Medienspiegel 22. Mai 2024

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
EC-Karte statt Bargeld: Berner Regierung will Bezahlkarte für Asylsuchende prüfen
Der Kanton Bern zieht in Betracht, Asylsuchende künftig mit einer Bezahlkarte auszustatten. Dies um zu verhindern, dass das Geld zweckentfremdet wird.
https://www.derbund.ch/bezahlkarte-fuer-asylsuchende-regierungsrat-bern-prueft-vorstoss-256005112294
-> Motion: https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=7b2b1af0227141c988ec0e3b1bf1b55a
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/berner-regierung-will-bezahlkarte-fuer-asylsuchende-pruefen-157182594
-> https://www.nau.ch/politik/regional/berner-regierung-will-bezahlkarte-fur-asylsuchende-prufen-66766272
-> https://www.blick.ch/politik/kein-geld-zweckentfremden-berner-regierung-will-bezahlkarte-fuer-asylsuchende-pruefen-id19762960.html
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/chemieaustritt-im-loetschberg-fuenf-personen-leicht-verletzt?id=12594983 (ab 03:31)
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/bevoelkerung-von-ligerz-nicht-einverstanden-mit-ersatzbusverkehr?id=12595133 (ab 03:55)
-> https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2024-05-22



KLISCHEE AUF DEM PRÜFSTAND: JUNGER MANN, ASYLSUCHENDER – UND DOCH KEIN PROBLEM
Ein neues Asylzentrum verunsichert, so dreht sich vor der Eröffnung vieles um die Sicherheit. Das ist in Grosshöchstetten nicht anders.
(Stephan Künzi, derbund.ch 22.05.2024)

Es gibt dieses Bild vom jungen, kräftigen Asylbewerber, der nichts anderes zu tun hat, als herumzusitzen und darauf zu warten, dass die Zeit vergeht. Die öde Langeweile bringt ihn auf dumme Gedanken, vielleicht dreht er sogar das eine oder andere krumme Ding – und die Einheimischen haben das Nachsehen.

Gut, niemand spricht das Klischee direkt an, als sich Grosshöchstetten über die Asylunterkunft im ehemaligen Spital informieren lässt. Bis zu 150 Leute sollen hier ab Anfang 2025 vorübergehend eine neue Heimat finden, so haben es die Gemeinde- und Kantonsbehörden schon vor einem Monat angekündigt.

Andernorts sind die Emotionen ob solcher Aussichten hochgekocht, in Niederbipp etwa, wo sich sogar die lokalen Behörden gegen eine Unterkunft im kleinen Juradorf Wolfisberg stellten.

Frauen mit Kindern oder auch ganze Familien könnte man sich allenfalls ja noch vorstellen, lautete der Tenor nicht nur hier. Aber gelangweilte junge Männer?

Plötzlich in der Dunkelheit

Auch in der vollen Aula Grosshöchstetten dreht sich vieles um die Frage, ob der Alltag im gewohnten, sicheren Rahmen weitergehen kann. So will einer der rund 150 Anwesenden gleich zu Beginn wissen, wie sich die Asylsuchenden in ihrer Freizeit überhaupt beschäftigen könnten.

Eine andere sieht Probleme auf die benachbarte Anmo-Klinik mit ihrem chinesischen Therapieangebot zukommen. Die Anmo-Patientinnen und -Patienten seien oft schon etwas älter und nicht mehr gut zu Fuss. Was passiere, wenn unvermittelt wildfremde Männer vor ihnen stünden`? Gerade im Winter, wenn es früh eindunkle?

Eine Dritte schliesslich erinnert daran, dass Grosshöchstetten gerade erst im frisch eingemeindeten Schlosswil die Schule geschlossen hat. Die 4-Jährigen müssten deshalb für die Fahrt nach Hause bis zu 40 Minuten auf den Schulbus warten, weil kein Geld für ein zweites Fahrzeug da sei. «Was unternehmt ihr für ihre Sicherheit?»

«Wir haben unseren Frieden»

Bei den Antworten ist vor allem er gefragt – Fritz Kohler, EDU-Politiker und bis Ende 2022 Gemeindepräsident von Sumiswald. Als solcher war er dabei, als der Kanton im finanziell angeschlagenen Forum Sumiswald eine Asylunterkunft einrichtete. Seine zentrale Botschaft an Grosshöchstetten formuliert er so: «Die Suppe wird selten so heiss gegessen, wie sie gekocht worden ist.»

Rückblickend betrachtet, deutscht Kohler aus, habe seine Gemeinde ein viel zu umfangreiches Sicherheitsdispositiv aufgezogen. In den ersten 15 Monaten der Unterkunft sei es kaum zu Zwischenfällen gekommen. Und wenn, dann nur im Zentrum selber, wo die Leute sehr eng aufeinander wohnten.

«Wir haben im Dorf nach wie vor unseren Frieden», fährt Kohler fort. Ja, viele Asylsuchende stammten aus Kulturen, in denen gerade die ältere Generation sehr viel Respekt geniesse. Schwarze Schafe gebe es zwar in jeder Gesellschaft, doch die Angst davor, von den Bewohnern des neuen Zentrums angepöbelt zu werden, sei völlig fehl am Platz.

Feste aus fremden Kulturen

Kohler bestätigt, dass die Leute in der Asylunterkunft über vergleichsweise viel Freizeit verfügen.

Auch wenn sie ihr Leben weitgehend eigenständig gestalten müssen, also selber einkaufen, selber kochen, selber waschen: In dieser Situation spiele der Sport für viele eine zentrale Rolle, sagt er. Entsprechend wichtig und willkommen sei die Mitarbeit von Vereinen und Freiwilligen.

Für das Rote Kreuz, das die Unterkunft betreiben wird, ist Martina Blaser da. Sie betont mehrfach, dass sich die Asylsuchenden frei bewegen dürften.

Eine Hausordnung setze allerdings Grenzen, lege zum Beispiel die Nachtruhe auf 22 Uhr fest. Deren Einhaltung klappe meist gut. Nur «an Feiertagen, die man bei uns nicht kennt», werde es manchmal später.

