen Sprung innerhalb seines institutionellen Rassismus.
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.html/portal/de/meldungen/mm/2020/05/20200520_1111_rechtliche_grundlagenzurumsetzungverabschiedet
https://www.rr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.RRDOKUMENTE.acq/636ebf40faa34fca877e9bca112b53fd-332/4/PDF/2018.GEF.996-Vortrag-D-206706.pdf
https://www.derbund.ch/nach-kritik-mildert-regierungsrat-kuerzungen-fuer-fluechtlinge-258018763836

25.05.20
Streik der migrantischen Landarbeiter*innen in Italien
Am 21. Mai traten die migrantischen Landarbeiter*innen Italiens in den Streik. Die bei der Basisgewerkschaft USB organisierten Migrant*innen reagierten auf das Regularisierungsprogramm der Regierung. Nach wochenlanger Auseinandersetzung wurde innerhalb der Regierungsmehrheit ein Kompromiss gefunden. Die politische Debatte verlief entlang zweier gesellschaftspolitischer Trennlinien:
Die Unternehmensverbände des Sektors sprachen sich gegen die Regularisierung der irregulären Landarbeiter*innen aus, da die Zeit dränge und das Gemüse auf den Feldern aufgrund des Arbeitskräftemangels zu verrotten beginne. Sie forderten den Einsatz arbeitsloser Italiener*innen auf den Feldern (workfare) und den Rückgriff auf den „grünen Korridor“ für die Rekrutierung osteuropäischer Saisoniers, ganz nach dem deutschen Vorbild.
Die Exponent*innen der Mitte-Links-Parteien hingegen machten sich für die Regularisierung der irregulären migrantischen Land- und Care-Arbeiter*innen stark, jedoch nicht für all die irregulären Migrant*innen des Bausektors, der Gastronomie, des Tourismus etc.
Schliesslich wurde ein Kompromiss gefunden, der alle zufrieden stellte – ausser die irregulären Migrant*innen selbst. Das Regularisierungsprogramm wurde in 21 Absätzen in Artikel 103 des über 400 Seiten zählenden Regierungsdekrets „Decreto Rilancio“ integriert. Ziel dieses Dekrets sei, „die italienische Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen“: Es sollten also nur diejenigen Migrant*innen regularisiert werden, die im Kontext der Corona-Krise einen ökonomischen Nutzen für den kriselnden kapitalistischen Markt haben.
Von den Migrant*innen-Organisationen, Basisgewerkschaften und linken politischen Organisationen werden in erster Linie drei Punkte dieser Regularisierung kritisiert:
– Es handelt sich um eine 6-monatige Regularisierung, die ausschliesslich für die aktuelle Krisenzeit gilt; sobald diese Zeit vorbei ist, fallen die Migrant*innen wieder in die Irregularität.
– Die Regularisierung beschränkt sich auf zwei ökonomische Sektoren, nämlich auf die Landwirtschaft und auf die privaten Haushalte; alle anderen Sektoren bleiben von der Massnahme ausgeschlossen.
– Die Regularisierung beschränkt sich ausschliesslich auf die Vergabe einer Aufenthaltsbewilligung; Fragen des gerechten Lohnes, des Zugangs zu menschenwürdigen Wohnbedingungen und zum Gesundheitssystems bleiben aus dem Dekret ausgeschlossen.
Man kann es also auch so auf den Punkt bringen: Die Regierung regularisiert die migrantische Arbeitskraft, jedoch nicht die Migrant*innen als Menschen.
Der Streik der migrantischen Landarbeiter*innen war ein Erfolg. In gewissen Regionen des Landes wie beispielsweise in Foggia (Apulien) und in der Piana di Gioia Tauro (Kalabrien) erreichte die Beteiligung fast 100%. Die Bilder der Demonstrationen waren eindrücklich und bestätigen, was die Migrant*innen seit Wochen wiederholen: Auf den Feldern fehlen nicht die Arbeitskräfte, sondern die sozialen Rechte.
Die Streikbewegung wurde von politischen Organisationen (allen voran Potere al Popolo) unterstützt, so dass die Forderungen der Landarbeiter*innen über die Grenzen der Anbaugebiete hinaus in die Städte getragen und auf andere Klassensektoren ausgeweitet wurden. Thematisiert wurden die Ausbeutungsmechanismen in der gesamten Wertschöpfungskette der Lebensmittelproduktion. Denn gerade während des zweimonatigen Lockdowns schossen die Preise von Früchten und Gemüse in die Höhe – und somit auch die Profite der Unternehmen des Grosshandels. Doch die Arbeits- und Lohnbedingungen von Verkäufer*innen, Kassierer*innen, Lager- und Transportarbeiter*innen bleiben weiterhin prekär. Oft waren sie gezwungen, ohne gesundheitlichen Schutz trotz Covid-19-Gefahren weiterzuarbeiten.
Der Streik der migrantischen Landarbeiter*innen deckt diese Ausbeutungsmechanismen auf und stellt eine Verbindung zwischen den Ausgebeuteten in den Feldern und denjenigen in den Städten her –  eine zentrale Verbindung, um in Zukunft die Rechte aller Arbeiter*innen zu verteidigen
https://www.usb.it/

