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+++SCHWEIZ
NZZ am Sonntag 09.06.2024
Ausschaffungen nach Eritrea: Der Bund warnt das Parlament vor teurem Leerlauf
Das Parlament verlangt, dass der Bund Eritreer via einen Drittstaat ausschafft. Das Staatssekretariat für Migration hält nichts von dieser Idee: Im schlimmsten Fall müsste die Schweiz die abgewiesenen Asylbewerber für teures Geld hin- und herfliegen.
Georg Humbel
Die ehemalige FDP-Präsidentin Petra Gössi fordert, dass der Bund abgewiesene Asylbewerber aus Eritrea via einen Drittstaat ausschafft. Der Bund müsse dafür ein Transitabkommen aushandeln, so Gössi. Die Idee dahinter: Die Schweiz könnte über eine Zwischenstation abgewiesene Asylbewerber weiter nach Eritrea zurückfliegen. «Es muss Bewegung in die Sache kommen, der Unmut in der Bevölkerung ist riesig», begründet die Schwyzer Ständerätin ihren Vorstoss. Zurzeit haben 261 Eritreerinnen und Eritreer einen Wegweisungsentscheid und müssten die Schweiz verlassen. Doch Eritrea weigert sich, abgewiesene Personen zurückzunehmen.
Gössis Vorstoss findet politisch Anklang. Der Ständerat hat bereits zugestimmt, nun kommt die Motion am Montag in den Nationalrat und hat gute Chancen. Dabei hat das Geschäft hinter den Kulissen für böses Blut gesorgt. Das zeigen die vertraulichen Protokolle der vorberatenden Kommission, welche die «NZZ am Sonntag» einsehen konnte. Vincenzo Mascioli, Vizedirektor des Staatssekretariats für Migration (SEM), warnte eindringlich davor, dass ein Transitabkommen das Problem nicht lösen werde und zu teuren Leerläufen führen könnte.
Umstrittener Auftritt des Vizedirektors
Mascioli versuchte das mit einem konkreten Beispiel zu erläutern. Wenn die Schweiz ein solches Abkommen mit einem Staat wie Senegal hätte, dann könnte sie abgewiesene Asylbewerber dorthin ausfliegen. «Von hier an wird es schwieriger», so Mascioli an der Kommissionssitzung. «Wir könnten nicht nach Eritrea weiterfliegen, weil Eritrea das nicht akzeptieren würde, egal, ob wir von Kloten oder von Genf oder von Dakar aus fliegen würden.» Deshalb müsste die Schweiz die Asylbewerber mitsamt den Kantonspolizisten, welche die Ausschaffung begleiten, wieder zurückfliegen. «Das heisst, es wären viel Aufwand und Kosten für nichts entstanden. In Bezug auf Eritrea würde ein solches Transitabkommen also nichts bringen», so das Protokoll.
Die Kommissionsmehrheit stimmte dem Vorstoss trotzdem zu. «So ein Abkommen löst nicht alle Probleme, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung», so die SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann. Auch sie argumentiert damit, ein Zeichen zu setzen. «Ein solches Abkommen hat sicher eine gewisse abschreckende Wirkung.» Der Auftritt des Vizedirektors habe sie persönlich nicht überzeugt. «Die Verwaltung betreibt in Sachen Eritrea Arbeitsverweigerung.» Petra Gössi nervt sich ebenfalls über die ablehnende Haltung: «Es ist nicht Aufgabe der Verwaltung, das Parlament zu belehren und selber keine Lösungsvorschläge zu bringen.» Sie höre immer nur, was nicht funktioniere. «Das Problem muss endlich gelöst werden», so die Schwyzer FDP-Ständerätin.
Grossbritanniens umstrittener Rwanda-Deal
Zurzeit suchen europaweit mehrere Länder nach solchen Lösungen. Italiens Regierungschefin Meloni möchte das ganze Asylverfahren nach Albanien auslagern. Grossbritannien versucht, illegale Migranten nach Rwanda abzuschieben. Das afrikanische Land ist bereit, Migranten dauerhaft aufzunehmen. Dafür lässt sich Rwanda teuer bezahlen. Laut dem «Guardian» könnte eine einzige Abschiebung bis 1,8 Millionen Pfund kosten. Auch in der Schweiz gab es bereits ähnliche Vorstösse: Der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller fordert ebenfalls, abgewiesene eritreische Asylbewerber in ein Drittland abzuschieben. Dieser Vorstoss war nicht mehrheitsfähig. Gössis Idee eines Transitabkommens ist nun eine abgeschwächte Variante davon.
