Lager in der Schweiz

22.06.20
Solidarische Strukturen schaffen, statt Menschen in Nothilfecamps isolieren

Noch im Frühjahr sprachen die schweizer Behörden von „wenigen Ausnahmen“, in denen abgewiesene Asylsuchende – im Wissen der Behörden – statt in den staatlichen isolierenden Rückkehrzentren bei Freund*innen untergebracht wären. Dies hat sich erfreulicherweise geändert und so leben nun im Kanton Bern bereits 120 der aktuell rund 700 abgewiesenen Asylsuchenden bei Privatpersonen, das sind fast 20% der abgewiesenen Asylsuchenden im Kanton Bern.
Durch diese solidarischen Strukturen, entziehen sich Menschen, die sonst in Rückkehrzentren „verwaltet“ würden. Menschen, die in den Augen der Behörden nicht bleiben dürfen. Von diesen aber auch nicht ausgeschafft werden können, da es beispielsweise mit dem Herkunftsland kein sogenanntes Rückübernahmeabkommen gibt. Das unmenschliche Wort allein erinnert an das Rückgaberecht defekter Waren. Ihnen möchte die offizielle Schweiz keinerlei Anreiz bieten zu bleiben. Sie erhalten 8 Franken Nothilfe pro Tag und eine medizinische Grundversorgung. Keine Sprachkurse, keine Bildung, keine Arbeitsmöglichkeit, keine Beschäftigung. Stattdessen Anwesenheitspflicht unter der Kontrolle der ORS. «Sie sollen nicht integriert werden», sagte dazu der zuständige Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) gegenüber dem «Bund». So verwundert es nicht, dass solidarischen Menschen von offizieller Seite Steine in den Weg gelegt werden, wenn sie sich diesem System widersetzen. Grundsätzlich müssen die Privatpersonen für alle Kosten aufkommen: Essen, Hygiene, Verpflegung, Unterbringung, Transportkosten, Kleidung. Sogar die kaum nennenswerten 8 Franken Unterstützung erhalten die Geflüchteten nicht mehr vom Kanton. Man könnte meinen, diese Lösung sei für die Behörden attraktiv, da sie Kosten spart. Dennoch wurde mehreren Menschen der Umzug in private Unterkünfte verwehrt. Eine Anfrage von Christa Ammann (AL) brachte nun offizielle Begründungen zutage:

  • Einer Familie wurde der Umzug in einen Privathaushalt vorläufig verwehrt, da vorgängig nicht mit der Schule der Gemeinde abgeklärt wurde, ob das Kind im schulpflichtigen Alter in der betreffenden Schule einen Platz erhalten wird. In der Antwort zeigt sich Bürokratie und Kontrolle: Die Familie habe kein Recht, ihren Aufenthaltsort frei zu wählen. Das Kind könne die Schule im Ort des Rückkehrzentrums besuchen. Die Familie würde viel mehr zeigen, dass sie staatlicher Leistungen wie Schulbildung nicht bedürftig sei, wenn sie einen anderen Wohnort wählt. Auch sei der neue Ort für die Einschulung halt nicht zuständig.
  • In einigen Fällen wurde die private Unterbringung verwehrt, weil die Privatperson, die den Wohnraum zur Verfügung stellt, nicht selbst in der Wohnung wohnhaft ist. Hier listen die Behörden folgende Bedingungen zur privaten Unterbringung auf: Die abgewiesene Person kann nicht ausgeschafft werden. Dennoch muss sie für Organisation und Durchführung der Abschiebung erreichbar sein. Aus der privaten Unterbringung dürfe keine Hoffnung auf ein Bleiberecht entstehen. Die unterbringende Person müsse eine Übersicht haben, wer sich in den angebotenen Räumlichkeiten aufhält. Würde sie selbst dort nicht wohnen, könne sie nicht gewähren, dass die Geflüchteten für ihre Ausschaffung verfügbar seinen. Solidarische Menschen werden damit in die Verantwortung genommen, sich zur Handlangerin eines rassistischen und menschenverachtenden Systems zu machen.
  • Mit dieser Begründung wird auch die Unterbringung in Wohnraum abgelehnt, der beispielsweise von Vereinen gemietet wird. Diese Lösung könnte für viele Geflüchtete eine Chance auf eine dezentrale Unterbringung und die Reduktion psychischer Belastungen im Lagersystem bedeuten.

Das Solinetz Bern ruft mit der Kampagne #StopIsolation zum Widerstand gegen die neu geschaffenen Rückkehrzentren im Kanton Bern auf. Dafür braucht es einerseits finanzielle Mittel und anderseits Menschen, die ihren Wohnraum mit Betroffenen teilen und einen entsprechenden Vertrag mit dem Migrationsdienst eingehen.Alle Infos auf
https://solidaritaetsnetzbern.ch/stopisolation/
https://www.derbund.ch/abgewiesene-asylbewerber-kommen-bei-privaten-unter-367032081508
https://www.gr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.DOKUMENTE.acq/9d56f0632ea5448baa2aa6894c11c952-332/29/PDF/2020.STA.525-Beilage-D-208604.pdf

22.06.20
Geflüchtete reichen Strafanzeigen gegen prügelndes Sicherheitspersonal im Abschiebecamp Giffers ein
Es gebe keine Hinweise darauf, dass es in Basel oder in einem anderen Asylcamp zu unverhältnismässigem körperlichen Zwang komme. Das behauptete der SEM-Sprecher Bach am 13. Mai, nachdem das Kollektiv 3 Rosen gegen Grenzen bekannt machte, dass geflüchtete Migrant*innen im Bässlergut durch Securitasangestellte verprügelt werden (vgl. https://3rgg.ch/securitas-gewalt-im-lager-basel/). Doch wie die Zeitung Le Courrier diese Woche bekannt gab, haben Angestellte der Securitas und/oder der Protectas im Abschiebelager Giffers im Kanton Freiburg mindestens am 4. Mai und 7. Mai ebenfalls Menschen spitalreif geprügelt. Drei Betroffene haben nun Strafanzeige eingereicht.
Eine Person kehrte am 4. Mai krank ins Camp zurück. Am Campeingang liess ihn das Sicherheitspersonal 30 Minuten auf die jedes Mal durchzuführende Körperdurchsuchung warten. „Als ich dem Sicherheitspersonal sagte, es solle seine Arbeit tun, reagierten sie, als hätte ich sie beleidigt“, sagt der Betroffene. Weil sie ihn weiter ignorierten und krank ausserhalb des Camps warten liessen, rief der Mann schliesslich die Polizei. Diese befand, er müsse seinen Einlass ins Camp selbst aushandeln. Kurz darauf verprügelte ihn das Sicherheitspersonal spitalreif. Die Reise vom total abgelegenen Camp ins Spital musste der stark blutende Mann selbst organisieren.
Am selben Tag beschwerte sich ein anderer geflüchteter Mann beim Leiter des Camps, weil die Sicherheitsleute ihn unverhältnismässig aggressiv und unhöflich aufforderten, den Schlafraum zu reinigen. Kurz danach packte ihn das Sicherheitspersonal derart krass an der Kehle, dass im medizinischen Bericht des Spitals ein Würgemal am Hals erwähnt ist. Die Securitas behauptet, dieses stamme von einem Streit mit einem anderen Bewohner.
Drei Tage später der nächste Vorfall: „Ein Streit brach aus, ich unterhielt mich leise mit anderen und sie baten mich, wieder in mein Zimmer zu gehen». Daraufhin knallten ihn die Sicherheitsleute gewaltsam gegen ein Fenster. Dieses zerbrach und durchtrennte mehrere Sehnen. Der Mann musste operiert werden. Gemäss Securitas habe der Mann sein Gleichgewicht verloren und sei von sich aus auf das Glas gefallen.
Gegenüber der Zeitung Courrier brachen auch zwei Sicherheitsangestellte das Schweigen: «In diesem Frühjahr ist die Situation sehr angespannt geworden. Einige sind zu weit gegangen“, sagt der eine. „Das Sicherheitspersonal ist sehr schlecht ausgebildet. Es braucht Erfahrung, um eine Person bewegungsunfähig zu machen. Interventionen, deren Zeuge ich wurde, waren sehr ’schmutzig‘, sie können oft die Menschen verletzen“, sagt der andere. „In den Übungsszenarien werden die Asylsuchenden als gewalttätige Menschen dargestellt, denen wir nicht trauen können. (…) Wir werden aufgefordert, Null Toleranz zu zeigen, ohne zu erklären, was das bedeutet. Wenn etwas schief geht, versuchen wir nicht, darüber nachzudenken, sondern wir schlagen zu. (…) Wenn die Ereignisse aus dem Ruder laufen, werden die Berichte selbst geschrieben. Sie schreiben darin, was sie wollen, und werden von der Hierarchie gedeckt».
https://lecourrier.ch/2020/06/18/malaise-a-chevrilles/?fbclid=IwAR2PeVSQgAdH55XV4Iyd5cv7zrY4uEuYdDcFJDO-jfTW8qZiJSmVxivDK1I

Bild: In diesem Raum mussten zwei Menschen die Nacht verbringen, nachdem sie aus dem Krankenhaus kamen

15.06.20
311 negative Asylentscheide und157 Nichteintretensentscheide in nur einem Monat
Negative Asylentscheide geschehen hinter verschlossenen Türen. Sie sind kaum sichtbar, aber sie sind Ausdruck eines Systems voller Gewalt und haben immense Auswirkungen für betroffene Personen. Darum ist es wichtig, sich diese Zahlen und Entscheide immer wieder zu vergegenwärtigen. Ein negativer Asylentscheid soll nicht einfach eine Zahl in einer Statistik bleiben. Er soll als das dargestellt werden, was er ist – nämlich ein gewaltvoller Entscheid, einem Menschen ein Leben in der Schweiz zu verbieten, einen Menschen zu einem «illegalen Menschen» zu erklären, einen Menschen unter Umständen in die völlige Perspektivlosigkeit zu drängen.
Im Mai 2020 wurden in der Schweiz 311 negative Asylentscheide und157 Nichteintretensentscheide gefällt. Den schweizer Migrationsbehörden ist offensichtlich egal, dass viele dieser Menschen aus Staaten fliehen, in denen mörderische Konflikte toben undTötungen, Folter, Entführungen, sexualisierte Gewalt und massenhafte Vertreibungen an der Tagesordnung liegen. Besonders mörderische Konflikte wüten im Moment in der Demokratischen Republik Kongo, in Kamerun, Nigeria, Somalia, Sudan, Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik, Äthiopien, Burkina Faso, Mosambik, dem Tschad und vielen weiteren Orten. Menschen, die aus diesen Staaten fliehen, erhalten in der Schweiz nicht per se ein Bleiberecht. Asyl erhielt im Monat Mai dieses Jahres im Durchschnitt nur jede 7. Person aus den genannten Staaten. Die anderen erhalten eine negative Antwort, weil die SEM-Mitarbeiter*innen ihnen nicht glauben oder ihre Fluchtgründe nicht anerkennen. Vermutlich aus Angst vor einer Abschiebung oder um dem zermürbenden Leben im Abschiebecamp zu entgehen, tauchten im Mai insgesamt 178 Menschen unter und sind nun gezwungen, ein Leben in der Illegalität zu führen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-79404.html