Das tönt nach kultureller Bereicherung, und Gemeindepräsidentin Christine Hofer (EVP) nimmt den Faden dankend auf. Es werde sicher die eine oder andere schwierige Situation geben, sagt sie in ihrem Schlusswort. «Ich bin aber überzeugt, dass wir mit den Asylsuchenden viel Schönes erleben werden.»
(https://www.derbund.ch/grosshoechstetten-sicherheit-um-asylzentrum-gibt-zu-reden-827424554270)
-> https://www.neo1.ch/artikel/grosshoechstetten-bereitet-sich-auf-neue-kollektivunterkunft-vor


+++AARGAU
aargauerzeitung.ch 22.05.2024

Neue Studie zu Geflüchteten zeigt: Mehr Geld, tiefere Kriminalität – was bedeutet dies für den Knauser-Kanton Aargau?

Erhalten Geflüchtete mehr Asylgelder, so sind sie weniger kriminell. Diese Erkenntnis einer neuen Studie könnte die Debatte um die Höhe der kantonalen Asylsozialhilfe erneut befeuern. Denn im Aargau ist diese so niedrig wie sonst kaum in der Schweiz.

David Walgis

Wie viel Geld sollen Geflüchtete im Kanton Aargau pro Tag erhalten? Alle Jahre wieder stellt sich diese Frage in der Budgetdebatte. Lange kämpfte die Ratslinke vergeblich für mehr Asylgelder – bis das Parlament im vergangenen November einer Erhöhung um 50 Rappen zustimmte. Neu erhalten Geflüchtete im Aargau 9.50 Franken pro Tag. Es ist immer noch einer der tiefsten Werte in der Schweiz.

Nun könnte eine neue Studie die Debatte erneut befeuern. Forscherinnen und Forscher der ETH und weiterer Hochschulen haben die Auswirkung der Höhe der kantonalen Asylgelder auf die Kriminalitätsrate untersucht. Ihre Haupterkenntnis: mehr Geld, weniger Delikte.

Grundlage für die Untersuchung bildeten rund 34’000 Asylsuchende der Kategorie «vorläufig aufgenommen». Also jene Geflüchteten ohne Asylanspruch, welche die Schweiz aber auch nicht ausschaffen kann. Ihre Daten aus den Jahren 2009 bis 2016 haben die Forscherinnen und Forscher mit der Anzahl registrierter Straftaten gekoppelt.

Im Kanton Zürich erhielten Geflüchtete ab 2012 monatlich rund 300 Franken mehr – die Kriminalitätsrate sank. Umgekehrte Vorzeichen in der Innerschweiz: 2015 senkte Luzern den monatlichen Beitrag um 500 Franken. Die Kriminalitätsrate nahm mittelfristig zu. Veränderungen zeigen sich hauptsächlich in der Kleinkriminalität, bei Diebstählen oder beim Drogenhandel.

Studie stützt Forderungen von links

Wenig überraschend ist eine solche Studie Wasser auf die Mühlen der Ratslinken. Etwa von Rolf Schmid, SP-Grossrat und Präsident des Vereins Netzwerk Asyl. Schmid ist kaum überrascht. «Die Studie bestätigt, was wir immer gesagt haben.» Entsprechend klar sind seine Forderungen. «Wir werden weiterhin auf eine Erhöhung der Asylsozialhilfe im Aargau pochen.» Und dies nicht nur, um die Kriminalitätsrate zu senken: «Mehr Gelder für Geflüchtete würden auch ihre soziale Integration verbessern», so Schmid.

Vorstösse für eine Erhöhung im Grossen Rat kann Schmid keine einreichen. Die Höhe der Asylnothilfe ist ans Budget gekoppelt. Möchte die Ratslinke also die Beiträge erhöhen, so muss sie in der Budgetdebatte entsprechende Anträge stellen. Ob diese durchkommen würden, ist im bürgerlich dominierten Parlament fraglich.

Gegner einer Erhöhung ist auch Daniel Aebi. «Wir müssen nun erst abwarten, was die jetzige Erhöhung bringt», sagt der SVP-Grossrat. «Glaubt man der Studie, müssten die Kriminalitätsrate nun sinken.» Nach gerade mal vier Monaten eine weitere Erhöhung zu fordern, sei nicht zielführend. Doch nicht nur deshalb ist Aebi gegen eine Erhöhung. Die tiefe Asylsozialhilfe sei auch ein Anreiz für Geflüchtete, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen, argumentiert er.

Weniger Asylgeld führt nicht zu mehr Erwerbsarbeit

Es ist ein oft vorgebrachtes Argument, um eine tiefere Asylsozialhilfe zu rechtfertigen. Nur: Die Studie findet keinen Hinweis darauf, dass dieses Argument auch stimmt. Tiefere Beiträge führen gemäss den Forscherinnen und Forschern nicht zu einer besseren Arbeitsmarktintegration. Sie führen dies auf Barrieren durch Sprache oder Ausbildung zurück.

«Aber …», sagt Martina Bircher am Telefon und zückt die Sozialhilfestatistik als Gegenargument. Die SVP-Nationalrätin verweist auf die Tatsache, dass vorläufig Aufgenommene mit einer Quote von 71 Prozent weniger von Sozialhilfe leben als anerkannte Flüchtlinge, bei denen die Quote bei rund 83 Prozent liegt. «Woran liegt das, wenn nicht an der Höhe der Beiträge?», fragt Bircher.

Um dieses Argument zu verstehen, muss man Folgendes wissen: Vorläufig Aufgenommene erhalten weniger Geld als anerkannte Flüchtlinge, welche Anrecht auf die gleiche Sozialhilfe wie Schweizerinnen und Schweizer haben. Birchers Argument: Die tiefere Asylsozialhilfe bei vorläufig Aufgenommenen führe zu einer höheren Erwerbsarbeit.

«Martina Bircher muss diesen Zusammenhang erst einmal nachweisen», entgegnet Rolf Schmid vom Netzwerk Asyl. Für ihn ist Birchers Argument eine klassische Verwechslung zwischen Korrelation und Kausalität. Heisst: Es bestehe nur scheinbar ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Asylsozialhilfe und der Sozialhilfequote. Schmid führt den höheren Anteil anerkannter Flüchtlinge in der Sozialhilfe beispielsweise auf ihre psychische Verfassung zurück.

Studie fordert Angleichung der Kantonsbeiträge

Aufgrund der Resultate schlägt das Studienteam eine schweizweite Harmonisierung vor. Soll die Asylsozialhilfe in allen Kantonen gleich hoch sein? «Auf keinen Fall», findet Martina Bircher. Die Lebenshaltungskosten seien von Kanton zu Kanton völlig unterschiedlich. «Das muss in der Höhe der Beiträge berücksichtigt sein», sagt Bircher. Sie befürchtet eine weitere Erhöhung der Beiträge im Aargau.