«Das ist an Absurdheit kaum zu überbieten», kritisiert der Grünen- Nationalrat Balthasar Glättli. «Dass diese Idee nicht funktioniert, würde sogar meine 6-jährige Tochter verstehen.» Das Parlament betreibe einmal mehr reine Symbolpolitik. «Nun soll der Staat für teures Geld Menschen hin- und zurückfliegen, nur um der Bevölkerung eine harte Asylpolitik vorzutäuschen», so Glättli. Auch die SP-Nationalrätin Céline Widmer kritisiert die Ideen scharf: «Dieser Vorstoss löst kein einziges Problem.» Es sei schleierhaft, was ein Transitabkommen bringen würde. «Aus keinem Land der Welt funktionieren Rückführungen nach Eritrea.» Sie sei enttäuscht, dass solche Vorstösse mittlerweile mehrheitsfähig seien.
(https://www.nzz.ch/schweiz/ausschaffungen-nach-eritrea-der-bund-warnt-das-parlament-vor-teurem-leerlauf-ld.1833596)
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NZZ am Sonntag 09.06.2024
Sogar Gefolgsleute flüchten vor dem Regime: Der eritreische Botschafter hat in der Schweiz Asyl beantragt
Der aufstrebende Karrierediplomat Adem Osman war das moderne Aushängeschild des eritreischen Regimes im Ausland. Jetzt zeigen Recherchen: Er hat in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt. Das bestätigt sein Nachfolger in einer Rede vor Anhängern des Regimes. Er beschimpft den Fahnenflüchtigen als «Verräter».
Georg Humbel
Er war das junge Aushängeschild der greisen Regierung in Asmara: Er hatte einen Facebook-Account, war eloquent und sprach gut Englisch. Der Karrierediplomat Adem Osman kam 2016 als Hoffnungsträger in die Schweiz. Mit dem Konsulat in Genf konnte er einen der wichtigsten Aussenposten übernehmen: Osman hat Eritrea nicht nur gegenüber der Eidgenossenschaft vertreten, sondern leitete auch die Uno-Delegation in der Rhonestadt. Wenn Eritrea im Menschenrechtsrat wieder einmal am Pranger stand, hat er stoisch zugehört. Um anschliessend zu sagen, dass alles ganz anders sei. Eritrea mache grosse Fortschritte bei den Menschenrechten – anderslautende Berichte seien westliche Lügen und seien zurückzuweisen, so das prominente Sprachrohr des Regimes.
Nun hat er selber ein Asylgesuch gestellt. Das ist für die Machthaber in Asmara von grösstmöglicher Peinlichkeit. Der als Ersatz neu eingesetzte Habtem Zerai beschimpft den Abgesprungenen: «Er hat aus Gründen, die nur er kennt, das eritreische Volk verraten und in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt», so der neue Botschafter Anfang April. «Er ist verschwunden, ohne jemanden zu informieren», klagte der neue Amtsträger vor Anhängern des Regimes. Der «NZZ am Sonntag» liegt eine Abschrift seiner Rede vor. Gemäss dem neuen Botschafter hat Adem Osman im April 2023 in der Schweiz ein Asylgesuch eingereicht.
Habteab Yemane war in Eritrea Richter und Rechtsprofessor. Heute lebt er als Flüchtling in der Schweiz und ist eine der wichtigen Stimmen der eritreischen Opposition. Als er noch Dozent an der Universität von Asmara war, war Adem Osman einer seiner Studenten. «Er war ein fleissiger und guter Student», so Yemane. Er hat die Karriere seines ehemaligen Schülers skeptisch mitverfolgt: «Er ist sehr rasch aufgestiegen. Ich habe nie verstanden, wie er als ausgebildeter Jurist einen solchen Unrechtsstaat verteidigen konnte.» Der Professor und Demokratieaktivist freut sich, dass sich sein ehemaliger Schüler nun vom Regime abgewendet hat.
