03.08.20
Griechische Behörden unterbinden Arbeit von Ärzte ohne Grenzen in Moria
Im Camp Moria auf Lesbos werden weiterhin mehr als 17.000 Menschen eingesperrt. Die Ausgangssperre wurde zuletzt ein sechstes Mal verlängert, vorerst bis zum 2. August. Aufgrund der katastrophalen Lebensbedingungen auf engstem Raum kommt es immer wieder zu Konflikten und Spannungen. Letzte Woche wurde ein 21-Jähriger erstochen. Im Jahr 2020 starben bereits sieben Menschen in Moria durch Messerangriffe, darunter ein Minderjähriger, zwölf weitere wurden verletzt. Die lokalen Behörden ändern nichts an der Situation, vielmehr erschweren sie zusätzlich die Arbeit von z.B. Médicins Sans Frontières (MSF), deren Covid-19-Station am Lager Moria nun geschlossen wird. MSF sah sich aufgrund von Bussgeldern und drohender Rechtsverfolgung dazu gezwungen, die einzige Möglichkeit, positiv getestete Personen zu isolieren, zu schliessen. Die Begründung der Behörden lautet, dass bestimmte Raumplanungsvorschriften nicht eingehalten worden seien. Ein weiteres Beispiel dafür, wie fadenscheinige Bürokratie missbraucht wird, um das Wohlergehen von Menschen zu verhindern.
https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/presse/griechenland-lesbos-schliessung-covid-19-zentrum
https://www.tagblatt.ch/newsticker/international/covid-anlage-auf-lesbos-schliesst-msf-protestieren-ld.1242718
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1139816.lesbos-und-moria-aerzte-ohne-grenzen-muss-corona-zentrum-auf-lesbos-schliessen.html
https://www.infomigrants.net/en/post/26272/afghan-stabbed-to-death-in-greek-migrant-camp-1
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-07/moria-fluechtlingslager-lesbos-erstochen-toter-griechenland-krise
03.08.20
Horst Seehofer verbietet Berlin Aufnahme von Geflüchteten
«Aus rechtlichen Gründen»…, so begründet der deutsche Innenminister Seehofer in einem Brief an den Berliner Innensenator Andreas Geisel das Verbot, eigenverantwortlich Migrant*innen aufzunehmen. Mehrmals hatte Berlin die Aufnahmebereitschaft klar und deutlich kommuniziert. Der Stadtstaat hatte zugesichert, 300 Menschen Schutz und Wohnraum zu bieten. Nun hat Seehofer zum ersten mal schriftlich reagiert, und zwar mit einem deutlichen NEIN. Wie Berlin hat auch das Bundesland Thüringen immer wieder die Aufnahmebereitschaft bekundet.
Die Initiative Seebrücke Berlin forderte den Senat am Donnerstag auf, rechtliche Schritte gegen Seehofers Veto zu prüfen. «Die Ablehnung widerspricht mehreren juristischen Gutachten», sagt ein Sprecher. «Seehofer bricht damit nicht nur Aufenthaltsrecht, sondern verweigert auch dringend benötigte Hilfe.» Im Gegensatz dazu sind im Jahre 2019 31.220 Menschen mit einer EU-Blue-Card aus Nicht-EU Ländern aufgrund ihrer beruflichen Qualifikationen nach Deutschland migriert. Hier wird wieder ganz klar zwischen «guten» und «schlechten» Migrant*innen unterschieden.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/brief-an-innensenator-geisel-horst-seehofer-verbietet-berlin-aufnahme-von-fluechtlingen/26048558.html
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1139844.horst-seehofer-unmenschliches-veto.html
https://www.infomigrants.net/en/post/26251/eu-blue-card-immigration-of-highly-skilled-workers-to-germany-reaches-new-high-in-2019
21.07.20
NSU 2.0 – Verbindungen zur Polizei
Seit 2018 werden Morddrohungen an Seda Başay-Yıldız verschickt, die mit ‚NSU 2.0‘ unterzeichnet sind. Die Frankfurter Anwältin hatte während der NSU-Prozesse eine Betroffenen-Familie vertreten. Nach dem ersten Drohbrief kam heraus, dass ihre Daten kurz zuvor grundlos auf einem Frankfurter Polizeirechner abgefragt worden waren. Die Ermittlungen lieferten erstaunlicherweise keine Ergebnisse – schliesslich musste gegen ‚die eigenen Reihen‘ ermittelt werden. Im Zuge dessen wurde auch eine WhatsApp-Gruppe von Frankfurter Polizeibeamt*innen entdeckt, die sich gegenseitig Hakenkreuze und andere rechtsextreme Symbole schickten. 2019 erhält die Berliner Kabarettistin Idil Baydar Morddrohungen vom ‚SS-Obersturmbannführer’. Auch in diesem Fall werden kurz vorher ihre Daten hintergrundlos auf einem Polizeicomputer eingesehen. Und schliesslich das gleiche Muster im Jahr 2020: Janine Wisser, Fraktionsvorsitzende der Linken im Hessischen Landtag, erhält Morddrohungen, nachdem ihre Daten in einem Wiesbadener Polizeicomputer abgefragt wurden.
Wie lange bürgerliche Medien, Politik und Polizeibeamt*innen (in führenden Posten) noch an der Einzelfallthese festhalten können, bleibt fraglich. Die Fehler nicht im System des Polizeiapparats zu suchen, sondern weiterhin auf einige Ausnahmen zu schieben, bleibt fahrlässig. Zu ignorieren, dass selbst Ausnahmen in den gegebenen Strukturen geschützt werden und somit systematisch sind, bleibt gefährlich naiv.