08.06.20
Neues Bundesasyllager in militärischen Hallen in Brugg
Asyllager sind zentrale Institutionen von Asylregimes, ohne die sich die brutale Verwaltung von Menschen ungleich schwerer vollziehen lassen würde. Asyllager dienen nicht nur der Unterbringung von Menschen, sondern sie schaffen durch ihr äusseres Erscheinungsbild und durch ihre isolierende Funktion ein spezifisches Bild von asylsuchenden Personen. Nämlich das rassistische Bild von unmündigen und gefährlichen Menschen. Diese rassistische Abwertung von Menschen zur Legitimierung ihrer Ausbeutung, Unterdrückung und Isolation ist keine Neuerfindung des schweizer Asylregimes. Das Bild wurde bereits zur Zeit der Sklaverei geschaffen, um die brutale Ausbeutung der versklavten Menschen zu legitimieren. Es wurde in der Kolonialzeit weitergeführt, um die Unterdrückung und Ausbeutung der Länder im globalen Süden zu rechtfertigen. Und es wird heute vom SEM, von den Behörden, der Regierung und der bürgerlichen Presse erneut reproduziert, um die brutalen Lagerstrukturen und die repressiven Massnahmen gegenüber geflüchteten Menschen zu legitimieren.
In diese Analyse reiht sich die Gestaltung, Kommunikation und Berichterstattung rund um das neue Bundesasyllager ein, welches im Juli in Brugg in Betrieb genommen wird. Zur Abwechslung wird es sich in einer alten Militäranlage befinden. Abgesehen davon, dass kein Mensch gezwungen sein soll, in bunkerähnlichen Bauten zu leben, welche zu militärischen Zwecken gebaut wurden, wird damit erneut die eben beschriebene Funktion von Asyllagern bedient, denn ein Gebäudetyp formt, wie dessen Bewohner*innen wahrgenommen werden.
Auch die Medien helfen kräftig mit, diese rassistische Wahrnehmung geflüchteter Menschen zu zementieren. Die Berichterstattung fokussiert sich ausschliesslich auf zwei Aspekte. Einerseits auf die Gewährleistung der „Sicherheit“ (natürlich nicht für die asylsuchenden Menschen) durch einen Zaun um das Asyllager, der sich in Planung befindet. Zweitens auf die «grosse Unsicherheit im Quartier». Warum genau braucht es einen Zaun um ein Asyllager? Auch wenn Asyllager viele knastähnliche Eigenschaften haben, handelt es sich nicht um einen Knast. Die Menschen können hinein und heraus gehen. Der Zaun muss also eine andere Funktion haben. Er bedient das Feindbild der asylsuchenden Person, die komplett entmenschlicht und als Gefahr dargestellt wird.
Die Menschen, die in die Militäranlage in Brugg ziehen werden, erwartet nicht nur das strenge Lagerregime mit Anwesenheits- und Abwesenheitsregeln, schikanierenden Hausordnungen, Perspektivlosigkeit und Isolation, sondern es erwartet sie wie vielerorts eine rassistische Umgebung, die ihnen täglich zu spüren geben wird, dass sie nicht dazugehören und nicht erwünscht sind. Das zeigen die Antworten einer Umfrage, welche die Aargauer Zeitung mit den Anwohnenden durchgeführt hat. Allein die Tatsache, dass es für nötig gehalten wird, die Anwohnenden bei der Eröffnung einer Asylunterkunft nach ihrer Befindlichkeit zu fragen, macht die öffentliche Wahrnehmung davon deutlich. Die Eröffnung einer Schule, einer Sportanlage oder eines Restaurants wäre wohl kaum eine Befragung wert. Jedenfalls zeugen die Aussagen der Anwohnenden von einem zutiefst rassistischen Klima rund um die militärischen Hallen: «Wenn die kommen, ist es fertig mit der Ruhe im Quartier», meint einer und macht sich Sorgen, dass sich die Asylsuchenden nicht den hiesigen Gepflogenheiten anpassen können oder für Lärm und Krawalle sorgen. «Wir geben Milliarden von Franken aus für solche Menschen und die wissen es nicht einmal zu schätzen», echauffiert er sich. Die Asylsuchenden müssten nicht einmal etwas für das Geld tun. Eine andere Person verlangt, dass eine Anlaufstelle eingerichtet wird, an die sich die Anwohner*innen wenden können, sollte es zu Problemen mit den Asylsuchenden kommen. Ein Dritter macht sich Sorgen, dass sich vielleicht IS-Kämpfer unter den Asylsuchenden befinden könnten und hofft, dass es zu keinen Problemen auf dem Spielplatz kommt. Und eine weitere Person findet, eine so grosse Anlage gleich neben einem beliebten Naherholungsgebiet sei überhaupt nicht ideal. Wäre sie noch jünger, würde sie abends sicher nie mehr über das romantische Brückchen zum Geissenschachen gehen, wenn so viele Asylsuchende in der Nachbarschaft lebten. Diese Antworten sind erschreckend. Sie zeugen von den zutiefst rassistischen Einstellungen gegenüber geflüchteten Menschen und zeigen, dass es das schweizer Lagerregime sehr gut hingekriegt hat, diese Menschen komplett zu entmenschlichen, sie als Gefahr, als «anders», als eine Bedrohung darzustellen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-79306.html

https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/im-notfall-sollen-230-aslysuchende-unterkommen-unsicherheit-im-quartier-ist-gross-138063120

Bild: Militärische Hallen in Brugg

18.05.20
Securitas-Gewalt im Bundesasyllager

Menschen aus dem Bundesasyllager Bässlergut ergreifen das Wort und decken systematische und gewalttätige Übergriffe auf sie, durch Mitarbeitende der Securitas AG, auf. Diese Woche erschienen dazu eine ausführliche Broschüre, sowie ein WOZ-Artikel und eine Rundschau-Reportage. Die Aussagen der Betroffenen, sowie die Protokolle der Sicherheitsleute aus den letzten vier Jahren machen einen Teil der unfassbaren Gewalt sichtbar, die sich täglich hinter den Mauern der Asyllager und im schweizer Asylregime abspielt. Im Zentrum der Erzählungen steht oft ein Ort, der im Behördenjargon «Besinnungsraum» heisst: ein kleines, fensterloses Zimmer, ausgestattet mit einer Matratze und verriegelt durch eine schwere Metalltür. Räume wie diese stehen in den meisten Bundesasyllagern zur Verfügung. Dort werden Asylsuchende, die sich angeblich nicht an die Hausregeln halten, bis zum Eintreffen der Polizei eingesperrt. In vielen Fällen dient der Ort aber schlicht als Prügelkammer für die im Bundesasyllager angestellten Securitas. Aufenthalte im «Besinnungsraum» enden mit Verletzungen wie blauen Knöcheln bis hin zu mehrtägigen Spitalaufenthalten. Ein Bewohner erzählt: «Ich war krank und habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Am Morgen kamen die Securitas, es war sehr kalt, doch sie öffneten das Fenster, nahmen mir die Decke weg. Sie nahmen mich mit Gewalt mit und brachten mich in den Raum. Dort schlugen sie mich in den Bauch, bis ich nicht mehr atmen konnte. Ich kam für zwei Tage ins Spital.»
Eine andere Person erzählt: «Der Securitas wollte, dass ich die Identitätskarte zum Essen mitnehme. Wenn ich keine habe, müsse ich auf die neue warten. Ich habe mir dann einfach etwas genommen. Der Securitas nahm mir das Essen weg, steckte mich in den Raum und schlug mich. Bis abends um elf Uhr gab es nichts zu essen.» Das sind keine Einzelfälle. Geschichten wie diese gibt es unzählige und sie spielen sich meist ähnlich ab.
Selbst nach der Dokumentation dieser unfassbaren Gewalt, die das Staatssekretariat für Migration (SEM) als Auftraggeber dieser Organisation mitzuverantworten hat, sieht dieses kein systematisches Problem. Zu den Vorwürfen der Asylsuchenden, dass sie regelmässig Opfer gewalttätiger Übergriffe werden, schreibt das SEM: «Wir haben keine Hinweise darauf, dass die Sicherheitsdienstleister in Basel oder in anderen Bundesasylzentren unverhältnismässigen Zwang anwenden. Das SEM würde dies nicht dulden und entsprechend sanktionieren.»
Laut Aussagen von Securitas gibt es fast täglich körperliche Auseinandersetzungen zwischen Bewohnenden und Securitas. Und wie gesehen, enden diese meist in brutaler Gewalt gegenüber den Bewohnenden. Dass das SEM nichts davon weiss, ist schlicht nicht möglich. Als es nach den ausführlichen Berichten selbst für das SEM schwierig wurde, die Gewalt zu negieren oder zu verharmlosen, spielte ihr Pressesprecher die beliebte «Einzelfallkarte» und meinte nur, Fehler könnten schliesslich jeder Person mal passieren. Schwere körperliche Gewalt gegen Menschen anzuwenden, die in eine Zelle eingesperrt sind, ist aber kein Fehler, der halt mal passieren kann. Das ist systematische staatliche Gewaltanwendung, die keinen Platz haben darf. Die Reaktion auf die Vorfälle kann deshalb auch nicht darin bestehen, einzelne Securitas zur Verantwortung zu ziehen. Denn die Gewaltanwendung ist ein essentielles Mittel, damit das Lager- und Asylregime überhaupt so effizient funktionieren kann, wie es dies tut. Wir kritisieren deshalb grundsätzlich die Lagerstruktur und die Verwaltung von Menschen durch das Asylregime, die eine solche Gewalt möglich macht.
https://www.woz.ch/2020/asylpolitik/tatort-besinnungsraum
https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/gewalt-im-asylheim-schwedens-sonderweg-verkupplungsboom?id=539cd587-8b5e-46b0-bb3f-62f669d4d371
https://3rgg.ch/securitas-gewalt-im-lager-basel/