Kafkaeskes Versteckspiel rund um den Botschafter
Die ganze Geschichte rund um den abgesprungenen Spitzendiplomaten ist reich an absurden Wendungen: Bereits im September 2023 hatten die Zeitungen von CH Media berichtet, dass der Botschafter verschwunden sei. Adem Osman sei gerade an einer Konferenz oder an einer Sitzung, hiess es damals immer wieder. Offensichtlich versuchte das Konsulat die Peinlichkeit zu verschweigen. Geradezu surreal wurde es dann am 8. September: Die «NZZ am Sonntag» traf den Diplomaten in Genf auf offener Strasse. Während des kurzen Treffens behauptete er, weiter im Amt zu sein. «Alles läuft normal», so Adem Osman. Dabei hatte er längst ein Asylgesuch gestellt.
Warum dieses Versteckspiel? Erklären lässt sich die Heimlichtuerei wohl damit, dass der Diplomat Angst um seine Sicherheit hatte. Er wollte offensichtlich zuerst wissen, wie seine Chancen auf Asyl stehen, bevor er endgültig mit dem Regime brach. Dass hochrangige Diplomaten die Seiten wechseln, ist selten. Der prominenteste Fall der letzten Jahre war 2022 der russische Uno-Botschafter Boris Bondarew. Er hat nach Putins Einmarsch in die Ukraine den Dienst quittiert und ebenfalls ein Asylgesuch gestellt. Er stand eine Zeitlang unter Polizeischutz.
Auch Adem Osmans Leben dürfte nicht einfach sein. Bei den Anhängern der Regierung ist der Hass auf den Fahnenflüchtigen gross. Bei der Opposition gilt er immer noch als Anhänger des Diktators. Die Schweizer Behörden bestätigen die Geschichte aus Datenschutzgründen nicht. Und so ranken sich die Gerüchte um seinen Abgang weiter. Dabei geht es um Geld: Wie Insider erzählen, ist das eritreische Konsulat in Genf alles andere als eine normale diplomatische Vertretung.
Das Konsulat als Selbstbedienungsladen für Funktionäre
Alle im Ausland lebenden Eritreer müssen zwei Prozent ihres Einkommens abliefern. Diese Diasporasteuer ist eine wichtige Einnahmequelle des Alleinherrschers Isaias Afewerki. Viele möchten diese Abgabe nicht bezahlen – doch wer eine Dienstleistung des Konsulats braucht, wird in die Pflicht genommen. Neben der Steuer verlangt die Botschaft horrende Gebühren und wirbt mit grossen Kampagnen um Spenden. Adem Osman soll bemerkt haben, dass Mitarbeiter des Konsulats im grossen Stil Gelder abzweigten. Als er diesen Missbrauch gestoppt habe, habe er es sich mit der Funktionärsclique verscherzt – so erzählen es Anhänger der eritreischen Opposition in der Schweiz.
Wie wichtig das Eintreiben von Geld für die Auslandvertretungen ist, zeigt der Fall des neuen Botschafters. Dieser hat es mit seiner Sammeltätigkeit ins eritreische Fernsehen geschafft. Der neue Mann in Genf habe in Solothurn 12 845 Franken gesammelt, so der staatliche Rundfunk in einem Nachrichtenbeitrag. Am 1. April fand in Gerlafingen eine grosse Party von regimetreuen Eritreern statt. Am Rand dieser Veranstaltung kam es zu massiven Ausschreitungen, die schweizweit für Schlagzeilen sorgten. «Wir kritisieren seit Jahren, dass an diesen Festen der Regimetreuen massiv Geld für das Regime gesammelt wird», so der Oppositionelle Habteab Yemane. Er fordert ein Verbot solcher Festivals.
Der neue Botschafter in der Schweiz habe alle Kantone besucht und dabei viel Geld gesammelt, so der Nachrichtenbeitrag im Eri-TV weiter. Dabei wird akribisch aufgelistet, wo bei dieser Tour de Suisse wie viel Geld zusammengekommen ist. 9127 Franken in Luzern, 6481 Franken in Aarau und 4910 Franken in St. Gallen – insgesamt soll Zerai in zwölf Kantonen über 50 000 Franken für die Staatskasse gesammelt haben. Dass er es damit prominent in die Fernsehnachrichten geschafft hat, zeigt vor allem eines: wie klamm das Regime ist und wie dringend die Machthaber auf Devisen aus dem Ausland angewiesen sind.
