Medienspiegel 14. Mai 2024

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel

++++SCHWEIZ
Flüchtlingsstatus für Frauen aus Afghanistan – Staatssekretariat für Migration hält an grosszügiger Asylpraxis fest
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) lässt ein neues Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in St. Gallen links liegen und sagt, es handle sich nicht um ein Grundsatzurteil.
https://www.plattformj.ch/artikel/220932/


+++EUROPA
EU-Aussenpolitik: Schärfere EU-Asylregeln endgültig beschlossen
Nach Jahren des Streits haben die EU-Mitgliedstaaten endgültig schärfere Vorschriften im Asylrecht gebilligt. Der Ministerrat nahm am Dienstag in Brüssel die Reformpläne an.
https://www.derbund.ch/schaerfere-eu-asylregeln-endgueltig-beschlossen-812226278513
-> https://www.blick.ch/ausland/nach-jahrelangem-streit-eu-asylpakt-kann-in-kraft-treten-id19736979.html
-> https://www.srf.ch/news/international/nach-jahrelanger-blockade-schaerfere-eu-asylregeln-endgueltig-beschlossen
-> https://www.deutschlandfunk.de/eu-asylrechtsreform-flucht-migration-europa-100.html


+++ÄGPYTEN
Ägyptens geheimer Pushback-Plan
Tausende Flüchtlinge aus dem Sudan werden verhaftet und abgeschoben, dazu dient ein Netz geheimer Militärgefängnisse
Eine Reportage belegt zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei in Ägypten. Neue EU-Gelder könnten dieses Problem verschlärfen.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182154.sudanesische-gefluechtete-aegyptens-geheimer-pushback-plan.html


+++TUNESIEN
Nordafrikanisches Dreierbündnis zur Flüchtlingsabwehr
Algerien, Libyen und Tunesien vereint gegen Migration
Das zwischen der EU und Tunesien ausgehandelte Flüchtlingsabkommen zeigt erste Wirkung: Die tunesische Polizei deportiert Geflüchtete aus dem südlichen Afrika in die Wüste, wo algerische Grenzer sie in Empfang nehmen.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182175.tunesien-nordafrikanisches-dreierbuendnis-zur-fluechtlingsabwehr.html


+++SYRIEN
Noch nie so viele Binnenvertriebene wie 2023 – Echo der Zeit
Fast 76 Millionen Menschen weltweit waren letztes Jahr im eigenen Land auf der Flucht. Das sind doppelt so viele als noch vor fünf Jahren. Grund dafür sind nicht nur aktuelle Kriege wie im Gazastreifen, in der Ukraine oder in Sudan. Auch Syrien gehört zu den Ländern mit den meisten Binnenvertriebenen weltweit. Trotz Rückgang der Kriegshandlungen lebten die Menschen in Syrien nicht in Sicherheit, sagt Bente Scheller, Referatsleiterin für Nahost bei der Heinrich-Böll-Stiftung.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/noch-nie-so-viele-binnenvertriebene-wie-2023?partId=12589406
-> https://www.srf.ch/news/international/vertrieben-im-eigenen-land-millionen-syrer-haben-ihre-heimat-verloren-wohl-fuer-immer


+++IRAK
Zehn Jahre nach dem Völkermord ist die Situation der Yezid:innen im Irak miserabel
Zwischen den Fronten
Ein Gutachten der NGOs Pro Asyl und Wadi über die Lage der Yezid:innen im Irak stellt die miserablen Lebensbedingungen dar, unter denen sie zehn Jahre nach dem Völkermord durch den »Islamischen Staat« leben. Zudem fordert es einen generellen Abschiebestopp in den Irak.
https://jungle.world/artikel/2024/19/situation-yeziden-im-irak-zwischen-den-fronten


+++FREIRÄUME
derbund.ch 14.05.2024

Besetzung ärgert Burger: Karawane campiert vor Hochhäusern am Berner Stadtrand

Ein Grundstück der Burgergemeinde in Bern wurde besetzt. Diese hat keine Freude, gewährt aber Zeit für die Räumung.

