Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel
+++LUZERN
Neue Flüchtlingsunterkunft in Luzern: An der Baselstrasse gibt es 50 Wohnungen für Flüchtlinge
Seit Anfang Mai gibt es an der Baselstrasse in Luzern neue Flüchtlingsunterkünfte. 50 Appartements mit 100 Betten stellt der Kanton zur Verfügung. Der Mietvertrag ist befristet.
https://www.zentralplus.ch/regionales-leben/an-der-baselstrasse-gibt-es-50-wohnungen-fuer-fluechtlinge-2650092/
+++ZÜRICH
Winterthur will Asylsuchende unterirdisch unterbringen (05:02)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/moeglicher-fifa-wegzug-machtdemonstration-von-gianni-infantino?id=12592025
+++SCHWEIZ
Zweiter Schweizer Beitrag, Rahmenkredit Migration: Unterzeichnung des Umsetzungsabkommens mit Italien
Bern-Wabern, 17.05.2024 – Die Schweiz und Italien haben am 17. Mai 2024 in Rom ein Abkommen zur Umsetzung von Projekten unter dem zweiten Schweizer Beitrag unterzeichnet. Mit einem Betrag von 20 Millionen Franken soll die Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden in Italien finanziert werden. Die Schweiz leistet damit einen Beitrag zur Bewältigung der Migration innerhalb Europas. Die Unterzeichnung erfolgte durch Staatssekretärin Christine Schraner Burgener und die italienische Kabinettschefin des Innenministeriums, Maria Teresa Sempreviva.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-101065.html
+++SCHWEIZ
Bezahlkarten statt Geld für Asylsuchende
Die Kommission hat mit 14 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung ein Postulat verabschiedet, welches den Bundesrat auffordert, in einem Bericht darzulegen, wie die Kantone bei der Einführung von Bezahlkarten für Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Personen unterstützt werden können (24.3478). Sie ist der Ansicht, dass durch diese Massnahme, die in anderen Ländern bereits ergriffen wurde und von einigen Kantonen derzeit geprüft wird, die Attraktivität der Schweiz als Zielland für Asylsuchende verringert werden kann. In ihren Augen ist es nicht hinnehmbar, dass Asylsuchende das Geld, das sie als Sozialhilfe erhalten, ins Ausland schicken.
Die Minderheit ist hingegen der Auffassung, dass die Sozialhilfe und deren Vergabeform in die Zuständigkeit der Kantone fallen. Zudem weist sie darauf hin, dass die Sozialhilfe hauptsächlich in Sachleistungen erbracht wird und die Missbrauchsgefahr angesichts der Kleinbeträge, die bar ausbezahlt werden, eher gering ist.
https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-spk-n-2024-05-17.aspx
+++FREIRÄUME
Wie weiter beim Gaswerk-Areal?
Stadtplanung – Das Gaswerk-Areal südlich des Marziliquartiers ist eine der letzten grösseren Freiflächen in der Berner Innenstadt. Die Vorstellungen, wie es genutzt werden soll, gehen stark auseinander. Am Samstag ist die Zukunft des Areals Thema einer Podiumsdiskussion in der Dampfzentrale.
https://journal-b.ch/artikel/wie-weiter-beim-gaswerk-areal/
+++GASSE
Drogenproblem rund um Kita im St. Johann
Rund um die Kita im St. Johanns-Park haben Eltern eine unschöne Beobachtung gemacht: In der Nähe der Kita wurden Drogen konsumiert und im Garten der Kita ist eine Spritze aufgetaucht. Der Kita-Leiter macht sich darum Sorgen.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/drogenproblem-rund-um-kita-im-st-johann?id=12591740
-> https://www.bazonline.ch/vermehrte-polizeipatrouillen-in-einer-basler-kita-wurde-eine-spritze-gefunden-158469659788
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
ZH:
Veloumzug «Critical Mass» Ende Mai dürfte wieder bewilligt werden. (ab 03:28)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/moeglicher-fifa-wegzug-machtdemonstration-von-gianni-infantino?id=12592025
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/palaestina-protestierende-an-der-eth-kamen-von-ausserhalb?id=12592451 (ab 07:10)
-> https://www.tagesanzeiger.ch/polizeieinsatz-an-der-uni-wegen-unbewilligter-demo-724102626630
BE:
Kleine Anfrage Paula Zysset (JUSO), Nora Joos (JA!), Anna Jegher (JA!), Mahir Sancar (JA!): Besetzung der Universität Bern: Wie schützt der Gemeinderat das Recht auf Protest?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=17de96b8ccd245cc9696b208d464b3b4
BS:
Erneuerter Pro-Palästina-Protest
https://telebasel.ch/sendungen/punkt6/216666
-> https://www.bazonline.ch/palaestina-aktivisten-schabbat-auf-dem-petersplatz-in-basel-104686898268
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/proteste-friedlicher-abschluss-nach-einer-turbulenten-woche-kundgebung-und-gemeinsames-gebet-auf-dem-petersplatz-ld.2620756
-> https://www.baseljetzt.ch/juedische-friedenskundgebung-auf-dem-petersplatz/225081
FR:
Pro-Palästina-Proteste in der Schweiz: Besetzer verlassen die Uni Freiburg
Die Aktivisten haben die Eingangshalle geräumt. Doch die Universität erstattet Strafanzeige.
https://www.derbund.ch/pro-palaestina-proteste-in-der-schweiz-besetzer-verlassen-die-uni-freiburg-234942679910
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/um-11-30-uhr-ging-es-los-pro-palaestina-proteste-jetzt-offenbar-auch-an-der-eth-zuerich-id19710898.html
NE:
Pro-Palästina-Protest: Polizei räumt ETH-Lausanne-Gelände – kein Ende in Neuenburg
Am Donnerstagabend haben Sicherheitskräfte das besetzte Gelände der ETH geräumt. An der Universität Neuenburg setzen Aktivisten ihren Protest fort. Diskussionen mit dem Rektorat blieben ergebnislos.
https://www.tagesanzeiger.ch/schweizer-unis-studierenden-dachverband-kritisiert-besetzung-245272531872
ZH:
Pro-Palästina-Proteste in Zürich: Polizeieinsatz an der Uni und am Bürkliplatz
Für Freitagnachmittag wurde zu einer weiteren Pro-Palästina-Aktion an der Universität Zürich aufgerufen.
https://www.tagesanzeiger.ch/polizeieinsatz-an-der-uni-wegen-unbewilligter-demo-724102626630
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadt-zuerich/demonstrierende-ziehen-nach-geplatzter-uni-demo-durch-zuerich-157133441
-> https://www.20min.ch/story/universitaet-zuerich-aufruf-zu-unbewilligter-demo-polizeieinsatz-laeuft-103107828
Fast nur Aussenstehende an der Palästina-Demo der ETH verzeigt
28 Personen sind nach einer propalästinensischen Demo an der ETH Zürich am Dienstag vor einer Woche verzeigt worden – 23 davon waren Aussenstehende.