https://fr.timesofisrael.com/extreme-droite-demission-dun-responsable-de-la-police-allemande/?mc_cid=dc397bccd0&mc_eid=889a716329
https://www.i24news.tv/fr/actu/international/europe/1594355968-polemique-en-allemagne-sur-les-liens-entre-police-et-extreme-droite?mc_cid=a1bb964e77&mc_eid=889a716329
https://www.freitag.de/autoren/martina-mescher/so-viele-einzelfaelle
https://www.derbund.ch/die-spur-fuehrt-zu-hessischen-polizeicomputern-946135210342
29.06.20
Das nationalistische Regime von Aleksandar Vučić in Serbien gewinnt die Wahlen
189 der 250 Sitze im Parlament gehen an die «Fortschrittspartei», die Serbien bereits mit 105 Sitzen autoritär regierte. Die Wahlen fanden letztes Wochenende statt und wurden von den Oppositionsparteien boykottiert. Die Wahlen seien weder fair noch frei, daher mache es auch keinen Sinn, sich daran zu beteiligen. Nun regiert Vučić künftig also ohne Opposition und schafft es in Serbien, sein autoritäres Regime zu verankern. Das Regime kontrolliert Medien, Polizei und Justiz und bereichert sich an staatlichen Ressourcen. Der wirtschaftliche Kurs ist neoliberal, der Rest nationalistisch. Wer sich Vučić‘ politischen Werdegang vor Augen führt, erstaunt das nicht. Bevor er aus wahltaktischen Gründen der Fortschrittspartei beitrat, war Vučić lange ein wichtiges Mitglied der rassistischen und ultranationalistischen „Serbischen Radikalen Partei“. Auch war er während der Kriegsjahre Propagandaminister von Slobodan Milosevic. Im Belgrader Parlament drohte er 1995 damit, dass „Serbien für jeden getöteten Serben hundert Muslime umbringt“.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/wahlen-in-serbien-vucic-kuenftig-ohne-opposition?id=57254d04-f28a-49b9-b284-dbd40bf4a279
01.06.20
Tod von George Floyd nach Polizeigewalt: Geballte Wut
Am Montagabend, den 25. Mai, wurde der Afroamerikaner George Floyd von vier Polizeibeamten in Minneapolis, Minnesota, USA festgenommen. Obwohl die Festnahme laut den Aufnahmen einer Videokamera widerstandslos verlief, drückten sie Floyd zu Boden. Drei der Beamten knieten sich auf ihn. Der weisse Polizeibeamte Derek Chauvin kniete auf Floyds Nacken – insgesamt 8 Minuten und 46 Sekunden, von denen Floyd 2 Minuten und 53 Sekunden bewusstlos war. Floyd rief mehrfach: „I can’t breathe!“, „Ich kann nicht atmen!“. Ein Ausruf, der bereits seit 2014 zu einer Parole im Kampf gegen Rassismus geworden war, nachdem der Afroamerikaner Eric Garner in New York auf die gleiche Weise von Polizist*innen ermordet worden war und ebenfalls „I can’t breathe!“ gerufen hatte. Auch auf die wiederholte Aufforderung von Passant*innen, die Beamten sollten von Floyd ablassen oder seinen Puls fühlen, kam keine Reaktion. Floyd verstarb wenig später. Sein Tod ist ein weiterer auf der langen Liste rassistisch motivierter Polizeimorde. Bis zu 1000 sollen es jährlich in den USA sein, nur wenige werden juristisch verfolgt. Der Umgang mit Rassismus im Polizeiapparat wird anhand folgender Zahlen deutlich: In Minneapolis gingen seit 2012 über 2.600 Beschwerden wegen Polizeigewalt und institutionellem Rassismus ein. In nur zwölf Fällen kam es daraufhin zu disziplinarischen Massnahmen. Und die schärfste dieser Massnahmen war eine 48-stündige Suspendierung vom Dienst. Die rassistischen Strukturen dahinter sind sehr eindeutig: Schwarze Menschen waren zu über 60 Prozent betroffen von Polizeigewalt, obwohl sie nur 20 Prozent der Bevölkerung in Minneapolis ausmachen. Der tatverdächtige Derek Chauvin und die anwesenden drei Beamten wurden direkt nach dem Mord entlassen, allerdings erst am Freitag, nachdem die Proteste den öffentlichen Druck verstärkt hatten, wurde Chauvin verhaftet und wegen Mordes und Totschlag angeklagt. Seit 2008 lagen bereits 17 Beschwerden gegen ihn vor. Floyds Tod kommt in einer Zeit, in der viele Menschen in den USA im Zuge des verheerenden Umgangs der Regierung mit der Covid-19-Pandemie ihren Job, ihre Krankenversicherung, ihre Wohnung oder ihr Leben verloren haben. Und so führt innerhalb eines rassistischen Systems der fehlende Zugang zur Gesundheitsversorgung, prekäre Arbeits- und beengte Wohnverhältnisse dazu, dass Afroamerikaner*innen 23% der Menschen ausmachen, die an Covid-19 gestorben sind. Obwohl sie nur 13% der (registrierten) Gesamtbevölkerung stellen. Auch die besonders gefährdeten Gefängnisinsass*innen in den USA sind überproportional afroamerikanisch – Folge eines rassistischen Strafsystems. Floyds Tod kommt auch während der Amtszeit von Trump, der mit seiner spalterischen Art Konflikte befeuert, ein Klima von weisser Vorherrschaft propagiert, faktenfeindlich unterwegs ist und die Verfassung gerne zu seinen Zwecken anpassen möchte. Dass die Zerstörungswut der Proteste, die momentan allein in 30 Städten in den USA, in London, Berlin, Kopenhagen oder auf Zypern passieren, angeprangert wird, ist irritierend. Diese Wut ist schliesslich Ausdruck für jahrhundertelange und anhaltende Ungleichbehandlung und Unterdrückung. In den meisten Medien wird darüber berichtet, dass die Ausschreitungen von den friedlichen Protesten ablenken würden und dass es nichts mehr mit George Floyds Tod zu tun haben würde. Aber es hat alles damit zu tun. Es wurde ein Mensch umgebracht. Und nicht nur einer. Die rassistische Polizeigewalt hat System – in den USA und überall. Daraufhin zu erwarten, dass Menschen sich nett und freundlich auf die Strasse begeben, ist verlogen und zeugt von weisser Privilegiertheit. Die Verurteilung der Riots von den Medien lenkt von den eigentlichen Beweggründen ab. Und diese sind nachvollziehbar. Kein Riot der Welt kann die Ungerechtigkeit ausdrücken – und alltägliche Polizeigewalt, Stigmatisierung und Ausbeutung sind nur ein Teil davon – die BIPoC (Black, Indigeneous und People of Color) täglich erfahren. Eine Demonstrantin in Berlin hielt ein Plakat hoch, das es auf den Punkt bringt: „If only our pain bothered you as much as our protests.“