SP-Nationalrätin Gabriela Suter hingegen würde eine Harmonisierung begrüssen. «Wir fordern schon lange ein gesamtschweizerisches Rahmengesetz für Sozialhilfe.» Die jetzige Lösung sei ein Flickenteppich. «Die Unterschiede zwischen den Kantonen und teils gar den Gemeinden sind teilweise enorm. Die grosse Rechtsungleichheit ist stossend», so Suter. Ein entsprechender Vorstoss aufgrund der Studie wurde in Bundesbern bislang nicht eingereicht.

Kritisch sieht der Kanton eine Harmonisierung. «Der Föderalismus gehört zur Schweiz und ist im Bereich der Sozialhilfe sinnvoll», schreibt eine Sprecherin des zuständigen Departements Gesundheit und Soziales (DGS). Derzeit sei kein Bestreben nach einer Harmonisierung ersichtlich. Die Studie bewertet das DGS als fundiert und spannend. Nun müsse man die Ergebnisse interkantonal diskutieren und Schlüsse auf die aktuelle Situation ziehen.

Unabhängig davon werde man die Höhe der Sozialhilfe aufgrund der Teuerung prüfen und bei Bedarf anpassen – «sofern dies politisch mehrheitsfähig ist», heisst es weiter.

Womit wir wieder bei der alljährlichen Budgetdebatte wären. Als das Parlament vor zweieinhalb Jahren einmal mehr über die Höhe der Asylgelder stritt, liess sich Regierungsrat Jean-Pierre Gallati zu einer umstrittenen Aussage hinreissen: Er würde nicht davor zurückschrecken, selber eine Woche lang mit so wenig Geld auszukommen wie Geflüchtete. Das Experiment hat er nie gewagt.
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/asylpolitik-neue-studie-zu-gefluechteten-zeigt-mehr-geld-tiefere-kriminalitaet-was-bedeutet-dies-fuer-den-knauser-kanton-aargau-ld.2619945)


+++OBWALDEN
luzernerzeitung.ch 22.05.2024

Was bedeutet die Schliessung des Bundesasylzentrums für Obwalden?

Sollte der Bund die nötigen 340 Plätze im Zentralschweizer Asylbereich gefunden haben, wird er den Glaubenberg schliessen. Das bringt eine neue Situation für Obwalden, mit Kostenfolgen.

Philipp Unterschütz

Von Anfang an wurde es als provisorisch bezeichnet, das Bundesasylzentrum (BAZ) auf dem Glaubenberg, welches das Staatssekretariat für Migration (SEM) seit dem 6. November 2015 betreibt. Zunächst war der Betrieb bis Mitte 2019 befristet, danach wurde er jeweils für weitere drei Jahre verlängert. Dass das Provisorium definitiv wird, ist vom Tisch, seit sich im April 2018 die damalige Bundesrätin Simonetta Sommaruga gegen ein dauerhaftes Bundesasylzentrum auf dem Glaubenberg entschloss, weil die Anlage in einem Moorschutzgebiet von nationaler Bedeutung liege. Das BAZ solle im Kanton Schwyz zu liegen kommen.

Doch dort regte sich erbitterter Widerstand, das von Sommaruga angedachte Projekt Wintersried scheiterte. Der Bund akzeptierte schliesslich 2019 den Entscheid des Schwyzer Verwaltungsgerichts: kein Asylzentrum im Wintersried. Die neusten Pläne des SEM sind seit Januar publik und erneut gibt es heftige Reaktionen aus der Schwyzer Bevölkerung dagegen. Auf dem ehemaligen Campingplatz Buosingen zwischen Goldau und Lauerz soll ein Bundeszentrum für abgewiesene Asylbewerber entstehen. Für die Regierung ist Buosingen vertretbar, da im BAZ statt den geforderten 340 Plätzen nur 170 Plätze vorgesehen sind. Im Januar sagte Daniel Bach, Kommunikationschef des SEM, dass es wohl mindestens sechs Jahre dauere bis zur Inbetriebnahme.

Wird Glaubenberg nochmals verlängert?

Der Vertrag für das BAZ Glaubenberg mit 340 Plätzen, den der Bund mit dem Kanton Obwalden, der Gemeinde Sarnen und der Armee abgeschlossen hat, läuft aber nur noch bis am 30. Juni 2025. Buosingen ist noch nicht in Betrieb und es ist wenig wahrscheinlich, dass der Bund bis 2025 eine geeignete Unterkunft aus dem Hut zaubert. Während man eigentlich mit einer weiteren Verlängerung auf dem Glaubenberg rechnen muss, ziert sich das SEM noch. Auf Anfrage heisst es: Nach einem weiteren Standort neben Buosingen für die zweite Hälfte des Zentralschweizer Anteils an den Unterbringungskapazitäten werde noch gesucht, das SEM stehe in ständigem Austausch mit den involvierten Kantonen und Gemeinden. «Eine Verlängerung des Glaubenbergs ist nicht ausgeschlossen, Gespräche darüber werden allenfalls zu gegebener Zeit geführt. Betreffend der temporären Lösung BAZ Glaubenberg und der Moorschutzproblematik kann der Bund nicht das Gesetz umgehen.»

Im Klartext: Wenn der Bund die 340 Plätze in Buosingen und einem weiteren Ort geschaffen hat, wird Obwalden das BAZ Glaubenberg verlieren. Obwalden und Sarnen würden aber ein Gesuch des SEM für eine Verlängerung des Provisoriums wohl gerne prüfen.

Bund weist Betreiber weniger Asylbewerber zu

Denn der Betrieb eines Bundesasylzentrums bringt einige Vorteile, auch finanzielle. Normalerweise werden die Asylsuchenden den Kantonen bevölkerungsproportional zugewiesen. Der Kanton Obwalden müsste 0,44 Prozent dieser Personen aufnehmen. Als Standort eines BAZ werden Obwalden aber weniger Asylsuchende in die kantonale Zuständigkeit zugewiesen. Das entlastet den Kanton und die Gemeinden. «Der Kanton muss für weniger Personen die Unterbringung, Betreuung und Integration sicherstellen. Die Einwohnergemeinden müssen weniger Kinder und Jugendliche einschulen und es sind weniger Personen, die allenfalls später wirtschaftliche Unterstützung wie Sozialhilfe benötigen», sagt Christoph Amstad, Vorsteher des Sicherheits- und Sozialdepartements. «Wenn im Kanton kein BAZ mehr betrieben wird, werden sich die Schwerpunkte der Aufgaben des Kantons im Asylbereich verändern. Die Aufgaben im Bereich Unterbringung, Betreuung und Integration werden mit der Anzahl Zuweisungen in die Zuständigkeit des Kantons zunehmen.» Wie der Kanton diese Tage bekannt gab, wurden im Jahr 2023 34 Personen zugewiesen, ohne Bundesasylzentrum Glaubenberg wären es rund doppelt so viele gewesen.