18.05.20
Selbsttötung in einem Berner Asylcamp

Bild: Gedenkstelle hinter dem Asylcamp, in dem P.S. isoliert wurde bis er sich das Leben nahm

„Wir trauern um P. S.“, schreibt das Migrant Solidarity Network und veröffentlicht folgende Informationen: „Am 3. Mai nahm sich ein junger Mensch in einem Asylcamp im Kanton Bern das Leben. Zuvor hatte er von den schweizer Behörden erfahren, dass sie kein Bleiberecht erteilen und ihn bei Gelegenheit gewaltvoll in die Ukraine abschieben wollen. Gemäss unseren Informationen hat P.S. seinen Geburtstag als Todestag gewählt. Der Tod von P. S. macht uns betroffen. Die Umstände, die es leichter machen, den Tod dem Leben vorzuziehen, machen uns wütend.
Wer seine Heimat verlassen muss, kennt die Verzweiflung. Wer – nach einer oft lebensgefährlichen Reise – im Asylcamp leben muss, kennt die Verzweiflung. Wer von Behörden die Drohung erhält, gegen den eigenen Willen gewaltvoll abgeschoben zu werden, kennt die Verzweiflung. Diese Verzweiflung kann auch tödlich enden. Wir alle wissen das und wir alle wissen, dass Selbsttötung unter diesen Umständen auch mit diesen Umständen zu tun hat. Kein Vergessen!“
https://migrant-solidarity-network.ch/2020/05/15/selbsttoetung-im-camp-wir-trauern-um-p-s/

11.05.20
Audio: Wie geht es im Nothilfe Camp in der Coronazeit?
Der Corona-Virus hat das Leben von Menschen, die ohnehin in schwierigen Situationen leben, noch schwieriger gemacht. Das gilt in besonderem Masse für Menschen in Asylzentren. Sie leben jetzt noch isolierter als in normalen Zeiten und viele Corona-Massnahmen können nicht umgesetzt werden. Ein Gespräch mit Sara, die als Freiwillige in einer solidarischen Organisation arbeitet und Menschen in Asylheimen besucht, über die Situation in den Nothilfe Camps.
https://www.lucify.ch/2020/05/09/wie-geht-es-im-nothilfe-camp-in-der-coronazeit/

04.05.20
Prekäre Zustände, unterdrückte Proteste – Das Migrationsregime in Zeiten von Corona
Das Migrationsregime zeigt sich grausam wie eh und je. Während sich die Mehrheit der Bevölkerung in ihr Zuhause zurückzieht, werden Asylsuchende weiterhin eingesperrt. Gesundheitliche Richtlinien scheinen für sie nicht zu gelten. Alternativen zum repressiven Asylregime gäbe es genug, wie die Forderungen zahlreicher Protestaktionen der vergangenen Wochen beweisen. 
https://www.ajourmag.ch/prekaere-zustande-unterdruckte-proteste/

04.05.20
Bunker Urdorf schliessen!
Der Bunker Urdorf ist ein unterirdischer Bunker im Kanton Zürich, in dem zur Zeit mehr als 30 Geflüchtete untergebracht sind. Darunter sind Menschen, die schon fast 20 Jahre in der Schweiz wohnen und Familie haben. Im Bunker gibt es inzwischen drei Corona-Verdachtsfälle. Zwei Betroffene sind noch im Bunker untergebracht. Der Bunker Urdorf ist eine Massenunterkunft, in der das Einhalten der Distancing-Richtlinien unmöglich ist. Damit ist die Wahrscheinlichkeit weiterer Infizierungen stark erhöht. Viele Bewohnende weisen zudem eine Vorerkrankung wie latente Tuberkulose auf. Das Risiko eines allfällig tödlichen Verlaufs der Krankheit ist damit ebenfalls stark erhöht. Eine Unterbringung der Bewohnenden verteilt in Einzelzimmer, zum Beispiel in leerstehenden Hotels, wäre ohne Weiteres durchführbar. Verantwortlich für den Betrieb der Notunterkunft sind die ORS AG und das Kantonale Sozialamt unter dem Sicherheitsdirektor Mario Fehr (SP).
https://barrikade.info/article/3439

20.04.20
Widerstand gegen die neu geschaffenen Rückkehrzentren im Kanton Bern
Das Solidaritätsnetz Bern hat ein Fundraising lanciert, um Geld für die private Unterbringung von Geflüchteten zu sammeln und ihnen somit ein Leben ausserhalb der Isolationszentren zu ermöglichen. In absehbarer Zeit werden abgewiesene geflüchtete Menschen im Kanton Bern in sogenannte „Rückkehrzentren“ umplatziert. Dies bedeutet eine erneute Verschärfung des ohnehin menschenverachtenden Nothilfe-Regimes und stellt für viele Betroffene eine massive Verschlechterung ihrer Situation dar. Die neuen Camps werden von der ORS AG geführt und dienen der noch effizienteren Isolation und Verwaltung von Geflüchteten. Aus diesem Grund wollen wir gemeinsam Widerstand gegen die Isolationszentren leisten. Mehr Infos und das Fundraising findest du hier: https://solidaritaetsnetzbern.ch/stopisolation

13.04.20
Widerstand gegen die neu geschaffenen Rückkehrzentren im Kanton Bern
Das Solidaritätsnetz Bern hat ein Fundraising lanciert, um Geld für die private Unterbringung von Geflüchteten zu sammeln und ihnen somit ein Leben ausserhalb der Isolationszentren zu ermöglichen. In absehbarer Zeit werden abgewiesene geflüchtete Menschen im Kanton Bern in sogenannte „Rückkehrzentren“ umplatziert. Dies bedeutet eine erneute Verschärfung des ohnehin menschenverachtenden Nothilfe-Regimes und stellt für viele Betroffene eine massive Verschlechterung ihrer Situation dar. Die neuen Camps werden von der ORS AG geführt und dienen der noch effizienteren Isolation und Verwaltung von Geflüchteten. Aus diesem Grund wollen wir gemeinsam Widerstand gegen die Isolationszentren leisten. Mehr Infos und das Fundraising findest du hier: https://solidaritaetsnetzbern.ch/stopisolation

06.04.20
ORS AG kritisiert Seifenspenden an Asylcamps
Privatpersonen haben in Zürich Menschen in Notunterkünften über Corona informiert und Seife sowie Desinfektionsmittel verteilt. Damit leisteten sie eine Direkthilfe in Camps, die von der ORS AG geführt werden. Diese konnte die Vorgaben des BAG bisher nicht ausreichend umsetzen. Ärzt*innen kritisieren die Lage in den Notunterkünften als „katastrophal“. Beispielsweise können noch immer vielerorts die geforderten zwei Meter Abstand nicht eingehalten werden, um Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen zu schützen (siehe auch  antira-Wochenschau vom 30.03.20, „Social Distancing in Asylunterkünften unmöglich“). Die ORS weist wie immer alle Kritik zurück und kritisiert dafür selbst. Und zwar die Privatpersonen, die in den ORS-Unterkünften interveniert hatten. Sie würden die Arbeit der Mitarbeiter*innen erschweren und zu Verunsicherung bei den Bewohner*innen führen. Glaubhafter erscheint die Aussage einer Freiwilligen zur Situation vor der Intervention: „Die Leute waren verängstigt, es gab keine Informationen.“ Menschen in Asyllagern gehören zu den am schlechtesten vor Corona geschützten Gruppen in der Schweiz. Die Bedingungen, unter denen Menschen dort leben müssen, sind seit jeher schlecht. Nur werden die Konsequenzen jetzt spürbar und hoffentlich auch für eine breite Bevölkerung nachvollziehbar.
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/wegen-coronavirus-asylzentrums-betreiberin-kritisiert-freiwilligen-aktionen-137586525
https://www.tagesanzeiger.ch/aerzte-kritisieren-lage-in-notunterkuenften-als-katastrophal-124242889094
https://www.ors.ch/ORSS/media/ORSSMediaLibrary/Corona/MM-Behinderung-der-Betreuungsarbeit.pdf
https://www.plattform-ziab.ch/wp-content/uploads/2020/03/OffenerBrief_ZiAB_Bundesrat_M%C3%A4rz2020.pdf

30.03.20
Social Distancing in Asylcamps unmöglich
Die Platzverhältnisse in den Asyllagern sind zu beengt, um sich vor Corona zu schützen. Küche, sanitäre Einrichtungen, Schlaf- und Aufenthaltsräume: alles wird gemeinschaftlich genutzt. Im Bundesasyllager in Basel leben 200 Menschen auf engstem Raum. Bis zu zwölf Personen teilen sich einen Schlafsaal. Die Sanitäreinrichtungen sind absolut unzureichend und gewähren weder Privatsphäre, noch erfüllen sie die hygienischen Mindeststandards. Bewohner*innen berichten, dass alle kranken Personen, ob mit Corona-Symptomen oder ohne, in einem Raum untergebracht werden. In anderen Kantonen befinden sich 8, 12 oder 20 Personen in einem Raum. Gruppen von maximal fünf Personen? Nicht möglich. Abstand von zwei Metern? Nirgends. Ein Bewohner des Asyllagers in Rohr (ZH) sagt: «Wir sind hier auf engem Raum etwa 60 Leute, an uns denken sie nicht. Wenn wir das Coronavirus schnell stoppen wollen, dann müssen auch wir weniger werden». Während das Solinetz Zürich eine dezentrale Unterbringung der Bewohner*innen fordert, müssen diese im Kanton Zürich weiterhin ein- bis zweimal täglich ihre Anwesenheit im Asyllager bestätigen, um die mickrigen 8,50 Fr. zu erhalten, die ihnen pro Tag zustehen. Im Kanton Luzern drohen Repressionen, wenn man sich aktuell nicht in den Asyllagern aufhält. Für Personen, die in privaten Netzwerken eine sichere Umgebung gefunden haben, verschlechtert sich die Situation trotz Alternativen. In einigen Kantonen ist man sich bewusst, dass Social Distancing in den Asyllagern eine Illusion ist. Es sollen weitere Asyllager eröffnet werden, um die Situation zu entschärfen. Wann und wo dies geschehen soll, ist vielerorts noch unklar. Auch ist fraglich, ob angesichts der Platzverhältnisse die weiteren Massnahmen wie Informationen zu Corona, angeblich verbesserte Hygienebedingungen und Sicherheitsstandards zu einer Verbesserung der Situation führen werden. Klar ist, dass die Menschen in den Asyllagern durch das ausgesprochene Besuchsverbot und die Anwesenheitspflicht nun noch mehr isoliert sind, als es sowieso schon der Fall ist. Es fehlen Beschäftigungsmöglichkeiten, Privatsphäre, Perspektiven. Viele können über die Worte des Zürcher Regierungsrats Mario Fehr nur den Kopf schütteln: „Wenn alle solidarisch sind, werden wir diese Krise gemeinsam meistern.ind, werden wir diese Krise gemeinsam meistern.“ Wenngleich Regierungsvertreter*innen allerorts ihren Einsatz im Asylbereich rühmen, fühlen sich die Menschen in den Unterkünften vergessen.Wegen des Coronavirus verzichtet der Kanton Bern vorerst darauf, Asylsuchende mit rechtskräftigem Wegweisungsentscheid in speziellen sogenannten „Rückkehrzentren“ (Ausschaffungslagern) zu isolieren. Diese Zentren werden vorerst nicht eröffnet. Gleichzeitig teilte die bernische Sicherheitsdirektion gestern mit, dass man trotz Corona grundsätzlich am Fahrplan festhalten wolle und das Na-Be-Projekt, eine der grössten Umstrukturierungen im Berner Asylwesen, per 1. Juli 2020 umsetzen wolle. Somit müssten in den kommenden drei Monaten drei neue Ausschaffungslager eröffnet werden, fünf neue Campbetreiberorganisationen müssten die bisherigen Campbetreiber*innen abgelöst haben, und damit hunderte Dossiers übergeben, hunderte Asylsuchende umplatziert, Leute eingearbeitet, Lager aufgelöst und neue eingerichtet werden. Wir finden es wichtig an dieser Stelle zu betonen, dass das Asyllagerregime der Schweiz und Europas immer kritisiert gehören und nicht erst jetzt, in dieser ganzen Corona-Solidaritätswelle. Wir lehnen es grundsätzlich ab, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft und ihres Aufenthaltsstatus in Lager gesteckt werden, ständig kontrolliert und überwacht werden, sich nicht frei bewegen dürfen, in Abhängigkeitsverhältnisse zum Staat gesteckt werden und in keinem Moment frei darüber entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten möchten. Wir hoffen, dass die momentan breit geteilte Kritik an den Zuständen in den Asyllagern nach Corona nicht abreisst.
https://3rgg.ch/