https://taz.de/Tod-von-George-Floyd-nach-Polizeigewalt/!5688995/https://www.jungewelt.de/artikel/379187.rassismus-in-den-usa-wut-%C3%BCber-rassistischen-mord.html
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-05/usa-rassismus-george-floyd-minneapolis-polizisten
hthttps://twitter.com/hashtag/GeorgeFloyd?src=hashtag_clicktps://twitter.com/hashtag/Minneapolis?src=hashtag_click
https://twitter.com/UR_Ninja/status/1266218065512919043
18.05.20
Polizei von Kolomyia will über Jüd*innenliste verfügen
Myhaylo Bank ist der Polizeichef der westukrainischen Stadt Kolomyia. Am 18. Februar dieses Jahres gab er grünes Licht, um eine Liste aller Jüd*innen der Stadt erstellen zu lassen. Von der lokalen jüdischen Community forderte er in einem Brief, dass diese der Polizei alle Namen der Mitglieder mit Adressen und Handynummern zugänglich machen sollten. Dies sei nötig, um gegen das organisierte Verbrechen vorzugehen, begründete Bank seine antisemitische Aktion. Die Community weigerte sich, die Daten herauszugeben. Vor einigen Tagen ging sie nun in die Offensive und machte den Angriff öffentlich. Die Reaktionen der Behörden sind bisher verhalten. Ihor Klymenko, der Leiter der ukrainischen Polizei, sagte nur, dass er die Sache «überprüfen werde». Das sagt die Polizei oft, wenn sie versucht, die eigenen Leute in Schutz zu nehmen, weil sie mit dem strukturellen Antisemitismus oder Rassismus in den eigenen Reihen nicht aufräumen will. antira.org wäre nicht erstaunt, wenn es auch in diesem Fall so läuft, wie schon so oft: Der Fall wird endlos geprüft, während gleichzeitig die Betroffenen eingeschüchtert und/oder öffentlich in ein schlechtes Licht gestellt werden. Schlussendlich wird Bank dann freigesprochen. Wenn es heftig wird, wird er eventuell versetzt. Im extremsten Fall trennt sich die Polizei von ihm, behauptet aber, er sei eine grosse Ausnahme gewesen, denn Rassismus und Antisemitismus seien bei der Polizei garantiert kein strukturelles Problem.
https://jewishnews.timesofisrael.com/ukraine-police-chief-looking-into-officers-request-for-list-of-jews/
11.05.20
Folter nach Auslieferung in die Türkei durch Schweden
Im April ist ein 23-jähriger Kurde aus Schweden an die Türkei ausgeliefert worden. Vor, während und nach der Ausschaffung kam es zu Gewalt durch schwedische und türkische Behörden. In seiner schwedischen Zelle wurde er schon Tage vor der Ausschaffung mit Schlafentzug gefoltert. Auf dem Weg zum und während des Ausschaffungsfluges blieb er fixiert und ihm wurde ein Sack über den Kopf gestülpt. In der Türkei folgten ein mehrstündiges Verhör unter Folter, unter anderem Waterboarding und Stromschläge, sowie die anschliessende Inhaftierung. Menschen in ein Land abzuschieben, aus dem sie geflohen sind, ist immer gewalttätig. Wenn ihnen dort Folter oder eine andere Art grausamer Behandlung drohen, verstösst es sogar gegen zwingendes Völkerrecht. Der kurdische Dachverband NCDK-S verurteilt die Auslieferung: „Die ganze Welt weiss, dass in der Türkei systematisch gefoltert wird und es keine Rechtsstandards gibt. Insofern hätte die schwedische Regierung Resul Özdemirs Recht auf Leben bei ihrer Entscheidung berücksichtigen müssen. Stattdessen ist der junge Kurde dem türkischen Staat, der als Henker der Kurden fungiert, ausgeliefert worden.“ In den türkischen Medien wurden Aufnahmen veröffentlicht, die Özdemir in Handschellen einer Trophäe gleich zwischen türkischen Fahnen zeigen.
Es wird vermutet, dass der schwedische Inlandsgeheimdienst Özdemir bereits in Schweden rechtswidrig an den Nachrichtendienst eines Landes (welchen Landes?) übergeben hat. Im Flugzeug befanden sich auch englisch sprechende Personen, von denen angenommen wird, dass es sich um Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes MIT handelte. In der Türkei wurde Özdemir direkt zum MIT gebracht. Vergleiche lassen sich zu dem Fall der kurdischen Aktivistin Gülizar Taşdemir ziehen, die vor zwei Jahren aus Norwegen in die Türkei ausgeliefert wurde. Das norwegische Justizministerium ist im vergangenen September für die Auslieferung von einem Gericht in Oslo wegen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention verurteilt worden.
https://www.jungewelt.de/artikel/377842.t%C3%BCrkischer-geheimdienst-stromschl%C3%A4ge-und-waterboarding.html
https://anfdeutsch.com/frauen/waterboarding-und-stromschlaege-nach-auslieferung-in-die-tuerkei-18927
https://anfdeutsch.com/aktuelles/kurdischer-aktivist-aus-schweden-in-die-tuerkei-ausgeliefert-18895
https://anfdeutsch.com/menschenrechte/norwegen-wegen-auslieferung-kurdischer-aktivistin-verurteilt-13779
11.05.20
Sucht Bolsonaro den faschistischen Putsch?
In den vergangenen Wochen war der Präsident Brasiliens gleich zwei Mal auf Demos von Faschist*innen als Redner auf der Strasse unterwegs. «Fort mit dem Kongress und den Gerichten» oder «Für eine neue antikommunistische Verfassung» war auf den Transparenten der Anti-Demokratie-Demos zu lesen. Bolsonaro sieht in den Demonstrationen den Ausdruck des «Volkswillens». Naheliegender ist es jedoch, diese als Ausdruck eigens von Bolsonaro eingefädelter Inszenierungen zu sehen. Zu gut passen die testosterongeladenen Anlässe – an denen die Faschist*innen auch Medienschaffende zusammenschlugen – zu Bolsonaros Suche nach der ultimativen Kraftprobe mit allen demokratischen Institutionen oder Politiker*innen, die sich nicht stramm hinter ihn stellen.
