13.07.20
Erschossen an der bosnisch-kroatischen Grenze
Im Grenzgebiet zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien wurde eine Person beim Versuch, die Grenze zu überqueren, erschossen. Der Mann soll aus einem Jagdgewehr in den Rücken getroffen worden sein und erlag seinen Verletzungen. Der mutmassliche Täter stellte sich später der Polizei. Er gab an, in den Wäldern gewildert zu haben und dass es sich bei dem tödlichen Schuss um einen Unfall gehandelt habe. Die Umstände, unter denen dieser Mann starb, können hingegen nicht als Unfall bezeichnet werden. Warum sind Menschen in diesen Wäldern, in unwegsamem Gelände, zu jeder Jahreszeit? Aktuell bis zu 7.000 wählen diese gefährliche und oftmals tödliche Fluchtroute, weil es keinen legalen und sicheren Weg gibt, in Europa Asyl zu beantragen. Stattdessen gibt es seit Jahren geschlossene Grenzen, Milliardeninvestitionen in die Kontrolle dieser und Gewalt gegen Menschen auf der Flucht. Die kroatische Grenze ist in diesem Gebiet eine grüne Grenze. Es gibt keinen meterhohen Zaun mit Stacheldraht. Dennoch ist das Gebiet bestens überwacht, mehrfach technisch aufgerüstet und zuletzt auf einem kilometerlangen Streifen für eine bessere Sichtbarkeit der Menschen auf der Flucht entwaldet worden. Gewaltsame Push-backs sind an der Tagesordnung. Das Border Violence Monitoring Network, das auf der Balkanroute ein Monitoring betreibt, spricht von sechs Toten Menschen allein im Juni und jährlich zehntausenden Push-backs auf der Balkanroute.
https://deutsch.rt.com/europa/104139-bosnien-herzegowina-wilderer-erschiesst-migranten/
https://kroatien-nachrichten.de/fluchtling-auf-dem-weg-nach-kroatien-erschossen/
https://thefirethisti.me/2020/07/06/35-the-european-unions-violence-against-asylum-seekers/
20.04.20
Griechenland-Türkei: Geflüchtete werden erneut für Machtspiele missbraucht
Der Druck auf Geflüchtete, die sich zurzeit in der Türkei aufhalten, steigt erneut. Sowohl von griechischer, als auch von türkischer Seite. Zuerst hatte die türkische Regierung Menschen, die seit der kurzfristigen Grenzöffnung Ende Februar in sporadischen Lagern am Grenzübergang Pazarkules/ Kastanies ausharrten (vgl. Wochenschau https://antira.org/2020/03/30/antira-wochenschau-kein-schutz-gegen-diskriminerung-keine-entschaedigung-fuer-nekane-keine-grundlagen-fuer-ausschaffungshaft/), wieder ins Innere des Landes verfrachtet. Einige dieser Lager sind geschlossene Lager und Menschen dürfen diese nicht verlassen. Aus anderen Lagern wurden auf Erlass von türkischen Behörden seit letztem Wochenende wiederum Menschen an die Ägäisküste gebracht, nur wenige Kilometer von Lesbos entfernt. Sie wurden dort von staatlichen Sicherheitsbeamt*innen regelrecht ausgesetzt, leben auf der Strasse, bekommen kein Wasser und kein Essen. Einmal wöchentlich müssen sie jedoch ihre Anwesenheit auf der Polizeistation bestätigen. Und das für die nächsten zwei Jahre. So werden sie in Küstennähe ohne jegliche Mittel festgehalten. Zusätzlich wurden anscheinend einige der an der Küste zurückgelassenen Menschen dazu gezwungen, ein brisantes Dokument zu unterschreiben: Darin verpflichten sie sich, innerhalb eines Monats die Türkei zu verlassen, andernfalls schiebe man sie in ihr Heimatland ab. Der griechische Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos verkündete, der ‚Grenzschutz‘ werde nun in ‚Alarmbereitschaft‘ gehalten. Er vermutet dahinter eine Absicht der türkischen Regierung: „Die Türkei provoziert uns Griechen gerne an nationalen Feiertagen. Wir untersuchen derzeit die Möglichkeit, dass die Türkei weiterhin illegale Migranten als Waffe einsetzen will. Denn wenn Du versuchst, Dich in ein Land hineinzuzwingen, bist Du illegal.“ So schafft er es in wenigen Sätzen ein (erfundenes) ‚uns Griechen‘ den ‚illegalen Migranten’, die sich in ‚ein Land hineinzwingen‘, gegenüberzustellen. Einerseits schürt er Nationalismus und verklärt das Bild der Zugehörigkeit zu dieser Nation. Andererseits kriminalisiert er Menschen, die auf der Flucht sind und unterschlägt in seiner Rede mal eben das Recht auf Asyl. Darin hat die griechische Regierung ja mittlerweile Übung.