https://tsri.ch/zh/60-menschen-auf-engem-raum-social-distancing-im-asylzentrum-corona/
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/wegen-coronakrise-asylsuchende-muessen-nicht-in-rueckkehrzentren-137358373https://www.bernerzeitung.ch/eroeffnung-der-asyl-rueckkehrzentren-aufgeschoben-255020476684https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/kanton-bern/coronavirus-massnahmen-zur-ausserordentlichen-lage-im-asylbereichhttps://rabe.ch/2020/03/26/umstrittene-umbau-plaene-im-asylwesen

23.03.20
Die Corona-Solidarität reicht nicht bis zu Geflüchteten
Seit Corona werden überall Hygiene- und Sicherheitsstandards gefordert, an die sich die Bevölkerung gefälligst zu halten hat. Aus Solidarität mit allen anderen. Vom Solidaritätskreis ausgeschlossen werden einmal mehr geflüchtete Menschen. Die rassistische Doppelmoral zeigt sich beispielsweise daran: In Riehen infizierte sich eine Kita-Angestellte. Sofort wurde die Kita geschlossen, die Kinder in Quarantäne geschickt und die Mitarbeiterin isoliert. Als sich im Ausschaffungsknast Bässlergut ein Betreuer infizierte, mussten die von ihm betreuten geflüchteten Jugendlichen weiterhin zur Schule gehen. Ein weiteres Beispiel? Allen Nicht-Geflüchteten wird eingetrichtert, sich nicht in grösseren Gruppen aufzuhalten und einen Sicherheitsabstand von zwei Metern einzuhalten. Geflüchtete Menschen pferchen die Behörden aber teils zu hunderten in Asylcamps, wo sie in Mehrbettzimmern schlafen müssen. Um sie zu „schützen“, wird nicht etwa gefordert, sie in Wohnungen oder andere Unterkünfte mit besseren Platzverhältnissen umziehen zu lassen, sondern die meisten Massnahmen beschränken sich auf strenge Quarantäneregelungen und Besuchstopps. Es gab einige Umplatzierungen, aber ohne die Menschen darüber aufzuklären, weshalb. Allgemein wird wenig und kaum in anderen Sprachen als in den Landessprachen über die derzeitige Situation informiert. Aufgrund des Besuchstopps gibt es keine rechtliche Beratung mehr in den Lagern und die Isolation steigt zusätzlich. Teilweise gibt es den Versuch der Besuchsgruppen, weiterhin per Telefon in Kontakt zu sein, um die Isolation zu durchbrechen, aber z.B. in den Bunkern unter der Erde gibt es keinen Handy-Empfang. Statt die Menschen in den Asylcamps effektiv zu schützen, wird ihre Situation durch zusätzliche Isolationsmassnahmen noch schwieriger gemacht. Gerade für geflüchtete Menschen kann eine Quarantäne sehr belastend sein, weil sie an Inhaftierungserfahrungen anknüpft, die viele Menschen auf der Flucht erleben müssen. Zudem ist die Polizeipräsenz in vielen Camps noch höher als üblich. Teilweise ersetzt die Polizei auch die regulären Mitarbeiter*innen, weil diese krank sind. Das macht das Gefühl von Inhaftierung wohl auch nicht gerade besser. Schön wird gerade so viel Solidarität eingefordert. Wir fordern aber echte Solidarität mit allen und keine heuchlerische Solidarität mit ausschliesslich nicht-geflüchteten Menschen! Immerhin etwas Gutes ergibt sich aus der ganzen Corona-Geschichte: Im Kanton Bern wird der Transfer von abgewiesenen Asylsuchenden in die sogenannten „Rückkehrzentren“ auf post-corona-times verschoben. 

November 2019

Nach dem verhinderten Nothilfecamp in Prêles: Gewalt gegen abgewiesene Geflüchtete bleibt beim Alten
Nach einem starken Widerstand von verschiedensten Seiten hat sich der Grosse Rat im Kanton Bern im März 2019 gegen die Schaffung eines riesigen Nothilfecamps im ehemaligen Jugendknast im abgelegenen Prêles ausgesprochen. Seither haben die Behörden nach Standorten gesucht. Die voraussichtlichen Standorte sind: Gampelen, Aarwangen und Biel-Bözingen. An allen Standorten bestehen schon heute Camps. Bis zum Sommer der Migration waren die Camps in Gampelen und Aarwangen bereits Nothilfe-Camps. Neu werden die abgewiesenen geflüchteten Kinder die Regelschule nicht mehr besuchen dürfen, sondern werden gesondert in den Camps unterrichtet. Die Camps werden im Sommer 2020 ihren Betrieb aufnehmen. Welche Betreiber-Firma oder -NGO die Nothilfecamps zu führen hat, wird im Dezember 2019 kommuniziert.
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.mm.html/portal/de/meldungen/mm/2019/11/20191123_0807_geeignete_standorteinaarwangenbiel-boezingenundgampelen

28. Juni 2019
Standortsuche für neues Lager als Ersatz für Prêles
Nachdem der Plan, Geflüchtete mit einem negativen Asylentscheid in Prêles möglichst stark zu isolieren, nicht ganz aufging, sucht der Kanton Bern nun einen neuen Standort für ein solches Lager. Der Kampf, der gegen Prêles geführt wurde, ist also nicht abgeschlossen, sondern muss sich auch gegen die neuen Pläne der Regierung, ein solches Lager zu eröffnen, richten. Wo das neue Lager sein wird, will die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern noch nicht preisgeben. In den nächsten paar Monaten sollte der Standort aber klar sein und auch die Betreuung dieser Lager öffentlich ausgeschrieben werden. Halten wir die Augen und Ohren offen.
https://www.derbund.ch/bern/charme-offensive-der-statthalter-soll-fuer-preles-ersatz-sorgen/story/16908801

22. Juni 2019
Bericht der NKVF zur Situation in den Bundesasyllagern
In ihrem heute veröffentlichten Bericht stellt die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) ihre Erkenntnisse in den Bereichen Migration und Gesundheitsversorgung vor. Insgesamt führte die Kommission im letzten Jahr 18 Kontrollbesuche in Einrichtungen durch, in denen sich Personen im Freiheitsentzug befinden oder freiheitsbeschränkenden Massnahmen unterliegen. Dazu gehören auch die Bundesasyllager, deren Bewertung durch die NKVF im Folgenden zusammengefasst wird. Die NKVF ist nicht gerade für ihre progressiven oder radikalen Positionen bekannt. Umso schlimmer müssen die Missstände in den Bundesasyllagern sein, wenn diese sogar von der NKVF angeprangert werden. Nachfolgend einige Beobachtungen der NKVF:
– Potentielle Opfer von Folter, Betroffene von geschlechterspezifischer Gewalt sowie Opfer von Menschenhandel werden in den Asyllagern kaum identifiziert. Für das in den Asyllagern tätige Betreuungs- und Sicherheitspersonal gibt es keine klaren Vorgaben zur Identifikation von vulnerablen Personen. Externe Fachstellen wurden in den meisten Asyllagern nicht systematisch beigezogen.
– Frauen* sind in den Asyllagern häufig geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Das SEM klärte laut eigenen Angaben zwischen 2015 und 2018 läppische vier Fälle von Übergriffen ab. In keinem der Fälle kam es zu einer Anzeige. Als Massnahmen wurden beschuldigte Personen teilweise in andere Asyllager verlegt (als ob das Problem dadurch gelöst sei), vereinzelt wurde aber auch gar nichts gemacht und die Betroffenen verblieben zusammen mit der übergriffigen Person im gleichen Lager. Die Situation zeigt sich wohl noch um einiges schlimmer als hier von der NKVF dargestellt. Die Erzählungen von Menschen, die bspw. in Nothilfeunterkünfte leben, weisen eher darauf hin, dass in den meisten Fällen von geschlechtsspezifischer Gewalt nichts unternommen wird. Bspw. kriegen geflüchtete Frauen*, die einen Übergriff beim Sicherheitsdienst melden, zu hören, dass sie ja auch wieder gehen können, wenn es ihnen hier nicht passe.
– Mit Ausnahme des Asyllagers Juch in Zürich, ist der „Ausgang“ in allen Lagern bewilligungspflichtig. In 9 von 11 besuchten Lagern galten zum Zeitpunkt der jeweiligen Besuche die Mindestausgangszeiten (Mo. bis So. von 9 bis 17 Uhr und bei einem Wochenendausgang ab Fr. 9 Uhr bis So. 19 Uhr). Das stellt eine krasse Einschränkung der Bewegungsfreiheit dar. Da die Lager oftmals sehr abgeschottet und die Mobilitätskosten sehr hoch sind, bleibt vielen Personen nichts anderes übrig, als teilweise über mehrere Jahre 24 Stunden am Tag im Asyllager zu sein.
– Gemäss der NKVF führte das Sicherheitspersonal bei erwachsenen Personen in den meisten Asyllagern systematisch bei der Rückkehr in das Lager eine körperliche
Durchsuchung (mittels Abtasten) sowie eine Kontrolle mitgeführter Gegenstände (Taschen, Rucksäcke, etc.) durch. In mindestens einem Zentrum wurden solche Durchsuchungen auch systematisch an Kindern vorgenommen. Das Sicherheitspersonal ist zudem mit Pfefferspray ausgestattet und setzt diesen auch ein. Wenn du also das Pech hast, eine geflüchtete Person in einem Asyllager zu sein, giltst du erst mal als verdächtig und bist wahrscheinlich sehr, sehr gefährlich.
– Das SEM bestraft Asylsuchende, die sich nicht an die Anwesenheitspflicht und Ausgangszeiten halten, regelmässig mit Disziplinarmassnahmen in der Form des Taschengeldentzugs oder einem Ausgangsverbot. Regelmässig wurden auch Hausverbote (Ausschluss vom Lager) ausgesprochen. Dies hat zur Folge, dass die ausgeschlossene Person teils für mehrere Tage auf der Strasse leben muss. Eine Rückkehr in das Asyllager vor Ablauf der gesetzten Frist, wurde im Zentrum Juch als
Hausfriedensbruch eingestuft und führte zur Benachrichtigung der Polizei. Die Disziplinarmassnahmen werden in den meisten Fällen nur mündlich angeordnet. Sie sind somit weder anfechtbar, noch kontrollierbar und die Asylsuchenden sind dem Willkür und den Launen der Lager-Mitarbeitenden ziemlich ausgeliefert.
– Psychiatrische Unterstützung beschränkt sich meist auf Akutsituationen. Das SEM findet es meistens unnötig, den Personen bereits in den Bundesasyllagern psychiatrische Unerstützung zu gewähren, da sie sich da sowieso nur kurz aufhalten würden und dann den Kantonen zugewiesen würden.
https://www.nkvf.admin.ch/nkvf/de/home/publikationen/newsarchiv/2019/2019-06-18.html

