Medienspiegel 21. Mai 2024

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

+++BERN
Gemeinderatsantwort auf Motion Fraktion AL/PdA (Matteo Micieli, PdA): Das Partizipationsreglement der Stadt Bern den gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen – Menschen mit S-Ausweis sowie Asylsuchenden eine Stimme geben (PDF, 113.8 KB)
https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/gemeinderat/aktuelle-antworten-auf-vorstosse/publizierte-antworten-am-21-mai-2024/motion-fraktion-slpda-das-partizipationsreglement.pdf/download


Regierungsratsantwort auf Motion M 003-2024 Müller (Orvin, SVP) Guthaben auf Bezahlkarten statt Bargeld für Asylsuchende und Abgewiesene
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=7b2b1af0227141c988ec0e3b1bf1b55a


Regierungsratsantwort auf Motion M 022-2024 Berger-Sturm (Grosshöchstetten, SP) Chance auf Berufsbildung für alle Jugendlichen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus.
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=744ead7f064d4325a269cf909bc72dce


+++GRAUBÜNDEN
Neue Asylunterkunft im Prättigau
https://www.suedostschweiz.ch/sendungen/rondo-news/rondo-news-neue-asylunterkunft-im-praettigau-21-05-24


+++ZÜRICH
Nur wenig Beschwerden von Asylsuchenden
Bei der Asylorganisation Zürich (AOZ) sind im vergangenen Jahr nur 88 Beschwerden von Asylsuchenden über die Betreuung eingegangen. Die AOZ wertet das als Erfolg einer guten Betreuungsqualität. In der Politik gibt es aber auch kritische Stimmen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/nur-wenig-beschwerden-von-asylsuchenden?id=12593195


+++SCHWEIZ
«Niemand ist zum Vergnügen hier»
Cihan Dilber arbeitet seit dem 01. November 2023 als Mitarbeiter Betreuung im Fachbereich Grundversorgung in Basel im Bundesasylzentrum (BAZ) Nordwestschweiz. Er ist bei der ORS Service AG angestellt, die im Auftrag des Staatssekretariats für Migration (SEM) für die Betreuung im BAZ zuständig ist. Cihan Dilber ist Mitglied des Flüchtlingsparlaments und arbeitet zudem im Bildungsteam der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) mit. Die Redaktion des «Fluchtpunkts / Planète Exil» hat ihn im März 2024 an seinem Arbeitsort im BAZ Basel besucht.
https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/niemand-ist-zum-vergnuegen-hier


+++GRIECHENLAND
Pylos: Freispruch für die angeblichen Schlepper
Prozess um Schiffsunglück in Pylos vor der griechischen Küste mit Hunderten Toten eingestellt
Es war ein kurzer Prozess in Griechenland um eines der schwersten Schiffsunglücke im Mittelmeer. Die Anklagen gegen neun Beschuldigte wurden am Dienstag fallengelassen.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182332.schiffskatastrophe-in-griechenland-pylos-freispruch-fuer-die-angeblichen-schlepper.html


+++EUROPA
Verschleppte Flüchtlinge in Nordafrika: Die Sahara als Waffe
Tausende Afrikaner werden auf ihrer Flucht nach Europa verschleppt. Die EU zahlt dafür Geld an nordafrikanische Länder.
https://taz.de/Verschleppte-Fluechtlinge-in-Nordafrika/!6009839/
-> https://www.tagesschau.de/investigativ/report-muenchen/eu-asylsuchende-nordafrika-100.html
-> https://www.jungewelt.de/artikel/475775.eu-grenzregime-eu-mordet-mit.html


++++FREIRÄUME
Aktivisten besetzen Haus in Zürich – Polizei rückt aus
In Zürich haben Aktivisten mit einer Hausbesetzung gegen den Leerstand demonstriert. Die Polizei war vor Ort und führte Personenkontrollen durch.
https://www.nau.ch/news/schweiz/aktivisten-besetzen-haus-in-zurich-polizei-ruckt-aus-66765854
-> https://alleswirdbesetzt.ch/was-passiert/%f0%9f%a7%87-waffelhaus-%f0%9f%a7%87-besetzt-%f0%9f%a7%87/
-> https://www.zueritoday.ch/videos/zuerich-enge-hausbesetzung-an-waffenplatzstrasse-dauert-nur-wenige-stunden-157169834?autoplay=true&mainAssetId=Asset:157169833