Obwalden erhält für die zugewiesenen Personen vom Bund während fünf respektive sieben Jahren Pauschalbeiträge, die den Aufwand decken. Danach sind die Wohngemeinden zuständig, bei Bedarf auch für eine allfällige Sozialhilfe. Der Arther Gemeindepräsident hat es gegenüber dem Boten der Urschweiz auf den Punkt gebracht: «Die Unterbringung von 170 Personen, die wieder gehen müssen, weit ausserhalb des Dorfes Goldau mit Zuständigkeit des Bundes gewichtet der Gemeinderat insgesamt als weniger problematisch als 120 Flüchtlinge in den Dörfern, welche bleiben und von der Gemeinde zu integrieren sind.»
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/obwalden/bundesasylzentrum-ld.2613435)


+++SCHWYZ
Streit um Asylzentrum Arth eskaliert: Jetzt mischen Extremisten mit – Rundschau
Das geplante Bundesasylzentrum auf dem Areal des Campingplatzes Buosingen in der Gemeinde Arth SZ sorgt seit Monaten für kontroverse Debatten in der Region. Das hitzige Klima wird nun durch polarisierende Gruppierungen und ausländerfeindliche Parolen angeheizt. Reportage vor Ort mit Gegnern und Befürwortern.
https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/streit-um-asylzentrum-arth-eskaliert-jetzt-mischen-extremisten-mit?urn=urn:srf:video:431b5524-045e-4fe3-8da0-37ba9ab5e971


+++WALLIS
Walliser Bote 22.05.2024

Besuch im Gefängnis Sitten: Neues Zentrum für Ausschaffungshaft in Sitten eröffnet

Der Kanton Wallis nimmt am 3. Juni das neue Zentrum für Ausschaffungshaft sowie das erweiterte Gefängnis in Sitten in Betrieb. Das kostet den Steuerzahler viel Geld.

Martin Kalbermatten

Die Ausschaffungshaft erfolgte im Wallis bislang im Gefängnis in Crêtelongue. Straftäter und auszuweisende Ausländer lebten also in derselben Einrichtung und waren nicht voneinander getrennt. Dieser rechtswidrige Zustand wird nun mit dem neuen Zentrum für Ausschaffungshaft an der Route des Iles in Sitten aufgehoben. Nach dreijähriger Bauzeit wird dieses Zentrum, zusammen mit der Erweiterung des bestehenden Gefängnisses, am 3. Juni dem Betrieb übergeben. Staatsrat Frédéric Favre gewährte am Mittwoch Einblick in die neuen Gefängnisräumlichkeiten.

Erweiterungsbau für 16,5 Millionen Franken

Das 16,5 Millionen Franken teure und vom Bund mit rund fünf Millionen Franken subventionierte Projekt wurde vom Architekturbüro Nunatak in Fully realisiert, das bereits 1993 den Architekturwettbewerb für das Gefängnis in Sitten gewonnen hatte.

Die Architektur der neuen Anlage wirkt, wie für ein Gefängnis üblich, sehr trist. Einziger Farbtupfer in dem 4150 Quadratmeter grossen Betonkoloss ist die «Kunst am Bau» in Form von sporadisch verteilten Farbflechten. Die Gefängniszellen sind alle gleich aufgebaut. Jede verfügt über ein eigenes WC mit Dusche, ein Fenster, ein Bett sowie einen Fernseher. Per Knopfdruck auf der Fernbedienung können die Insassen nicht nur Youtube-Videos, sondern auch Netflix schauen. Und wie Georges Seewer, Chef der Dienststelle für Straf- und Massnahmenvollzug, bestätigt, können – zumindest im Strafvollzug – sogar Spielkonsolen angeschlossen werden. Als Mahlzeiten bekommen die Insassen gesunde Kost mit dem Label «Fourchette verte» serviert.

Dass sämtliche Zellen für alle Gefängnisbereiche gleich gestaltet wurden, ist kein Zufall. Staatsrat Favre sagt, dass man so für die Zukunft am besten gerüstet sei: «Wir wissen heute nicht, wie viele Plätze wir in zehn Jahren für die Administrativhaft oder den Strafvollzug brauchen werden. Mit den einheitlich gestalteten Zellen können wir auf jedwede Entwicklung reagieren.»

Architektonisch war dies einfach zu realisieren. Doch auf Betriebsebene ist das schon komplizierter, wie Seewer ergänzt: «Verschiedene Haftregime darf man nicht mischen. Wenn sich zum Beispiel ein Sektor in die Turnhalle verschiebt, müssen die anderen Sektoren geschlossen sein.» Dies im laufenden Betrieb sauber zu kanalisieren, stelle eine grosse Herausforderung dar.

Zumal es im ausgebauten Gefängnis in Sitten verschiedenste Bereiche gibt, die von allen Gefängnissektoren genutzt werden. So gibt es zum Beispiel auch einen medizinischen Dienst inklusive Zahnarzt, Aufenthaltsräume, Innenhöfe oder eine Beschäftigungswerkstatt.

Letzterer misst Seewer grosse Bedeutung bei: «Ich denke, dass wir hier über eine gute Infrastruktur verfügen, welche die Resozialisierung der Gefängnisinsassen begünstigt. Die Insassen haben so eine Tagesstruktur, leisten einen wirtschaftlichen Beitrag und können ferner eine Ausbildung machen. Würden wir all das nicht anbieten, kann man garantiert davon ausgehen, dass die Gefangenen nach der Verbüssung ihrer Strafe wieder bei uns landen werden.»

Betriebskosten bis zu 850 Franken pro Tag und Insasse

Eine gescheiterte Resozialisierung bedeutet für den Steuerzahler letztlich noch mehr Kosten. Denn der Unterhalt der Gefängnisse geht ins Geld. Pro Insasse und Nacht sind das mindestens 200 bis 250 Franken. Beim Massnahmenvollzug sind es sogar 800 bis 850 Franken. Seewer hält in diesem Zusammenhang aber auch fest, dass es für den Kanton auch Einnahmen geben kann; nämlich dann, wenn ein anderer Kanton im Wallis einen Gefangenen platziert.