8. Juni 2019
Die Antifolterkommission kritisiert das Ausschaffungsgefängnis von Granges im Wallis, Behörden stellen auf stur
Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) kommt in ihrem Bericht zum Schluss, dass der Kanton Wallis in Sachen Ausschaffungshaft gegen nationale und internationale Standards verstösst. Die administrativ inhaftierten Geflüchteten werden im Wallis durchschnittlich zwischen 19 und 20 Stunden pro Tag in der Zelle gehalten. Die NKVF forderte, die Zelleneinschlusszeiten auf die Nacht zu beschränken. Die Behörden verweigerten dies. Sie weigern sich auch, die zu strengen Besuchsregelungen zu lockern und einen gewissen Zugang zu Handys zu ermöglichen.
Das Ausschaffungsgefängnis von Granges wurde seit 2010 fünf Mal kontrolliert. Im Mai 2018 informierte die NKVF die walliser Behörden über die dringlichen Massnahmen zur Verbesserung der Haftbedingungen. Im Januar 2019 führte die Kommission einen unangekündigten Nachfolgebesuch durch und stellte die oben erwähnten Missstände fest. Wo Unrecht zur Recht wird, ist Widerstand Pflicht.
https://www.nkvf.admin.ch/nkvf/de/home/publikationen/newsarchiv/2019/2019-06-06.html

Asylsuchender darf Kanton St Gallen nicht verlassen
Seit 22 Monaten wartet Zeki Ürün (26) auf einen Asylentscheid und darf seither das Kantonsgebiet von St. Gallen nicht verlassen. Weil er als Mitglied der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) beim Syrienkrieg mitgewirkt habe, sei er eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“, wie das St. Galler Migrationsamt knapp begründete. Ein- und Ausgrenzungen als eine Form ausländerrechtlicher Zwangsmassnahmen können grundsätzlich während und nach dem Asylverfahren angeordnet werden. Der Kanton Zürich beispielsweise belegt abgewiesene Asylsuchende seit 2016 systematisch mit dieser Bestimmung. Eine so schwammige juristische Begründung wie im Fall von Ürün ist aber laut verschiedenen Rechtsvertreter*innen neu. Im Kern ist die Argumentation im Fall von Zeki Ürün durch alle Instanzen dieselbe. Die YPG seien als syrischer Ableger der türkischen PKK und als „bewaffnete Einheit“ zu betrachten. Zudem spiele es keine Rolle, „welcher Gruppierung einzelne Kriegsteilnehmer angehören oder ob eine bestimmte Gruppierung in der öffentlichen Wahrnehmung einen gerechten Krieg führt oder als Terrorgruppe eingestuft wird“. Das heisst in anderen Worten: YPG gleich IS. Die Argumentation ist völlig absurd, wie Fabian Rüegger vom Solidaritätsnetz Bern feststellt: „Nur die Türkei und Katar betrachten die YPG als Terrororganisation – und offenbar auch der Kanton St. Gallen.“ Es ist auch die Abstraktheit der Begründung, die Zeki beschäftigt. Denn er weiss nicht, was ihm konkret vorgeworfen wird. Bis zum Asylentscheid muss er weiter in St. Gallen leben. Der Kanton sei für ihn ein Gefängnis. „Es ist doch unsinnig“, sagt er, „offenbar bin ich nur eine Gefahr für Leute, die nicht in St. Gallen wohnen.“
https://www.woz.ch/1923/eingrenzung/praeventiv-bestraft

Neue Sicherheitsfirmen in Bundesasyllager
Bisher war vorwiegend die private Sicherheitsfirma Securitas AG für die Repression in den Bundesasylcamps zuständig. Sie kontrolliert das Leben der Geflüchteten innerhalb und teilweise auch ausserhalb des Camps und filzt sie am Eingang. Getreu neoliberaler Doktrin soll der Wettbewerb entscheiden, wer dies in Zukunft tun soll. Da die bestehenden Verträge Ende dieses Jahres auslaufen, schrieb das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Mandat diese Woche neu aus. Die Eingabefrist läuft am 25. Juli 2019 ab. Wer Chancen haben will, muss vor allem auf den Preis auchten und die Möglichkeit haben, auf schwankende Arbeitsvolumen zu reagieren, indem z.B. wenig fixe und viele befristete Verträge mit den Angestellten geschlossen werden.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-75301.html
https://www.simap.ch/shabforms/COMMON/search/searchresultDetail.jsf

26. Mai 2019
Der Kanton Aargau will Geflüchtete mit Ausweis B oder F in Camps isolieren, um sie zu „integrieren“
Bis jetzt stellte eine vorläufige Aufnahme (F-Ausweis) und vor allem eine definitive Aufnahme (Ausweis B) das Ende des entrechtenden Lebens in Asylcamps dar. Für viele ist es nach Jahren der Flucht und dem Asylverfahren der erste Zeitpunkt, ab dem endlich berufliche oder soziale Teilhabe oder ein Leben mit Privatsphäre möglich wird. Dem Regierungsrat im Kanton Aargau passt das nicht. Er will Einzelpersonen und Familien mit F oder B-Ausweis weiterhin in grosse Camps stecken. Die Behörden verkaufen das als Integrationsmassnahme. Vorläufig Aufgenomme oder anerkannte Geflüchtete würden „für die Angewöhnung an die schweizerischen Verhältnisse vorübergehend in der Grossunterkunft untergebracht, bevor sie den Gemeinden zugewiesen werden. Auch Kinder mit Bleiberecht sollen weiter isoliert und in der campeigenen Schule unterrichtet werden, um sie von Regelklassen fernzuhalten.
https://www.srf.ch/news/regional/aargau-solothurn/fluechtlinge-im-aargau-von-der-kantonalen-asyl-grossunterkunft-zum-integrationszentrum
https://www.ag.ch/de/aktuelles/medienportal/medienmitteilung/medienmitteilungen/mediendetails_122387.jsp

11. Mai 2019
Neuausschreibung für die Betreibung der Bundesasyllager
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) schreibt den Leistungsvertrag für die Betreuung in den Bundeslagern neu aus. Welche Organisationen sich für die Mandate bewerben, ist derzeit noch unbekannt. Vermutlich werden neben Hilfswerken, wie dem Schweizerischen Roten Kreuz oder der Heilsarmee, wieder gewinnorientierte Firmen, wie die ORS, in der Auswahl sein. Die generelle Problematik der Bundesasyllager, die etwa hier genauer beschrieben wird, wird durch profitorientierte Fimen im Asylbusiness noch einmal verstärkt. Solche Unternehmen unterbieten die meisten Konkurrent*innen deutlich im Preis, da sie auf ausgebildete Sozialarbeiter*innen verzichten und stattdessen erwerbslose Personen aus verschiedensten Berufsgattungen anwerben, die ein prekäres Arbeitsverhältnis annehmen müssen. Wieso das SEM diese Arbeit nicht selber macht und dafür Leute anstellt, wird nicht mal mehr begründet, so tief ist die Logik des Abgebens von staatlicher Arbeit an private Institutionen in den Bundesbehörden schon fortgeschritten. Der wichtigste Grund für solche Privatisierungen ist, dass so die Lohnkosten einfacher gedrückt werden können, als wenn das SEM selber Leute anstellen würde und sich an die Anstellungsbedingungen des Bundes halten müsste. Darum dürfen laut Ausschreibung auch Subunternehmen einbezogen werden, was das Löhnedrücken erleichtert. Solche Ausschreibungen sind also gleichzeitig ein Angriff gegen die Lohnarbeitenden sowie gegen die Geflüchteten.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-74955.html
https://www.woz.ch/-780c

3. Mai 2019
Nothilfelager Vilters
„Keine Perspektiven bieten“ lautet das offizielle Motto des Nothilfe- und Ausreiselagers im St. Gallischen Vilters. Dorthin kommen abgewiesene Asylsuchende die nicht ausgeschafft werden können, weil die Herkunftsländer sie nicht aufnehmen oder sie nicht kooperieren oder ihre Identität nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann. Kein Geld, keine Beschäftigung, keine Beschulung, nur minimale Betreuung. Die Leute sollen gezwungen werden, von alleine auszureisen. Der neueste Trick der Behörden: Abeglaufene Lebensmittel auftischen, in denen sich die Maden winden.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/motten-im-risotto-kritik-an-den-zustaenden-im-ausreise-und-nothilfezentrum-vilters-ld.1114168
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/endstation-vilters-wie-abgewiesene-asylbewerber-zur-ausreise-bewogen-werden-sollen-ld.1114049