https://www.watson.ch/schweiz/schule-bildung/352808437-fast-nur-aussenstehende-an-der-palaestina-demo-der-eth-verzeigt
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/palaestina-protestierende-an-der-eth-kamen-von-ausserhalb?id=12592451 (ab 05:38)
Die demonstrierenden Student*innen dürfen nicht durch Einschüchterungstaktiken zum Schweigen gebracht werden
Um die Demonstrationen gegen den Krieg in Gaza auf ihrem Gelände zu unterbinden, haben mehrere Universitäten und Hochschulen Ultimaten gestellt und friedlichen Demonstrant*innen mit akademischen Sanktionen und/oder Strafanzeigen gedroht. Diese Methoden sind nichts anderes als Einschüchterungstaktiken und widersprechen der Pflicht der Universitäten, die Meinungsfreiheit zu garantieren.
https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/dok/2024/die-demonstrierenden-student-innen-duerfen-nicht-durch-einschuechterungstaktiken-zum-schweigen-gebracht-werden
Besessenheit statt Mitgefühl
Historiker Jacques Ehrenfreund war Ziel propalästinensischer Kritik an der Universität Lausanne – im Gespräch ordnet er die Universitätsbesetzungen ein
https://www.tachles.ch/artikel/schweiz/besessenheit-statt-mitgefuehl
Uni-Besetzer: «Die Verhüllung mit Hygienemasken muss bestraft werden»
Zahlreiche Schweizer Unis wurden von Palästina-Aktivisten besetzt. Auf Bildern fällt auf, dass viele von ihnen eine Hygienemaske tragen. Nun ist klar: Sie wollen sich damit nicht vor einer Infektion schützen, sondern nicht erkannt werden. Künftig könnte das heikel werden.
https://www.20min.ch/story/keine-infektions-angst-uni-besetzer-vermummen-sich-mit-covid-masken-burka-initiant-tobt-103106057
Wegen zu viel Lärm: Uni Bern verzichtet auf Prüfungen am Frauenstreik
Der Frauenstreik ist zu lärmig: Die Uni Bern verzichtet darum auf Prüfungen am 14. Juni. An anderen Universitäten scheinen die Demos hingegen kein Problem zu sein.
https://www.blick.ch/politik/wegen-zu-viel-laerm-uni-bern-verzichtet-auf-pruefungen-am-frauenstreik-id19743868.html
Verletzte Polizisten
«Reitschul-Bashing»? Krawalle auf der Schützenmatte erhitzen Gemüter im Berner Stadtrat
vor 3 Std.
Der Berner Stadtrat ist sich uneins, welche Rolle die Reitschule bei den jüngsten Krawallen auf der Schützenmatte gespielt hat. Das zeigte sich am Donnerstag bei der Debatte, welche die SVP-Fraktion nach den Ausschreitungen vom ersten Mai-Wochenende verlangt hatte.
https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/reitschul-bashing-krawalle-auf-der-schuetzenmatte-erhitzen-gemueter-im-berner-stadtrat-157126144
-> https://www.derbund.ch/berner-stadtrat-politiker-debattieren-ueber-den-umgang-mit-der-reitschule-und-der-schuetzenmatte-662570001192
Interpellation Fraktion FDP/JF (Florence Pärli Schmid, JF): Gewaltexzesse vor der Reitschule am Wochenende vom 5. Mai 2024: Was ist genau passiert?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=3f0bcd987ac742b6b9a1bf4ec5bfa220
Protestaktion am Aeschenplatz: Umweltaktivisten blockieren Abendverkehr
Rund ein Dutzend Personen stellte sich am Freitagabend auf die Fahrbahn, um gegen den motorisierten Verkehr zu protestieren.
https://www.bazonline.ch/protestaktion-am-aeschenplatz-umweltaktivisten-blockieren-abendverkehr-201852266212
Interfraktionelle Motion GB/JA!, SP/JUSO, GFL (Lea Bill, GB/Mahir Sancar, JA!/Dominik Nellen, SP/Michael Burkard, GFL): Es braucht eine Unterscheidung zwischen kommerziellen und ideellen Flyern
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=78166e63809b445a97d6e0efc9c058e5
Interfraktionelle Motion GB/JA!, SP/JUSO, GFL (Lea Bill, GB/Mahir Sancar, JA!/Dominik Nellen, SP/Michael Burkard, GFL): Unterschriftensammeln im öffentlichen Raum grundsätzlich ermöglichen
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=14672613498047a8852e0bca7121b6dc
+++SPORT
«Fühle mich geehrt»: YB-Fans protestieren – Reto Nause nimmts mit Humor
YB-Fans nutzen den Match gegen St. Gallen, um gegen die Einführung von personalisierten Tickets zu protestieren. Dem Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause gefällts.
https://www.blick.ch/politik/fuehle-mich-geehrt-yb-fans-protestieren-reto-nause-nimmts-mit-humor-id19747645.html
-> https://www.20min.ch/story/yb-fans-fans-protestieren-reto-nause-freuts-103107829
+++AUSLÄNDER*INNEN-RECHT
Verschärfung bei der Ausweisung straffälliger Ausländerinnen und Ausländer
Mit 16 zu 9 Stimmen beantragt die Kommission, der von Nationalrat Thomas Bläsi (G, GE) eingereichten parlamentarischen Initiative (23.441, Ausweisung von Kriminellen. Entsprechend dem Geist des Gesetzes und dem Volkswillen soll sich nur das Gericht auf einen Härtefall berufen können) keine Folge zu geben. Die Initiative verlangt, den Staatsanwaltschaften zu untersagen, im Strafbefehlsverfahren die Härtefallklausel in Sachen Ausweisung von straffälligen Ausländerinnen und Ausländern anzuwenden. Die Kommission möchte den Entwurf des Bundesrates zur Umsetzung der Motion Müller Philipp 18.3408, der Motion der SPK-N 21.3009 und der parlamentarischen Initiative Brand 17.438 abwarten. Die Eröffnung der Vernehmlassung wurde für das Ende dieses Jahrs angekündigt. Die Kommissionsminderheit beantragt, der Initiative Folge zu geben.
Hingegen gab die Kommission einer anderen von Nationalrat Jean-Luc Addor (SVP, VS) eingereichten parlamentarischen Initiative zum gleichen Thema Folge, die verlangt, dass in Strafverfahren wegen Gewaltverbrechen bei der Interessenabwägung hinsichtlich des Landesverweises die Verbindung der Täterin oder des Täters zu ihrem oder seinem Herkunftsland nicht berücksichtigt wird (23.443, Ausweisung krimineller Ausländerinnen und Ausländer. Interessenabwägung mit gesundem Menschenverstand). Nach Ansicht der Kommission wird die Härtefallklausel von den Gerichten zu grosszügig angewendet, insbesondere bei schweren Verbrechen, bei denen das öffentliche Interesse an einer Ausweisung besonders gross ist. So ist die Ausnahme inzwischen zur Regel geworden. Diese Entwicklung muss in den Augen der Kommission umgekehrt werden.
https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-spk-n-2024-05-17.aspx
+++KNAST
Gefängnismitarbeiter klagen: «Wir sind in Gefahr!»
Die Zürcher Gefängnisse sind wegen Überbelegung und personellen Engpässen am Anschlag. Jetzt berichten zwei Mitarbeiter, dass alles noch viel schlimmer sei, als bisher berichtet.
https://www.20min.ch/story/zuerich-gefaengnismitarbeiter-klagen-wir-sind-in-gefahr-103100412
Sonko erhält Recht vor Bundesgericht
Der ehemalige Innenminister von Gambia, Ousman Sonko, der diese Woche in Bern wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in erster Instanz verurteilt worden war, hat vor Bundesgericht nun teilweise recht erhalten.