https://www.deutschlandfunk.de/migration-tuerkei-schickt-wieder-fluechtlinge-an-eu-grenze.1773.de.html?dram:article_id=474652
https://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlinge-tuerkei-145.html
20.04.20
Push-backs über mehrere Grenzen und von Italien nach Griechenland dokumentiert
Der Monatsbericht März von Bordermonitoring.eu zeigt Entwicklungen in der illegalen Rückführungspraxis auf. Die rechtliche und humanitäre Situation von Menschen auf der Flucht hat sich im März aus zwei Gründen weiter verschlechtert: Zum einen zog die Situation an der griechisch-türkischen Grenze Massenabschiebungen und massive Gewalt nach sich. Zum anderen dient der Coronavirus als politische Rechtfertigung für weitreichende Verschärfungen wie eine zunehmende Grenzmilitarisierung.
Ein Fall von Ketten-Push-backs wird in Slowenien dokumentiert. Über 30 Menschen wurden auf einem Güterzug in Serbien aufgegriffen. Sie waren lebensgefährlich unter einer Tonschicht versteckt, die sie hätte einschliessen können. Die slowenischen Medien stellten die Polizeiarbeit als heldenhafte Rettung dar, ohne auf die strukturelle Gewalt und die anschliessenden Push-backs einzugehen. Die Menschen wurden über mehrere Grenzen hinweg nach Serbien gebracht, ohne in Europa einen Asylantrag stellen zu können.
Zwei Berichte dokumentieren weitere illegale Rückführungen aus italienischen Häfen in die griechische Stadt Patras. Ein Mann beispielsweise kam mit der Fähre in Venedig an, erlebte Gewalt durch Grenzbeamt*innen und wurde am gleichen Tag via Fähre zurückgeschickt. Dabei begann das Recht des Geflüchteten, in Italien Asyl zu beantragen, bereits 12 Seemeilen vor dem Hafen. Es gibt viele Parallelen zu den Push-back-Praktiken auf der Balkanroute: Verweigerung des Asylrechts, Anwendung extremer Gewalt, Diebstahl, der Einsatz von Hunden und die fehlerhafte Anwendung der Rückübernahmeabkommen.
Zahlreiche Push-backs und Fälle von massiver Gewalt und Erniedrigung gab es an der griechisch-türkischen Grenze. Einzelheiten dazu und ein Update der Situation entlang der Balkanroute finden sich im Report.
https://www.borderviolence.eu/wp-content/uploads/Monthly-Report_March-2020.pdf
22. Juni 2019
Kroatien und Slovenien: Pushbacks an der Grenze zu Bosnien
Nachdem das sozialistische Jugoslawien anfangs der 90er-Jahre auseinanderfiel begann der grosse Abbau. die soziale Infrastruktur der jeweiligen neuen Nationalstaaten wurde auseinandergenommen und verscherbelt, privatisiert und stillgelegt. Als Folge stieg die Armut stark an und es kam in verschiedenen Ländern, u.a. auch in Kroatien zu Protesten und Streiks. Der nationalistische Block konnte sich jedoch durchsetzen und kontrolliert nach wie vor die Staatspraxis. An der bosnisch-kroatischen Grenze zeigt sich die rassistische Tendenz dieses Regimes nun einmal mehr sehr konkret: Migrant*innen haben keine Chance, einen Asylantrag zu stellen. Sie werden von der kroatischen Polizei über die Grenze zurückverfrachtet. Das ist nach EU-Recht eigentlich illegal. Da aus den Pushbacks aber keine Konsequenzen drohen sondern die EU noch froh ist, wenn die EU-Aussengrenzen dicht bleiben, schert das die kroatischen Behörden herzlich wenig. Die Pushbacks nach Bosnien-Herzegowia werden aber nicht nur von Kroatien aus durchgeführt, sondern ebenso von Slovenien.