Carlo Senn

Am Rand des Berner Wittigkofenquartiers haben sich seit dem 12. Mai einige Camperwagen niedergelassen. Das nun besetzte Grundstück gehört der Burgergemeinde Bern. Im Hintergrund prangen die hohen Wohnblöcke des Saaliquartiers wie skeptische Beobachter über den Behausungen auf Rädern. Daneben ist auch das Pflegeheim Tilia. Die Wagen, es ist eine Handvoll, sind meist aus Holz, einige haben Solaranlagen angelehnt, ein filigranes Peugeot-Velo ist sichtbar. «Besetzt und belebt» lautet eine der Parolen.

Es ist gerade ein schlechter Moment, als der Journalist ankommt. Eine Gruppe der Besetzenden und Vertretende der Burgergemeinde Bern sitzen in der Mitte des Grasfelds unter einem Sonnenschirm und diskutieren miteinander – das Thema ist offensichtlich die Besetzung.

Dies seien aber keine Verhandlungen gewesen, sagt Stefanie Gerber Frösch, Mediensprecherin der Burgergemeinde Bern. Denn: «Wir dulden keine Besetzungen.» Allerdings habe man das Gespräch gesucht.

Laut Gerber Frösch hat die Burgergemeinde dabei den Besetzenden eine Frist bis Dienstag, 21. Mai, um 11 Uhr gegeben: «Bis dann muss das Gelände geräumt sein.» Man könne unter anderem aus rechtlichen Gründen keine Unterstützung bei alternativen Wohnformen bieten. Das Land sei zudem verpachtet und werde landwirtschaftlich genutzt.

Besetzt ist das Gelände offenbar seit vergangenem Sonntag, am Montag habe der Pächter des Grundstücks die Burgergemeinde informiert.

Besetzende sehen Burger in Verantwortung

Für den Journalisten fanden die Angehörigen der Wagenkarawane keine Zeit. Die Besetzenden machten jedoch einen friedlichen und ruhigen Eindruck.

Sie schickten später eine schriftliche Stellungnahme per Mail. Darin bestätigten sie die Forderung der Burgergemeinde, das Grundstück wieder zu verlassen – und zeigten sich darüber enttäuscht.

«Schon länger sind wir auf der Suche nach einem Platz, auf dem wir mit unseren Wagen wohnen können», schreibt das Kollektiv.

«Wir sehen die besitzreiche Burgergemeinde Bern in der Verantwortung, für unkonforme und politische Lebensformen offen zu sein», so das Kollektiv weiter. Schliesslich sage die Burgergemeinde von sich selbst, sie stehe im Dienst der Öffentlichkeit: «Dazu gehört unserer Meinung auch der Umgang mit alternativen Wohnformen und eine Auseinandersetzung mit unseren Anliegen.» Die Nachfrage, ob sie sich an die Frist für die Räumung halten, liessen sie unbeantwortet.

Bereits die Berner Stadtnomaden hatten das Areal seit 2014 jeweils für ein paar Monate im Jahr bewohnt, damals allerdings mit Bewilligung. Ob sie dem Wagenkollektiv als Inspiration gedient haben, ist nicht bekannt. Auf Berner Stadtgebiet sind derzeit fünf weitere Gruppen angesiedelt, darunter das Kollektiv Anstadt.
(https://www.derbund.ch/bern-wittigkofen-karawane-campiert-am-berner-stadtrand-100632698486)


+++GASSE
Nach einem Monat Betrieb ist die neue Oltner Notschlafstelle zufrieden. Trotz Befürchtungen im Quartier gab es nur wenige Vorfälle oder Beschwerden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/wohlen-foerdert-zeitungen-wieder-mit-amtlichen-publikationen?id=12589118 (ab 03:31)