In der Tat herrscht seit dem Rücktritt von Justizminister Sergio Moro dicke Luft beim brasilianischen Staat. Trotzdem gibt sich Bolsonaro siegessicher und kampfeslustig. Sergio Moro liess sich nicht davon abbringen, die Bundespolizei, die wegen diverser Vergehen gegen Bolsonaro und seine Söhne ermittelt, ihre Arbeit machen zu lassen. Als daraufhin Bolsonaro den Chef der Bundespolizei Mauricio Valeixo absetzte, um seinen Buddy, den Geheimdienstchef Alexandre Ramagem zu nominieren, trat Sergio Moro mit lauter Kritik zurück. Der Bundesgerichtshof verhinderte in letzter Minute, dass Ramagem vereidigt wurde. Doch die Freude war von kurzer Dauer. Bolsonaro nominierte kurzerhand Ramagems rechte Hand Rolando Souza für die Spitze der Bundespolizei und vereidigte diesen 20 Minuten später. In den letzten Monaten gab es zahlreiche solcher Episoden, die mit Absetzung oder Rücktritt von Minister*innen endeten. Dies und die Nähe, die Bolsonaro derzeit zur Armee pflegt, sind Alarmzeichen für einen faschistischen Putsch.
Brésil. Bolsonaro accentue les conflits institutionnels. Que fera l’armée?
https://renverse.co/infos-d-ailleurs/Bolsonaro-vers-un-coup-d-Etat-2560
04.05.20
Schweden missachtet die Rechte der Sami
Die Sami sind ein indigenes Volk in Nordeuropa. Dank internationalen Konventionen wurden ihre Rechte in Norwegen und Finnland gestärkt. Das höchste Gericht Schwedens urteilte im Januar, auch Stockholm müsse die Konventionen ratifizieren. Doch die rotgrüne Regierung schweigt und öffnet damit Tür und Tor für rassistische Angriffe auf die Sami.
https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/schweden-missachtet-die-rechte-der-sami?id=03b73088-9ab1-45a7-aa64-6e9a4e0c27d8
04.05.20
Toleranz mit Faschos und Gewalt gegen Migrant*innen auf Lesbos
Vor zwei Jahren griffen auf Lesbos mehr als 200 Faschist*innen eine friedliche Demo von Migrant*innen mit Steinen, Knallern Flaschen und anderen Wurfgegenständen an. Die Polizei war dort und beobachtete die Gewaltorgie. Obwohl die Cops filmten kam es zu keinen Anklagen. Lokale Antirassist*innen sagen, dass dieselben Personen auch dieses Jahr im Januar mit dabei waren, als auf Lesbos die Jagt gegen Migrant*innen auf offener Strasse losging. Auch im Januar schwieg die Polizei. Letzte Woche gipfelte die Gewalt in Schüssen, gefeuert gegen Mirgant*innen. Der Schütze musste diese Woche bei der Polizei erscheinen um auszusagen. Eine Gruppe Faschos und Sympatisant*innen des mutmasslichen Schützen demonstrierten vor dem Anhörungsgebäude…Trotz Verstoss gegen das in Griechenland geltende Corona-Ausgangsverbot liess die Polizei sie gewähren. Während die Cops Medienschaffende aufforderten den Platz zum Schutz ihrer eigenen Sicherheit zu verlassen, konnte sich der mutmassliche Täter gegen Kaution freikaufen. Das selbe Gericht hatte Migrant*innen, die vermutlich ein Schaf geklaut hatten für ein Jahr in Untersuchungshaft gesteckt. So funktioniert rassistische Justiz halt: Offene Toleranz der Behörden gegenüber faschistischer Gewalt bei zeitgleicher Diskrimierung von Migrant*innen – durch die Polizei, die Behörden und die Justiz.
AUTHORITIES’ TOLERANCE OF FASCIST VIOLENCE AND BRUTALITY TOWARDS MIGRANTS IN LESVOS CONTINUES, TWO YEARS AFTER SAPFOUS…
Gepostet von Legal Centre Lesvos am Dienstag, 28. April 2020
27.04.20
Frankreich: 5 Polizeimorde innerhalb von drei Wochen
Seit dem ersten Tag der nationalen Ausgangssperre in Frankreich bezeugten Videos und Zeitungsberichte die Polizeigewalt in den französischen Banlieues und einkommensschwachen Quartieren. Aktivist*innen dieser Orte warnten aber auch schnell, dass die nun leeren Strassen für dessen Bewohner*nnen eine besondere Gefahr darstellen, da es viel weniger Passant*nnen gebe, die Polizeigewalt verhindern oder dokumentieren könnten. In diesen Quartieren, in denen die grosse Mehrheit der Bevölkerung Menschen mit Migrationshintergrund sind, ist die andauernde Polizeipräsenz und die damit einhergehende rassistische Repression eine allgegenwärtige Realität. Im Zusammenhang mit der nun ausgehängten Ausgangssperre hat die Polizei seit dem 8. April schon 5 Personen getötet und 3 weitere schwer verletzt, in allen Fällen gibt es aber ausser den Polizeibeamt*innen keine Zeugen.
Nachdem in Villeneuve-la Garenne (Region Île-de-France/Paris) am Abend des Samstags, 18. April ein Motarradfahrer ohne Helm von der offenen Türe eines zivilen Polizeiautos schwer verletzt wurde, sind während drei Nächten in Villeneuve-la-Garenne, aber auch in anderen Banlieues rund um Lyon, Strassburg oder Toulouse, Aufstände gegen die Polizei ausgebrochen, dabei wurden mehrere Polizeikommissariate angegriffen.