Klar ist, dass es generell zunehmend mehr Gefängnisplätze braucht. Allein in Sitten wurden jetzt 22 neue Zellen für die Administrativhaft sowie zehn neue Zellen für den Spezialvollzug realisiert. Neu kommt das Gefängnis in Sitten so auf insgesamt 176 Plätze. Wobei ein Sektor für weibliche Insassen noch umgebaut wird.

Auf die Frage, was für Straftäter in Sitten untergebracht werden, sagt Seewer: «Im Bereich U-Haft ist da alles dabei. Ansonsten leben bei uns vor allem Straftäter, die Drogendelikte oder Sachbeschädigungen begangen haben.» Schwerere Fälle würden in Crêtelongue untergebracht.

Weitere Ausbauten in Planung

Der Ausbau des Gefängnisses in Sitten bedeutet gleichzeitig die Schaffung von acht neuen Vollzeitäquivalenten. Insgesamt bietet die Anlage 60 Arbeitsplätze.

Diese Erweiterung ist Teil der Strafvollzugsstrategie «Vision 2030». Zwei Etappen davon sind inzwischen umgesetzt. Nebst dem Ausbau in Sitten wurde in Crêtelongue ein neuer Gefängnistrakt realisiert. «In weiteren Schritten gehen wir nun den Ausbau des Jugendmassnahmenvollzugs in Pramont sowie die Betreuung von Insassen einer institutionellen therapeutischen Massnahme an», sagt Seewer zu den nächsten Projekten der Strategie «Vision 2030.» Beim geschlossenen Massnahmenvollzug würden generell Plätze fehlen. Nicht nur in der Westschweiz, sondern auch im Wallis.
(https://pomona.ch/story/417045/neues-zentrum-f%C3%BCr-ausschaffungshaft-in-sitten-er%C3%B6ffnet)


+++SCHWEIZ
WECHSEL AUF SPITZENPOSITION: JAN’S ASYLCHEFIN WIRFT DEN BETTEL HIN
Christine Schraner Burgener verlässt das Staatssekretariat für Migration. Sie ist erst zweieinhalb Jahre im Amt. Es ist der zweite Abgang im Departement von Beat Jans innert weniger Wochen.
(Charlotte Walser, Larissa Rhyn, derbund.ch 22.05.2024)

Die Schweizer Asylchefin geht. Per Anfang 2025 wechselt Christine Schraner Burgener ins Aussendepartement – und gibt damit den einflussreichen Posten als Staatssekretärin und Nummer zwei des Justizdepartements auf. Dies geschehe auf Wunsch von Schraner Burgener, heisst es in einer Medienmitteilung des Bundesrats. Es ist jedoch ein Abgang mit Nebengeräuschen.

Kritik an Schraner Burgener gab es schon länger – sowohl in der Verwaltung als auch im Parlament. In letzter Zeit trat die 60-jährige SEM-Chefin auch kaum noch öffentlich in Erscheinung. Auftritte in der «Arena» von SRF etwa übernahm ihr Stellvertreter Claudio Martelli.

Differenzen mit dem neuen Justizminister

Schraner Burgener hatte ihr Amt als Staatssekretärin für Migration am 1. Januar 2022 angetreten, als Karin Keller-Sutter Justizministerin war. Dem Vernehmen nach lief die Zusammenarbeit schon mit Keller-Sutter und danach mit deren Nachfolgerin Elisabeth Baume-Schneider nicht optimal. Baume-Schneider liess deshalb im Staatssekretariat eine Evaluation durchführen. Auch mit dem neuen Justizminister Beat Jans soll es Differenzen gegeben haben.

Laut mehreren Quellen dürfte der Rücktritt Schraner Burgener nahegelegt worden sein. Sie ist erst seit zweieinhalb Jahren im Amt. Ihr Vorgänger, Mario Gattiker, war fast zehn Jahre an der Spitze des SEM gewesen. Welche Funktion Schraner Burgener Anfang 2025 im Aussendepartement übernehmen wird, ist noch nicht bekannt. In der Mitteilung heisst es nur, sie werde «wieder vermehrt auf internationaler Ebene tätig sein».

Bevor sie zur Staatssekretärin für Migration ernannt wurde, hatte sich Schraner Burgener zwanzig Jahre lang als Diplomatin einen Namen gemacht. Zuletzt war sie als UNO-Sondergesandte für Myanmar tätig gewesen – davor unter anderem als Botschafterin in Deutschland und Thailand. In der Diplomatie galt Schraner Burgener als begnadete Netzwerkerin mit persönlichen Kontakten zu Spitzenpolitikern. Die Erwartungen an sie waren deshalb hoch. In der Schweizer Asylpolitik scheint sie aber nie richtig angekommen zu sein.

Probleme mit umstrittenen Asylcontainern

Das zeigte sich etwa in der Zusammenarbeit mit den Kantonen zur Unterbringung von Asylsuchenden, die zeitweise von Misstönen geprägt war. Laut Kantonsvertretern kam nie eine Vertrauensbasis zustande. Parlamentsmitglieder wiederum sagen, Schraner Burgener fehle mitunter Fachwissen. Es sei vorgekommen, dass sie in Kommissionssitzungen Sachfragen nicht habe beantworten können.

Kritisiert wird die SEM-Chefin zudem für ihr Vorgehen in bestimmten Geschäften. So wird sie etwa mitverantwortlich dafür gemacht, dass das Parlament Wohncontainer für Asylsuchende abgelehnt hat. Das Geschäft soll schlecht vorbereitet gewesen sein. Ungeachtet des Parlamentsentscheids startete Schraner Burgener später einen zweiten, ähnlichen Versuch.

Bei der Änderung der Asylpraxis für Afghaninnen, die von bürgerlicher Seite kritisiert wird, kam es zu Missverständnissen. Das lag auch daran, dass die Erklärungen seitens des SEM spät kamen.

Positiv erwähnt werden dagegen Schraner Burgeners menschliche Qualitäten und ihr Umgang mit Mitarbeitenden. Auch ihr Engagement bei der Bewältigung der vielen Schutzgesuche nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wird gelobt. Fest steht, dass die vergangenen zwei Jahre für die Asylchefin äusserst herausfordernd waren – nicht nur wegen des Ukraine-Kriegs: Die Zahl von Asylsuchenden aus anderen Ländern war ebenfalls hoch.