(https://www.nzz.ch/schweiz/sogar-gefolgsleute-fluechten-vor-dem-regime-der-eritreische-botschafter-hat-in-der-schweiz-asyl-beantragt-ld.1833594)
-> https://www.blick.ch/politik/peinliche-fahnenflucht-fuer-das-regime-eritreas-botschafter-hat-asyl-in-der-schweiz-erhalten-id19825961.html
+++MITTELMEER
Seenotrettung:Elf Leichen im Mittelmeer geborgen
Erneut sind mehrere Tote vor der lybischen Küste geborgen worden. Weil es keine staatlich organisierte Seenotrettung gibt, sind private Initiativen im Mittelmeer unterwegs.
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/mittelmeer-gefluechtete-tote-100.html
+++GASSE
Hüt im Gschpröch: Judith Pallotta, Leiterin der Gassenküche
In Schaffhausen besuchen immer mehr Menschen die Gassenküche. Am 9. Juni findet in Flurlingen ein Benefizkonzert des Duos «kaiserLukas» im Rebschof des Weingus 8247 mit Apéro und Nachtessen statt. Der Erlös kommt der Gassenküche zugute. Die Leiterin der Gassenküche, Judith Pallotta, erzählt aus dem Alltag.
https://www.shn.ch/shf/sendung/huet-im-gschproech/2024-06-07/huet-im-gschproech-judith-pallotta-leiterin-der
Chur sagt Ja zu einem begleiteten Konsumraum (ab 10:41)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/nein-zum-herisauer-obstmarkt?id=12604529
-> https://www.swissinfo.ch/ger/chur-sagt-ja-zum-vier-millionen-kredit-f%c3%bcr-drogen-konsumraum/80164814
+++KNAST
Überfüllte Schweizer Gefängnisse: Häftlinge im Ausland einsperren? – «Prüfenswert», sagt der Berner Polizeidirektor
Dänemark will verurteilte ausländische Straftäter in den Kosovo schicken. In der Schweiz stösst die Idee ebenfalls auf Interesse. Es gibt jedoch ein Problem.
https://www.derbund.ch/kriminalitaet-haeftlinge-im-ausland-einsperren-pruefenswert-239450817257
+++POLIZEI DE
Großeinsatz der Polizei: Sichere Innenverteidigung
Die EM als Stresstest der »Inneren Sicherheit«
Die Fußball-Europameisterschaft steht kurz bevor. Polizei und Bundeswehr bereiten sich auf einen Großeinsatz vor, auch mit Drohnenüberwachung. Im Visier: Hooligans, islamistisch motivierte Attentäter und Taschendiebe.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182805.fussball-em-grosseinsatz-der-polizei-sichere-innenverteidigung.html
+++RASSISMUS
Antisemitismus-Vorwürfe – Jüdischer Schauspieler zeigt Zürcher Theater Neumarkt an
Der Schauspieler Yan Balistoy wirft dem Theater Neumarkt vor, ihn diskriminiert zu haben
https://www.srf.ch/news/schweiz/antisemitismus-vorwuerfe-juedischer-schauspieler-zeigt-zuercher-theater-neumarkt-an
-> https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich-strafanzeige-gegen-theater-neumarkt-eingereicht-162432971999
«Wenn Kritik an Israel bei Juden platziert wird, ist es antisemitisch»
In Zürich wurden fünf Kunstgalerien versprayt, weil sie von jüdischen Menschen geführt, oder Werke von jüdischen Künstler:innen ausstellen. Eine Expertin ordnet diese antisemitischen Aktionen ein.
https://tsri.ch/a/clx7gpujh07wi6a2s7k8xan6f/interview-dina-pomeranz-antisemitismus-zuerich-galerien-art-zurich-weekend
+++RECHTSPOPULISMUS
Radio Lora unter Beschuss: «Auch sehr Lora-nahe Leute sind leider gar nicht überrascht»
Ums Zürcher Lokalradio Lora ist eine Debatte entbrannt. Dem linksalternativen Lokalsender werden Gewaltverherrlichung und Antisemitismus vorgeworfen.