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
BE:
Palästina-Protest in Bern: Besetzer wollen trotz Ultimatum bleiben
Die Besetzerinnen und Besetzer der Unimensa in Bern wollen das Ultimatum der Unileitung ignorieren. Gleichzeitig solidarisieren sich mehr als 20 Professorinnen und Professoren mit ihnen.
https://www.derbund.ch/palaestina-protest-in-bern-unileitung-stellt-besetzern-offenbar-ultimatum-901944512767
-> https://www.20min.ch/story/uni-bern-stellt-ultimatum-besetzer-muessen-bis-heute-um-12-uhr-das-feld-raeumen-103105093
-> https://www.baerntoday.ch/bern/ultimatum-bis-12-uhr-kommt-es-zur-raeumung-der-unitobler-mensa-157104224
-> https://rabe.ch/2024/05/14/besetzerinnen-sollen-uni-bis-heute-mittag-verlassen/
https://rabe.ch/2024/05/14/sendung-vom-14-mai-2024/
-> https://rabe.ch/2024/05/14/sendung-vom-14-mai-2024/
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/kufa-lyss-erhaelt-100-000-franken-mehr-pro-jahr?id=12589271 (ab 02:45)
-> https://www.tachles.ch/artikel/news/kampfzone-universitaeten
-> https://www.tachles.ch/artikel/news/uni-leitungen-bern-und-basel-fordern-ein-ende-der-besetzung
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/glutenfrei-pro-palastina-besetzer-der-uni-bern-bettelten-um-essen-66761806
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/nahost-krieg-und-die-schweiz-an-diesen-unis-finden-pro-palaestinensische-protestaktionen-statt
-> https://www.20min.ch/story/pro-palaestina-uni-proteste-schweizer-muslime-rufen-zur-maessigung-auf-103104545
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/wuergen-bis-zur-bewusslosigkeit-tiktok-trend-erreicht-bern?id=12589442 (ab 02:49)
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/uni-besetzende-lassen-ultimatum-verstreichen-157107824
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/hartes-durchgreifen-gegen-palaestina-protestierende-gefordert-157107845
-> https://www.plattformj.ch/artikel/220973/
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/proteste-an-schweizer-unis-unsere-studierenden-sind-typischerweise-recht-zahm
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/nahost-krieg-und-die-schweiz-an-diesen-unis-finden-pro-palaestinensische-protestaktionen-statt
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/fokus-palaestina-protest-nun-auch-an-der-universitaet-zuerich?urn=urn:srf:video:b3ed6c7f-f11f-4567-bc22-c8bc889f39aa
-> 10vor10: https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/fokus-was-begriffe-wie-genozid-und-voelkerrecht-bedeuten?urn=urn:srf:video:64f2d81d-e881-44f7-beb1-49b550c18878


BS:
Protestierende wollen am Mittag über weiteres Vorgehen entscheiden
Wie eine Auskunftsperson der Aktivisten für Medien am Telefon erklärt, finde seit 12.30 Uhr im Grossen Hörsaal des Bernoullianums eine weitere «Vollversammlung» statt. Die Besetzerinnen und Besetzer wollten in dieser Sitzung entscheiden, ob sie dem Ultimatum der Universitätsleitung nachkommen wollen oder nicht. Die Hochschulleitung hat die Demonstrierenden unter Androhung von Konsequenzen aufgefordert, das Gebäude bis heute Dienstag um 20 Uhr freizugeben. Kommen die israel-kritischen Aktivisten diesem Ultimatum nicht nach, könnte wegen des Tatbestands des Hausfriedensbruchs eine Räumung des Gebäudes durch die Polizei drohen.
https://www.bazonline.ch/bernoullianum-in-basel-von-aktivisten-besetzt-uni-leitung-stellt-ultimatum-965461410250
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/ultimatum-fuer-protestierende-an-der-uni-basel?id=12589100
-> https://www.baseljetzt.ch/protestierende-wollen-erst-reden-dann-gehen/223464
-> https://primenews.ch/articles/2024/05/besetzung-soll-die-uni-basel-raeumen-lassen-ja
-> https://bajour.ch/a/pro-palaestina-besetzung-universitaet-basel-ultimatum-fordert-raeumung
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/nach-ultimatum-der-uni-leitung-protestierende-lenken-nicht-ein?id=12589397
-> https://telebasel.ch/sendungen/punkt6/216575
-> https://www.watson.ch/schweiz/basel/666322496-besetzer-der-uni-basel-gehen-nicht-auf-ultimatum-ein
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/uni-basel-lasst-besetzer-bis-mittwochmorgen-gewahren-66762270
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/widerliche-forderung-politik-kritisiert-palastina-proteste-66758954
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/besetzung-der-uni-basel-uni-verlaengert-ultimatum-um-12-stunden-vor-dem-bernoullianum-versammeln-sich-einige-hundert-solidarisierende-ld.2618920


GE:
Uni-Proteste: Polizei beendet Pro-Palästina-Proteste in Genf
Die Polizei ist am frühen Morgen gegen pro-palästinensische Studierende an der Universität Genf eingeschritten, die Teile der Uni Genf seit fast einer Woche besetzt hielten.
https://www.derbund.ch/pro-palaestinensische-proteste-an-uni-genf-polizei-greift-ein-789093735845
-> https://www.watson.ch/schweiz/palaestina/904331641-pro-gaza-proteste-an-uni-genf-polizei-raeumt-saal
-> https://www.tachles.ch/artikel/news/universitaeten-im-konflikt
-> https://www.bazonline.ch/polizei-loest-besetzung-der-uni-genf-auf-901793254376