«Die Anstadt ist keine Parallelwelt!»
Es ist ein lauer Frühlingsabend im Mai, mit einem herzlichen Grinsen und frischem Kräutertee heißt mich Tala Bürki vor ihrem Wagen willkommen. Kunigunde heisst der hellbraune, vom Regen und Sonne etwas gezeichneter Bauwagen mit Holzschindeln. Tala Bürki wohnt seit rund fünf Jahren in der Anstadt.
https://rabe.ch/2024/05/21/die-anstadt-ist-keine-parallelwelt/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
#MullahsCiao Demo in Bern: „Nach dem Tod von Raisi ist vor dem Fall des Regimes“
Heute demonstrierte das Kollektiv #MullahsCiao auf dem Bahnhofplatz in Bern. Mit dem Slogan Jin Jîyan Azadî solidarisierten sich iranische Exil-Aktivist*innen mit den Kämpfen der Protestbewegung gegen das iranische Regime.
https://migrant-solidarity-network.ch/2024/05/21/mullahsciao-demo-in-bern-nach-dem-tod-von-raisi-ist-vor-dem-fall-des-regimes/


«Heutzutage wundert mich nichts mehr»
Unbekannte haben die Schweizerfahne am Born bei Olten mit Farbe besudelt. Ein Mitinitiant glaubt an eine politisch motivierte Tat.
https://www.20min.ch/story/olten-so-heutzutage-wundert-mich-nichts-mehr-103110096
-> https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/olten/olten-luusbuebe-unerklaerlich-und-kein-respekt-vor-der-schweiz-schweizerfahne-am-born-mit-schwarzer-farbe-verschmiert-ld.2621607


Pro Palästina: Tägliche Demos bei Uni Basel angekündigt
Die aktivistische Gruppe Unibas4palestine ruft zu einer «Aktionswoche» auf. Auf dem Basler Petersplatz sollen tägliche Kundgebungen stattfinden.
https://www.nau.ch/politik/regional/pro-palastina-tagliche-demos-bei-uni-basel-angekundigt-66765599


Gesuch für Demonstrationen: Basler Regierung verkürzt die Bewilligungsfrist
Die Basler Regierung setzt den angekündigten Kompromiss um: Wer eine Demonstration in Basel plant, muss künftig mindestens zwei Wochen vor dem Termin das Gesuch einreichen.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/entscheid-gesuch-fuer-demonstrationen-basler-regierung-verkuerzt-die-bewilligungsfrist-ld.2621563
-> https://telebasel.ch/sendungen/punkt6/216693


Pro-Palästina Protest an UniFr: Versammlung am Abend
Das Kollektiv „Coordination Estudiantine Palestine“ (CEP) ruft für heute Dienstagabend zu einer Unterstützungsversammlung vor der Uni Pérolles auf.
https://frapp.ch/de/articles/stories/pro-palastina-protest-an-unifr-neue-aktion-angekundigt


+++SPORT
Polizei muss massiv intervenieren: FCSG- und Thun-Fans gehen am Bahnhof Wil aufeinander los
Am Montag kurz vor 16.45 Uhr hat die Kantonspolizei St.Gallen am Bahnhof Wil interveniert, weil sich rivalisierende Fussball-Fanlager gewalttätig angegangen sind. Nur durch den massiven Einsatz von Pfefferspray konnten grössere Auseinandersetzungen verhindert oder solche, die im Gange waren, aufgelöst werden.
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ressort-ostschweiz/extrazug-verlassen-polizei-muss-massiv-intervenieren-fcsg-und-thun-fans-gehen-am-bahnhof-wil-aufeinander-los-ld.2621343


+++KNAST
Kanton Jura: unmenschliche und erniedrigende Haftbedingungen im Gefängnis von Pruntrut
Bern, 21.05.2024 – In einem bilateralen Gespräch teilte die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) Staatsrätin Nathalie Barthoulot, der Innenministerin des Kantons Jura, am 5. Februar 2024 ihre Bedenken in Bezug auf die Haftbedingungen im Gefängnis von Pruntrut mit. In einem Schreiben vom Dezember 2023 hatte die NKVF die Haftbedingungen nach Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) als unmenschlich und erniedrigend bezeichnet und empfiehlt, das Gefängnis zu schliessen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-101076.html
-> https://www.blick.ch/politik/unmenschliche-haftbedingungen-anti-folter-kommission-will-gefaengnis-von-pruntrut-schliessen-id19759681.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/kanton-jura-kommission-fordert-schliessung-des-gefaengnisses-von-porrentruy
-> https://www.watson.ch/schweiz/justiz/423098247-gefaengnis-in-pruntrut-antifolterkommission-empfiehlt-die-schliessung



FRAUEN IM STRAFVOLLZUG: «DIE GESELLSCHAFT WIRD NICHT SICHERER MIT MEHR LEUTEN IM GEFÄNGNIS»
Frauen seien vor ihrer Tat oft selber Opfer von Gewalt gewesen, sagt Annette Keller. Sie tritt als Direktorin des Frauengefängnisses Hindelbank ab.
(Bernhard Ott, derbund.ch 21.05.2024)

Frau Keller, Sie haben fast ein Vierteljahrhundert Ihres Berufslebens im Frauengefängnis Hindelbank verbracht. Was fasziniert Sie an dieser Aufgabe?