-> Urteil Bundesgericht: https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza://07-05-2024-7B_282-2024&lang=de&zoom=&type=show_document
+++FRAUEN/QUEER
LGBTIQ-Helpline: Anzahl gemeldete Attacken aufgrund sexueller Orientierung verdoppelt
Im Jahr 2023 wurden 305 Vorfälle an die LGBTIQ-Helpline gemeldet. Die meisten davon stammen aus dem Kanton Zürich.
https://www.derbund.ch/lgbtiq-helpline-mehr-gemeldete-hassdelikte-gegen-queere-menschen-in-der-schweiz-232033429041
-> Medienmitteilung Helpline: https://www.pinkcross.ch/de/aktuelles/politik/hate-crimes/240517-hate-crime-bericht-2024
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/schweizer-lgbtiq-helpline-registriert-mehr-hassdelikte-157128557
-> https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft-politik/477110449-schweizer-lgbt-helpline-werden-immer-mehr-hassdelikte-gemeldet
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/gewalt-gegen-non-binare-und-lgbt-nimmt-stark-zu-66763697
-> https://www.blick.ch/politik/schuss-durch-den-kopf-doppelt-so-viel-hass-gegen-lgbtq-id19746173.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/hate-crimes-in-der-schweiz-immer-mehr-hassdelikte-gegen-lgbtiq-menschen-gemeldet
-> Echo der Zeit: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/zunehmende-gewalt-gegen-lgbtiq-menschen?partId=12592406
-> https://www.toponline.ch/tele-top/detail/news/lgbtiq-helpline-verzeichnet-doppelt-so-viele-hassdelikte-00239413/
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/mehr-meldungen-hasskriminalitaet-gegenueber-lgbtiq-menschen?urn=urn:srf:video:901973f3-369e-4a77-863d-5bd6567b06a7
-> https://www.srf.ch/radio-srf-1/hassdelikte-gegen-lgbtiq-pink-cross-krass-wie-viele-homophobe-angriffe-wir-verzeichnen
Citizen Go
LGBTQ-feindliche Stiftung will in der Schweiz Fuss fassen
Die europaweite Stiftung Citizen Go kämpft mit Online-Petitionen gegen Abtreibung, sexuelle Aufklärung, Feminismus und queere Anliegen. Nun plant sie, in der Schweiz aktiver zu werden. SP-Nationalrätin Martina Munz bereitet dies Sorgen.
https://www.zueritoday.ch/schweiz/lgbtq-feindliche-stiftung-will-in-der-schweiz-fuss-fassen-157110875
+++RECHTSPOPULISMUS
Klima des Misstrauens
Die Gesellschaft Schweiz-Israel möchte «gegnerische Akteure» systematisch beobachten und steht dafür in der Kritik der Öffentlichkeit
https://www.tachles.ch/artikel/schweiz/klima-des-misstrauens
SP-Roth sicher: AfD und SVP bewundern sich gegenseitig
AfD-Chefin Alice Weidel sieht die SVP als Vorbild: Sie habe diverse Kontakte. Das war ja klar, findet SP-Nationalrat David Roth.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/sp-roth-sicher-afd-und-svp-bewundern-sich-gegenseitig-66763444
-> https://www.srf.ch/news/international/alice-weidel-im-interview-ich-habe-einen-regen-austausch-mit-verschiedenen-svp-politikern
Kleine Anfrage Fraktion SVP (Alexander Feuz/Thomas Glauser/Bernhard Hess, SVP): Hauseigener Sicherheitsdienst der Reithalle: ist der Gemeinderat wirklich der Auffassung, dass dieser eine Hilfe für die Polizei ist? Wenn ja, weshalb? Ist es nicht ein Fehler, dass der Sicherheitsdienst bei Krawallen die mutmasslichen Täter in der Reithalle untertauchen lässt?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=7d6de2feb7cf47cd93f9e19ebd6e5d9f
Kleine Anfrage Fraktion SVP (Alexander Feuz/Thomas Glauser/Bernhard Hess, SVP): Vorplatz Reithalle: akzeptiert der Gemeinderat die Forderung, dass politisch missliebigen Personen sich auch auf dem öffentlich frei zugänglichen Orten, vertrieben werden?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=3d527fb6d9214b9c95d2ba454f1bc714
Kleine Anfrage Florence Pärli Schmid (JF): Warum toleriert der Gemeinderat Gewaltverherrlichung an städtischen Gebäuden?
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=2c1265faf6654bf88e7531c1092d22bb
+++HISTORY
Der Nazi-Stein – Lückenhafte Informationstafel für das Churer Nazi-Denkmal
In Chur soll eine umstrittene Informationstafel über das Nazi-Denkmal informieren. Doch der Inhalt der Tafel gehe kritischen Fragen aus dem Weg und spiele den Bezug zum Nationalsozialismus herunter, sagen Politiker und Historiker.
https://www.srf.ch/news/schweiz/der-nazi-stein-lueckenhafte-informationstafel-fuer-das-churer-nazi-denkmal
-> Rendez-Vous: https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/chur-tut-sich-schwer-mit-seiner-nazi-vergangenheit?partId=12592052
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-graubuenden/nazi-stein-historiker-sacha-zala-kritisiert-interne-abklaerungen?partId=12592448
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-graubuenden/lueckenhafte-infotafel-bei-nazi-denkmal-in-chur-wirft-fragen-auf?id=12592364 (ab 09:32)
Wie gefährlich ist die neue «Revolutionäre Kommunistische Partei»?
Am Wochenende wurde die «Revolutionäre Kommunistische Partei» gegründet. Ein Extremismusexperte sieht die klassischen Hauptmerkmale von Extremismus erfüllt.
https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/wie-gefahrlich-ist-die-neue-revolutionare-kommunistische-partei-66761208
(Büren an der Aare) – Gedenkstein erinnert an polnische Soldaten (Ab 05:00)
https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/info/2024-05-16
—
KAPITALISMUS ÜBEERWINDEN – Stadtrat-Brief #30
Sitzung vom 16. Mai 2024
Nachhören: https://www.youtube.com/live/7pnLVXKp_Gw?si=Ia7Bcn7Kn3bIca27&t=12297 (ab 03:24:57)
Am Donnerstagabend hat der Stadtrat den Kapitalismus in Bern abgeschafft. Zumindest auf dem Papier. Mit 30 Ja- zu 26 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen hat das Berner Stadtparlament einem Postulat der AL zugestimmt, das nichts Geringeres fordert als die Überwindung des Kapitalismus. Der Gemeinderat müsse prüfen, wie die Wirtschaft so weit demokratisiert werden kann, dass der Kapitalismus letztlich überwunden wird.
Er habe lange auf diesen Moment gewartet, eröffnete Raffael Joggi (AL) die Diskussion. Er wolle dem Rat die Angst vor dem Begriff nehmen. «Wir wollen nicht den Kommunismus ausrufen», sagte er. Der Vorschlag sei konstruktiv und nicht revolutionär. Der Kapitalismus sei inhärent ungerecht, nicht nachhaltig und funktioniere ohne staatliche Einschränkungen nicht. Deshalb müsse er früher oder später zwingend überwunden werden.
«Wir müssen uns ab heute Gedanken machen, wie wir aus dem Schlamassel rauskommen», sagte Joggi. Der Gemeinderat habe in seiner Antwort auf das Postulat bereits konstruktive Vorschläge gemacht. Das seien tatsächlich Massnahmen zur Überwindung des Kapitalismus. «Der Gemeinderat ist eingeladen, den Mut zu haben, sie auch so zu benennen.»