**Solidarität mit dem Streik migrantischer Landarbeiter*innen in Italien!**Morgen am 21. Mai werden in Italien…

Gepostet von ROTA – Migrantische Selbstorganisation am Mittwoch, 20. Mai 2020

https://www.usb.it/

25.05.20
Spargelhof Ritter bezahlt wegen Streik von migrantischen Landarbeitenden

Streiken kann sich lohnen. Nachdem sich rund 150 Erntehelfende, die mehrheitlich für die Erntezeit aus Rumänien nach Deutschland kamen, dazu entschlossen, Nein zu sagen und aufzustehen, bezahlte Spargelhof Ritter diese Woche plötzlich die geschuldeten Löhne aus. Ritter wollte ursprünglich nur 100 bis 250 statt der versprochenen 1500 bis 2000 Euro auszahlen und liess die Arbeitenden zudem auf unmenschliche Weise in einem Containerlager leben, welches zwischen Friedhof und Kläranlage liegt. Deshalb traten die Arbeitenden am Freitag, 15. Mai, in einen Streik (vgl. antira-Wochenschau vom 18. Mai: https://antira.org/2020/05/18/antira-wochenschau-securitas-gewalt-im-bundesasyllager-juedinnen-liste-wegen-polizei-migrantinnen-streik-gegen-spargelhof-ritter/). Am Montag spitzte sich die Situation zu. Wegen des Streiks drohte der Arbeitgeber mit der sofortigen Kündigung und dem Rauswurf aus den Unterkünften. Auch die Polizei liess er zur Einschüchterung der Arbeitenden aufkreuzen. Trotz langer Verhandlungen und einer grossen medialen Aufmerksamkeit bezahlte Ritter auch am Montag nicht alle Löhne aus. Da der Druck jedoch nicht nachliess, folgte die Auszahlung dann am Mittwoch. Unterstützt wurde der wilde Streik von der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft FAU. Lesenswert ist folgender AK-Artikel:
https://wirkommen.akweb.de/bewegung/der-streik-bei-spargel-ritter/?fbclid=IwAR1jlLAK9QGUphtFf9I19M4gesEWg8c8d7EfHR__72yH0QjZjo6eX0rwab4

https://www.express.de/bonn/spargel-ritter-in-bornheim-erntehelfer-bezahlt–insolvenzverwalter-weist-kritik-zurueck-36711658

18.05.20
Bornheim: Streik von 150 Erntehelfenden aus Rumänien

Bild: Wegen Streik fahren die Busse keine migrantischen Erntehelfenden auf die Felder (Foto: Axel Vogel)

