Anti-Erdogan-Demo: Solidarität geht anders

Am Wochenende erlebte die Anti-Erdoganbewegung in Bern einen Mobilisierungserfolg. Tausende gingen auf die Strasse. Gruppen aus der Türkei, Kurdistan und der Schweiz, die unterschiedliche Strömungen der Linken abdecken, hatten zu zwei Demos aufgerufen, die gemeinsam endeten. Die Reaktionen aus Ankara waren heftig. Wegen einem Transpi mit der Aufschrift „Kill Erdogan with his own weapons“ setzte er diplomatische Mittel ein, um im gewohnt autoritären Stil gegen seine Gegner*innen im Ausland zu hetzten. Die Reaktionen in der Schweiz und Bern sind hörig. Die Behörden verfolgen nun Anti-Erdogan-Aktivist*innen wegen unbewilligtem Demonstrieren und sogenannten Gewaltaufrufen. Das Ganze wird derzeit aufgebläht durch skandalgeile Journis, die hohe Klickraten wittern.

Von antira.org

Dieser Kontext wäre die Gelegenheit, um (1) das Erdogan-Regime weiter öffentlich zu diskreditieren, (2) den Widerstand auszuweiten und zu intensivieren und (3) die Komplizinnenrolle der Schweiz aufzuzeigen und (4) den geplanten Erdogan-Sommaruga-Ausschaffungsdeal endlich platzen zu lassen.

Es ist zu bedauern, dass es anders kam. Teile der Linken distanzieren sich von der Demonstration, die von der Reitschule zur Platzkundgebung führte, um an eben dieser Kundgebung teilzunehmen. Es erscheint fast der Eindruck, als würde das besagte Transpi dem Morden, Verfolgen, Einknasten und Unterdrücken des AKP-Regimes gleichgesetzt. Zumindest hat man die Kommunikationsabteilungen der parlamentarischen Parteien und der NGO’s schon lange nicht mehr so aktiv erlebt, als es darum ging, die Gewalt Erdogans, die Waffenlieferungen der Schweiz an die Türkei oder die geplante Abschiebegewalt Sommarugas medial fertigzumachen.

Um Schulter an Schulter gegen den Faschismus in der Türkei zu kämpfen, sind empörte Schreie in die bürgerliche Medienlandschaft und öffentliche Distanzierungen und Verleumdungen von Mitaktivist*innen schwächend. Es gibt bessere Orte als bürgerliche Medien, um über inhaltliche Differenzen und das durchaus wichtige Thema „Gewalt im Widerstand gegen Erdogan“ zu diskutieren.

Die Kritik am Transpi und am bewaffneten Widerstand gegen Erdogan ist nicht nur schwächend und spaltend, sondern setzt Demonstrant*innen und Aktivist*innen herab, die sich in der Türkei am bewaffneten Widerstand gegen Erdogan beteiligt haben und deshalb fliehen mussten. Sie kränkt womöglich auch aufkommende (Rache-) Gefühle von Menschen, die Mitmenschen wegen der Gewalt des türkischen Regimes verlieren mussten. Sie ist auch unsolidarisch gegenüber Personen, die heute und morgen in der Türkei Widerstand leisten und sich entschieden haben, sich – mit Gewalt – gegen die Gewalt des Regimes zu verteidigen.