Zweiter Abgang innert weniger Wochen

Schraner Burgener ist neben Asylfragen auch für die Zuwanderung aus EU-Staaten zuständig. Im EU-Dossier soll sie im Hintergrund eine wichtige Rolle spielen. Öffentlich fiel die Staatssekretärin bei diesem Thema allerdings nur einmal auf: Als Aussenminister Ignazio Cassis im Dezember vor den Medien das Verhandlungsmandat erläuterte, beantwortete sie Fragen zu Ausnahmen, die eine Zuwanderung ins Sozialsystem verhindern sollen – und sorgte mit ihrem Votum eher für Verwirrung.

In Jans’ Departement gibt es drei Spitzenbeamtenposten. Zwei davon müssen nun neu besetzt werden. Im April wurde bekannt, dass Nicoletta della Valle als Chefin des Bundesamts für Polizei (Fedpol) zurücktritt. Sie war allerdings zehn Jahre im Amt – also deutlich länger als Schraner Burgener.

Die Stelle an der SEM-Spitze wird ausgeschrieben. Für Staatssekretärinnen und Staatssekretäre wird jeweils eine Findungskommission eingesetzt. Infrage kommen dürften sowohl interne als auch externe Kandidatinnen und Kandidaten. Klar scheint, dass zum Anforderungsprofil innenpolitische Erfahrung gehört.
(https://www.derbund.ch/asylchefin-schraner-burgener-wirft-den-bettel-hin-100989263071)

-> https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-101113.html
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/schraner-burgener-tritt-als-staatssekretaerin-zurueck?partId=12595169
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/staatssekretaerin-fuer-migration-christine-schraner-burgener-wechselt-ins-eda


+++GRIECHENLAND
Bitterer Sieg für Schiffbrüchige
Griechenland wollte Geflüchtete für Katastrophe vor Pylos verantwortlich machen. Justiz erklärt sich für »nicht zuständig«
https://www.jungewelt.de/artikel/475874.eu-grenzregime-bitterer-sieg-f%C3%BCr-schiffbr%C3%BCchige.html
-> https://www.woz.ch/2421/was-weiter-geschah/freisprueche-fuer-die-pylos9/!E43EBFFC3VK6


+++OSTEUROPA
Gezielte Schleusung: Migration via Belarus nimmt wieder zu
Die irreguläre Migration via Belarus und Russland war im Winter fast auf null gesunken. Doch jetzt steigen die Zahlen wieder stark an. In Sicherheitskreisen spricht man von „hybrider Kriegsführung“.
https://www.tagesschau.de/investigativ/migration-polen-belarus-russland-100.html


+++EUROPA
Ausgesetzt in der Wüste: Die brutalen Folgen der EU-Flüchtlingspolitik
In Nordafrika werden immer wieder Asylsuchende, die nach Europa wollen, mit Wissen der Europäischen Union verschleppt und in der Wüste zurückgelassen. Das belegen Recherchen des BR mit der Investigativorganisation Lighthouse Reports und weiteren internationalen Medienpartnern.
https://www.br.de/fernsehen/das-erste/sendungen/report-muenchen/videos-und-manuskripte/report-eu-fluechtlingspolitik100.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182377.migration-festung-europa-tunesien-und-libyen-sollen-sie-schuetzen.html


++++FREIRÄUME
Waffelhaus Geräumt…
Wohnraum in Städten wir knapper, insbesondere bezahlbarer Wohnraum. Immobilienhaie lassen ihre Häuser lieber Leerstehen als sie bedürftigen Menschen zur Verfügung zu stellen. Seit Jahrzehnten verschlechtert sich die Lage und Menschen werden aus ihren Vierteln und Wohnungen verdrängt um Platz für höhere Profite zu schaffen. Häuser werden absichtlich unbewohnbar gemacht, um Besetzungen zu verhindern und Scheinverträge werden erstellt, um Räumungsgründe zu konstruieren. Es wird zu viel Geld, Zeit und Energie darauf verwendet, Wohnraum zu zerstören anstatt ihn zu erhalten. Heute wurde ein weiteres mal ein Haus mit scheinheiligen Begründungen geräumt.
https://alleswirdbesetzt.ch/was-passiert/waffelhaus-geraeumt/


+++GASSE
In St. Gallen darf neu gebettelt werden
In der Stadt St. Gallen galt bisher ein Bettelverbot. Dieses hat das Stadtparlament nun, wenn auch knapp und nach hitziger Debatte, aufgehoben und erlaubt das Betteln neu an wenigen Orten. Weil das Bettelverbot gegen Menschenrechte verstossen hat, musste das Polizeireglement angepasst werden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/in-st-gallen-darf-neu-gebettelt-werden?id=12594845
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/verbot-war-illegal-betteln-ist-in-st-gallen-wieder-erlaubt-157190229
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/bettelverbot-nach-hitziger-debatte-st-gallen-lockert-bettelverbot



bzbasel.ch 22.05.2024

Zwischennutzung, Asylunterkunft und Kriminalität: So geht es dem Erlenmattplatz

Als die neue Asylunterkunft auf dem Basler Erlenmattplatz eröffnet wurde, berichteten verschiedene Medien über die Sorgen und Ängste der Quartierbewohnenden. Nach einem Jahr stellt sich die Frage: Haben sie sich bewahrheitet?

Silvana Schreier und Zara Zatti

Spritzen auf Gehwegen und Spielplätzen. Gestohlene Velos und Pakete. Der Zuzug von Asylsuchenden. Vor einem Jahr war das Erlenmatt-Quartier in Basel Gesprächsstoff. Politikerinnen und Politiker sorgten sich um die Sicherheit der Anwohnenden; Anwohnende bangten um ihren Lebensraum.

Der Basler SVP-Präsident Pascal Messerli sagte im Juni 2023 zu dieser Zeitung: «Die Sicherheitslage im Erlenmatt-Quartier ist sehr angespannt.» Personen seien weggezogen, weil die Kriminalität ansteige. In anderen Medien werden Anwohnende zitiert, die täglich ein mulmiges Gefühl hätten. Doch haben sich die Sorgen bewahrheitet?