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/kroatien-fluechtlinge-grenze-bosnien-100.html
http://www.nonamekitchen.org/wp-content/uploads/2019/06/Balkan-Region-May-2019.pdf
https://ffm-online.org/push-backs-auf-dem-balkan-violece-report/
3. Mai 2019
Ungarische Behörden lassen weiterhin Geflüchtete hungern
In den Transitzonen zur serbischen Grenze lassen ungarische Behörden weiterhin geflüchtete Migrant*innen hungern. Sie sollen so dazu gebracht werden, Ungarn „freiwillig“ zu verlassen. Betroffen sind Menschen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde. Dies stellt aufgrund des in den letzten Jahren verschärften Asylrechts in Ungarn die Regel dar. Die Behörden halten den Nahrungsentzug für nicht allzu schlimm, da die Personen „Ungarn ja einfach Richtung Serbien verlassen können“. Damit verlieren die Geflüchteten aber die Möglichkeit, Rechtmittel einzulegen oder einen Berufungsentscheid abzuwarten. Der Sprecher der Regierung, Zoltan Kovacs, sagte, jene Personen, deren Asylgesuch abgelehnt worden seien, würden nicht mit Nahrung versorgt. Es sei wie im Geschäftsleben. «Wenn ein Geschäft beendet ist, können wir nichts tun». Der Nahrungsentzug stellt ein Druckmittel dar, um die Menschen dazu zu bringen, Ungarn „freiwillig“ zu verlassen. Es ist vergleichbar mit dem Nothilferegime in der Schweiz, welches den Menschen möglichst widrige Lebensbedingungen auferlegt, damit diese die Schweiz „freiwillig“ verlassen. Die Menschen erhalten zwar nicht gar keine Nahrung, sondern zwischen 6 und 10 Franken pro Tag. Das reicht aber hinten und vorne nicht aus, um sich ausgewogen zu ernähren, geschweige denn für die restlichen Produkte des täglichen Bedarfs. Wäre schön, wenn dieses Regime genauso scharf verurteilt und bekämpft werden würde, wie die ungarische Praxis.
https://www.nzz.ch/international/ungarn-laesst-asylsuchende-weiterhin-hungern-ld.1477873
22. März 2019
20. Januar 2019
Pushbacks in verschiedenen Grenzregionen
Zur Zeit häufen sich Berichte von Geflüchteten, die aus verschiedenen Grenzregionen erzählen, ohne Verfahren zurück über die Grenze geschafft worden zu sein. Diese Taktik, meistens von Polizei- oder Grenzbeamt*innen ausgeführt, nennt sich „Pushback“. Pushbacks sind sehr gefährlich, denn immer wieder drohen Menschen dabei zu erfrieren und sie verstösst auch gegen internationales Recht.
An der türkisch-griechischen Grenze berichten Geflüchtete davon, in Griechenland von vermummten Männern aufgegriffen, ausgeraubt und verprügelt worden zu sein und schliesslich halbnackt wieder über den Grenzfluss Evros in die Türkei gebracht worden zu sein. Anfang Dezember wurden vier Tote auf der türkischen Seite gefunden, die vermutlich erfroren sind. Die Pushbacks an der türkisch-griechischen Grenze sind eine direkte Folge des dreckigen EU-Abkommens mit der Türkei. Denn für die Milliarden, welche die türkische Regierung von der EU erhielt, versprach sie, die Fluchtrouten zu den griechischen Inseln Lesbos und Chios stärker zu kontrollieren. Viele Geflüchtete versuchen deshalb nun über die teils schwer zu überwachende grüne Grenze nach Griechenland weiterzureisen. Die Pushbacks von Griechenland in die Türkei sind aber keine Einzelfälle: Die Türkei selber schiebt je länger je mehr Menschen wieder nach Syrien zurück. Zudem erzählen Geflüchtete davon, von Kroatien zurück nach Bosnien geschafft worden zu sein. Und Personen, die es bereits durch Kroatien geschafft hatten, berichten davon, von der slovenischen Polizei nach Kroatien zurückgeschafft worden zu sein. Dieses absurde Spiel zeigt, was für tragische Konsequenzen diese rassistische europäische Abschottung mit sich bringt.