«Ich gebe zu», polterte Alexander Feuz (SVP) ins Mikrofon und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, «auch ich habe schon Vorstösse eingereicht, über die ich vielleicht besser nochmal eine Nacht geschlafen hätte.» Das hier sei nun aber wirklich kaum zu übertreffen. «Stellt euch bitte einmal vor: Dann haben wir in Bern den Kapitalismus abgeschafft, aber in Muri, Gümligen und Ostermundigen gibt es ihn noch?» Er empfahl den Postulant*innen, ein Buch zum Schweizer Staatsrecht zu lesen. Er habe sonst selbst noch eines zu Hause, wenn auch nicht mehr die neueste Auflage.
Es folgten Grundsatzdebatten. SP/Juso wollen den Kapitalismus ebenfalls überwinden und argumentieren mit dem Parteiprogramm. Das GB ebenso. Die GFL will den Kapitalismus beibehalten, allerdings eine sozial nachhaltige Marktwirtschaft mit bedingungslosem Grundeinkommen einführen. Und Oliver Berger (FDP) sprach in Militäruniform von den Vorzügen des Manchesterkapitalismus und bezeichnete den Stadtrat als marxistischen Lesekreis, worauf ihm Ruth Altmann (parteilos, ehemals FDP) Antiquiertheit vorwarf. «Manchesterkapitalismus» sei ein Begriff aus dem vorletzten Jahrhundert.
Sibyl Eigenmann (Mitte) gab schliesslich mit einem pointierten Votum zur Sinnlosigkeit dieses Vorstosses die Spielverderberin in der launigen Diskussion. Sie verstehe, wenn die Leute aus dem Parlament austreten und lieber etwas Sinnvolles machen als «irgendetwas Abstruses in diesem Rat» zu diskutieren, sagte sie mit Bezug auf die hohe Fluktuation im Stadtrat.
Stapi Alec von Graffenried (GFL) sah die Annahme des Postulats bereits kommen und gab dem Parlament einen Ausblick darauf, was der Gemeinderat damit zu tun gedenke: «Die Stadtverwaltung wird eine wissenschaftliche Mitarbeiterin dazu verdonnern, eine Abhandlung zur Überwindung des Kapitalismus zu schreiben, was sie überfordern wird, weil wir kein Uni-Institut sind.» Der Gemeinderat werde sein Möglichstes geben, denn grundsätzlich sei er offen für Ideen für eine nachhaltige und soziale Stadt. «Aber mit dem Postulat könntet ihr uns verschonen.»
Verschont wurde niemand – der Bericht muss kommen.
(https://www.hauptstadt.be/a/kapitalismus-ueberwinden-stadtrat-brief-30)
—
Postulat Eva Gammenthaler (AL) – übernommen durch Raffael Joggi (AL): Überwindung des Kapitalismus: Fundierte Analyse des städtischen Handlungsspielraums
https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=769bbb2c9890420985805f311c6fe053
+++FLUCHT
derbund.ch 17.05.2024
Unterwegs mit Maghreb-Migranten: «Ich will weiter, Yalla, am liebsten in die Schweiz»
Junge Araber wie Sabeur (28) haben einen schlechten Ruf. Warum? Eine Reise vom Mailänder Problemviertel bis an den Stachaldrahtzaun eines jurassischen Asylzentrums für Renitente.
Yann Cherixaus Mailand, Lenzburg und Les Verrières
Am Anfang stand die Hoffnung. Sie hat ihn getragen, als der arbeitslose Sabeur im letzten Spätsommer um zwei Uhr nachts in ein Schlauchboot nördlich der tunesischen Hafenstadt Nabeul gestiegen ist, um nach 14 Stunden auf hoher See die italienische Insel Pantelleria zu erreichen.
Heute – im Frühling 2024 – ist der junge Tunesier dort, wo er sich damals hinwünschte. Italien. Europa. Die Misere in seiner Heimat hat er hinter sich gelassen. «Jetzt wird alles gut», sagt der 28-Jährige und blickt auf den mit Müll übersäten Piazzale Selinunte.
Der Platz in einem Aussenbezirk Mailands ist das Herz des Milano-Maghreb, Schaltstelle zwischen Süden und Norden. Die Geschäfte sind hier auf Arabisch angeschrieben, die Häuserblocks mit Parabolantennen garniert. Alle nach Süden gerichtet.
Für Menschen wie Sabeur ist dieses harte Stück Grossstadt ein bisschen Heimat, vor allem aber: ein Startplatz in ein neues Leben.
Über 150’000 Bootsflüchtlinge kamen gemäss italienischem Innenministerium im letzten Jahr übers Mittelmeer nach Italien. Und nicht wenige passieren irgendwann die Aussenquartiere Mailands; machen Rast, bevor sie die Alpen, diese letzte grosse Hürde, in Angriff nehmen. So wie Sabeur. «Ich will weiter, Yalla, vielleicht nach Deutschland, am liebsten aber in die Schweiz.»
Jurassischer Stacheldrahtzaun
Dort, auf der anderen Seite der Alpen, kauern zwei Männer mit übergezogenem Kapuzenpulli auf dem Boden und teilen sich eine Zigarette. Die beiden Migranten haben das geschafft, was Sabeur will. Sie sind in der Schweiz.
Doch ihre Hoffnung auf ein besseres Leben endet an einem jurassischen Stacheldrahtzaun. Sie kämen aus Tunesien, rufen sie übers eingezäunte, von Kameras überwachte Areal. Und la merde, Scheisse, sei es hier im Centre d’asile, dem Asylzentrum. Sie wollen hier raus und möglichst schnell in die nächste Stadt.
Dann taucht ein Sicherheitsbeamter auf, unterbricht das Gespräch mit dem Journalisten und beordert die beiden schroff in die Unterkunft zurück.
Die Nordafrikaner sind im schweizweit einzigen Asylzentrum dieser Art untergebracht. Nach Les Verrières, ganz hinten im Val de Travers an der französischen Grenze, kommen nur die schwierigen Fälle, die Renitenten.
Laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) sind das erwachsene Männer, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung «erheblich gefährden» oder den Betrieb der normalen Bundesasylzentren durch ihr Verhalten «massiv stören».
In Les Verrières bleiben sie für maximal vier Wochen. Es ist eine Art Beruhigungsmassnahme. Auch wenn die Ausgangsregeln hier strikter sind, eingesperrt sind sie nicht. Asylsuchende sind keine Häftlinge.
Wer das Asylsystem strapaziert
Nach Les Verrières kommen vor allem Männer aus dem Maghreb. Diese machen im stark gesicherten Zentrum die ganz grosse Mehrheit der rund ein Dutzend Bewohner aus.
Es sind jene, die dafür sorgen, dass der Ruf der Migranten aus dem Maghreb schlecht ist. Die kleine Gruppe von Männern strapaziert das Asylsystem. In der im März veröffentlichten Kriminalstatistik tauchen sie prominent auf. Auf ihr Konto geht der starke Anstieg von Diebstählen. Diese haben gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent zugenommen. Bei Diebstählen aus Fahrzeugen sind es sogar mehr als 70 Prozent.
Wochenlang sorgten die jungen Maghrebiner so für Schlagzeilen. Nicht zum ersten Mal.