Der Wohlstand in westeuropäischen Staaten wird durch nationale Grenzen geschützt und beruht nicht zuletzt auch auf rassistischer Ausbeutung. Zum Beispiel rekrutieren Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland Menschen aus Rumänien, um sie als Erntehelfende durchschnittlich schlechter zu bezahlen und länger arbeiten zu lassen als deutsche Lohnabhängige (funktioniert übrigens in der Schweiz genauso). Da migrantische Arbeitskräfte wegen rassistischen und klassistischen Gesetzen in Deutschland und wegen noch schlechteren Lohn- und Arbeitsbedingungen in Herkunftsstaaten oft erpressbar sind, geht diese Rechnung für die Betriebsleitenden auf. Aber nicht immer. Auf dem Spargelbetrieb Ritter in Bornheim geht sie derzeit nicht so gut auf. Seit dem 15. Mai streiken rund 150 – mehrheitlich rumänische – Erntehelfende. Sie weigern sich, in die Busse zu steigen, die sie zu den Spargelfeldern bringen sollen und fordern lauthals: „Money, money!“ Dem WDR erklärte eine rumänische Erntehelferin, dass einige nach einem Monat Arbeit nur zwischen hundert und dreihundert Euro bekommen hätten. Das sei zu wenig. Der Betrieb hätte aber auch mit schimmeligem Brot und der abgelaufenen Salami, die den Arbeitenden als Verpflegung serviert werden, und mit den ungeheizten überfüllten Containern, die als Unterkunft präsentiert werden, eine Linie überschritten. Statt zu bezahlen, rief der Betrieb die Polizei. 20 Polizist*innen kamen und versuchten den Streik zu befrieden. Dass der Spargelbetrieb fast Bankrott ist, seit einigen Wochen unter der Leitung eines Insolvenzverwalters steht und somit Menschen arbeiten lässt, ohne zu wissen, ob die ohnehin schlechten Löhne bezahlt werden können, kümmerte die Polizei jedoch nicht.
https://www.general-anzeiger-bonn.de/region/voreifel-und-vorgebirge/bornheim/erntehelfer-bei-spargel-ritter-protestieren-gegen-missstaende_aid-51157837