Anstieg der Kriminalität wurde befürchtet

Eine Befürchtung betraf die neue Asylunterkunft auf dem Erlenmattplatz. Der Kanton baute die Wohnmodulsiedlung innert eines Jahres für 13 Millionen Franken. Die Unterkunft bietet Platz für 132 Personen. Zuerst sollten die Räume ausschliesslich von Geflüchteten aus der Ukraine bewohnt werden. Kurz vor der Eröffnung am 1. Juni 2023 wurde jedoch bekannt, dass auch Asylsuchende aus anderen Ländern einziehen. Die Quartierbewohnenden befürchteten wiederum einen Anstieg der Kriminalität.

In der Asylunterkunft leben aktuell 100 Personen, 32 Plätze sind laut der Basler Asylkoordinatorin Renata Gäumann frei. Schutzsuchende aus der Ukraine sowie Geflüchtete aus der Türkei, aus Afghanistan und aus Syrien würden den Grossteil der Bewohnenden ausmachen. Gäumann: «Rund 20 Prozent sind Kinder und Jugendliche.» Die Wohnmodulsiedlung soll noch mindestens zwei Jahre, «je nach Migrationslage maximal noch vier Jahre» genutzt werden, sagt Gäumann auf Anfrage.

Grundsätzlich mehr Velo- und Paketdiebstähle in Basel

Dass es in diesem Quartier tatsächlich mehr Kriminalität geben soll als anderswo in Basel, das verneint die Polizei. «Die Erlenmatt ist bezüglich Paket- und Velodiebstahl nicht stärker belastet als andere Quartiere mit ähnlicher Bebauungsstruktur», schreibt Sprecher Rooven Brucker.

Tatsächlich gebe es aber ein «subjektiv schlechteres Gesamtbild». Dies entstehe dadurch, dass sich die Bewohnenden über die Quartier-App austauschen, darin von Diebstählen berichten und so Vorfälle «von Mund zu Mund» weitergeben würden, so Brucker. Über Tätergruppen, die im Quartier unterwegs sein sollen, kann die Polizei keine Angaben machen.

Die Basler Staatsanwaltschaft ergänzt, dass gerade Velos und Pakete über das gesamte Stadtgebiet hinweg gestohlen würden. Beide Deliktfelder hätten in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Gründe dafür könnten der vermehrte Versandhandel und eher anonymere Wohnüberbauungen oder die allgemein höhere Anzahl Velos und E-Bikes im Strassenverkehr sein.

Zwischennutzung «Erle Perle» startet in die Saison

Gleich neben der Asylunterkunft befindet sich der Verein Erle Perle. Er ist für die Organisation der Zwischennutzung des 3000 Quadratmeter grossen Platzes bis mindestens 2027 zuständig. Anders als geplant, waren die Angebote vergangenen Sommer noch nicht vorzufinden. Am kommenden Samstag feiert die «Erle Perle» nun Saisoneröffnung – am Fest werden ukrainische Geflüchtete für die Verköstigung sorgen.

Einiges habe sich seit vergangenem Sommer verändert, sagt Stefan Degen vom Verein. So habe die Gartengruppe ihre Arbeit aufgenommen; am Samstag werde ein Kulturlokal eröffnet. Dieses stand vorher auf der Zwischennutzung «Lido» auf dem Lysbüchel-Areal und soll für Konzerte, Ausstellungen oder Workshops genutzt werden. Ebenfalls vom «Lido» soll ein Padelfeld übernommen werden, Inbetriebnahme soll noch diesen Sommer sein. Die Freiluftküche und die Werkstatt sind noch nicht betriebsbereit, unter anderem wegen Lärmschutzauflagen. Und der angekündigte Kiosk wartet derzeit auf eine Baubewilligung.

«Die Leute leben gerne da»

Nino Russano leistet seinen Zivildienst im Quartiertreffpunkt Rosental-Erlenmatt und ist Co-Präsident des Stadtteilsekretariats Kleinbasel. Der Quartiertreffpunkt engagiert sich, die Geflüchteten zu integrieren. Es gibt einen offenen Handarbeitstreff, Tanzkurse, Kindernachmittage oder Arbeitsplätze mit kostenlosem Internetzugang. Zudem will man mit dem Projekt «Lapislazuli» unbegleitete minderjährige Asylsuchende ansprechen. Gemeinsam mit Quartierbewohnenden wird gekocht. Russano sagt, noch nicht so viele Leute kennen das Angebot, aber sie seien zuversichtlich, dass sich das Projekt herumspreche.

Weiter hat das Quartier auf die Paketdiebstähle reagiert. Es wurden abgeschlossene Stationen eingerichtet, zu denen nur Bewohnende mit Zugangscode Zutritt haben. Russano sagt, er nehme «grundsätzlich eine sehr positive Stimmung» im Erlenmatt-Quartier wahr. Aber: «Viele berichten von einem subjektiven Unsicherheitsgefühl, auch wenn ihnen bisher nichts passiert ist.» Diese Schilderungen kenne er aus dem ganzen Kleinbasel.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/quartier-erlenmatt-zwischennutzung-asylunterkunft-und-kriminalitaet-so-geht-es-dem-erlenmattplatz-ld.2621246)


+++SEXWORK
«Sexarbeit verschwindet nicht, weil sie verboten ist»
«Xenia – Fachstelle Sexarbeit» setzt sich seit 40 Jahren für die Rechte von Sexarbeitenden ein. Der «ARB» traf Fachstellenleiterin Christa Ammann zum Gespräch über die Aufhebung der Sittenwidrigkeit, Entstigmatisierung und bürokratische Hürden im Sexgewerbe.
https://www.anzeigerbern.ch/politik/689-sexarbeit-verschwindet-nicht-weil-sie-verboten-ist


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Das Rektorat der Universität Freiburg zieht die Anzeige wegen Hausfriedensbruchs gegen die pro-palästinensischen Besetzerinnen und Besetzer zurück. (ab 02:03)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/neuer-fahrplan-fahrten-dauern-laenger-zuege-fahren-aber-haeufiger?id=12594833
-> https://www.nau.ch/news/europa/uni-freiburg-zieht-anzeige-gegen-besetzer-zuruck-66766082
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/nach-pro-palaestina-demos-universitaet-fribourg-zieht-anzeige-wieder-zurueck-157190221