Der Justizvollzug in Hindelbank ist nicht nur für die Insassinnen, sondern auch für uns Mitarbeitende eine Lebensschule. Es ist sinnstiftend, hier so zu arbeiten, dass sich die Insassinnen später wieder in die Gesellschaft integrieren können.

Wie merken Sie denn, ob Sie Sinnvolles getan haben?

Das Resultat unserer Arbeit muss sich langfristig zeigen. Eine ehemalige Insassin hat jüngst gesagt, sie sei mit der Einstellung eingetreten, hier ihre Zeit abzusitzen. Aber in Hindelbank sei das gar nicht möglich, weil man auf verschiedenen Ebenen gefordert werde. Wichtig sei vor allem das Vertrauen gewesen, das die Mitarbeitenden in sie gesetzt hätten.

«Wir haben Freiheitsstrafen nur, weil wir noch nichts Besseres gefunden haben», sagten Sie gegenüber der «Hauptstadt». Hadern Sie mit dem Sinn des Strafens?

Ich glaube an die Notwendigkeit des Strafrechts. Wenn jemand einen gravierenden Schaden begeht, braucht es eine Konsequenz. In der Anstalt lebt man aber im Grunddilemma zwischen dem Entzug der Freiheit und dem Ziel der Reintegration in die Gesellschaft. Vielleicht finden wir einmal eine Form von Strafe, die weniger negative Nebenwirkungen hat. So wie die gemeinnützige Arbeit oder der Einsatz der elektronischen Fussfessel. Diese Vollzugsformen sind aber nur mit Leuten möglich, die integriert und arbeitsfähig sind.

Die Gesellschaft verlangt aber nach absoluter Sicherheit.

Ich verstehe das Bedürfnis nach Sicherheit in einer Zeit, in der viele Gewissheiten ins Wanken geraten. Aber die Vorstellung ist falsch, dass die Gesellschaft sicherer wird, je mehr Leute im Gefängnis sind.

Sie sagten einmal, Gefängnis sei wie Schule, alle hätten eine Vorstellung davon. Welche denn?

Es gibt die weitverbreitete archaische Vorstellung eines grossen Baus, in dem Menschen 23 Stunden in dunkle Zellen gesperrt sind. Ich weiss gar nicht, woher das stammt. Eine Vollzugsanstalt ist etwas komplett anderes, eine Art grosses, vielfältiges Heim, das aber gesichert ist.

Wie hat sich die Arbeit seit Ihrem ersten Arbeitstag hier im Jahr 1999 verändert?

Ein wichtiger Schritt war die Revision des Strafgesetzbuches 2007. Seither wird mit allen Eingewiesenen auf die Minimierung des Rückfallrisikos und die Wiedereingliederung hingearbeitet. Dies beinhaltet auch die Auseinandersetzung mit der Tat. Darauf basierend werden Ziele formuliert, die im Vollzug erreicht werden sollen.

Gilt das auch für Verwahrte, deren Austrittsdatum ungewiss ist?

Ja, denn es ist auch ein Ziel, innerhalb der Anstalt mehr Freiheiten zu erlangen. Zudem wird der Status von verwahrten Personen ebenfalls regelmässig überprüft. Bei den fünfzehn Frauen mit einer stationären Massnahme wird eine mögliche Entlassung jährlich überprüft.

Welche Ziele gab es denn vor der Revision von 2007?

Früher gab es noch die Überzeugung, dass man nicht übers Delikt reden soll, weil man damit den Eingewiesenen nicht mehr respektvoll begegnen könne. Das ist natürlich Humbug. Das Delikt ist der Grund, weshalb jemand hier ist. Das schliesst eine respektvolle Begegnung nicht aus. Bis 1997 gab es nicht einmal einen Zaun um die Anlage. In der ersten Zeit ging ich noch als Betreuerin mit Eingewiesenen in den Moossee baden. Das wäre heute nicht mehr möglich. Dafür hat der Zaun es ermöglicht, dass die Frauen sich innerhalb der Anstalt freier bewegen können.