18.05.20
Ausschaffungen, Aufenthaltsstati und Asylentscheide im April
– Eine Studie dokumentierte letzte Woche die verfahrene Situation, in welcher sich viele Menschen ohne gültige Ausweispapiere in der Schweiz befinden. Viele arbeiten in der privaten Hauswirtschaft und haben durch Corona ihre einzige Einnahmequelle verloren. Sie können sich weder beim Sozialdienst melden, noch eine Ärztin aufsuchen oder ins Spital gehen – aus Angst vor polizeilichen Kontrollen. Die Studie zeigte auch die engen Platzverhältnisse auf, in welchen viele Menschen ohne Papiere leben. In Genf leben sie im Durchschnitt zu viert in einer Zweizimmer-Wohnung.
Nach Erscheinen der Studie zeigte die SVP Schweiz einmal mehr wie pietätlos sie ist. Statt sich wohlwollend mit betroffenen Menschen zu solidarisieren, betrieb sie lieber rassistische Hetze: Sie sieht die illegalisierten Menschen als Gefahr für die «Volksgesundheit» des Kantons Genf und schreibt: «In Genf kommt ein Covid-19-Fall auf 100 Einwohner. Damit ist der Kanton am stärksten von allen Kantonen von der Pandemie betroffen. Illegale Migranten, wie sie Genf in Verletzung von Bundesrecht zu Zehntausenden toleriert, gehören offenbar zu den Pandemie-Treibern.» Diese «illegalen Einwanderer müssen konsequent ausgeschafft werden». Geflüchtete oder Migrant*innen als Überträger*innen von Krankheiten und Pandemie-Treiber*innen darzustellen, ist zutiefst rassistisch und entbehrt jeglicher Grundlage.
– Wie die Asylstatistik zeigt, gab es im Unterschied zum März, wo trotz Corona noch munter ausgeschafft wurde, im April fast keine Ausschaffungen mehr. Was natürlich nur einer Aufschiebung auf post-corona-times gleich kommt. Obwohl die meisten Ausschaffungen nicht mehr durchgeführt werden können, befinden sich immer noch Menschen in Ausschaffungshaft, da die Handhabung der Ausschaffungshaft in der Kompetenz der Kantone liegt und diese offensichtlich sehr unterschiedliche Praxen anwenden. Dies wurde unter anderem aus juristischen Kreisen immer wieder kritisiert. Denn entweder ist eine Ausschaffung absehbar oder sie ist es nicht – und das gilt für die ganze Schweiz. Wenn die Kantone nun eigenständig entscheiden, ob sie die Menschen in Haft behalten oder nicht, zeigt das einmal mehr den eigentlichen Sinn und Zweck von Ausschaffungshaft. Es zeigt, dass es nebst der Absehbarkeit einer Ausschaffung auch andere Gründe und Kriterien gibt, um Menschen zu inhaftieren, denn sonst würden sich die Kantone alle gleich verhalten. Es zeigt, dass es eben nicht nur ein in Kauf zu nehmendes Übel ist, damit die effiziente Ausschaffung sichergestellt werden kann. Es zeigt, dass Ausschaffungshaft auch dazu gebraucht wird, Menschen zu zermürben und zu brechen, was eine bekannte Taktik des schweizer Asylregimes ist, um Menschen zu einer Ausreise zu drängen. Wir fordern deshalb endlich ein Ende der willkürlichen Inhaftierung von geflüchteten Menschen.
– Obwohl es zur Zeit faktisch keinen rechtlichen Beistand für Asylsuchende gibt, hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) seit Anfang der Corona-Zeit entschieden, im Asylverfahren den Normalbetrieb aufrechtzuerhalten (d.h. Normal minus Rechtsvertretung). Dies zeigt sich auch in der Asylstatistik vom April. Der Anteil negativer Entscheide oder Nichteintretensentscheide befand sich im April mit 437 Fällen ungefähr im jährlichen Durchschnitt. Während des Corona-Lockdowns, in dem so ziemlich alles stillstand, wurde also unter Abwesenheit von rechtlichem Beistand 437 Menschen ein negativer Asylentscheid erteilt.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-79078.html
https://antira.org/2020/05/15/medienspiegel-14-mai-2020/
https://www.derbund.ch/wenn-der-job-weg-ist-stehen-sie-vor-dem-nichts-438862659392
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/kantoenligeist-bei-ausschaffungshaft?id=cc9259a6-83c6-44e3-ab05-7f2cca824a10

18.05.20
Italien legalisiert temporär bis zu 600.000 Migrant*innen

Die Corona-Krise in Italien führt zu bisher schwer vorstellbaren Massnahmen: Die italienische Regierung hat sich geeinigt, bis zu 600.000 Sans-Papiers, die vor allem in der Landwirtschaft und als Haushaltshilfen arbeiten, zu legalisieren. Temporär und zugunsten der Wirtschaft versteht sich. 200.000 Arbeitskräfte fehlen aufgrund der geschlossenen Grenzen allein in der Landwirtschaft. Entsprechend der Länge einer Erntesaison sollen die Aufenthaltsbewilligungen so auch auf sechs Monate begrenzt werden. Voraussetzungen für die Legalisierung sind eine Registrierung in Italien vor dem 8. März mit Foto und ein Arbeitsvertrag. Da kommt die Frage auf, wie die Arbeitgeber*innen nun vorgehen können, da das Anmelden der Beschäftigten auch ein direktes Zugeständnis bisheriger illegalisierter Beschäftigung ist. Hier wurde ein pauschaler Straferlass gegen die Zahlung von 400 Euro an die Pensionskasse und eine Bearbeitungsgebühr von 160 Euro beschlossen. Die Bedingungen in der italienischen Landwirtschaft sind allgemein bekannt. Menschen ohne Papiere und damit meist praktisch ohne Rechte werden behandelt wie Sklav*innen. Sie bekommen tiefste Löhne und leben häufig in Baracken oder Hütten ohne Wasser und Strom. Wie so oft sind aber auch diesmal Forderungen nach besseren Lebensbedingungen für Geflüchtete und Arbeitsmigrant*innen nur in der nationalstaatlichen Logik zum Schutz der „eigenen“ Bevölkerung und der Wirtschaft mehrheitsfähig.
https://www.derstandard.at/story/2000117294330/italien-will-bis-zu-600-000-illegale-migranten-legalisierenhttps://www.tagesanzeiger.ch/italiens-pasionaria-bestellt-die-felder-443690458532https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-migranten-schwarzarbeiter-saisonarbeiter-legalisierung-coronavirus-1.4906470