Seit der Kölner Silvesternacht 2015, als vor allem junge, Arabisch sprechende Männer vor dem Dom Dutzende Frauen sexuell belästigt haben, sind sie ins öffentliche Bewusstsein geraten, als Teil eines gesellschaftlichen Problems, als Chiffre für eine gescheiterte Integration. Ob bereits hier geboren oder geflüchtet – diese Differenzierung ging in der Debatte meist unter. Was blieb: Maghreb macht Probleme.
Warum ist das so? Wer diese Frage beantworten will, muss an ihren Anfang und an ihr Ende. Mailand und Les Verrières. Davon erzählt diese Geschichte.
Tunesien – Prinzip Hoffnung
An Tagen mit klarer Sicht sass Sabeur jeweils auf einer Anhöhe oberhalb der Hafenstadt Nabeul und schaute hinunter. Stundenlang, wie er erzählt. Rechts in der Ferne lässt sich von dort Hammamet erahnen. Während vieler Jahre arbeitete er in dieser Touristenhochburg. Der Zweitjüngste einer achtköpfigen Familie hatte sich laut eigenen Aussagen in den grossen Hotelanlagen in zehn Jahren hochgearbeitet. Vom Tellerabräumer zum fest angestellten Servicemitarbeiter.
200 Euro verdiente Sabeur pro Monat. «Wenn man die Familie unterstützt, kommt man damit auch in Tunesien nicht weit.»
Aber es war ein Leben. Immerhin. Er wurde Vater einer Tochter. Finanzierte das Leben seiner Mutter.
Dann kam Corona. Und Sabeur verlor seinen Job. Sein Land schlitterte noch tiefer in eine wirtschaftliche und politische Krise. Der erfahrene Servicemitarbeiter fand im nahen Hammamet keine Arbeit mehr. Ihm fehlte eine richtige Schulausbildung. Und gute Beziehungen.
So verbrachte Sabeur Zeit auf seinem Ausguck, starrte aufs Mittelmeer hinaus. Meist allein. Am Horizont sah der junge Tunesier die Bergspitzen der italienischen Insel Pantelleria. Europa! Nur 100 Kilometer entfernt. «Diese Berge zu sehen, tat mir gut», sagt er.
Sabeur beschloss, dorthin zu fahren. Im letzten Sommer war das. Er machte es wie Tausende andere. Fast die Hälfte der unter 25-Jährigen ist ohne reguläre Arbeit. Die Perspektiven sind schlecht. Im Hinterland von Tunis gibt es Dörfer, in denen fast nur noch Alte, Frauen und Kinder leben. Die Jungen gehen. Auch Sabeur liess Ehefrau und Tochter in Nabeul zurück.
Zusammen mit Bekannten kaufte Sabeur ein Zodiac, ein Schlauchboot. Jeder der zehn steuerte 1000 Euro bei. «Die Überfahrt übers Meer war ein Albtraum. Aber wir habens überlebt, das zählt», sagt der Tunesier und winkt ab. Temps passés. Vergangene Zeiten.
Er will nach vorne blicken. Auch wenn das im Moment nur der heruntergekommene Piazzale Selinunte in Mailand ist. Er wartet auf den Asylentscheid der italienischen Behörden. «Ich will schnell beginnen zu arbeiten», sagt er.
Die Aussengrenzen der EU
Sabeur weiss nicht, wie klein seine Chancen dafür sind. Italien baut gerade ein Lager in Albanien für Menschen wie ihn. Wirtschaftsflüchtlinge, die kaum Chancen auf Aufnahme haben, sollen nicht mehr in Italien ankommen dürfen. Im April 2024 beschloss das EU-Parlament eine Asylreform, ein Kernpunkt auch dort: beschleunigte Verfahren an den EU-Aussengrenzen. Für Personen aus Ländern mit wenig Chancen auf Asyl. Vor allem die drei Maghreb-Länder Algerien, Marokko und Tunesien werden in diesem Zusammenhang genannt.
Sabeur hofft auf die Schweiz. «Eines Tages werde ich dort sein», sagt er. Doch im Land seiner Träume sind seine Chancen noch kleiner. Nur ein Prozent der Asylanträge von Menschen aus dem Maghreb werden gutgeheissen.
Zudem setzt die Schweiz ein 24-Stunden-Verfahren bei diesen Migranten ein.
Das von Bundesrat Beat Jans medienwirksam präsentierte Verfahren kommt seit November in Zürich zum Einsatz – und wirkt offenbar. 70 Prozent weniger Anträge haben die Zürcher zu verzeichnen.
Im letzten Jahr meldeten sich rund 30’000 Geflüchtete in einem der Schweizer Bundesasylzentren an. Davon stammte rund ein Sechstel aus den Maghreb-Staaten.
Das bedeutet, dass allein 2023 weit über 5000 Personen aus Algerien, Marokko und Tunesien in der Schweiz nicht aufgenommen werden. Sie können hier nicht arbeiten, hier keine Existenz aufbauen. Was passiert mit diesen Menschen?
Laut dem Staatssekretariat für Migration sind rund drei Viertel in einem anderen europäischen Staat registriert worden und müssen dorthin zurück. Meist ist das Italien. Im letzten Jahr machten das gemäss SEM fünf Personen freiwillig.
Jene, die nicht selber ausreisen, werden zurückgeführt. Das heisst, 753 Personen gingen 2023 unfreiwillig in ein anderes europäisches Land, 192 zurück in die Heimat.
Um dem zu entgehen, taucht die Mehrheit aber vorher in die Illegalität ab.
Sie tauchen ab in eine Zwischenwelt. In der Anonymität der europäischen Metropolen schlagen sie sich durch: mit Schwarzarbeit, Kleinkriminalität, getragen von einem Netzwerk aus Bekannten, Landsleuten und Familienangehörigen.
Lenzburg – Belastung durch «Fälleler-Fälle»
Im November 2023 werden in einem gutbürgerlichen Wohnquartier im Grossraum Lenzburg mitten in der Nacht zwei junge Algerier von der Polizei aufgegriffen.
Diese war zuvor alarmiert worden, weil innerhalb kurzer Zeit gleich an fünf verschiedenen Orten im Quartier eingebrochen worden war: Unbekannte hatten nicht abgeschlossene Autos geöffnet und ausgeräumt. Dinge aus Unterständen und Garagen waren verschwunden.
Die Patrouille sieht sich nun zwei Nordafrikanern ohne Deutschkenntnisse gegenüber. Sie haben keine Papiere, sind komplett schwarz angezogen, tragen Handschuhe und Gesichtsschutz. Das Duo beteuert, dass es nur den Zug verpasst habe.
Der Tatverdacht ist dringend. Die Aargauer Staatsanwaltschaft wird eingeschaltet.
Diese sitzt in der Person von Alain Saner in einem Büro am Rande der Lenzburger Altstadt. Der 36-Jährige ist Aargauer Staatsanwalt und der Mann, der von den zwei Algeriern erzählt. «Ein typischer Fall», sagt er.
Saner und seine Kollegen müssen sich seit über einem Jahr intensiv mit diesen Tätern beschäftigen. Im Kaffeeraum der Staatsanwaltschaft weiss jeder, was gemeint ist, wenn wieder vom «Fällele» gesprochen wird.