ZH:
Pro-Palästina-Proteste an Hochschulen: Auch Universität Zürich von Studierenden besetzt
Die Proteste gegen Israel an Schweizer Universitäten gehen auch am Dienstag weiter: Neu wird auch das Hauptgebäude der Universität Zürich von Studierenden besetzt.
https://www.tagesanzeiger.ch/uzh-von-studierenden-bestezt-417310392029
-> https://www.watson.ch/schweiz/zuerich/770471108-protestierende-besetzen-hauptgebaeude-palaestina-demo-jauch-an-der-uzh
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/um-11-30-uhr-ging-es-los-pro-palaestina-proteste-jetzt-offenbar-auch-an-der-eth-zuerich-id19710898.html
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadt-zuerich/uni-zuerich-toleriert-palaestina-protest-bis-17-uhr-157104619?autoplay=true&mainAssetId=Asset%3A157104826
-> https://www.20min.ch/story/students-for-palestine-pro-palaestina-protest-uni-zuerich-von-studierenden-besetzt-103105132
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/streit-zwischen-dem-spital-wetzikon-und-der-steiner-ag-eskaliert?id=12589385 (ab 01:28)
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/palaestina-protest-an-universitaet-zuerich-wieder-aufgeloest?urn=urn:srf:video:1b2a1635-3d38-40d5-b2ba-f167da8d4c14
-> https://www.toponline.ch/news/schweiz/detail/news/universitaet-zuerich-setzt-besetzern-ultimatum-bis-17-uhr-00239120/
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/studierende-besetzen-universitaet-zuerich-00239121/
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/studenten-besetzen-universitaet-zuerich-157107599
-> https://www.telezueri.ch/zuerinews/hartes-durchgreifen-gegen-palaestina-protestierende-gefordert-157107624



derbund.ch 14.05.2024

Gaza-Proteste an Schweizer Unis: Kampfzone Campus – «Wir lassen uns nicht erpressen»

Die Rektorate stellen Ultimaten, die Pro-Palästina-Aktivisten besetzen Gebäude und protestieren weiter. Die Schweizer Unis stehen an einem Scheideweg: Polizeieinsatz oder Kompromisse?

Anja Burriaus Basel, Markus Häfligeraus Bern, Philippe Reichenaus Genf, Yann Cherixaus Zürich

Zürich. Der zentrale Lichthof der Universität wird am Dienstagmittag besetzt. Auf einem Plakat steht: «Long live the student intifada». Die Organisatoren raten allen Protestierenden, das Telefon zu Hause zu lassen und «nichts Vertrauliches oder möglicherweise Kompromittierendes» zum Protest mitzubringen. Stunden später ist der Lichthof bereits wieder geräumt.

Bern. Die Mensaküche der Unitobler ist geschlossen. Wegen Besetzung. Stattdessen findet eine Schulung statt. «Antirepression». Drei junge Studierende, knapp über 20, zeigen zwei Dutzend anderen, wie man sich von der Polizei wegtragen lässt. Auch für Leibesvisitationen weiss die Instruktorin lebensnahen Rat: «Als weiblich gelesene Person dürft ihr verlangen, dass euch eine Polizistin untersucht. Es kann dauern, bis sie eine finden.»

Genf. Räuber und Poli an der Uni Mail. Kurz nach der polizeilichen Räumung besetzen die Protestierenden am Dienstag ein anderes Unigebäude. Stunden später werden sie abermals weggetragen.

Basel. Unter den Protestierenden verbreitet sich die Nachricht, dass die Polizei in Genf gegen die gleich gelagerte Besetzung eingeschritten ist. Zwei Frauen sitzen auf der Treppe vor dem besetzten Unigebäude und diskutieren die Wahrscheinlichkeit, dass es ihnen bald ähnlich ergehen könnte.

Zeichen stehen auf Konfrontation

Es sind ereignisreiche Tage, die die Schweizer Universitäten durchmachen. Es ist keine Massenbewegung. Meist sind es nur ein paar Dutzend, die aktiv revoltieren. Aber sie machen es wirkungsvoll. Auch per Social Media.