In Männergefängnissen gibt es Hierarchien. Und in Hindelbank?

Klassische Hierarchien beobachten wir kaum. Es gibt eher Gruppen. Und manchmal so etwas wie Mobbing. Die sieben Wohngruppen sind Zwangsgemeinschaften mit bis zu 23 Frauen. Es gibt zwar Solidarität, aber auch immer wieder Konflikte. Im Extremfall wird eine Frau in eine andere Gruppe versetzt. Aber primär geht es darum, zu lernen, Konflikte konstruktiv zu bewältigen.

Kinder bis 3 Jahre können in der Anstalt bleiben. Welche Konflikte gibt es in der Mutter-Kind-Abteilung?

Da prallen die unterschiedlichen Vorstellungen von Erziehung bei Frauen aus verschiedenen Kulturkreisen manchmal aufeinander. Grundsätzlich ist die Mutter für das Wohl ihres Kindes verantwortlich. Aber wenn die Sozialarbeitenden das Kindeswohl in Gefahr sehen, müssen sie einschreiten. Die meisten Mütter haben die Kinder aber nicht bei sich. Wie kann man aus dem Vollzug Mutter sein? Wie geht man dabei mit Schuldgefühlen um? Das sind ganz grosse Themen. Zumal die Jugendlichen von heute ja nicht mehr Briefe schreiben, sondern über digitale Kanäle kommunizieren, die hier nicht möglich sind.

Sie sagten einmal, Frauen als Täterinnen seien zuvor oft Opfer gewesen. Wie haben Sie das gemeint?

Gerade bei Gewaltdelikten gibt es in der Biografie der Täterin oft einen früheren Missbrauch oder eine gewaltsame Beziehung, die zu emotionaler Instabilität und Überforderung geführt haben.

Es gab oder gibt viele südamerikanische Drogenkurierinnen in Hindelbank. Sind auch sie zuvor Opfer gewesen?

In Hindelbank sind nur noch zehn Prozent Kurierinnen. Das hat mit den offenen Grenzen zu tun und damit, dass es heute andere Wege zum Transport von Drogen gibt. Eine südamerikanische Kurierin hat zwei Töchter in einer Favela, die nun allein über die Runden kommen müssen. Ist diese Frau auch ein Opfer?

Opfer des Elends vielleicht?

Ich finde den Begriff «Opfer» schwierig, weil damit die Tat relativiert wird. Aber wenn ich von einem solchen Schicksal höre, bewegt es mich. Weil ich mich frage, wie ich mich in einer ähnlichen Situation verhalten hätte.

Frauen sind in Hindelbank untergebracht, Männer im Thorberg. Was geschieht mit nonbinären und trans Tatpersonen?

Da wird individuell abgeklärt, ob der Männer- oder Frauenvollzug besser passt. Dadurch will man vor allem Mobbing verhindern. Wenn eine Platzierung in einer Vollzugsanstalt nicht möglich wäre, müsste die Person länger in einem Regionalgefängnis bleiben. Das wäre problematisch. Es gibt ein Grundlagenpapier zur Betreuung solcher Personen im Freiheitsentzug. Das Gefängnis Dielsdorf ZH nimmt manchmal nonbinäre Personen auf, weil dort kleinere Gruppen möglich sind.

Die Gefängnisse platzen aus allen Nähten. Wie sieht es in Hindelbank aus?

Die Vollzugsanstalt ist voll besetzt, und wir haben eine Warteliste von zehn Frauen. Diese warten in den Regionalgefängnissen.

In denen das Regime härter ist.

Ja, dort können sie meistens nicht arbeiten und haben weniger Gestaltungsmöglichkeiten.

Die Zellen mit 8 Quadratmetern Grundfläche sind nach wie vor nicht menschenrechtskonform. Was tun Sie dagegen?

Es ist langfristig eine Sanierung in Planung. Die Zellen sollen 13 Quadratmeter gross werden, die Wohngruppen dafür weniger Plätze umfassen.

Im Männervollzug gab es in den letzten Jahren Eingewiesene mit gerichtlich verordneter Therapie, die diese wegen fehlender Therapieplätze lange nicht antreten konnten. Wie ist das in Hindelbank?

Es gab lange zu wenig Kapazitäten für Therapie. Zudem fehlen auch Plätze in psychiatrischen Kliniken. Da kam es in den letzten Jahren leider vor, dass eine Frau zu lange auf eine Einzeltherapie warten musste. In der Aussenwelt sind Therapieplätze auch rar.