Videoüberwachung in Bundesasylcamps
Das SEM gibt bekannt, in welchen Teilen es Geflüchtete in den Bundesasylcamps filmen will: Überall, ausser in Zimmern, Duschen, Toiletten. Verboten sind Überwachungskameras auch in den Büros vom SEM, ORS AG, Securitas AG und der Gratisanwält*innen. Das SEM will also verdachtsunabhängige Massenüberwachung vornehmen. Es braucht weder einen konkreten Verdacht, noch erfolgt die Überwachung als gezielte, notwendige, verhältnismässige oder richterlich angeordnete Massnahme. Die Vernehmlassung über diese Verordnungsverschärfung dauert bis am 22. August 2019.
https://www.ejpd.admin.ch/dam/data/sem/aktuell/gesetzgebung/teilrev_aug_verfahrensnormen/vo-2020/vorentw-asylv1-d.pdf

26. April 2019
Zuschläge für die Verwaltung von Asylinfrastruktur im Kanton Bern
Die Kantonsverwaltung hat entschieden, wer ab Juli 2020 die „regionalen Partner“ sind, die „die operative Gesamtverantwortung für die Aufgaben im Asyl- und Flüchtlingsbereich wahrnehmen“. In der Region Stadt Bern und Umgebung erhält die städtische Direktion für Bildung, Soziales und Sport den Zuschlag. Im Mittelland und in der Region Jura-Seeland das Rote Kreuz Kanton Bern; im Oberland die Organisation Asyl Berner Oberland und die private ORS Services AG erhält das Mandat für die Region Emmental-Oberaargau. Die Vergabe an die ORS ist besonders stossend. Seit Jahren ist bekannt, dass die ORS zum Zwecke der Gewinnmaximierung alle möglichen Unterstützungsangebote zusammenstreicht. Ein ausführlicher Artikel zur ORS hier. Im Kanton Bern hatte die ORS AG bisher Mandate in Lyss und für das Zieglerspital Bern. Mitte 2020 wird gleichzeitig auch die Zuständigkeit für den „Asylsozialbereich“ von der Polizei- und Militärdirektion (POM) zur Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) wechseln.
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.html/portal/de/meldungen/mm/2019/04/20190425_1527_sozialamt_hat_diezuschlaegefuerdieregionalenpartnererteilt
https://www.derbund.ch/bern/kanton/private-ziehen-ins-bernische-asylwesen-ein/story/31328425
https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/firma-gegen-hilfswerk-es-kommt-zum-showdown-in-schweizer-fluechtlings-betreuung-134386250

22. April 2019
Gemeinderat von Tägerwil will mit Gestank Integration fördern
Im thurgauischen Tägerwilen müssen (geflüchtete) Asylsuchende in einem Containerlager direkt neben einer grusig stinkenden Kompostanlage leben. Weil das nicht aushaltbar ist, hat eine Lehrerin eine Petition gestartet und über 200 Unterschriften gesammelt. Der Gemeinderat Markus Thalmann sieht das ganze nicht als Problem: Wer unbequem lebt und die Unterkunft schnell verlassen wolle, bemühe sich mehr um «Integration und wirtschaftliche Unabhänigkeit» – er impliziert damit, dass Geflüchtete selbst verantwortlich seien für die schlechten Lebensbedingungen, in die sie die schweizer Behörden zwingen. Das ist eine krass verzerrte, typisch neoliberale Erzählung von Selbstverantwortung, welche Rassismus und strukturelle Unterdrückung komplett ausblendet. Der Gemeinderat sagt zudem, es gäbe keine besseren nutzbare Orte – eine zynische Ausrede wie die Petitionär*innen aufzeigen.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kreuzlingen/petition-wird-nicht-erhoehrt-die-taegerwiler-asylcontainer-sind-absolut-zumutbar-ld.1111394
https://www.toponline.ch/news/thurgau/detail/news/asylcontainer-taegerwilen-ein-unwuerdiger-zustand-00109619/

2. März 2019
Neues Ausländergesetz ab jetzt in Kraft
Seit dem 1.  März ist das neue Ausländer- und Integrationsgesetz in Kraft. Es bringt eine Neustrukturierung des Asylwesens mit sich. Das Hauptziel in dem von Sommaruga vorangetriebenen Gesetz besteht darin, die Asylverfahren zu beschleunigen. Die Verfahren werden noch effizienter getacktet und sollen innert 140 Tagen in einem Bundesasylzentrum (BAZ) abgeschlossen werden. Damit die Asylverfahren schneller durchgeführt werden können, sind die Asylsuchenden und die für das Verfahren zuständigen Organisationen neu an einem – oft sehr abgelegenem – Ort vereint und isoliert. Die Befragungen und die Rechtsberatung finden ebenfalls im Lager statt, wobei die Asylsuchenden vom ersten Tag an eine kostenlose Rechtsberatung erhalten. Die Pauschale für die Rechtsberatung ist viel zu tief, so dass Anwält*innen dazu tendieren, von Anfang an die meisten Fälle als aussichtslos zu behandeln (https://antira.org/2019/02/16/antira-wochenschau-betverbote-gegen-musliminnen-schlechte-rechtsvertretung-im-asyllager-antisemitismus-auf-dem-vormarsch/). Auch sonst ist so ziemlich alles an diesen Bundeslagern kritisierbar: Die medizinische Versorgung ist völlig unzureichend, die Beschwerdefrist ist auf 10 Tage verkürzt worden (was nicht lang genug ist um die erforderlichen Berichte einzuholen), die Bewegungsfreiheit der Bewohnenden ist stark eingeschränkt, solidarisierende Menschen haben keinen Zutritt, es gibt keine Steckdosen in den Zimmern und die Abgelegenheit der Bundeslager soll Widerstand und Solidarität erschweren.
https://www.woz.ch/-9656

16. Februar 2019
Keine angemessene Rechtsvertretung in den neuen beschleunigten Asylverfahren
Ab März 2019 werden schweizweit die beschleunigten Asylverfahren eingeführt und die Bundeslager geöffnet. Nebst den vielen problematischen Aspekten dieser Revision (siehe https://barrikade.info/Was-sind-eigentlich-Bundeslager-1675), wurde nun auch bekannt, dass die Rechtsvertreter*innen ihre Mandate oft niederlegen, obwohl die Beschwerden gegen einen negativen Asylentscheid nicht aussichtslos wären.
Die Rechtsvertretung, die allen Personen in den beschleunigten Asylverfahren zugeteilt wird, ist verpflichtet, bei einem negativen Asylentscheid die Aussichten einer Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht (BVGer) zu beurteilen und das Mandat bei Aussichtslosigkeit niederzulegen. Im Testzentrum in Zürich gibt es jedoch immer wieder Fälle, in denen die Rechtsvertretung Beschwerden als aussichtslos eingestuft hat, das BVGer jedoch feststellt, dass sie nicht aussichtslos sind. Einer der Hauptgründe für die Niederlegung der Mandate sind die pauschalen Vergütungen: Die Rechtsvertreter*innen werden pro Fall bezahlt, unabhängig davon, wie lange ein Verfahren dauert und ob Beschwerde gemacht wird oder nicht. Dieses System kann dazu führen, dass die Rechtsvertretung nicht kostendeckende Fälle als aussichtslos einstuft und folglich niederlegt. Wie wir das bereits im Gesundheitssystem beobachten können, folgt nun also aufgrund der Pauschalvergütung auch die Rechtsvertretung von Menschen in den Bundeslagern einer ökonomischen Logik: Es werden nur die möglichst rentablen Fälle behandelt, sprich solche, die möglichst wenig Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen. Verschärft wird die Problematik zudem durch die kurzen Beschwerdefristen in den neuen Asylverfahren. Falls die zugeteilte Rechtsvertretung ihr Mandat aufgrund von Aussichtslosigkeit niederlegt, steht es den Personen frei, eine Zweitmeinung einzuholen. Dies ist allerdings aufgrund der kurzen Beschwerdefristen und insbesondere in den geographisch abgelegenen Bundeslagern massiv erschwert.
Der Bund will jedoch weiterhin an der Fallpauschale festhalten. Dies, obwohl sich das Problem relativ einfach lösen lassen würde, indem die Rechtsvertretung nach Aufwand entschädigt würde. Nicht zu vergessen, dass gerade bei diesen Gerichtsfällen oft sehr viel auf dem Spiel steht: Nämlich, ob sich Menschen hier ein Leben aufbauen können, oder ob sie zurück in das Land und zu den Herrschenden müssen, vor welchen sie geflüchtet sind. Und in Zukunft werden einige Menschen für diese oft schwierigen und langwierigen Verfahren nicht einmal mehr eine angemessene Rechtsvertretung an ihrer Seite haben.
https://www.derbund.ch/sonntagszeitung/wegen-gratisanwaelten-drohen-schadenersatzklagen/story/18348777)
https://beobachtungsstelle.ch/news/keine-beschwerde-trotz-rechtsvertretung/

Skandalöse Zustände in Ausschaffungslager in Oftringen
Kakerlaken in den Kühlschränken, keine Privatsphäre, desolate sanitäre Anlagen. Dies sind nur ein paar der Vorwürfe, welche Migrant*innen, die im Ausschaffungslager in Oftringen isoliert sind, gegen die Behörden erheben und mit Videos und Fotos belegen. „Ausreisepflichtige“ nennen sie die Migrant*innen zweiter Klasse, welche aufgrund ihres „Status“ erst recht kein Anrecht auf menschenwürdige Behandlung verdiehenen. „Wenn sie sich so an den Zuständen stören, könnten sie sich auch an das Gesetz halten und die Schweiz verlassen“, meint die SVP-Grossrätin Martina Bircher zynisch. Anders sieht das Lelia Hunziker, Geschäftsleiterin von Integration Aargau: „Unterkünfte wie die in Oftringen stellen aus meiner Sicht ein erhebliches Sicherheitsrisiko für Bewohnerinnen und Bewohner dar“. Dass ein kakerlakenverseuchtes Drecksloch ohne jegliche gesetzliche Standards, welche ein Minimum an Menschenwürde garantieren könnten, eine Gefahr für die psychische und physische Integrität der „Migrant*innen zweiter Klasse“ darstellt, scheint gewollt. Man wolle schliesslich keine Anreize bieten. Sie sollen sich nicht als gleichwertige Menschen verstehen.
https://www.luzernerzeitung.ch/newsticker/schweiz/fluechtlinge-sollen-zum-trauma-test-ld.1092364