Hier ein gutes Video zur Wut in den Banlieues und zu einigen Strategien, um mit Polizeigewalt zu brechen.
https://larotative.info/espece-de-sale-bougnoule-tu-vas-3773.html
https://rebellyon.info/Au-nom-de-la-lutte-contre-le-covid-19-la-22174
https://www.bondyblog.fr/societe/a-villeneuve-la-garenne-retour-sur-une-colere-raisonnee/
11. Mai 2019
Rechtsextreme Gewalt in Italien
Vor einigen Tagen wurden im italienischen Viterbo zwei junge Männer festgenommen, weil sie Anfang April mit brutaler Gewalt gegen eine Person vorgegangen sind. Die beiden Männer sind Teil der italienischen neofaschistischen und rechtsextremen Bewegung Casa Pound. Einer der beiden Täter ist im vorigen Jahr auf deren Liste in den Stadtrat von Vallerano gewählt worden. 21 Prozent der Stimmen hatte die Liste von Casa Pound bekommen.
Gegründet wurde Casa Pound 2003 in Rom. Die Mitglieder besetzten ein großes leerstehendes Haus, welches bis heute ihr Hauptquartier ist. Der große Aufstieg begann aber 2008 als Gianni Alemanno von der rechtsradikalen Mini-Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) Bürgermeister von Rom wurde. Den Sieg feierten seine Anhänger*innen mit Faschistengruss vor dem Pantheon. Alemannos Sohn war aktiv in der Jugendorganisation von Casa Pound. Knapp drei Jahre später hat die Casa Pound Bewegung mehr als 50 Zentren im ganzen Land. Parallel wächst die ständig propagierte Gewalt. Zahlreiche gewalttätige Übergriffe und Morde in den letzten zehn Jahren kamen von Anhängern und Aktivisten [hier männliche Form um hervorzuheben dass die Gewalt fast immer von sehr patriarchal eingestellten Männern kommt] der Casa Pound. Jedes Mal distanzieren sich die Faschist*innen von den Gewalttätern. Es seien Einzeltäter, „Psychopathen“. Dass Gewalt gegen Menschen zur rechtsextremen Ideologie gehört, wird verleugnet, auch wenn die Neofaschist*innen auf öffentlichen Kanälen und sozialen Medien Gewalt gegen Menschen propagieren.
In ähnlicher Weise verleugnet auch der neue „Bericht zur Bedrohungslage gemäss neuem Nachrichtendienstgesetz“ vom Bund die rechtsextreme Gewalt. So heisst es dort: „Gewalttaten Rechtsextremer sind kaum zu verzeichnen.“ Angesichts dessen, dass erst vorletzte Woche Rechte Sprenganschläge auf linke Politiker*innen ausgeübt wurden, erscheint dieser Bericht äusserst fragwürdig.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/italien-rechtsradikale-gruppen-wie-casa-pound-wachsen-a-1265782.html
https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/56815.pdf
3. Mai 2019
Österreichs FPÖ in der Rechtssucht
Österreichs Vizekanzler und Chef der Freiheitlichen Partei FPÖ Heinz-Christian Strache betreibt mit dem Nazi-Kampfbegriff «Bevölkerungsaustausch» Wahlkampf. Er greift damit eine zentrale These der Faschist*innen auf, wonach es «rassisch reine» Völker gebe, die nicht vermischt werden dürften. Zuvor hatte vor Ostern ein FPÖ-Vizebürgermeister in einer lokalzeitung des Hitler-Geburtsorts Braunau ein rassistisches Gedicht veröffentlicht. Darin verglich er Migrant*innen mit Ratten und beschrieb sie als „Nagetiere mit Kanalisationshintergrund“. Die Metapher hatten die Nationalsozialisten einst auf Juden angewandt.
Diese ideologischen Aussagen zeigen, wie fest sich die rassistischen und faschisten Käfte sicher sind, dass sie mit ihrer Meinung die Menschen bewegen können. Ein Teil der Kraft dieser Bewegung stammt von Ängsten. Gemäss einer OECD-Umfrage haben 50% der Österreicher*innen Angst vor Kriminalität. Das sind fast so viel wie in Mexiko. Erst weit abgeschlagen kam die Furcht vor Altersarmut und dem Verlust des Arbeitsplatzes. Auf diese Ängste antwortet FPÖ nicht ausschliesslich mit rassistischem Blabla, sondern auch mit konkreter Aufrüstung. Seit dem Amtsantritt des FPÖ-Innenministers Herbert Kickl im Dezember 2017 wurde die Polizei mit verschiedenen neuen Waffen und mehr Personal ausgestattet sowie mit neuen Einheiten – wie der Grenzschutzeinheit Puma. Zudem wurden die Anforderungen für die Einstellung in den Polizeidienst gesenkt. Auch kennt der Securitas Markt in Österreich einen riesigen Boom. Rassistische und faschistische Kreise wollen dort Fuss zu fassen, indem sie sich anstellen lassen, versuchen eigene Sicherheitsunternehmen zu betreiben oder Bürger*innenwehre aufstellen.
https://www.nzz.ch/international/oesterreich-fpoe-skandale-belasten-regierung-ld.1478565?mktcid=nled&mktcval=102&kid=_2019-5-1
https://jungle.world/artikel/2019/16/die-fpoe-ruestet-auf
Salvini betriebt weiter antimigrantische Hetze
Unter der politischen Führung von Salvini, Chef der rechten Lega und Innenminister Italiens, hat sich die Situation für geflüchtete Menschen in Italien stetig verschärft. Massnahmen wie die Aufhebung des humanitären Status oder die Schliessung der italienischen Häfen für Geflüchtete begründet Salvini mit einer „Invasion“ von Migrant*innen und der hohen Zahl an „Illegalen“. Dabei nannte er stets die absurd hohe Zahl von 500’000 „illegalen Einwanderen“. Nun hat sich herausgestellt, dass sich Salvini leicht verschätzt hat und es sich nur um 90’000 Menschen handelt. Ob 500’000 oder 90’000 scheint uns zwar ziemlich irrelevant für die Entscheidung, Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen oder nicht. Salvinis erfundene Zahlen zeigen aber, dass er sich für nichts zu schade ist, wenn es darum geht, seine rechte, antimigrantische Hetzte zu verbreiten.
http://derstandard.at/2000102190590/Salvinis-falsche-Zahlenspiele-mit-illegalen-Einwanderern
14. April 2019
NZZ rät Bolsonaro zu Austeritätspolitik
Am 11. September 1973 putschte sich in Chile Pinochet an die Staatsmacht. Es folgten x-tausend Morde, Verschleppungen und Folter von missliebigen Personen. Dazu errichtete Pinochet ein neoliberales Laissez-faire Wirtschaftsregime, das grosse Teile der chilenischen Bevölkerung verarmen liess und die chilenischen Staatsbetriebe an ausländische Grosskonzerne verscherbelte. Das fanden damals die westlichen bürgerlichen Medien ganz ganz toll.