Die Verfahren dauern immer länger, was für Opfer und Beschuldigte belastend ist. Woran merken Sie das in Hindelbank?

Das zeigt sich bei den Frauen, die ihre Strafe vorzeitig angetreten haben. Zurzeit ist das rund ein Drittel der hundert Eingewiesenen. Für Frauen mit Kindern ist es besonders schwierig, wenn der Entlassungszeitpunkt unklar ist. Die Erleichterung ist oft gross, wenn sie ein Urteil haben. Denn dann wissen sie, worauf sie sich einstellen müssen.

Wie teuer ist ein Platz im Vollzug und in der Hochsicherheitsabteilung?

Im Normalvollzug kostet ein Tag 400 Franken, in der Hochsicherheitsabteilung 700 Franken pro Tag. Zurzeit ist da niemand drin. Die Zellen stehen aber nicht leer, sondern werden als zusätzlicher Raum für die Integrationsgruppe benutzt. Das sind acht Frauen, die psychisch belastet sind und daher aktuell nicht in einer grossen Gruppe leben.

In der Hochsicherheitsabteilung wohnt zurzeit niemand. Gibt es wirklich Leute, vor denen die Gesellschaft mit einem derart grossen Aufwand geschützt werden muss?

Es gibt wenige, aber es gibt sie. Daher braucht es die Verwahrung.

Sie sagten aber mal, Sie glaubten ans Gute im Menschen?

Es gibt nicht nur schwarz-weiss. Wenn es bei verwahrten Menschen einen Anteil gibt, den sie nicht unter Kontrolle haben, bedeutet das nicht, dass sie keine guten Seiten haben.


Auf die Direktorin folgt eine Direktorin

Ab 1. Juni wird Andrea Wechlin neue Direktorin der Justizvollzugsanstalt Hindelbank. Die 51-jährige Sozialarbeiterin und Managerin verfügt über breite Erfahrung im Sicherheitsbereich und führt seit fünf Jahren die Justizvollzugsanstalt Grosshof im Kanton Luzern. (bob)
(https://www.derbund.ch/frauengefaengnis-hindelbank-direktorin-annette-keller-im-interview-903974997324)


+++PSYCHIATRIE
Regierungsratsantwort auf Motion M 025-2024 Kocher Hirt (Worben, SP) Sicherung und Weiterentwicklung der ambulanten und intermediären Angebote wie Recovery College Bern und Freizeitzentrum metro, von Ausbildungsplätzen und geschützten Arbeitsplätzen.
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=ec20c69f346c4977a886022ac4c92ef6


+++BIG BROTHER
Die Infrastruktur für die Schweizer Massenüberwachung ist «made in Israel»
Ein ehemaliger NSA-Dienstleister mit Wurzeln im israelischen Geheimdienst liefert die Ausrüstung für die Kabelaufklärung des Bundes. Das Verteidigungsdepartement verschwieg diese Tatsache in seiner Antwort auf die Anfrage eines Parlamentariers.
https://www.republik.ch/2024/05/21/die-infrastruktur-fuer-die-schweizer-massenueberwachung-ist-made-in-israel


+++POLIZEI AG
Gibt es bei der Aargauer Kantonspolizei Racial Profiling? Die Aargauer Regierung ist der Auffassung, dass sich die Polizistinnen und Polizisten diesbezüglich korrekt verhalten.  (ab 02:48)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/svizra27-zusammenschluss-mit-anderen-projekten-moeglich?id=12593183
-> Interpellation + Antwort Regierungsrat:  https://www.ag.ch/grossrat/grweb/de/195/Detail%20Gesch%C3%A4ft?ProzId=6195468


+++POLIZEI CH
Kein Freund und Helfer
Diskriminierende Äusserungen im Internet sind strafbar. Doch REFLEKT-Recherchen zeigen: Auf vielen Polizeiposten lassen sich die Delikte gar nicht anzeigen. Es fehlt an grundlegendem Wissen über die Diskriminierungsstrafnorm.
https://reflekt.ch/recherchen/hatespeech/
-> https://rabe.ch/2024/05/21/sendung-vom-21-mai-2024/ (ab 05:50)
-> https://tsri.ch/a/clwafefxc02086a2s8j6jxi5l/zuerich-polizeiposten-verweigern-hate-speech-anzeigen
-> https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/hate-speech-experiment-wer-sich-gegen-diskriminierende-aeusserungen-im-internet-wehren-moechte-laeuft-bei-solothurner-polizeiposten-teils-auf-ld.2621393



aargauerzeitung.ch 21.05.2024

Hass und Diskriminierung im Internet: Hat ein Aargauer Kantonspolizist von einer Anzeige abgeraten?