Türfallen aufdrücken. Von Garagen, Unterständen und Autos. Pro Monat sind es oft mehrere Dutzend Fälle. Und fast immer sind Männer aus den Maghreb-Staaten daran beteiligt.
Es laufe meistens gleich ab, erzählt Saner. Die Verdächtigen würden mit oftmals erdrückenden Indizien aufgegriffen.
Bei der Einvernahme würden sie sich aber routiniert bis renitent verhalten. «Mal verweigert einer komplett die Aussage, der andere erzählt, dass er ins fremde Auto gefallen sei.» Und immer wieder komme die Gegenfrage: «Hast du Beweise?»
Tablet, Kleingeld und Parkjetons
Alain Saner hat zusammen mit der Polizei 48 Stunden Zeit, um diese zu sammeln. Dann muss er entscheiden, ob er U-Haft beantragt, die in solchen Fällen maximal drei Monate beträgt.
Aber als dem Rechtsstaat Verpflichteter muss er auch die Verhältnismässigkeit berücksichtigen. Sind sieben Sonnenbrillen, ein Tablet, Kleingeld und ein paar Parkjetons genug, um den Freiheitsentzug zu rechtfertigen?
Der Staatsanwalt ist sich bewusst, dass diese vermeintlich kleinen «Fälleler-Fälle» das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinträchtigen. Dazu binden diese vielen Delikte viele Kräfte innerhalb der Behörden. «Der Input ist massiv, der Output marginal.»
«Ernüchternd und frustrierend»
Was tun?
Alain Saner blickt Kollege Dutler an, der ebenfalls am Tisch sitzt. Saner ist Pressesprecher hier und selbst Staatsanwalt. Eine Doppelrolle.
Was tun also mit notorisch delinquierenden Migranten? Es ist eine politische Frage. Heikel für Juristen.
Die beiden antworten gemeinsam: «Sicher ist: Die U-Haft ist in diesen Fällen oft das falsche Instrument. Da den Beschuldigten für die meist geringfügigen Delikte nur eine überschaubare Strafe droht, kann man sie nicht einfach vorsorglich monatelang einsperren.» Aber sofort wieder freilassen sei auch keine Option.
Es ist ihre Quadratur des Kreises. «Ernüchternd und frustrierend.»
Dann sagen Dutler und Saner, dass sie letztlich die in Lenzburg anfallenden Symptome bekämpfen würden, aber keine Antworten auf die globalen Probleme geben könnten. «Die Politik ist gefordert. Und ja, das 24Stunden-Verfahren ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.»
Les Verrières – kleine Gemeinde mit zehn Problemfällen
«C’est gérable.» Es ist zu bewältigen. Daniel Galster, Gemeinderat von Les Verrières, ist sichtlich bemüht, konstruktiv über die Situation in seiner Gemeinde zu sprechen.
Zusammen mit seinem deutlich jüngeren Kollegen François Geiser (FDP) sitzt der 69-Jährige von der Lokalpartei «Liste Verrisanne» im historischen Gemeinderatssaal und erzählt davon, wie die 650-Seelen-Gemeinde mit durchschnittlich zehn problematischen Migranten koexistiert.
Die beiden Gemeinderäte erwähnen, wie sie zusammen mit dem SEM die Situation unter Kontrolle gebracht hätten: Sicherheitskräfte in den Regionalbussen, Patrouillen, die im Auto durch die Gemeinde fahren; dazu eine Navette, ein Shuttlebus, der die Bewohner des drei Kilometer entfernten, auf dem Hügel Cernets befindlichen Zentrums am Morgen und am Abend vom Dorf hinauf und zurückbringt.
Die Kosten dafür? «Übernimmt das SEM.»
«Es gibt Lösungen, ja», sagen sie. Aber es brauche neben Geld viel Arbeit, Austausch mit allen Beteiligten, vor allem mit den kantonalen und den nationalen Behörden.
Gemeinderat Galster lobt das SEM, sagt, dass der Draht nach Bundesbern direkt und unkompliziert sei. «Oui, c’est gérable», sagt er noch einmal.
Es klingt wie eine Beschwörung.
Ende des letzten Jahres drohte den Behörden die Situation zu entgleiten. Bewohner des abgelegenen Zentrums stahlen systematisch im kleinen Lebensmittelladen, es gab Zwischenfälle in der Beiz, nächtliche Ruhestörungen, Bauern erzählten von aufgeschreckten Kühen, weil Unbekannte sie geritten hatten; Anwohner von verschwundenen Gartenzwergen.
Einmal soll einer auf der Strasse zum Zentrum mit einer Heugabel gestanden sein und Fahrzeuge zum Anhalten gezwungen haben.
Und es wurden Dinge aus den Autos entwendet. In Lenzburg würden sie sagen: «Fällele.»
Im Dorf am Ende des Val de Travers, wo sich alle kennen, begannen sie die Haustüren geschlossen zu halten, die Fenster, auch die Autos.
Grenzen wurden gezogen.
Ausgerechnet dort, wo sich die Schweiz einst historisch offen zeigte. In Les Verrières fand die völlig entkräftete französische Bourbaki-Armee 1871 Zuflucht und Heilung. Bis heute sind sie im Jura an der französischen Grenze stolz auf diese Geschichte.
Daniel Galster gibt zu, dass auch ihm die Probleme mit den Migranten zusetzen. Dieses neue Unsicherheitsgefühl, diese Vorbehalte gegenüber Fremden. «C’est compliqué», sagt er. Es ist kompliziert.
Als 2016 das Bild des tot am Strand liegenden Flüchtlingsbuben um die Welt ging, wusste er, dass sie sich auch im Val de Travers dem Problem der Migration stellen mussten. Galster sagt: «Im Gemeinderat war klar: Wir wollten Teil der Lösung sein.» Darum hätten sie zugesagt, als die Bundesbehörde um Asyl für ihr Zentrum bat.
Aber zu welchem Preis?
Laut den Gemeinderäten verträgt es nicht mehr als zehn Bewohner im Zentrum. Sobald die Zahl steigt, merken sie es im Dorf. Dann sind die Kontrolle und die Betreuung der Migranten schwieriger. «Es braucht ja nur einen einzigen jeweils, der Probleme macht, und alle regen sich wieder auf.»
Bereits jetzt sind die Kosten für das besondere Asylheim gross. Rund 4,3 Millionen Franken mussten im letzten Jahr laut dem SEM aufgewendet werden. Die Kosten pro Unterbringungsplatz sind dort siebenmal höher als in den anderen Bundesasylzentren. Sechs Sicherheitskräfte sind ständig in der Unterkunft, zwei auf Patrouille.
Migration – höchster Stand seit 2015
Bei der Eröffnung 2018 in Les Verrières erhielt der Kanton Neuenburg das Versprechen, das in der Deutschschweiz bald ein weiteres Zentrum folgen werde.
Bis heute ist das nicht passiert. Laut der Bundesbehörde wird intensiv nach einem Standort in der Deutschschweiz gesucht. Wann das zweite besondere Asylzentrum also eröffnet wird, ist noch offen.
Sicher ist nur: Neue Migranten kommen. Im letzten Jahr sind laut der EU-Agentur für Asylfragen (EUAA) die Anträge um 18 Prozent auf 1,14 Millionen gestiegen. Das ist der höchste Stand seit der Migrationskrise 2015.
Das gilt auch für jene aus den Maghreb-Staaten. Im Jahr 2023 baten laut der EUAA rund 52’000 Menschen aus dem Maghreb um Asyl in der Europäischen Union. Gegenüber 2019 ist das eine Verdoppelung.