04.05.20
Nationalistische Logik bei der schrittweiser Lockerung der Grenzen
Ab dem 11. Mai werden die Grenzen schrittweise wieder geöffnet. Das hat der Bundesrat bekanntgegeben. Doch die Lockerungen folgen einer nationalistischen Logik. Oberste Priorität haben in dieser Logik schweizer Kapitalist*innen und die Gesundheit von schweizer Arbeitskräften, die möglichst rasch und möglichst gesund ihre Lohnarbeit verrichten sollen. Als nächstes geht es in dieser Logik nicht darum, dass Geflüchtete z.B. aus den Camps an Europas Aussengrenzen in die Schweiz einreisen dürfen, da ihr Leiden hoch ist und Solidarität mit Geflüchteten dringend wäre. Nein, Geflüchteten bleiben die schweizer Grenzen und auch die Schengenaussengrenzen bis auf weiteres verschlossen. Der Fokus liegt nicht bei ihnen, sagt der Bundesrat. In die Schweiz einreisen dürfen einzig EU-Lohnabhängige mit Arbeitsvertrag oder klarem Arbeitsauftrag sowie hochqualifizierte Arbeitskräfte aus nichteuropäischen Staaten, die im Rahmen der Wirtschaftskontingente von Unternehmen gerufen wurden. Die rassistische Ungleichbehandlung zwischen Schweizer*innen, Europäer*innen und Nicht-Europäer*innen zeigt sich auch beim Familiennachzug. Dieser wird den ersten beiden Gruppen erlaubt, nicht aber den Nicht-Europäer*innen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78940.html
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78924.html
https://www.derbund.ch/eu-will-chaos-bei-grenzoeffnungen-verhindern-226535834606
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/eu-innenminister-beraten-ueber-grenzkontrollen?id=56aaf1b9-4518-4058-ad4c-994b8128942f
https://www.luzernerzeitung.ch/news-service/inland-schweiz/eu-staaten-sind-sich-einig-die-grenzen-sollen-behutsam-wieder-geoeffnet-werden-ld.1216161
https://www.tagesanzeiger.ch/eu-will-chaos-bei-grenzoeffnungen-verhindern-226535834606

27.04.20
Rassistische Lohnungleichheiten in der Schweiz
Die feministische Bewegung hat erfolgreich darauf aufmerksam gemacht, dass sich Sexismus und Patriarchat u.a. deutlich in Lohnungleichheiten äussern. Die Frage nach gleichem Lohn zwischen den Geschlechtern hat viele Menschen zum Widerstand bewegt. antira.org fragt nun, welches Ausmass die rassistischen Lohnungleichheiten in der Schweiz haben. Dazu hat das Bundesamt für Statistik (BFS) diese Woche Zahlen veröffentlicht. Um die Lohnungleichheiten aufzuzeigen, erfasst das BFS sogenannte Medianlöhne. Der Medianlohn bedeutet, die Hälfte der Lohnabhängigen verdient mehr und die andere Hälfte weniger als der Medianlohn. Wenn wir nun die Löhne der Chef*innen mal ausser acht lassen – denn die meisten sind keine Chef*innen – so liegt der Medianlohn in der Schweiz bei 5.933 Franken pro Monat.
Der Vergleich der Löhne von Personen mit und ohne schweizer Pass macht den Rassismus in der Lohnstruktur sichtbar. Der Medianlohn von Lohnabhängigen mit weissem Kreuz im Pass liegt bei 6.260 Franken, während jener von nicht-schweizer Lohnabhängigen bei 5.476 Franken liegt. Das ist eine Lohndiskrimierung von über 20%. Die Zahlen des BFS zeigen zudem, dass sich die Lohnunterschiede wegen der vielen ungleichen Aufenthaltsbewilligungen stark unterscheiden. Je instabiler der Aufenthalt, desto erpressbarer sind Migrant*innen und desto tiefer ist der Lohn. Wenn wir nun auch das Geschlecht mitdenken, das weiterhin diskriminierend wirkt, landen wir bei Frauen* mit Ausweis L, die während 90 Tagen in der Schweiz lohnarbeiten und dann wieder ausreisen müssen. Ihr Medianlohn liegt bei 4.007 Franken pro Monat. Gewisse werden nun behaupten, wir hätten auch die Ausbildung, die Berufserfahrung oder andere lohnrelevante Sachen berücksichtigen müssen, bevor wir von Diskriminierung hätten sprechen dürfen. Doch wir sind nicht nur rassismus -und sexismuskritisch, sondern auch gegen Klassismus und daher grundsätzlich gegen Lohnungleichheiten innerhalb der Klasse der Lohnabhängigen. Ein Monat Arbeit ist ein Monat Arbeit. Punkt.
https://www.bfs.admin.ch/news/de/2019-0502