https://bazonline.ch/ausland/europa…
http://www.spiegel.de/politik/ausla…
https://rabe.ch/2019/01/16/solidari…
http://www.infomigrants.net/en/post…
7. Dezember 2018
Grenzgewalt: griechische Cops zwingen Migrant*innen in die Türkei zurück
Im griechisch-türkischen Grenzgebiet beim Grenzfluss Evros wurden die Leichen von drei erfrorenen Männern entdeckt. Sie wurden von der griechischen Polizei zurück in die Türkei gebracht. Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass Geflüchtete von der griechischen Polizei (illegalerweise) gezwungen werden, zurück in die Türkei zu kehren. Vor zwei Wochen tauchten 14 halbnackte Männer in der Türkei auf, die berichteten, maskierte griechische Grenzpolizist*innen hätten ihnen ihre Oberbekleidung, Wertsachen und Handys abgenommen und sie dann unter Schlägen in die Türkei zurückgetrieben. Nach Berichten türkischer Medien, die sich offenbar auf Angaben aus Polizeikreisen stützen, sollen in diesem Jahr etwa 4000 Migrant*innen von griechischen Grenzpolizist*innen zur Rückkehr in die Türkei gezwungen worden sein. Die Türkei selber hinderte in den ersten zehn Monaten 2018 fast 60000 Migrant*innen am Grenzübertritt nach Griechenland und Bulgarien.
http://www.fr.de/politik/griechenland-drei-fluechtlinge-sterben-am-grenzfluss-evros-a-1633210
Eruopäische Abschottung fordert erneut viele Verletzte und Tote
Ein spanisches Fischerboot mit elf Geflüchteten an Bord kann endlich in Malta anlegen. Die Besatzung des Schiffs hatte am 22. November zwölf Geflüchtete von einem Schlauchboot gerettet, das aus Libyen kam. Die Regierung in Madrid versuchte anschließend ohne Erfolg, Libyen zur Rücknahme der Geflüchteten zu bewegen. Da auch Italien und Malta das Boot vorerst nicht anlegen liessen, musste das Boot zehn Tage lang nach einem aufnahmebereiten Mittelmeerhafen suchen. Die hygienischen und gesundheitlichen Bedingungen an Bord waren katastrophal. Eine Person musste wegen akuter Dehydrierung mit einem Rettungshubschrauber an Land geflogen werden.
Zwei weitere Tragödien ereigneten sich diese Woche auf den Fluchtrouten nach Europa: 15 Menschen sind im Meer vor Libyen verhungert und verdurstet. Zwölf Tage ist ihr Boot vor den Küsten Libyens herumgetrieben. Und an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei wurden die Leichen von drei Migrant*innen gefunden, die wahrscheinlich erfroren sind.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-12/seenotrettung-spanisches-fischerboot-gefluechtete-malta-mittelmeer-open-arms
https://ffm-online.org/odyssee-der-12-migranten-am-tiefpunkt/
https://ffm-online.org/vor-libyen-12-boat-people-verhungert-und-verdurstet/
2. Dezember 2018
Hilfe ist nötig!
Die Balkanroute hat sich während des letzten Jahres nach Westen verschoben und immer mehr Flüchtende versuchen den Weg über Bosnien. Innerhalb dieses Jahres ist die Zahl der Personen, die durch Bosnien flüchteten, von unter tausend auf über 20’000 gestiegen. Gegenwärtig sind etwa 4’000 Flüchtende im Land, die meisten im Nordwesten bei Bihać. Etwa tausend Geflüchtete leben in einer Ruine, genannt Borići. Etwa 400 leben in einem Camp, welches von der Regierung zur Verfügung gestellt wurde. Mittlerweile sind die Geflüchteten in diesem Camp sich selbst überlassen, die Bedinungen sind desolat und die Stimmung ist schlecht.
Mit dem kommenden Winter fürchten sich viele vor einer Katastrophe. Viele der Geflüchteten wollen deshalb noch vor dem Einbruch des Winters über die Grenze und so häufen sich die Berichte von gewalttätigen Übergriffen der Grenzpolizei.
Auf Hilfe von der bosnischen Regierung oder von grossen Hilfsorganisationen können die Geflüchteten nicht zählen. Neben den Einheimischen sind es vorrangig kleine Gruppen internationaler Freiwilliger, welche die Geflüchteten mit dem Nötigsten versorgen.
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/flucht-kennen-sie-hier