Vernehmlassung zur Neustrukturierung der berner Asylverwaltung beendet
Wir haben bereits über die Neustrukturierung der Asyl- und Geflüchtetenverwaltung im Kanton Bern berichtet (hier:https://antira.org/2019/02/02/antira-wochenschau-camp-raeumung-in-paris-adoptionen-aus-sri-lanka-rueckkehr-werbespots/). Nun ist das Vernehmlassungsverfahren abgeschlossen. Von den 56 Institutionen, die ihren Senf zur Vorlage gegeben haben, äusserten sich die SP Kanton Bern sowie die Demokratischen Juristinnen und Juristen bern (DJB) kritisch und auch der Gewerkschaftsbund Kanton Bern lehnt die aus seiner Sicht einseitig auf die Kostenseite ausgerichtete Vorlage ab. Kritisiert wird vor allem, dass es bei den Vorlagen nur ums Geldsparen geht und darum, schwammige „Integrationsbemühungen“ an private Partner*innenorganisation zu delegieren, die freie Hand haben, wie sie das genau umsetzen wollen. In den neuen Gesetzen geht es vor allem darum, den hilfe- und schutzbedürftigen Menschen möglichst alle Unterstüzung zusammenzustreichen.
https://www.be.ch/portal/de/index/mediencenter/medienmitteilungen.meldungNeu.html/portal/de/meldungen/mm/2019/02/20190214_1111_vorlage_zum_neuengesetzueberdiesozialhilfeimasyl-undfluechtlings?cq_ck=1550139754247
https://www.djs-jds.ch/images/20180925_Begleitschreiben_VernehmlassungDJB.pdf
https://www.spbe.ch/fileadmin/user_upload/sp-be/sp-kanton-bern-de/pdf/20180927_Vernehmlassung_SAFG-EG-AUG-ASYLG.pdf

9. Februar 2019
Nothilfe ist ein Scheiss, auch in Solothurn
Weit oben auf dem Solothurner Balmberg warten Menschen in unwürdigen Verhältnissen auf ihre Rückschaffung, manchmal jahrelang. Das Problem heisst Nothilfe. Diese gehört bundesweit abgeschafft, fordern Solidarité sans frontières und SOS Racisme. Der Brand einer Asylunterkunft in Solothurn im November 2018 hat eine Debatte über die desolaten Verhältnisse in Asylunterkünften im Kanton angestossen. Damals kamen sieben Personen ums Leben. Das Haus war renovationssbedürftig, es hatte weder Brandschutztüren noch Rauchmelder. Die Direktorin des Amts für soziale Sicherheit Solothurn versicherte kurz nach dem Brand, die Unterkünfte in Solothurn seien bescheiden, aber menschenwürdig. Was für den Bund und die Sozialdirektorenkonferenz als menschenwürdig gilt, kann man am Beispiel des Nothilfezentrums Günsberg sehen. Heisses Wasser gibt es nicht immer. Die rund fünfzig Bewohner teilen sich drei Nasszellen. Dem Klo im Untergeschoss fehlt der Sitzdeckel, sauber ist es trotzdem. Denn das ist die einzige Beschäftigung, die geboten wird: Morgens werden die Männer geweckt, um zu putzen. Geführt werden die Asylunterkünfte im Auftrag des Kantons Solothurn – wie in anderen Kantonen auch – von der Firma ORS Service AG, die der englischen Beteiligungsfirma Equistone gehört. Diese verspricht ihren institutionellen Investor*innen Renditen im zweistelligen Prozentbereich. Im Durchgangszentrum Oberbuchsiten, ebenfalls im Kanton Solothurn, seien die Bedingungen ebenfalls unerträglich. Auch dort herrscht Platznot, nicht selten lebten Familien mit bis zu neun Personen in einer Wohnung. In den Bädern und Schlafzimmern gibt es Schimmel. Auch Traumatisierte erhalten trotz psychiatrischer Atteste keine privaten Räume. Unqualifizierte Angestellte des Zentrums entscheiden darüber, ob eine Ärzt*in aufgesucht werden darf.
https://www.woz.ch/1906/asylpolitik/versorgt-und-vergessen

Keine kindergerechte Betreuung in Asylunterkünften
Vier von zehn Asylgesuchen in der schweiz betreffen Kinder. Aber in den Asylzentren wo sie eingepfercht werden, gibt es nicht ansatzweise eine kindergerechte Betreuung. SEM-Sprecher Lukas Rieder findet zwar, es sei alles in Ordnung, aber das SEM sagt eh mal dies, mal jenes, wies in den Kram passt. Auf der einen Seite lässt es Videos darüber drehen, wie schlimm das Leben für Asylsuchende in der schweiz ist, um potientelle Asylsuchende abzuschrecken überhaupt hierher zu kommen (siehe letzte Wochenschau), aber auf der anderen Seite soll es den Kindern in den Zentren prächtig gehen?
https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/besondere-ruecksicht-geboten—asylgesuche-bei-kindern?id=2a609007-7e7c-429e-923a-04c47db3bd09

Neuvergabe der Leistungsverträge im Asylbereich
Der Kanton Bern bringt Konkurrenz unter Firmen und Organisationen, die ihr Geld mit der Betreuung von Geflüchteten verdienen. Diesen Frühling vergibt er sämtliche Leistungsverträge im Asylbereich neu. Zu den Konkurrierenden gehören nebst der Caritas, der Heilsarmee oder der ORS AG auch der Verein «Asyl Berner Oberland». In einem Interview offenbart Christian Rohr, Geschäftsleiter von Asyl Berner Oberland, die neoliberale Logik nach der solche menschenverwaltende Organisation ticken: Schneller, billiger, effizienter sind die üblichen Schlagwörter, um nicht darüber zu sprechen, dass die Bedrüfnisse der Menschen sich der Marktlogik und staatlichen Interessen unterzuordnen haben: „Wir sind überzeugt, dass wir ein gutes Angebot eingegeben haben, der springende Punkt wird der Preis. (…) Wir sind im Berner Oberland sehr gut vernetzt und haben einen lokalen Touch. Das macht uns einzigartig. (…) Der gesamte Integrationsprozess wird vom ersten Tag an komplett anders laufen. Sehr zielgerichtet und auf Geschwindigkeit und Wirkung bedacht. (…) Gewisse Branchen sind auf diese Menschen angewiesen. (…) Dort sehe ich ein grosses Potenzial. (…) Was viele nicht realisieren: Vorläufig aufgenommene Ausländer und Flüchtlinge mit B-Ausweis gehörten offiziell zum inländischen Potenzial.”
https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/171366/

2. Februar 2019
Kanton bern krempelt Asylbereich um
Fünf Organisationen sollen künftig das „Flüchtlingswesen“ im Kanton Bern noch betreuen; je eine pro Region. Sie soll Unterkünfte leiten, Sozialhilfe leisten, Bildung und Jobs organisieren. So will es ein neues Konzept im Kanton bern, das die Neustrukturierung des Asyl- und „Flüchtlingsbereichs“ zum Ziel hat. Es ist heute auf zahlreiche Organisationen aufgeteilt. Es gibt Organisationen, die Lager betreiben, es gibt solche, die sich um medizinische Fragen kümmern, andere wiederum leisten „Integrationsarbeit“, helfen bei der Suche nach Arbeit oder bei der Ausbildung. Gleichzeitig sind heute noch zwei Direktionen in der Kantonsverwaltung zuständig: Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion GEF und die Polizeidirektion POM. Künftig kümmert sich die POM nur noch um Wegweisungen. Die GEF leitet die gesamte Betreuung und sucht daher in einem Ausschreibungsverfahren fünf „Partnerorganisationen“.
https://www.srf.ch/news/regional/bern-freiburg-wallis/neuorganisation-asyl-bern-verdraengungskampf-unter-fluechtlingsorganisationen

Bern: (Geflüchtete) Migrant*innen verklagen den Kanton Bern vor Bundesgericht
Mit der neuen Anwesenheitspflicht für Personen in den berner Asyllagern beschneidet der Kanton Bern ohne gesetzliche Grundlage die Rechte von geflüchteten Migrant*innen. Eine absurde Freiheitsberaubung, geschaffen in einem politischen Klima, geprägt von zunehmender Repression gegenüber Migrant*innen. 59 geflüchtete Personen haben in Zusammenarbeit mit den Demokratischen Jurist*innen DJB und dem Migrant Solidarity Network (MSN) eine Beschwerde gegen die revidierte Asylsozialhilfeweisung des Kantons Bern erhoben. Das Bundesgericht ist nun frei, diese unwürdige Herabsetzung der betroffenen Menschen zu beenden: Erstens kann sich die Anwesenheitspflicht auf keine genügende gesetzliche Grundlage stützen und verletzt deshalb das Legalitätsprinzip. Zweitens führt sie zu empfindlichen Grundrechtseingriffen, die selbst bei Vorliegen einer genügenden gesetzlichen Grundlage unzulässig wären.
https://migrant-solidarity-network.ch/2019/02/01/wir-haben-die-berner-behoerden-beim-bundesgericht-verklagt/
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/schweiz-aktuell-vom-31-01-2019-1900?id=56f944fb-aabf-462c-9b1e-d1573da22ec5
https://www.derbund.ch/bern/kanton/berner-asylregime-vor-bundesgericht/story/24016889

27. Januar 2019
Reduzierter Brandschutz in Asylunterkünften wird verlängert
Trotz dem tödlichen Brand vom November, bei dem 7 Menschen in einer Unterkunft für Asylsuchende ihr Leben verloren, werden im Kanton Zürich die reduzierten Brandschutzbestimmungen um zwei Jahre verlängert. Ein Antrag für die Abschaffung der Lockerung wurde im Kantonsrat abgelehnt. Wieder einmal mehr werden bewusst Menschenleben riskiert, um etwas Geld einzusparen. Siehe dazu auch die antira-Wochenschau vom 7.12.2018
https://antira.org/2018/12/07/antira-wochenschau-rechter-terror-asyllager-in-daenemark-und-der-schweiz-antisemitismus-in-basel/
https://www.kantonsrat.zh.ch/Geschaefte/Geschaefte.aspx?GeschaeftID=cd6ac36d-d520-4080-8845-c018b6a0ed78
https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/nach-toedlichem-brand-drama-es-bleibt-bei-reduziertem-brandschutz-in-drei-zuercher-asylunterkuenften-134002174