06.04.20
Asylsuchende sollen den deutschen Spargel retten
Wie eng Rassismus und Kapitalismus miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen, zeigt sich in der derzeitige Krise einmal mehr. Weil in Deutschland viele osteuropäische Erntehelfer*innen aufgrund der Einreisesperren ausfallen, wird jetzt halt eine intensivere rassistische Ausbeutung von Geflüchteten gefordert, damit die deutschen Spargelproduzent*innen nicht Konkurs gehen. Die Landwirtschaftsministerin unterstützt die Idee, dass Asylbewerber*innen in der Landwirtschaft eingesetzt werden sollen. Ausgerechnet jene Menschen also, denen teils jahrelang staatlich verboten wurde, zu arbeiten, sollen jetzt die deutsche Ernte retten. Natürlich nur für eine begrenzte Zeit. Die Arbeitserlaubnis soll zeitlich befristet erteilt werden. Sobald die „Krise“ überstanden ist, sollen sie lieber wieder in staatliche Abhängigkeit versetzt werden. Ein Beispiel mehr, wie weiss sozialisierte und privilegierte Kapitalist*innen und Behörden auch im 21. Jahrhundert sklavenartig über die Arbeitskraft von nicht weissen Menschen verfügen dürfen.
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/coronavirus-erntehelfer-101.html
https://www.proasyl.de/news/zum-spargel-stechen-gut-genug-aber-dann-keine-perspektive-so-nicht/

30.03.20
Lohnabhängige (Migrant*innen) tragen Coronarisiken, weil Bundesrat und Kapitalist*innen Verluste vermeiden wollen
Noch am 16. März hiess es klar und deutlich: Besonders gefährdete Personen – sprich Personen ab 65 Jahren oder Personen mit Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, schwachem Immunsystem oder Krebs sollen „zu Hause bleiben und Menschenansammlungen meiden». Falls kein Home-Office möglich sei, sollen sie „vom Arbeitgeber unter Lohnfortzahlung beurlaubt“ werden. Nur vier Tage später gab der Bundesrat dem Druck der Unternehmenden nach und lockerte die Verordnung wieder. Neu müssen besonders gefährdete Lohnabhängige, die nicht von zuhause aus arbeiten können, zur Arbeit gehen. Ausser die Unternehmen schaffen es nicht, «mit geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen die Einhaltung der Empfehlungen des Bundes betreffend Hygiene und sozialer Distanz» zu befolgen. Worin diese Massnahmen bestehen, lässt der Bundesrat bewusst völlig offen. Einerseits verhängt der Bundesrat also für besonders gefährdete Personen ein absolutes ÖV-​Verbot und fordert sie auf, das Haus in der Freizeit ausser für Ärzt*innenbesuche oder Einkauf nie zu verlassen. Anderseits ermöglicht er, dass Unternehmende durch irgendwelche Alibimassnahmen diese Personen zur Lohnarbeit zwingen können. Auf dem Bau, im Detailhandel, in der Industrie oder in der Reinigung gibt es kein Home-Office. Just in den Branchen mit strengen Arbeitsbedingungen und oft schlechter Bezahlung, in denen vorwiegend Migrant*innen arbeiten. Zufall? Nein, ein klassischer Angriff auf die klassistisch-rassistisch diskriminierten Menschen der kapitalistischen Wertschöpfungskette.
https://www.sgb.ch/corona-virus/details/besonders-gefaehrdete-arbeitnehmende-muessen-sofort-wieder-geschuetzt-werden?pk_campaign=newsletter&pk_kwd=26032020
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/novel-cov/besonders-gefaehrdete-menschen.html