Angefangen hat es am 2. Mai, als propalästinensische Aktivistinnen und Aktivsten einen Hörsaal in Lausanne besetzten, es folgten die Universitäten in Genf, Zürich, Bern, Basel, Freiburg – zuletzt am Dienstag wiederholte sich die Aktion in Zürich.

Die Zeichen stehen auf Konfrontation. Der Ton wird schärfer. Kampfzone Campus.

Die Berner Universitätsleitung hat am Morgen ein Ultimatum formuliert: Entweder die Protestierenden ziehen bis Dienstagmittag ab. Oder die Uni behält sich vor, «die Besetzung beenden zu lassen».

Kurz nach 12 Uhr drängen sich rund 300 Aktivistinnen und Aktivisten in die Mensa und beschliessen unter Gejohle, das Ultimatum zu ignorieren. Sie sagen, die Uni verweigere den «Dialog» über ihre Forderungen.

Den Protestierenden droht in Basel der Ausschluss von der Uni

In Basel geht die Unileitung weiter. Sie droht den Besetzerinnen und Besetzern unverhohlen mit disziplinarischen Massnahmen – bis zum Ausschluss von der Universität. «Die Studierenden müssen wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie ein Gebäude besetzen, das ihnen nicht gehört», sagt der Kommunikationschef Matthias Geering.

Auch in Basel gibt es ein Ultimatum: Die Gnadenfrist lief Dienstag um 20 Uhr ab.

Was dann passieren kann, zeigte sich in Genf. Vor 5 Uhr morgens tauchte die Polizei auf und transportierte rund 50 Aktivistinnen und Aktivisten diskret über die Tiefgarage ab – so vermied die Polizei Pressebilder von der Räumung. Am Nachmittag wiederholte sich das Ganze noch einmal. Wieder griff die Polizei ein, wieder liessen sich die Studentinnen und Studenten widerstandslos abtransportieren.

Doch ihre Haltung bleibt. «Boykott israelischer Universitäten!», «Stopp dem Genozid!».

Genf, Basel, Bern und Zürich. Die Parolen gleichen sich. Auch wie sie sich organisieren. Und den Medien begegnen.

Im besetzten Basler Bernoullianum dürfen nur eigens dafür ernannte Personen reden. Bei der Plenarversammlung sind Medien ganz unerwünscht.

Der Mediensprecher in Basel heisst Andreas, er ist Student hier und trägt ein Palästinensertuch über den Schultern. Er war noch nie in Israel oder den palästinensischen Gebieten, aber er hat eine klare Meinung: «Wenn wir von Israel sprechen, dann reden wir von einem kolonialen Projekt, das die Palästinenser systematisch unterdrückt.»

Die Unibesetzung sei notwendig geworden, weil das Rektorat jegliche Solidarität mit Palästina zensuriere. Als die Unileitung am Sonntag Eingangskontrollen ankündigte, um die Proteste einzudämmen, war für Andreas die rote Linie überschritten. Beim Kampf der Besetzerinnen und Besetzer geht es längst nicht mehr nur um Israel, es geht auch um Meinungsäusserungsfreiheit hier, in Basel.

Tatsächlich sehen sich die Universitäten vor einem Dilemma. Man sieht sich als Ort der Debatte. Aber wie weit darf eine solche gehen? Wie sollen sie mit den Gaza-Protestierenden umgehen?

Radikale Forderungen

Die Protestierenden stellen radikale Forderungen – etwa, dass die Unis alle Beziehungen zu israelischen Hochschulen und Forscherinnen abbrechen. In Bern gingen die Besetzer am Dienstag noch weiter und forderten die Universität dazu auf, «alle Beziehungen zu israelischen Wirtschaftsakteuren und Unternehmen» zu beenden, «einschliesslich eines Boykotts aller Käufe und Geschäfte, die von oder mit israelischen Unternehmen (…) getätigt werden».

Wie viel solcher Protest ist zulässig? Wo fängt der Antisemitismus bei den Slogans an?

Christian Koller verfolgt in diesen Tagen gebannt, was an Schweizer Universitäten geschieht. Und wie solche fundamentalen Fragen debattiert werden. Es ist quasi sein Forschungsfeld.