https://www.kleinreport.ch/news/radio-lora-unter-beschuss-auch-sehr-lora-nahe-leute-sind-leider-gar-nicht-uberrascht-104297/#
+++RECHTSEXTREMISMUS
Abstimmung Kanton Genf – Genf setzt ein klares Zeichen gegen Hass
Nazi-Symbole waren in der Schweiz, anders als in Nachbarländern wie Deutschland oder Österreich, bis anhin erlaubt. Nun beschliesst der erste Kanton ein Verbot: Die Genfer Stimmbevölkerung unterstützt mit fast 85 Prozent eine Verfassungsänderung, die das Anbringen von Hasssymbolen im öffentlichen Raum unter Strafe stellt. Ein überdeutliches Votum für ein Verbot, welches von sämtlichen Parteien – ausser der SVP – unterstützt wurde.
https://www.srf.ch/news/schweiz/abstimmungen-9-juni-2024/abstimmung-kanton-genf-genf-setzt-ein-klares-zeichen-gegen-hass
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NZZ am Sonntag 09.06.2024
Das Zürcher Liebesnest des Terroristen: Die Bundesanwaltschaft bestätigt eine Hausdurchsuchung im rechten Milieu im Kanton Zürich
Der Rechtsterrorist Uwe Mundlos soll die Schweiz jahrelang als Rückzugsraum genutzt haben. Es ist nicht die einzige Verbindung des NSU über die Grenze hinweg.
Georg Humbel, Daniel Friedli und Simon Marti
Es ist eine spektakuläre Wende in einem der grössten Kriminalfälle Deutschlands: Anfang März haben Schweizer Ermittler auf Ersuchen Deutschlands eine Wohnung im Kanton Zürich durchsucht und eine 39-jährige Frau befragt. Der dringende Verdacht: Die Frau soll vor Jahren eine intime Beziehung mit einem der meistgesuchten Rechtsterroristen Deutschlands unterhalten haben. Sie soll die ehemalige Freundin von Uwe Mundlos sein. Der Terrorist habe sich während der brutalen Anschlagserie auf Ausländer immer wieder in der Schweiz aufgehalten, berichtet das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». Die Beziehung und die Rückzugsmöglichkeit in der Schweiz waren den Behörden bis dahin unbekannt.
Schweizer Behörden bestätigen Ermittlungen
Das Bundesamt für Justiz erklärt gegenüber der «NZZ am Sonntag», dass die Schweiz die deutschen Ermittlungen unterstützt: «Ich kann bestätigen, dass am 3. Januar 2024 in dieser Sache ein Rechtshilfeersuchen der deutschen Generalbundesanwaltschaft eingegangen ist», so eine Sprecherin der Behörde. Die Bundesanwaltschaft (BA) bestätigt die Aktion im Kanton Zürich. Man habe ein Rechtshilfeersuchen aus Deutschland vollzogen, so die Pressestelle der BA auf Anfrage.
Die rechte Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) brachte bei ihren Attentaten in Deutschland zehn Menschen um. In einer Serie von geplanten Morden töteten die Rechtsextremisten zwischen 2000 und 2007 neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin. 2004 verletzten sie mit einer Nagelbombe in Köln 22 Personen. Als einzig bekanntes Mitglied der Gruppierung ist Beate Zschäpe heute noch am Leben. Sie wurde 2018 in München zu lebenslanger Haft verurteilt.
Nach jahrelangem Schweigen scheint Zschäpe nun mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren und über das Innenleben der Terrorgruppe Auskunft zu geben. Die neuen Ermittlungen auch in der Schweiz sind die Folgen der umfangreichen Aussagen der Rechtsterroristin. An fünf Terminen zwischen August und Oktober 2023 soll Zschäpe detailliert ausgepackt haben.