19. Mai 2019
Der Bundesrat weitet den Personenkreis aus, den er in die Integrationsvorlehre schicken will.
Der Trend zu einem zunehmend ungleichen Berufsbildungssystem für Schweizer*innen und Nicht-Schweizer*innen nimmt zu. Neu sollen nicht nur anerkannte oder vorläufig aufgenommene Geflüchtete gezielt in eine spezifische Berufslehre kanalisiert werden. Der Bundesrat hat entschieden, die sogenannte Integrationsanlehre auf Jugendliche und junge Erwachsene ausserhalb des Asylbereichs auszuweiten. Im Fokus stehen vor allem Personen, die aus EU/EFTA- sowie aus Drittstaaten zugewandert sind. Mit dieser Massnahme steuert der Staat die Berufsfelder in denen (geflüchtete) Migrant*innen arbeiten oder eben nicht arbeiten sollen.
Junge Migrant*innen, die keine Landessprache sprechen, werden zunehmend in Berufsausbildungen gedrängt, die bis vor kurzem für weniger leistungsstarke Personen gedacht waren. So ist auch der Anteil Migrant*innen in der Attestlehre (EBA) viel höher als er es bei den Anlehren noch war. Gleichzeitig sind die sprachlichen Anforderungen für den Abschluss einer Berufslehre mit Fähigkeitszeugnis (EFZ) stark gestiegen. Durch diese neuen Berufslehrgänge und Berufsdiplome wird Tür und Tor geöffnet, um die Hierarchien und rassistischen Lohnunterschiede auf dem Arbeitsmarkt zu zementieren und zu nähren.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-75052.html

27. Januar 2019
Genf: Streik bei der Reinigungsfirma Orgapropre
Seit 1999 reinigen Reinigungskräfte der Firma Orgapropre die Räumlichkeiten der Union Bancaire Privée (UBP) in Genf. Die UBP erzielte 2017 einen Reingewinn von 220 Mio. Franken. Um die Preise zu drücken, hat die Bank letztes Jahr den Leistungsvertrag ausgeschrieben und einer Firma vergeben, die die selbe Arbeit billiger erledigt. Orgapropre reagierte darauf und feuerte 37 Mitarbeitende, die bei UBP reinigen.
Um ihre Stelle zu verteidigen oder wenigstens einen guten Sozialplan zu erkämpfen, sind rund 20 Mitarbeitende, darunter zahlreiche Migrant*innen, in einen mehrtägigen Streik getreten. Der Protest findet direkt vor dem Sitz der UBP in Genf statt.
Der Widerstand in der Reinigungsbrache ist aus antirassistischer Sicht wichtig. Erstens ist die Reinigungsbranchne für viele Betroffene von strukturellem Rassismus einer der wenigen zugänglichen Arbeitsbereiche. Zweitens sind die Löhne und die Arbeitsbedingungen in der Reinigungsbrache nicht nur aufgrund von sexistischen und klassistischen Verhältnissen, sondern auch aufgrund von Rassismus prekär.
http://www.sit-syndicat.ch/spip/spip.php?article938
https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10215613355465279&set=a.1653689500427&type=3&theater