Koller, Professor der Universität Zürich und Leiter des Schweizerischen Sozialarchivs, beschäftigt sich als Historiker mit Protestkulturen an Universitäten. Er ist fasziniert, wie schnell sich die Protestwelle von den USA aus in die ganze Welt ausbreitete. «Dieses Tempo ist ein neues Phänomen.»

Koller erkennt alte Muster, die sich nun wiederholen. «Die aktuellen Aktionsformen wie Besetzungen gehen auf die 68er-Bewegung zurück.» Und schon damals wurde heftig darüber gestritten, wie politisch ein Campus sein darf. Und ab wann die akademische Freiheit beschnitten wird.

Und schon damals entflammte eine Debatte, wie intrinsisch solche studentischen Proteste tatsächlich sind. «Während das Kalten Kriegs wurde insinuiert, dass die linken Proteste durch Moskau oder Peking gesteuert wurden.»

Die Frage, wie studentisch Protestaktionen auf dem Campus tatsächlich sind, ist also so alt wie die Proteste selbst. Ebenso die Frage, wie die Universitätsleitungen reagieren sollen. Repressiv oder kulant?

Zwei Methoden

Derzeit lassen sich die Reaktionen besonders gut beobachten. Es gibt die Methode ETH und die Methode Unil.

– Die Methode ETH ist die Repression. Als an der ETH Zürich am 7. Mai ein Besetzungsversuch stattfand, erstickte ihn die Stadtpolizei Zürich innert Stunden. Genf hat diesen Ansatz nun kopiert.

– Die Methode Unil ist der Kompromiss. Die Unileitung in Lausanne hat sich mit den Protestierenden darauf geeinigt, dass sie tagsüber das Géopolis-Gebäude weiter besetzen können, es aber nachts verlassen. Zudem hat die Uni Kooperationsprojekte mit Israel offengelegt, allerdings ohne sie zu beenden, wie dies die Protestierenden fordern.

Welchen Weg die Universitäten von Basel, Bern und Zürich einschlagen, war am Dienstagabend noch nicht abschliessend klar.

Ein Funke Hoffnung

Ein Mann, bei dem die Fäden zusammenlaufen, ist Christian Leumann, Rektor der Universität Bern. Exakt drei Stunden nachdem die Besetzer sein Ultimatum unter Gejohle haben verstreichen lassen, empfängt er diese Redaktion. Was macht die Unileitung jetzt? «Es gibt immer noch einen Funken Hoffnung, dass Einsicht einkehrt», sagt Leumann. Und falls das nicht passiert? «Dann wird sich die Unileitung die nächsten Schritte überlegen.» Ruft er die Polizei? «Über die weiteren Schritte geben wir im Moment keine Auskunft.»

Dezidierte Auskunft gibt der Rektor hingegen zur Frage, warum er die Protestaktion für inakzeptabel hält. Inhaltlich sei die Forderung, den wissenschaftlichen Austausch mit Israel einzustellen, schlicht ein «No-go», sagt Leumann. «Das ist Zensur.»

Vor allem aber würden die besetzten Gebäude für den Unibetrieb benötigt – erst recht jetzt, wo die Prüfungssaison anfängt. Zudem hätten Unimitarbeiter teilweise Angst, das betreffende Gebäude zu betreten. «Es ist der Auftrag der Universität, den Unterricht ohne Beeinträchtigung zu gewährleisten.»

Zum Vorwurf, er verweigere den Dialog, sagt Leumann, er habe sich am Montagnachmittag den Demonstrierenden in der Mensa gestellt. Doch die Art und Weise, wie er dort empfangen, ausgebuht und ständig unterbrochen worden sei, habe ihm den Eindruck vermittelt, «dass es den Protestierenden gar nicht um Dialog geht». Stattdessen wollten sie einfach ihre Anliegen durchsetzen. «Die Unileitung wäre bereit für einen echten Dialog», sagt Leumann. «Aber erpressen lassen wir uns nicht.»

Bald sind Ferien

Am Dienstagabend kündigen die Waadtländer Behörden ein Ende der Besetzung an.

Doch die Universitäten werden sich weiter mit den Protestierenden beschäftigen müssen. «So lange, wie der Krieg in Gaza in dieser Vehemenz geführt wird», glaubt Historiker Christian Koller. Mit Blick auf die Vergangenheit weiss er aber auch, dass die Vehemenz der Protestbewegung wohl abnehmen wird.