Studierende wollen Pro-Palästina-Protest an Uni Neuenburg beenden
Die Universität Neuenburg verzichtet nach einer rund einwöchigen Besetzung ihrer Räumlichkeiten durch pro-palästinensische Studierende auf Disziplinarmassnahmen und Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs. Im Gegenzug erklärten sich die Aktivistinnen und Aktivisten am Mittwoch bereit, die Protestaktionen zu beenden.
https://www.watson.ch/schweiz/palaestina/768236397-pro-palaestina-protest-an-uni-neuenburg-studierende-wollen-ihn-beenden


Kein Boykott ohne echte Argumente
Die Bernoullianum-Besetzer*innen werden noch diese Woche Recherchen zu Verbindungen israelischer Partner-Unis mit dem Gaza-Krieg präsentieren. Sie fordern pauschal einen Boykott israelischer akademischer Einrichtungen. In einem Statement distanziert sich die Gruppe von Antisemitismus. Doch der Dialog bleibt herausfordernd. Eine Analyse.
https://bajour.ch/a/kein-boykott-ohne-echte-argumente


+++KNAST
Witzwil: Kommission sagt Ja zu Kredit für Gefängnisneubau und Ersatzneubauten für die Landwirtschaft
Die Bau-, Energie-, Verkehrs- und Raumplanungskommission befürwortet den Kredit für den Gesamtleistungswettbewerb des Gefängnisneubaus in Witzwil. Sie sagt auch Ja zum Kredit für die Projektierung der Ersatzneubauten für die Landwirtschaft.
https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=d4037bbb-732a-44da-8aad-0b5c42c73e73
-> https://www.derbund.ch/neubau-gefaengnis-witzwil-grossrats-kommission-unterstuetzt-plaene-525652441466
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/chemieaustritt-im-loetschberg-fuenf-personen-leicht-verletzt?id=12594983 (ab 02:27)


+++++ARMEE
Hochrangige Konferenz zum Frieden in der Ukraine: Assistenzdienst der Armee und eingeschränkte Luftraumnutzung
Bern, 22.05.2024 – Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 22. Mai 2024 eine temporäre Einschränkung der Nutzung des Luftraums während der hochrangigen Konferenz zum Frieden in der Ukraine am 15. und 16. Juni 2024 auf dem Bürgenstock im Kanton Nidwalden gutgeheissen. Die Luftwaffe stellt den Luftpolizeidienst und eine verstärkte Luftraumüberwachung sicher. Zudem unterstützt die Armee im Rahmen eines Assistenzdienstes die zivilen Behörden bei der Umsetzung der Sicherheitsmassnahmen. Es handelt sich dabei um einen subsidiären Einsatz. Diese Massnahmen ergänzen die Sicherheitsmassnahmen der kantonalen Behörden.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-101089.html


+++POLIZEI SH
Prügelangriff auf Musikerin – Die fragwürdigen Ermittlungen der Schaffhauser Polizei
Fabienne W. ist traumatisiert und wütend. Ihre mutmasslichen Peiniger sind bekannt. Aber die Behörden würden sie mit Samthandschuhen anfassen, findet sie. Der Polizei wird kriminalistisch unhaltbares Vorgehen und Unprofessionalität vorgeworfen. Die Behörden weisen die Vorwürfe zurück.
https://www.srf.ch/news/schweiz/pruegelangriff-auf-musikerin-die-fragwuerdigen-ermittlungen-der-schaffhauser-polizei
-> Rundschau: https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/nach-pruegelattacke-die-fragwuerdigen-ermittlungen-der-schaffhauser-polizei?urn=urn:srf:video:9c59260a-1edc-4a6d-add6-6e4e331b386e
-> https://www.20min.ch/story/schaffhausen-vergewaltigt-und-verpruegelt-schuetzt-die-polizei-die-taeter-103111900?version=1716406197507


+++POLIZEI CH
Polizei sucht verzweifelt Nachwuchs – Wer schafft den Job als Cop?
Viele Polizeikorps haben ein Nachwuchsproblem: Zwar melden sich viele zur Aufnahmeprüfung an, doch nur wenige kommen durch.
Sind die Anforderungen also zu hoch oder sind wir zu schwach? Nicolas Döbelin begleitet einen Polizei-Aspiranten während seiner Ausbildung und wagt den Selbstversuch bei der Aufnahmeprüfung.
https://www.srf.ch/play/tv/impact/video/polizei-sucht-verzweifelt-nachwuchs—wer-schafft-den-job-als-cop?urn=urn:srf:video:c30d3d18-7a98-49c4-a338-9db8d661afb4&aspectRatio=16_9


+++RASSISMUS
Nach antisemitischem Schlittel-Vorfall: In Davos sollen jüdische Vermittler helfen
Im Februar wollten die Betreiber des Bergrestaurants Pischa keine Sportgeräte an jüdische Gäste vermieten. Schon zuvor gab es Spannungen. Jüdische Vermittlerinnen und Vermittler soll nun für Entspannung sorgen.
https://www.blick.ch/politik/nach-antisemitischem-schlittel-vorfall-in-davos-sollen-juedische-vermittler-helfen-id19763035.html


+++HISTORY
Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen: Sämtliche Solidaritätsbeiträge gleichbehandeln
Bern, 22.05.2024 – Künftig sollen Solidaritätsbeiträge des Bundes, der Kantone und der Gemeinden zugunsten von Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen alle gleichbehandelt werden. Der Bundesrat unterstützt in seiner Stellungnahme vom 22. Mai 2024 den Vorschlag der Rechtskommission des Nationalrates (RK-N) für eine entsprechende Änderung des Bundesgesetzes über die Aufarbeitung fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 (AFZFG).
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-101083.html


Zwischen Unterdrückung und Befreiung
Im Rahmen des Themenmonats «Kolonialgeschichte in der Bodenseeregion» referierte Kirchenhistoriker Mariano Delgado zum Thema «Christliche Mission und Kolonialismus». Er zeigte auf, auf welch vielfältige – grausame bis befreiende – Weise das «Wort Gottes» in Übersee genutzt wurde.
https://www.saiten.ch/zwischen-unterdrueckung-und-befreiung/


Erwähnung eines antisemitischen Kontexts: Kindlifresserbrunnen erhält eine neue Beschriftung
Zur Figur des Kindlifressers auf dem gleichnamigen Brunnen gibt es viele Deutungen. Diese können weder eindeutig bewiesen noch widerlegt werden. Die Beschriftung des Kindlifresserbrunnens in ihrer heutigen Form wird dieser Vielfalt an Interpretationsansätzen nicht gerecht. Sie wurde deshalb aktualisiert.
https://www.plattformj.ch/artikel/221184/