Ein investigatives Recherche-Team hat getestet, ob Hassreden, sogenannter Hate-Speech, auf Polizeiposten angezeigt werden kann. Die Kantonspolizei Aargau habe sich nicht korrekt verhalten, erklären die Autoren. Die Kapo Aargau wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Philipp Zimmermann und Dominic Kobelt

Wer in der Schweiz – auch im Internet – Hass und Diskriminierung gegen Menschen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexueller Orientierung sät, macht sich strafbar. Bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe sieht das Schweizer Strafrecht vor. Die Verletzung der Diskriminierungsstrafnorm ist ein Offizialdelikt. Das bedeutet: Behörden müssen ermitteln, sobald sie von einer möglichen Straftat erfahren.

Doch funktioniert das in der Praxis? Das investigative Recherche-Team von Reflekt hat untersucht, ob Hate-Speech im Internet auf Schweizer Polizeiposten angezeigt werden kann. «Dazu haben wir in allen Deutschschweizer Kantonen rassistische, antisemitische und queerfeindliche Kommentare zur Anzeige gebracht. Diese verstossen laut Expertinnen und Experten gegen die Diskriminierungsstrafnorm», schreibt Reflekt in einer Mitteilung.

Reflekt schickte 30 Hilfsreporterinnen und Hilfsreporter in alle Kantone der Deutschschweiz. Resultat: 16 von 34 Polizeiposten nahmen die Anzeige entgegen. «Eine Mehrheit wurde verweigert oder nicht bearbeitet», schreibt Reflekt. «Die Zahl überrascht sehr», wird Monika Simmler, Strafrechtsprofessorin an der Universität St. Gallen in der Mitteilung zitiert. «Eigentlich müssten alle Polizeikorps die Anzeigen entgegennehmen, prüfen und die rechtliche Würdigung der Staatsanwaltschaft überlassen.»

Erfolgschancen gering, bürokratischer Aufwand gross?

Eine der Anzeigen sollte beim Aarauer Stützpunkt der Kantonspolizei Aargau eingereicht werden. «Die Anzeige wurde nicht verweigert, aber es wurde von ihr abgeraten», schreibt Reflekt. Laut Gedächtnisprotokoll der Hilfsreporterin sei der Polizist am Schalter zuerst offen gegenüber dem Vorhaben gewesen. «Bis er bemerkte, dass sie von den Kommentaren nicht direkt betroffen ist. Er machte ihr daraufhin klar, dass eine solche Anzeige einen grossen Aufwand bedeutet.»

Ein zweiter Beamter habe sich der Sache angenommen. Er meinte, «es sei zwar ihr Recht, aber sie solle sich das gut überlegen», heisst es im Gedächtnisprotokoll, das Reflekt der AZ zugestellt hat. «Die Erfolgschancen von Ermittlungen bei unbekannter Täterschaft seien enorm gering und der bürokratische Aufwand sehr gross.» Und weiter: «Er wisse zudem nicht genau, wie vorgehen, weil er einen solchen Fall noch nie erlebt habe. Zudem sei es für die Anzeigestellerin unpraktisch, die Anzeige hier zu stellen, da sie sich nicht in ihrem Wohnkanton befinde.» Der Beamte habe der Anzeigestellerin daher geraten, besser politisch aktiv zu werden oder sich an NGO zu wenden und nicht zur Polizei zu gehen mit einem solchen Anliegen.

«Für das Aufnehmen der Anzeige spielt es keine Rolle, wie gross die Chancen auf eine erfolgreiche Ermittlung sind», sagt Strafrechtsprofessorin Monika Simmler. Im Internet gebe es viele Möglichkeiten, einen Täter oder eine Täterin zu identifizieren. Das Vorgehen in Aarau sei daher falsch. Hingegen sei es richtig, der Anzeigestellerin eine realistische Einschätzung der Ermittlungsaussichten zu geben.

Sensible Vorgehensweise ist gefordert

Die Kantonspolizei Aargau nimmt auf Anfrage der AZ Stellung, stellt aber fest, dass sich an jenem Tag, auf den sich Reflekt bezieht, kein entsprechender Vorfall verzeichnet ist, jedoch rund drei Wochen vorher. «Es gab eine generelle persönliche Anfrage auf einem Stützpunkt, was in Fällen von Feststellung rassistischer Äusserungen im Internet respektive auf Social Media zu tun ist», hält Mediensprecherin Corina Winkler fest. «Ein Mitarbeitender von uns hat diese Person beraten. Diese Person hat aber keine Anzeige erstattet.» Zeitlich passe die Anfrage aber nicht auf den erwähnten Vorfall und die inhaltlichen Ausführungen des Mitarbeitenden hätten zudem kein Abraten von einer Anzeige oder gar eine Ablehnung derselben beinhaltet.