Wenn Alexander Busch diese Woche in der NZZ über Bolsonaros erste 100 Tage als Präsident Brasiliens schreibt, sind die Parallelen nicht zu übersehen. Da heisst es zwar schon Bolsonaro sei „umstritten“ aber am wichtigsten von allem seien nun Privatisierungen: „Nur mit einer Rentenreform, Privatisierungen und starken Einschnitten kann die Regierung das Anwachsen des Haushaltsdefizits stoppen“. Wichtig für die Beurteilung von Präsident*innen ist also für die NZZ nicht, ob diese vorhaben, Oppositionelle, Schwule und Strassenkinder töten zu lassen, sondern ob sie wohl brav den neoliberalen Staatsabbau vorantreiben, obwohl es kein einziges Beispiel gibt, wo den Menschen, die nicht eh suppereich sind, ein solches Vorgehen was gebracht hat.
https://www.nzz.ch/wirtschaft/brasilien-praesident-jair-bolsonaro-seit-100-tagen-im-amt-ld.1473126?kid=nl105_2019-4-11&reduced=true&mktcid=nled&mktcval=105_2019-04-11
6. April
Schweizer Milliardär spendete der AfD 150’000-Franken
In einem Rechercheverbund WDR, NDR, «Süddeutscher Zeitung» und Tamedia wurde aufgedeckt, dass Henning Conle 2017 die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel mit 150’000 Franken unterstützte. Da in Deutschland Parteispenden aus einem Nicht-EU-Land verboten sind, wenn sie mehr als 1000 Euro betragen, ermittelt die Staatsanwaltschaft in Konstanz.
Den Conles gehört die Zürcher Immobilienverwaltung «Miwo», die über 2500 Mietwohnungen in der Schweiz betreut. Die Zeitschrift «Bilanz» gibt das Vermögen der Conles mit 1 bis 1,5 Milliarden Franken an. Die 150‚000 Frankenspende ist für Conle daher ein Nasenwasser.
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/zuercher-immobilienmogul-und-svpgoenner-spendete-fuer-weidel/story/28350679
16. Februar 2019
Ungarns Regierende lassen Geflüchtete hungern
In einem ungarischen Transitzentrum an der Grenze zu Serbien wurde wieder ein Vorfall bekannt, bei dem Geflüchtete absichtlich keine Nahrung mehr erhielten, um sie zur Ausreise zu bewegen. Erst nach fünftägigem Nahrungsentzug konnte durch eine Eilverfügung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erwirkt werden, dass sie wieder etwas zu essen erhielten. Da die Tore nach Serbien offen stehen, behauptet die ungarische Regierung, dass die Menschen sich dort freiwillig aufhalten und es sich deshalb nicht um Folter handle. Wer das Zentrum jedoch verlässt, verliert damit den Status als Asylbewerber*in.
https://www.nzz.ch/international/ungarn-laesst-offenbar-erneut-asylsuchende-hungern-ld.1460116
2. Februar 2019
Krieg gegen Geflüchtete: Mittelmeer
Seit Anfang Januar verhindert die spanische Regierung das Auslaufen von NGO-Seenot-Rettungsschiffen mit fadenscheinigen Argumenten. In Barcelona ist die „Open Arms“ blockiert und im Baskenland die „Aita Mari“. Bei beiden Schiffen begründet die Regierung die Blockade damit, die Schiffe seien ungeeignet, bzw nur für 20 Personen zugelassen.
Die Blockade gehört zum Teil eines neuen Regierungsplanes, der vorsieht, die Seenotrettung im westlichen Mittelmeer ganz abzuschaffen. Die spanische Regierung plant nämlich den Abzug des Salvamento Marítimo, um die Fluchtpassage von Marokko und Algerien nach Spanien einzuschränken. Die Schiffe und Hubschrauber der Seenotrettung sollen nicht mehr proaktiv das Seegebiet patrouillieren, sondern nur noch in dokumentierten Notfällen zur Rettung auslaufen. Aus diesem Grund haben es die spanischen Behörden wohl auch unterlassen, die Radarsysteme der Seenotrettungs-Flugzeuge zu reparieren. Ohne diese Radars ist das Aufspüren von Booten in Seenot praktisch unmöglich. Die NGO-Rettungsschiffe sollen nach Regierungsplan stillgelegt werden. Die Taktik der spanischen Regierung ist es, die Menschen ertrinken zu lassen und darauf zu hoffen, dass weniger Leute über Spanien migrieren. „Open Arms“ hat auf Twitter einen Zähler eingerichtet. Dort ist zu lesen, dass seit der Blockade knapp 250 Menschen ertrunken seien.