Gemäss den Informationen des «Spiegels» berichtet Zschäpe bei diesen Terminen auch von den langen Abwesenheiten von Mundlos. Dieser sei regelmässig in Begleitung eines anderen Rechtsextremisten in die Schweiz gereist. Zudem habe Mundlos jahrelang eine Beziehung mit einer in der Schweiz lebenden Frau unterhalten. Zschäpe konnte sich aber nur noch an den Vornamen dieser mutmasslichen Freundin erinnern. Bei der Überprüfung von Frauen, auf die Aussagen passten, stiessen die deutschen Fahnder auf eine im Kanton Zürich lebende Rechtsextremistin, die jahrelang in der Schweizer Neonaziszene aktiv war und enge Kontakte zum «Blood and Honour»-Netzwerk und zur gewaltbereiten Gruppierung «Combat 18» pflegte.
Trotz breit angelegten Fahndungen und öffentlichen Aufrufen konnten die Terroristen des NSU jahrelang untertauchen und sich unerkannt durch Deutschland bewegen. Erst nach einem Banküberfall in Eisenach kam die Polizei Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im November 2011 schliesslich auf die Spur. Die beiden begingen Suizid. Doch auch über zehn Jahre nach deren Tod und umfassenden Untersuchungen gibt es bis heute Lücken in den Biografien der Terroristen.
Brisante Connection nach Zürich
Kenner des NSU halten Mundlos’ Schweizer Beziehung für plausibel. Katharina König-Preuss, die für die Partei «Die Linke» im thüringischen Landtag sitzt, war Mitglied in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, welche die Hintergründe des NSU aufklärten. Gegenüber dieser Zeitung sagt sie: «Die Frau, mit der Uwe Mundlos laut Beate Zschäpe eine Beziehung geführt haben soll, taucht bereits in den Akten der NSU-Untersuchungen auf.» Zschäpes Aussagen müssten immer einer kritischen Überprüfung unterzogen werden, aber sie halte es für wahrscheinlich, dass diese zuträfen.
Gemäss Recherchen der «NZZ am Sonntag» verkehrte die mutmassliche Freundin des Rechtsterroristen im Umfeld einer bekannten Band aus der Szene, für die sie Konzertsäle gemietet haben soll. Von deutschen Rechtsextremen wurde sie als wichtige Organisatorin bezeichnet. Die Frau lebte zeitweise in einer Wohngemeinschaft mit anderen Rechtsextremen in einer Zürcher Vorortsgemeinde. Mittlerweile lebt sie in einem anderen Ort im Kanton Zürich. Die Frau hat auf mehrfache Kontaktversuche dieser Zeitung nicht reagiert.
König-Preuss ist nicht erstaunt über die brisante Schweiz-Connection: «Die Verbindungen gerade der Thüringer Neonazi-Szene in die Schweiz sind stark ausgeprägt. Das fiel in den Ermittlungen zum NSU wiederholt auf.» Gerade dieser Schweiz-Komplex des NSU sei zu grossen Teilen noch nicht aufgeklärt, so die Linken-Politikerin. Sie fordert weitere Untersuchungen.
Mundlos’ mutmassliche Beziehung ist nicht die erste Verbindung des NSU in die Schweiz. Die Tatwaffe, eine Pistole vom Typ Ceska, mit der die Terroristen neun Menschen erschossen, wurde in der Schweiz gekauft und gelangte via Mittelsmänner zum NSU. Die Waffe aus der Schweiz fanden die deutschen Behörden nach dem Suizid der Terroristen in ihrem letzten Versteck in Zwickau.
Wie glaubhaft Zschäpes neue Aussagen sind, werden die weiteren Ermittlungen zeigen. Bei der Befragung Anfang März soll die mutmassliche Freundin des Terroristen aber bestritten haben, Mundlos auch nur gekannt zu haben. Auch die Durchsuchung der Wohnung soll den Fahndern keine Ergebnisse geliefert haben, schreibt der «Spiegel». Allerdings hat die deutsche Bundesanwaltschaft, zum Teil gestützt auf Angaben Zschäpes, Ende Februar in Deutschland bereits Anklage gegen eine andere mutmassliche Unterstützerin des NSU erhoben.
Wie der «Spiegel» schreibt, soll sich Zschäpe in der Haft mittlerweile vom Rechtsextremismus distanziert haben.
(https://www.nzz.ch/schweiz/das-zuercher-liebesnest-des-rechten-terroristen-ld.1834218)