Noch zwei Wochen. Dann beginnen die Semesterferien. Und damit die Prüfungszeit.



Die Chronologie der Unibesetzungen

Donnerstag, 2. Mai – Die Protestbewegung schwappt von den USA und Frankreich hierher. Erstmals wird ein Gebäude einer Schweizer Universität besetzt. Es ist jenes in der Unil in Lausanne.

Dienstag, 7. Mai – 100 propalästinensische und marxistische Studierende besetzen die Eingangshalle der ETH Zürich. Die Stadtpolizei räumt die Halle wenige Stunden später. Parallel dazu wird die EPFL in Lausanne besetzt. Auch die Genfer Uni Mail folgt.

Sonntag, 12. Mai – Am Abend erreicht die Protestaktion auch die Berner Universität. Das Unitobler-Gebäude wird besetzt.

Montag, 13. Mai – Propalästinensische Aktivistinnen und Aktivisten protestieren in Basel und Freiburg.

Dienstag, 14. Mai – Am frühen Morgen wird die Besetzung in Genf durch eine polizeiliche Räumung beendet. Wenige Stunden später zieht eine kleine Gruppe bereits in ein anderes Gebäude in Genf ein. Auch dieses wird schnell wieder geräumt. Am Mittag wird die Uni Zürich besetzt. Am frühen Abend zieht die Aktionsgruppe wieder ab.
(https://www.derbund.ch/gaza-proteste-an-schweizer-unis-was-ist-los-an-den-hochschulen-122376546149)


+++KNAST
Interpellation SP/EVP/Grüne: Haftbedingungen in den Regionalgefängnissen dürfen sich durch die administrativen Probleme beim Busseninkasso nicht verschlechtern
https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=0c421cbd456c4b4fa4ef56a33068eea5


NANO vom 14. Mai 2024: Keine Resozialisierung im Knast?
Ziel des Aufenthalts in einer Justizvollzugsanstallt ist die Resozialisierung. Allerdings macht der Tagesablauf im Gefängnis eher krank, statt fit für das Leben danach.
https://www.3sat.de/wissen/nano/240514-sendung-keine-resozialisierung-im-knast-nano-100.html


+++POLICE BE
Kanton Bern: Kantonspolizei Bern befragt die Bevölkerung zur Sicherheit
In den kommenden Wochen befragt die Kantonspolizei Bern Bürgerinnen und Bürger des Kantons Bern erneut zur Sicherheit im öffentlichen Raum und zur Wahrnehmung der Polizeiarbeit. Ziel ist es, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sicher sich die Bevölkerung aktuell im öffentlichen Raum fühlt und wie die Polizeiarbeit wahrgenommen wird.
https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=948b283f-2f88-4f25-b60d-27b898cc4a87


+++RECHTSPOPULISMUS
Nach ESC-Sieg von Nemo: X-Post von Regierungspräsident Müller wird Thema im Parlament
GFL-Grossrat Manuel C. Widmer fordert Rechenschaft von der Berner Regierung und Regierungsrat Philippe Müller nach dessen kritischen Äusserungen zum ESC.
https://www.derbund.ch/nemos-esc-sieg-post-von-philippe-mueller-wird-thema-im-parlament-498405799203
-> Interpellation: https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=ece48cdc565b4ea0bd8d5734e94eef28
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/esc-kritik-von-regierungspraesident-mueller-wird-im-parlament-zum-thema-157103914
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/kufa-lyss-erhaelt-100-000-franken-mehr-pro-jahr?id=12589271 (ab 01:44)
-> https://www.watson.ch/schweiz/leben/159859153-esc-ticker-neue-details-zum-fall-joost-klein
-> https://www.blick.ch/schweiz/intervention-im-berner-parlament-tweet-von-esc-hasser-mueller-sorgt-weiter-fuer-aerger-id19736290.html
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/korrupter-esc-esc-schelte-von-regierungspraesident-wird-thema-im-parlament



derbund.ch 14.05.2024

Nach Anti-ESC-Post: Berner FDP fällt Regierungsrat Müller in den Rücken

Philippe Müller erntete für seine ESC-kritischen Äusserungen in den sozialen Medien viel Widerspruch – nun auch von seiner eigenen Partei.

Quentin Schlapbach

Wenn man sich innerhalb der Parteiführung in einer Sache fundamental nicht einig ist, versucht man die Differenzen normalerweise intern zu bereinigen. Die Führung der FDP Kanton Bern wählte am Dienstag nun aber einen völlig anderen Weg.