Sie haben «rien à perdre.» Nichts zu verlieren. Und Europa liegt gleich gegenüber.
Das sagen jene, die mit diesen jungen Migranten arbeiten, ihre Sprache sprechen. Ein Imam, eine Übersetzerin, Migrationsexperten, Sozialarbeiterinnen des SEM. Mithilfe von Gesprächen mit Fachleuten lässt sich ein Bild dieser Menschen skizzieren. Es zeigt eine entwurzelte Generation von jungen Arabern – die auch in Europa ihr Glück nicht finden.
Viele kiffen, trinken, nehmen Medikamente. Von Schlafproblemen ist die Rede, Beruhigungstabletten.
Die Schulbildung ist mangelhaft, die Aussicht auf eine reguläre Arbeit gering. Sie wissen irgendwann, dass sie keine Chance auf Asyl haben, doch eine Rückkehr in die Heimat kommt nicht infrage. Nichts erwartet sie dort.
Sie leben zwischen Ländern. Zwischen Kontinenten. Überall und doch nirgends.
«Ich bin stark da oben»
Sabeur ist allein. Er verfügt über kein Netzwerk. Und von seinen Landsleuten, die rund um den Piazzale Selinunte zu sehen sind, hält er sich fern. Drogen? Kriminalität? «Niemals! Ich bin stark da oben», sagt er und tippt sich dabei an die Schläfe.
Einmal hat ihm jemand einen Job verschafft, Gartenarbeit. «Schwarz natürlich. Was soll ich machen?»
Fünf Tage lang hat er geschuftet. 400 Euro hat er bar auf die Hand erhalten. «Ich war am Abend erschöpft. Es war herrlich!» Endlich wurde er gebraucht. Endlich hatte er etwas zu tun.
Seit sechs Monaten wartet Sabeur auf einen Asylentscheid der italienischen Ämter. Seine Tage verbringt der Mann in einer vom Sozialamt bereitgestellten Wohnung. Er teilt sie mit acht anderen Flüchtlingen.
Manchmal verlässt Sabeur seinen Aussenbezirk und geht zum zentralen Duomo. Statt aufs Mittelmeer, wie damals in seiner Heimatstadt Nabeul, blickt er dort auf ein Meer von Touristen. Er ist mitten unter diesen Menschen. Und ist doch kein Teil davon.
«Braucht ihr in der Schweiz eigentlich Schafhirten?», fragt Sabeur schliesslich.
Ich weiche aus. Erzähle vom Fachkräftemangel, den es durchaus gebe, aber dass es schwierig sei, ganz allgemein in der Schweiz.
Oder hätte ich ihm die Wahrheit sagen sollen? Ihn aufklären sollen, dass es für Menschen wie ihn kaum Platz gibt in der Schweiz?
«Fachkräftemangel?!», fragt Sabeur. Sein Gesicht hellt sich auf. Es ist voller Hoffnung.
(https://www.derbund.ch/migration-warum-haben-maenner-aus-dem-maghreb-einen-schlechten-ruf-468604867090)
—
blick.ch 17.05.2024
Tunesischer Schlepper packt aus: «So bringe ich Tausende Flüchtlinge nach Europa»
Mehdi (37) bringt auch diesen Sommer wieder Tausende Landsleute illegal nach Europa. Blick trifft einen von Tunesiens erfolgreichsten Schleppern an einem geheimen Ort und erhält schockierende Einblicke ins Geschäft mit den verzweifelten Migranten.
Samuel Schumacher
Mehdis* (37) Forderungen für ein Treffen mit Blick sind klar: keine Namen, keine Fotos und keine Details, die ihn verraten könnten. Auf dem Weg zum Interview an einem geheimen Ort in der Küstenmetropole Sfax (Tunesien) fahren wir auf sein Geheiss an jedem Kreisel mehrere Extra-Runden und biegen zweimal absichtlich falsch ab – um sicherzugehen, dass uns keine Polizisten folgen.
Mehdis Paranoia ist verständlich: Er ist einer von Tunesiens erfolgreichsten Schleppern. Wird er erwischt, wandert er für Jahrzehnte in den Knast. «Darauf habe ich keine Lust», sagt der hagere Typ mit den Snoopy-Socken und dem Stoppelbart. Die Kapuze seiner schwarzen Markenjacke hat er sich tief ins Gesicht gezogen. Das Geschäft blüht. Auch diesen Sommer wird er wieder Tausende seiner Landsleute in maroden Kuttern über das Mittelmeer nach Europa bringen.
Mehdis Heimat Sfax ist zur grössten Migranten-Drehscheibe Nordafrikas geworden, seit die Küstenwache im Nachbarland Libyen sich von Europa fürstlich dafür bezahlen lässt, Migrantenboote an der Abfahrt zu hindern (einen ähnlichen Deal liess Tunesien im letzten Herbst platzen). 53’086 Menschen sind seit Jahresbeginn laut der Internationalen Organisation für Migration schon übers Mittelmeer migriert, fast zwei Drittel von ihnen haben die Reise in Tunesien gestartet. Mehdi verrät, wie das tödliche Schlepper-Geschäft funktioniert – und warum er auf seinen Booten keine Schwarzafrikaner mehr mitnimmt.
1 So bringt Schlepper Mehdi jährlich Tausende Tunesier illegal nach Europa
Hinter den Schlepperbooten, die von der tunesischen Küste aus in Richtung der italienischen Insel Lampedusa fahren, stecken Kleingruppen von fünf bis sechs Leuten. «Wir kaufen alte Boote von Fischern oder bauen in unseren Werkstätten selber welche zusammen», erklärt Mehdi. Ganz wichtig für die Schlepper: Die Seriennummer wird von den Motoren entfernt, damit die italienische Polizei später nicht nachverfolgen kann, woher die Boote genau kommen.
Ist das Boot bereit, bringt Mehdi via einen Kontaktmann 15 bis 20 Fluchtwillige in eines seiner Verstecke, oft ein leer stehendes Haus an der Küste, wo sie bis zur Abfahrt rundum versorgt werden. Den Kontakt zwischen Kunden und Schlepper stellen gut vernetzte Späher her. Sie fragen herum, führen Wartelisten, wissen genau Bescheid, wer gehen will und das entsprechende Bargeld dafür hat.
«Früher fuhren wir mit grösseren Booten mit bis zu 150 Leuten los. Aber die werden vom Radar sofort erkannt. Mit den kleineren Booten bleiben wir unentdeckt», erklärt Mehdi. Stimmt das Wetter und ist die Luft rein, werden die Kunden an einen der Abfahrtspunkte an der Küste gebracht.
Ein Captain, meist ein tunesischer Fischer, steuert das Boot auf der zwölfstündigen Überfahrt ins 186 Kilometer entfernte Lampedusa. Sobald die italienische Küstenwache das Boot entdeckt, stellt der Kapitän den Motor ab und tarnt sich als normaler Flüchtling. «Würde er auffliegen, käme er für mindestens sechs Jahre ins Gefängnis», sagt Mehdi. Nach ein paar Wochen im Migranten-Auffanglager auf Lampedusa melden sich die Kapitäne für die freiwillige Rückkehr und werden nach Tunesien zurückgebracht. «Ich bezahle den Kapitänen pro Überfahrt 15’000 bis 20’000 Dinar» – 4500 bis 5500 Franken.