Ähnliche menschenverachtende Pläne hat die italienische Regierung, sie will NGO-Seenotrettungsschiffe verbieten. Die italienischen Hafenbehörden setzen die faschistische Politik von Innenminister Matteo Salvini bereits konsequent durch: Kein*e Migrant*in darf italienischen Boden betreten, solange nicht geklärt ist, welches EU-Land die betreffende Person aufnimmt. So liegt vor der italienischen Küste bei Syrakus das Rettungsschiff „Sea Watch 3“ mit 47 Geretteten und wartet darauf, anlegen zu dürfen. Da das Warten auf einen Anlegeplatz die maximale Zeit eines Polizeigewahrsams überschritten hat und das Schiff immer noch unter menschenunwürdigen Umständen vom Anlanden ferngehalten wird, bereiten italienische Staatsanwält*innen eine Klage gegen Salvini vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof vor. Trotz des von Salvini staatlich angeordneten Verbots gelang es einer Gruppe von Parlamentarier*innen, Ärzt*innen und Rechtsanwält*innen an Bord zu gelangen und Folter-Gründe der Geflüchteten, sowie den zunehmend lamentablen Zustand an Bord des blockierten Schiffs zu dokumentieren. Ebenso ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen unterlassener Hilfeleistung, da die italienische Küstenwache am 19.1.19 117 Menschen hatte ertrinken lassen. Eine Rettung wäre möglich gewesen, da die Notlage frühzeitig gemeldet wurde. Die italienische Küstenwache reagierte aber erst als es bereits zu spät war (s. antira-Wochenschau vom 26. Januar 2019)
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110933.open-arms-open-arms-von-madrid-festgehalten.html
https://ffm-online.org/spanien-plant-abzug-der-seenotrettung-im-westlichen-mittelmeer/
https://ffm-online.org/sea-watch-salvini-vor-dem-europaeischen-menschenrechtsgerichtshof-egmr/
https://ffm-online.org/117-tote-staatsanwaltschaften-ermitteln-wegen-behoerdlicher-unterlassener-hilfeleistung/
27. Januar 2019
Rom schliesst erstes Lager für Geflüchtete
Trotz heftigen Protesten seitens der Anwohner*innen hat Italiens Regierung diese Woche mit der Deportation von (geflüchteten) Migrant*innen aus dem Lager bei Castelnuovo di Porto begonnen. Als Gründe werden Probleme mit Drogenkriminalität und Sexarbeit in den Vororten vorgeschoben. Probleme, die auf die günstigen strukturellen Bedingungen auf Autobahnraststätten zurückzuführen sind und seit jeher existieren. Doch sagt der in Uniform erscheinende Salvini im gleichen Interview, dass sich durch die Schliessung aller grossen Lager und einer Deportation in kleinere bis zu acht Millionen Euro sparen liessen.
Die Zukunft der 500 Betroffenen ist ungewiss, da nur die Minderheit über einen sogenannten „offiziell anerkannten Status“ verfügt und ohne Rücksicht auf laufende Ausbildungen und soziale Beziehungen in den Gemeinden auf andere Lager umverteilt wird. Noch schlimmer trifft es die Mehrheit der Geflüchteten, welche nur über eine „humanitäre Aufenthaltsbewilligung“ verfügt und die, gelinde gesagt, sich selbst und der Obdachlosigkeit überlassen werden. Massnahmen, welche die Lebensbedingungen der Betroffenen erschweren und sie gezielt in die Kriminalität abdrängen sollenn. Ganz nach dem Willen Salvinis.
https://www.nzz.ch/international/italien-salvini-produziert-obdachlose-ld.1454268
https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=f58e6cd4-902f-4ece-b18c-7586a7b3fdfe
12. Januar 2019
Rechtsaussenparteien bereiten sich auf die EU-Parlamentswahlen vor
Im Mai finden in der EU Parlamentswahlen statt. Damit es noch brauner wird in Europa, wollen sich die Rechtsaussenparteien verschiedener Länder vereinen. Der italienische Innenminister und Lega Chef Salvini reiste diese Woche deshalb nach Polen und propagierte eine neue Achse zwischen Rom und Warschau, wo die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) regiert. Salvini möchte die PiS überzeugen, dem bestehenden Bündnis, der ‚Lega Nord‘, der ‚Freiheitlichen in Österreich‘ (FPÖ) und dem ‚Rassemblement national‘ von Marine Le Pen beizutreten.
Derzeit sind die Rechten im europäischen Parlament auf drei Fraktionen verteilt. Neben Salvinis ‚Formation Europa der Nationen und der Freiheit‘ organisieren sich andere in der ‚Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten‘ oder in der ‚Gruppe Europa der Freiheit und der direkten Demokratie‘. Zu dieser zählen z.B. die ‚Cinque Stelle‘ und die ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD). Wenn es ihnen gelingt, ihre Zersplitterung durch eine gemeinsamen Fraktion zu überwinden, könnten diese Parteien über 150 Sitze erlangen und zur zweitstärksten Kraft aufsteigen, noch vor den Sozialdemokrat*innen.
https://www.nzz.ch/international/salvini-wirbt-fuer-einen-populistischen-fruehling-ld.1450138?mktcid=nled&mktcval=102&kid=_2019-1-10
https://www.politico.eu/2019-european-elections/
Bolsonaro raus!
Letzte Woche berichteten wir bereits über die faschistischen Tendenzen des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.
Diesen vergangenen Mittwoch trat die brasilianische Regierung unter Bolsonaro aus dem UN Migrationspakt aus. Da der UN-Pakt nicht rechtlich bindend ist, wird der Austritt wohl wenig unmittelbare Konsequenzen haben. Jedoch ist der Austritt als klares Signal zu verstehen, welches zeigt, dass die brasilianische Regierung, mit dem Rechtsrutsch unter Bolsonaro, einen härteren Kurs fahren wird, auch in Bezug auf die bisher eher offene Immigrationspraxis.