12. Januar 2019
NKVF legitimiert unmenschliche Praxis in den Bundeslagern
Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) überprüfte 2017 und 2018 die insgesamt 11 Bundesasyllager und veröffentlichte diese Woche ihre wichtigen Erkenntnisse und herzhaften Empfehlungen in einem Gesamtbericht. Glücklicherweise für den Bund schätzt die Kommission das Einknasten von geflüchteten Menschen in den Bundeslagern als menschen- und grundrechtskonform ein. Dies darf also so weitergehen. In höchsten Tönen gelobt wurde das SEM ausserdem dafür, das allgemeine Handyverbot jeweils für ein paar Stunden pro Tag aufgehoben und den durchaus komplexen Akt geschafft zu haben, in den meisten Zentren WIFI zu installieren. Zur überaus grossen Überraschung zeigte sich, dass dies vielen Geflüchteten den Kontakt zu Angehörigen und den Zugang zu Information erleichterte. Dies konnten alle –wirklich ganz alle– der Beteiligten bestätigen. Nichts desto trotz äusserte die Kommission auch Kritik: So kritisierte die Kommission, dass Geflüchtete, oft auch Kinder, beim Eintritt ins Zentrum jedesmal gefilzt wurden und empfiehlt dem SEM nur noch ab und zu und nicht mehr unbedingt die Kinder zu filzen. Die NKVF kritisierte zudem, dass Disziplinarstrafen von Geflüchteten in den Zentren meist mündlich ausgesprochen werden und empfiehlt, diese immer schriftlich zu verfügen. Die NKVF lobte jedoch das SEM dafür, dass es alle Bestrafungen in einem Register eintragen lässt und lobte ebenso, dass den bestraften Geflüchteten immer auch grad ein Formular zur Beschwerde ausgeteilt würde (nach dem Motto: mit jedem Klapf ein Formalur und ein Chuli gratis dazu). Kritisiert wurde ausserdem, dass sich der Zugang zur psychologischen Grundversorgung als schwierig gestaltete und in der Regel auf Notfälle beschränkte. Die Kommission empfiehlt dem SEM, bereits beim Eintritt der Geflüchteten ins Bundeslager ein psychologisches Screening durchzuführen und traumatisierte Personen „an die geeigneten Stellen zu überweisen.“ Da das SEM offenbar nicht die Antira-Wochenschau liest, scheint ihm auch entgangen zu sein, dass fast 50% der Geflüchteten unter Depressionen leiden (siehe Antira Wochenschau vom 26.10: https://antira.org/2018/10/26/antira-wochenschau-gefangen-in-der-transitzone-antisemitische-angriffe-unbehandelte-depressionen-tausende-marschieren/)
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-73636.html

21. Dezember 2018
Jede Mitverwaltung des Asyl- und Grenzregimes stinkt zum Himmel.
Besonders wenn aus ihr Profit geschlagen wird. Deshalb war es positiv, dass die gewinnorientierte ORS AG vor einigen Jahren im Kanton Bern kein Geld mehr auf dem Buckel von (geflüchteten) Migrant*innen scheffeln konnte. Nun versucht die ORS AG erneut im Kanton Bern Marktanteile zu gewinnen. Im ersten Quartal des nächsten Jahres vergibt der Kanton Bern die Leistungsverträge für die Lagerverwaltung von geflüchteten Migrant*innen neu. Unter den Konkurrent*innen um den kantonalen Zuschlag, bei dem der Preis zu 35% die Auswahl beeinflussen wird, ist auch die ORS AG. Wer sich vergewissern will, warum es sich lohnt, antirassistisch gegen die ORS AG Widerstand zu leisten, findet hier gute Argumente. https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/kanton-bern/asylriese-plant-offensive
https://www.studizytig.ch/ausgaben/ausgabe-7/schweigen-ist-gold/#comment-265
https://www.balthasar-glaettli.ch/2017/06/15/kritische-fragen-zur-ors-ag/
https://nzzas.nzz.ch/schweiz/ors-marktfuehrerin-im-geschaeft-mit-fluechtlingen-ld.1295334?reduced=true
https://www.aargauerzeitung.ch/wirtschaft/umstrittene-asylfirma-will-mehr-transparenz-schaffen-und-weiter-wachsen-132135185
https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20173472

7. Dezember 2018
Bundesasyllager: Neue Sommaruga-Verordnung zum Lagerregime
SP-Bundesrätin Sommaruga lies am 6. Dezember informieren, wie die ORS AG und Securitas AG Geflüchtete in den „Zentren des Bundes“ zu führen haben. Das Regime der vorgestellten Verordnung richtet sich gegen Geflüchtete, die Asyl beantragen und gegen Menschen mit einem negativen Asylentscheid. Die Verordnung ist deutlich. In den Bundesasyllagern herrschen Isolation, Zwang und Entrechtung. Auch wenn es sich eindeutig nicht um KZ-ähnliche Orte handelt, ist es in unseren Augen wichtig, von Lagern zu sprechen. Dies, weil in den sogenannten Zentren des Bundes erstens hunderte Menschen auf engem Raum ohne Privatsphäre isoliert werden. Zweitens, die Geflüchteten bewusst in materieller Knappheit gehalten werden (Schmuck oder Gegenstände, die mehr als 1000 Franken Wert sind, werden konfisziert; das Taschengeld ist bewusst tief gehalten; die Entlöhnung der Personen, die sich an einem Arbeitsprogramm beteiligen, ist fakultativ). Drittens, weil es keinen richterlichen Entscheid braucht, um an einem solchen Ort zu landen. Die Entscheidung einer Behörde reicht aus. Mehr Details gibts auf antira.org.
https://antira.org/2018/12/07/isolation-zwang-und-entrechtung-neue-sommaruga-verordnung-zu-bundesasyllager/
https://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2018/ref_2018-12-05.html

Gelockerte Brandschutzvorschriften für Asyllager
Dass beim Brand in Solothurn von letzter Woche 7 Asylsuchende ums Leben kamen, ist kein Zufall. Denn Menschen in Not können leichter in marode und brandgefährdete Unterkünfte verfrachtet werden als privilegierte Personen mit grösseren Wahlmöglichkeiten.
Die gleich Problematik zeigt sich im Kanton Aargau: Dort hat der Regierungsrat 2015 die Brandschutzvorgaben für Asyllager gelockert. Namentlich gibt es nun also im Kanton Aargau zwei Brandschutzregimes: Ein strenges für die wertvollen, schützenswerten Menschen und ein gelockertes für geflüchtete Menschen. Begründet wird dies damit, dass es aufwendig und teuer sei, ein Gebäude brandschutztechnisch aufzurüsten, was sich aus Sicht des aargauer Regierungsrates wohl nicht für alle Personengruppen in gleichem Masse lohnt. Der Regierungsrat macht sich nicht einmal die Mühe, uns vorzugaukeln, dass der Schutz der Geflüchteten immer noch gewährleistet ist. Denn im Bericht zur Lockerung der Brandschutzvorschriften in Asyllagern heisst es, dass sie sich bewusst seien, «dass mit diesen Abweichungen das anvisierte Schutzziel im Personenschutz nicht mehr im gleichen Umfang gewährleistet ist“. Ein weiteres trauriges Beispiel von institutionellem Rassismus in der Schweiz.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/in-asylunterkuenften-gelten-weniger-strenge-brandschutzregeln-133802078

2. Dezember 2018
Asylregime: Eröffnung des „besonderen Lagers für renitente Asylsuchende“
Das Lager für „renitente Asylsuchende“ in Les Verrières (NE) wird am kommenden Montag eröffnet.
In diesem Lager sollen nur erwachsene männliche Asylsuchende untergebracht werden, die „den ordentlichen Betrieb der herkömmlichen Bundeszentren stören oder die durch ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden“. Bis übernächstes Jahr soll das Lager für bis zu 60 Asylsuchende Platz bieten. Das SEM versucht derweil weis zu machen, das „besondere Lager“ sei kein Knast. Wir lassen uns aber nicht täuschen, faktisch sind alle Asyllager Knäste. Dazu hier ein älterer aber leider immer noch sehr aktueller Artikel von antira.org:
https://antira.org/2017/01/24/the-good-and-the-bad-asylum-seeker-renitenz-as-a-new-category-in-the-swiss-migration-regime/?fbclid=IwAR1iFSMQPC7omPVCqa-ZHvjEwuVct-vxNoSfjgQ_5U-wJiyLRc8VQVMlg3w
https://www.watson.ch/schweiz/migration/118538903-kein-gefaengnis-zentrum-fuer-renitente-asylsuchende-in-les-verri-res-oeffnet-montag
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/eroeffnung-des-bundeszentrums-fuer-renitente-asylsuchende?id=3257f96e-fec5-40a5-9236-fae4b8de444d

 23. November 2018
Nach gescheiterten Ausschaffung treten die Behörden auf Osman Erdals Asylgesuch ein
Osman Erdal floh aus der Türkei über den Irak und Südafrika in die Schweiz. Nach Wochen der Isolation in der Flughafen-Transitzone wurde der kurdische Politiker letzte Woche nach Südafrika abgeschoben. Südafrika verweigerte Osman Erdal die Einreise und schickten ihn zurück in die Schweiz. Hier angekommen, drohten ihm die schweizer Behörden, ihn in den Irak auzusschaffen. Diese Drohung konnten sie aber nicht durchsetzen. Nun befindet sich Erdal im Bundesverfahrenslager Kreuzlingen. Auf sein Asylgesuch sind die Behörden nach wochenlanger Hinhaltetaktik, Isolation und Gewalt eingetreten.
https://www.woz.ch/1847/ausschaffung/osman-erdals-odyssee
https://migrant-solidarity-network.ch/en/2018/11/19/nach-der-gescheiterten-abschiebung-nach-suedafrika-droht-osman-erdal-heute-eine-abschiebung-in-den-irak/

28. Juni 2018
Am Montag begannen die Bauarbeiten für das neue Bundeslager auf dem Duttweilerareal in der Stadt Zürich
Der Spatenstich wurde angeführt von drei (a)sozialdemokrat*innen Simonetta Sommaruga, Mario Fehr und Corinne Mauch. Für sie sind Lager Ausdruck einer glaubwürdigen Asylpolitik. Die Behörden wollen das Lager mit 360 Plätzen im Herbst 2019 in Betrieb nehmen. Zudem gab das Staatssekretariat für Migration bekannt in Vallorbe ein weiteres Bundeslager zu eröffnen. Damit sind alle 4 Standorte für die geplanten Bundeslager in der Romandie bekannt: Boudry (NE), Giffers (FR), Grand Saconnex (GE) und Vallorbe (VD). In diesen vier Lagern wollen die Behörden insgesamt 1280 Geflüchtete unterbringen.