2 So teuer ist eine illegale Meeresüberquerung 2024
Für einen Tunesier kostet die Überfahrt (oder «harka», wie die Einheimischen sagen) diesen Sommer 6000 bis 7000 Dinar (1700 bis 2000 Franken). «Das Risiko ist grösser als früher, die Küstenwache kontrolliert strenger, die Strafen für Schlepper sind härter. Deshalb steigen die Preise», erklärt der Schlepper. Vor fünf Jahren war die Überfahrt noch halb so teuer.
Schlepper spricht über das Millionengeschäft
Schlepper in Tunesien: Ein lukratives Millionengeschäft(01:41)
Für Mehdi lohnt sich das Geschäft. «Ich arbeite drei Monate von Juni bis August, das reicht.» Rund 75’000 Franken verdient der Schlepper in dieser Zeit – in einem Land mit einem Durchschnittslohn von weniger als 300 Franken pro Monat. Nebst den Ausgaben für die Schiffe, die Unterbringung und Versorgung der Fluchtwilligen und die Bezahlung seiner Helfer stehen auch die Schmiergelder an Polizisten und Küstenwächter auf der Kostenseite.
Die Distanz zwischen Tunesiens Küste und der italienischen Insel Lampedusa beträgt rund 186 Kilometer. Zwölf Stunden brauchen erfahrene Schlepper-Kapitäne dafür.
Schätzungsweise 200 Schlepper sind in Tunesien aktiv, die allermeisten davon in Sfax. Das Schleppertum ist ein Multi-Millionen-Geschäft.
3 So hat sich der Kundenstamm der Schlepper verändert
Seit acht Jahren ist Mehdi als Schlepper tätig. «Schwarzafrikaner nehme ich keine mehr mit. Die organisieren sich jetzt selbst mit eigenen Schleppern, weil wir kein Risiko mehr eingehen wollen.» Der Grund: Bei einem Boot voller Afrikaner mit einem Tunesier ist sofort klar, wer der Kapitän ist. Ein zu hohes Risiko für die Schlepper-Banden. Mehdi bleibt aber auch mit den Schwarzafrikanern im Geschäft. «Wir verkaufen ihnen Bootsteile und Motoren.» Eine Zweiklassengesellschaft – selbst auf den Flüchtlingsbooten im Mittelmeer.
Auch seine tunesischen und maghrebinischen Kunden haben sich stark verändert. «Vor ein paar Jahren wagten sich fast ausschliesslich junge Männer auf die ‹harka›. Heute kommen ganze Familien, Frauen, kleine Kinder und letzthin sogar ein 70-jähriger Pensionär», erzählt Mehdi. «Alle wollen weg, sogar die Alten.»
Mehdi behauptet, er nehme auf seinen Booten grundsätzlich alle mit, die zahlten – ausser schwangere Frauen und Kinder. «Ich will sie diesem Risiko nicht aussetzen.»
4 Deshalb wollen so viele Tunesier ihr Heimatland verlassen
17’972 Tunesier haben 2023 das Mittelmeer überquert. Seit Jahren rangiert das Land europaweit in den Top Ten der Flüchtlingsherkunftsländer. Einerseits wegen der politischen Notlage: Das Tourismus-Traumland war nach dem Ausbruch des Arabischen Frühlings auf gutem Weg, zu einer Demokratie zu werden. Im Juli 2021 aber liess Präsident Kais Saied (66) den Ausnahmezustand verhängen und regiert seither autokratisch.
Werbung
Andererseits wegen der wirtschaftlichen Misere: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 40 Prozent, die Preise für Nahrungsmittel schiessen in die Höhe (ausser für das staatlich subventionierte Brot: Eine Parisette kostet umgerechnet nur rund 6 Rappen!). Grundnahrungsmittel wie Zucker oder Reis fehlen teils wochenlang. Der Tourismus kommt nach mehreren Terroranschlägen und der Corona-Pandemie nur schleppend wieder in Gang.
5 So gefährlich ist die Überfahrt für die Migranten
Mehdi behauptet, manche seiner Boote seien zwar schon von der tunesischen Küstenwache gestoppt und zurückgebracht worden. «Untergegangen ist aber noch keines. Das könnte ich mir nicht leisten. Die Angehörigen der Ertrunkenen würden mich auffliegen lassen und ich sässe lebenslänglich.»
All seine Kunden erhielten von ihm eine Schwimmweste, behauptet er. Ob die immer helfen? 1027 Menschen sind alleine dieses Jahr schon auf der Flucht übers Mittelmeer laut der Internationalen Organisation für Migration ertrunken. 2023 kamen mindestens 4064 Menschen bei der Überfahrt ums Leben, 1100 mehr als noch im Vorjahr.
Mehdi kennt diese Zahlen. «Ich will meinen Landsleuten nur helfen, ihren Traum zu verwirklichen», sagt er. Ein schlechtes Gewissen habe er nicht. Er, der Schlepper, sieht sich als Dienstleister im Auftrag des leidenden Volkes.
Werbung
Vor acht Jahren, als er seine allererste «harka» für sieben seiner Freunde organisiert hatte, glaubte er noch an eine Zukunft in seinem Land. «Jetzt aber denke auch ich daran, zu gehen», sagt Mehdi. «Ich möchte in die Schweiz, da habe ich Bekannte.» Am liebsten ginge er mit einem Arbeitsvertrag in den Händen. Und wenn das nicht klappt, dann weiss er ja, wo er sich für die «harka» melden muss.
* Name geändert
(https://www.blick.ch/ausland/tunesischer-schlepper-packt-aus-so-bringe-ich-tausende-fluechtlinge-nach-europa-id19742036.html)
—
Analyse zu den Tunesien-Migranten und der asylpolitischen Zeitenwende in Europa: Nach Ruanda abschieben statt Luxus-Knast in der Schweiz?
Die Blick-Serie aus Tunesien zeigt, warum Migranten sogar eine Gefängnisstrafe in der Schweiz in Kauf nehmen und Asylpolitiker zum Verzweifeln bringt. In Europa verschärft ein Land nach dem anderen seinen Kurs. Und die Schweiz? Eine Analyse.
https://www.blick.ch/politik/analyse-zu-den-tunesien-migranten-und-der-asylpolitischen-zeitenwende-in-europa-nach-ruanda-abschieben-statt-luxus-knast-in-der-schweiz-id19749045.html
-> https://www.blick.ch/politik/fdp-staenderat-damian-mueller-fordert-mehr-haerte-bei-migranten-tunesien-ist-eine-tickende-zeitbombe-id19745476.html
-> https://www.blick.ch/ausland/blick-besucht-migrations-hotspot-maghreb-tunesier-schwaermen-von-schweizer-gefaengnissen-id19741743.html
-> https://www.blick.ch/ausland/asylpolitik-in-der-schweiz-die-wichtigsten-zahlen-zur-maghreb-migration-id19742258.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/tunesier-schwaermen-von-schweizer-gefaengnissen-expertin-stellt-klar-freiheitsentzug-waere-auch-im-5-sterne-hotel-schlimm-id19746572.html
-> https://www.blick.ch/schweiz/tunesier-schwaermen-von-schweizer-gefaengnissen-expertin-stellt-klar-freiheitsentzug-waere-auch-im-5-sterne-hotel-schlimm-id19746572.html