«Unsere Mitarbeitenden sind angewiesen, sämtliche Anzeigen entgegenzunehmen, sofern es sich nicht offensichtlich um Anzeigen handelt, die keinen strafrechtlichen Bezug haben», erklärt Winkler. Die rechtliche Beurteilung von Strafanzeigen obliege der Staatsanwaltschaft. «Insbesondere bei Hate-Crime und diskriminierenden Vorfällen ist eine sensible Vorgehensweise gefordert und wir bilden unsere Mitarbeitenden auch entsprechend aus.»

Bereits im Auswahlverfahren lege die Kantonspolizei explizit Wert auf die charakterliche Eignung und ein positives Menschenbild. An der Polizeischule und auch während der Anstellung bei der Kantonspolizei Aargau würden themenbezogene Fächer wie interkulturelle Kommunikation, Ethik, Menschenrechte oder Psychologie gelehrt.

«Wir erfassen seit 2022 ausserdem Hate-Crime-Delikte und im Zuge dessen haben wir die Frontkräfte im Umgang mit solchen Anzeigen und dem Erkennen dieser Delikte spezifisch weitergebildet», hält Winkler fest. «Wir stehen im regelmässigen Austausch mit Interessengruppen, um Defizite frühzeitig zu erkennen und korrigierend eingreifen zu können.» Sollten man Kenntnis von Fehlverhalten erhalten, prüfen man geeignete Massnahmen. «Rassistische oder diskriminierende Verhaltensweisen oder die Verharmlosung derselben tolerieren wir nicht.»
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/hate-speech-hass-und-diskriminierung-im-internet-hat-ein-aargauer-kantonspolizist-von-einer-anzeige-abgeraten-ld.2620257)


+++RASSISMUS
Gemeinsam einsam: wenn Juden und Muslime zusammenhalten – Echo der Zeit
Weltweit nehmen Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus zu. Aktuell vor allem aufgrund des Gazakriegs. Doch der Konflikt schweisst auch zusammen. Das sagen zumindest die Mitglieder der jüdisch-muslimischen Gruppe «Gemeinsam einsam».
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/gemeinsam-einsam-wenn-juden-und-muslime-zusammenhalten?partId=12594728


Als rassistisch eingestuft: Kein Schutz für Marke Bimbo QSR
Der mexikanische Lebensmittelkonzern Bimbo kann seine Marke «Bimbo QSR» in der Schweiz nicht eintragen lassen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Ablehnung aufgrund der rassistischen Konnotation des Begriffs bestätigt.
https://www.watson.ch/schweiz/justiz/570024741-als-rassistisch-eingestuft-kein-schutz-fuer-marke-bimbo-qsr
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/als-rassistisch-eingestuft-kein-schutz-fuer-marke-bimbo-qsr
-> https://www.derbund.ch/als-rassistisch-eingestuft-kein-schutz-fuer-marke-bimbo-qsr-819799989678



ERIC WEBER ZIEHT VERURTEILUNG WEGEN RASSENDISKRIMINIERUNG WEITER – DIESE WOCHE ENTSCHEIDET DAS BASLER APPELLATIONSGERICHT
Der Basler Polit-Querulant Eric Weber kassierte wegen seiner sexistischen Hassvideos eine Geldstrafe. Zudem muss er drei Politikerinnen eine Genugtuung zahlen. Dagegen hat sein Anwalt Berufung angemeldet. Am Freitag wird der Fall neu aufgerollt.
(Nora Hoffmann, 21.05.2024)

Der umstrittene Basler Grossrat Eric Weber (Volksaktion) wurde im Januar 2022 wegen mehrfacher Rassendiskriminierung, übler Nachrede und Beschimpfung verurteilt. Das Strafgericht verfügte wegen seinen sexistischen Hass-Videos Genugtuungen zwischen 1300 und 2000 Franken an die linken Politikerinnen Sibel Arslan, Jessica Brandenburger und Tonja Zürcher. Die Staatsanwaltschaft hatte eine unbedingte Freiheitsstrafe von fast fünf Monaten gefordert.

Weber kam mit einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 25 Franken davon. Hinzu kommen die erwähnten Genugtuungen, Anwaltskosten und Verfahrensgebühren. Gegen das Urteil hat Webers amtlicher Verteidiger Berufung angemeldet. Er war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Diese Woche verhandelt das Appellationsgericht den Fall.