https://www.nytimes.com/2019/01/09/world/americas/bolsonaro-brazil-migration-accord.html?utm_source=ECRE+Newsletters&utm_campaign=983f177a76-EMAIL_CAMPAIGN_2019_01_10_12_32&utm_medium=email&utm_term=0_3ec9497afd-983f177a76-422315889
6. Januar 2019
Faschismus in Brasilien: Bolsonaro ist Präsident
Am Dienstag (1.1.19) hat Jair Messias Bolsonaro in Brasilien offiziel das Amt als Präsident übernommen. Er gewann die Wahlen insbesondere dank dem Versprechen, hart gegen die Korruption und Kriminalität vorzugehen, was vor allem die frustrierte Mittelschicht im wirtschaftlich angeschlagenen Brasilien ansprach. Bolsonoro erregte aber auch weltweites Aufsehen für sein provozierendes und kontroverses Auftreten, sowie seinen rassistischen, homophoben und frauenfeindlichen Äusserungen und dem Ankünden von gewaltvoller Repression. Sein diskriminierendes Gehabe ist aber alles andere als ein Buhlen nach medialer Aufmerksamkeit. Minderheiten, Frauen, PoC, LGBTI, und Indigene fürchten in Brasilien nun um ihre Rechte und auch um ihr Leben. Insbesondere Organisationen, die sich für die Rechte und das Leben indigener und isolierter Gemeinschaften (uncontacted tribes) einsetzen, haben Angst vor einem erneuten Genozid. Denn Bolsonaro hat während den Wahlen mehr als deutlich gemacht, dass er nichts von den Landrechten der Indigenen hält. So sagte er: „Es gibt kein indigenes Land, in denen es nicht auch Erz-Vorkommen gibt. Auf diesem Land gibt es Gold, Zinn und Magnesium, besonders im Amazonas, die reichste Region der Welt. Ich werde mich nicht auf diesen Unsinn einlassen, Land für Indianer zu verteidigen.“ Diese ultrakapitalistische Aussage ist besonders schwerwiegend, da Bolsonaro auch schon bedauerte, dass die verschiedenen indigenen Gemeinschaften Brasiliens nicht bereits „ausgerottet“ wurden: „Es ist schade, dass die brasilianische Kavallerie nicht so effizient gewesen war wie die Amerikaner, welche die Indianer ausgerottet haben.“ Seine insgesamt rassistische Haltung fasste er so zusammen: „Minderheiten müssen sich der Mehrheit unterordnen, entweder sie passen sich an, oder verschwinden.“ Mit solchen und anderen ähnlich widerlichen Äusserungen hat Bolsonaro mit seinem Amtsantritt eine neue Ära des Faschismus in Brasilien eingeläutet, nicht einmal 35 Jahre nach Ende der letzten Militärdiktatur Brasiliens, die der ehemalige Offizier so beurteilte: „Der Fehler der Diktatur war, dass sie folterte anstatt zu töten.“
https://sozialismus.ch/artikel/2018/brasilien-ist-bolsonaro-ein-neofaschist/
https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/oct/31/jair-bolsonaro-brazil-indigenous-tribes-mining-logging
https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/dec/31/tribes-brazil-genocide-jair-bolsonaro
http://time.com/5433379/brazil-bolsonaro-policies/
https://www.reuters.com/article/us-brazil-politics-bolsonaro-factbox/factbox-far-right-brazilian-candidate-thrives-on-controversy-idUSKCN1II2T3
30. Dezember 2018
Shutdown der US-Behörden wegen unklarer Finanzierung der Grenzmauer zu Mexiko
Weil Donald Trump die Finanzierung der Mauer an der Grenze zu Mexiko nicht zusammenkriegt, lag diese Woche ein Viertel der US-Bundesverwaltung still. Es war kein Geld mehr da für das Tagesgeschäft und 8000 Angestellte der Behörden erhalten keine Löhne. Das Budget wird im Parlament von den Demokrat*innen blockiert. Sie sind offensichtlich nicht bereit, bei der im Wahlkampf von Trump versprochenen Repressionsorgie mitzumachen.
https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=6b82152f-f685-46dd-9f8d-accf258f55ca
Italien entzieht zehntausenden Menschen die Aufenthaltsbewilligung und setzt sie auf die Strasse
Im November stimmte Italiens Regierung dem neuen „Sicherheitsgesetz“ von Innenminister Salvini zu, wodurch das Asylrecht deutlich verschärft wurde. Der Schutz aus humanitären Gründen wurde beispielsweise gänzlich abgeschafft. Dies ist jene Kategorie, in der die meisten Geflüchteten eine Aufenthaltsbewilligung erhielten – im ersten Halbjahr 2018 waren es 28% aller Personen, welche in Italien einen Asylantrag stellten. Durch den Wegfall des humanitären Schutzes werden in Zukunft statt 40 nur noch ca. 10 Prozent der Asylsuchenden einen positiven Entscheid erhalten. Das neue Gesetz gilt nicht nur für zukünftige Asylanträge, sondern betrifft auch Menschen, welche momentan unter dem humanitären Schutz in Italien leben, da diese Aufenthaltsbewilligung alle zwei Jahre erneuert werden muss. Faktisch wird nun also innerhalb der nächsten zwei Jahren ein Grossteil der Geflüchteten in Italien ihr Aufenthaltsrecht verlieren.
Letzte Woche zeigten sich nun die ersten Auswirkungen des neuen „Sicherheitsgesetzes“: Etwa 39.000 Menschen wurden aus den »Aufnahmezentren« vertrieben und auf die Strasse gesetzt. Darunter befinden sich Familien mit Kleinkindern, kranke, z.B. traumatisierte, Menschen. Die Gemeinden wurden angewiesen, Geflüchtete unverzüglich aus den Unterkünften auszuweisen und für sie auch keine Kosten mehr zu übernehmen. Wer nicht bei Bekannten Unterschlupf findet oder genügend Geld hat, sich eine Wohnung zu mieten, wird nun den Winter in Italiens Strassen überleben müssen.
https://www.nzz.ch/international/italien-verschaerft-sein-asylrecht-ld.1422862
https://www.jungewelt.de/artikel/346094.repression-gegen-fl%C3%BCchtlinge-heuchelei-der-regierung.html
15. Dezember 2018
Abschiebungen: Sicherheitsdekret treibt abgewiesene Personen in Italien in die Obdachlosigkeit
Das kürzlich vom italienischen Parlament verabschiedete und von Präsident Matarella formell bestätigte ‚Decreto sicurezza‘ hebt den humanitären Schutz für Geflüchtete auf, die keinen Flüchtlingsstatus haben. Dies hat zur Folge, dass Dutzende von Migrant*innen die sog. ‚Willkommenszentren‘ verlassen müssen und seitdem auf der Straße leben. In Crotone, einer Provinz in der Region Südkalabrien wurden am vergangenen Freitag 24 Menschen gezwungen, ein Zentrum in der Stadt Isola Capo Rizzuto zu verlassen; unter ihnen eine Familie mit einem fünf Monate alten Baby. Bewohner*innen des Ortes unterstützen die Geflüchteten mit einem Fackelzug unter dem Motto ‚Crotone bleibt menschlich‘. Unter diesen Umständen sind Dublin-Rückschaffungen nach Italien sofort zu stoppen. Dies fordern sogar die schweizerische Flüchtlingshilfe und das danish Refugee Council in ihrem gemeinsamen Monitoring-Bericht.
https://ffm-online.org/italien-sicherheitsdekret-treibt-gefluechtete-ohne-status-in-die-obdachlosigkeit/
https://www.fluechtlingshilfe.ch/medien/medienmitteilungen/2018/die-schweiz-muss-ihre-dublin-praxis-aendern.html