Übelste Beschimpfungen und Rassendiskriminierung

Vor Gericht verantworten musste sich Weber wegen Handyvideos, die er in den sozialen Medien verbreitet hatte. Zudem hetzte er auf einem Wahlkampfflyer gegen Ausländer. Unter anderem übernahm er Laternenverse vom fremdenfeindlichen Sujet der Alten Garde der Alten Stainlemer, die vor drei Jahren für Diskussionen gesorgt hatte. Während die Fasnachtsclique aber straffrei ausging, verurteilte das Strafgericht Weber unter anderem wegen dieser Zeilen wegen Rassendiskriminierung.

Erstinstanzlich verurteilt wurde Weber weiter aufgrund eines Videos, das er im Frühjahr 2021 im Innenhof des Rathauses aufgenommen hatte. Darin äusserte er sich despektierlich gegenüber Menschen aus Afrika.

Mehrere Politikerinnen hatten ausserdem Anzeige gegen den rechten Polit-Querulanten eingereicht. Für Aufsehen gesorgt hatte unter anderem, dass Weber vor dem Haus der Basta-Nationalrätin Sibel Arslan ein Video drehte, auf welchem er sein Hinterteil entblösste und dieses an ihrem Briefkasten rieb. Weber machte trotz superprovisorischer Verfügung und eingeleitetem Strafverfahren weiter.

«Bin froh, wenn das Ganze vorbei ist»

Auch drehte er weitere Videos. Darin beleidigte er Parlamentskolleginnen des Grossen Rates aufs Übelste. Die Grossrätinnen Jessica Brandenburger (SP) und Tonja Zürcher (Basta) stellten daraufhin Strafantrag. «Ich bin froh, wenn diese Angelegenheit endlich einen juristischen Abschluss findet», sagt Grossrätin Jessica Brandenburger (SP).

Der Anwalt und ehemalige SP-Grossrat Christian von Wartburg, der Brandenburger und Zürcher in der Verhandlung vertritt, sagt auf Anfrage, dass es bei diesem Fall auch darum gehe, Haltung zu zeigen, und klarzustellen, dass derartiges Verhalten unter keinem Titel hingenommen wird. «Ehrverletzungen, Anfeindungen und Sexismus gegenüber Menschen in öffentlichen Ämtern sind keine Bagatellen. Und mit ihrem konsequenten Einstehen gegen derartige Angriffe stehen meine Mandantinnen nicht nur ein für sich, sondern auch für unsere Demokratie und deren Institutionen.» Und: «Wir beantragen die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils», sagt auch Sibel Arslans Anwalt Stefan Suter, der für die SVP im Grossen Rat sitzt, auf Anfrage.

Ein Urteil mit Signalwirkung

Der Gerichtspräsident hatte in der Urteilsbegründung des Strafgerichts deutliche Worte gefunden: «Sexistisches Bashing der übelsten Sorte, absolut unterste Schublade» seien die Videos gewesen, wie die bz damals zitierte. Beim Schuldspruch wegen übler Nachrede ging das Strafgericht gar deutlich weiter als die bundesgerichtliche Rechtssprechung: Demgemäss muss eine Person als unmoralisch dargestellt werden, damit eine Aussage strafbar ist.

Das Basler Strafgericht begründete, dass diese enge Auslegung nicht mehr zeitgemäss sei und die üblen sexistischen Beleidigungen für eine solche Ehrverletzung ebenfalls ausreichten. Ein Präzedenzfall.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/strafverfahren-eric-weber-zieht-verurteilung-wegen-rassendiskriminierung-weiter-diese-woche-entscheidet-das-basler-appellationsgericht-ld.2620442)


+++HISTORY
Kindlifresserbrunnen erhält eine neue Beschriftung
Zur Figur des Kindlifressers auf dem gleichnamigen Brunnen gibt es viele Deutungen. Diese können weder eindeutig bewiesen noch widerlegt werden. Die Beschriftung des Kindlifresserbrunnens in ihrer heutigen Form wird dieser Vielfalt an Interpretationsansätzen nicht gerecht. Sie wurde deshalb aktualisiert. Die Informationstafel erwähnt jetzt auch einen seit dem 19. Jahrhundert kursierenden antisemitischen Interpretationsansatz.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/kindlifresserbrunnen-erhaelt-eine-neue-beschriftung
-> https://www.derbund.ch/stadt-bern-beschriftet-kindlifresserbrunnen-neu-669942353745