Am Montagmorgen sorgte das prominenteste Mitglied der Partei, Regierungsrat Philippe Müller, auf der Plattform X mit einem Meinungsbeitrag für eine breite Kontroverse. Der Eurovision Song Contest (ESC) sei «durch und durch korrupt» und solle Bern «fernbleiben», forderte Müller in seinem Tweet.
-> https://twitter.com/SicherheitBern/status/1789869891215819002

Am Tag danach teilt seine Partei nun offiziell per Medienmitteilung mit, dass sie diametral anderer Auffassung sei. Die Berner FDP unterstütze das Anliegen, dass der ESC 2025 im Kanton Bern stattfinden könne, heisst es in der von Präsidentin Sandra Hess und Geschäftsführer Daniel Beyeler signierten Mitteilung einleitend.

Denn: «Die Veranstaltung ist eine einmalige Gelegenheit für unsere Region.» Nicht nur biete der ESC eine einzigartige Plattform für Kultur und Unterhaltung, sondern sei auch ein bedeutender Impulsgeber für die lokale Wirtschaft, den Tourismus und die Gesellschaft. «Gemeinsam mit allen Beteiligten wird sich die FDP Kanton Bern entschlossen dafür einsetzen, dass der Eurovision Song Contest 2025 in unserer Region stattfinden wird», endet die Mitteilung.

Berner FDP gratuliert Nemo

Auch bei der Würdigung von Nemos Erfolg setzt die Berner FDP einen klaren Kontrapunkt zu Müller. Dieser bezeichnete Nemo in seinem Tweet schlicht als «Schweizer» und vermied es, jegliche Worte der Anerkennung auszusprechen. Ganz anders seine Partei: «Der Sieg von Nemo für die Schweiz am diesjährigen Eurovision Song Contest erfüllt uns mit unglaublichem Stolz und Freude», so die kantonale FDP. Der Erfolg sei das Ergebnis einer herausragenden Performance von Nemo und dem Schweizer Team, «die uns als Land vereint und begeistert hat».

Dieser öffentliche Widerspruch gegenüber dem eigenen Regierungsrat ist auch deshalb bemerkenswert, weil Präsidentin Sandra Hess erst seit wenigen Monaten im Amt ist. Allerdings war bereits aufgrund diverser Äusserungen von Stadtberner FDP-Mitgliedern – etwa FDP-Gemeinderatskandidatin Florence Pärli oder Stadtrat Tom Berger – klar, dass Müller bezüglich ESC nicht unbedingt die Parteimeinung vertritt. Präsidentin Sandra Hess war am Dienstagabend kurzfristig nicht erreichbar.

Unterstützung von Fiechter

Müllers Tweet wird auch im Kantonsparlament bald ein Thema sein. Grossrat Manuel Widmer (Grüne) reichte diesbezüglich am Dienstag eine dringliche Interpellation ein. Er will wissen, welche Beweise Müller dafür habe, dass der ESC «seit Jahren durch und durch korrupt» sei. Auch verlangt er von der Regierung eine Erklärung, ob sie als Gesamtgremium den ESC nicht in Bern haben wolle.

Das kantonale Amt für Kommunikation stellte sich in dieser Frage am Montag noch auf den Standpunkt, dass Müller seine persönliche Meinung mitgeteilt habe. Gemäss den kantonalen Richtlinien für Behörden- und Regierungskommunikation ist dies Regierungsräten in den sozialen Medien erlaubt, sofern sie keine Äusserungen veröffentlichen, die «der Haltung des Regierungskollegiums widersprechen». Da der Regierungsrat bis heute noch keine gemeinsame Haltung zu einer potenziellen Austragung des ESC im Kanton Bern formuliert hat, verletzt Müllers Tweet diese Richtlinie also nicht.

Zuspruch für seine ESC-kritische Haltung erhielt Müller derweil von SVP-Grossrat Nils Fiechter. Dieser fordert in einer dringlichen Motion, dass der Regierungsrat sich dafür einsetze, dass der ESC 2025 nicht im Kanton Bern stattfindet. Der Berner Oberländer begründete seine ablehnende Haltung unter anderem mit dem Hashtag #StoppAntisemitismus.
-> https://twitter.com/NilsFiechter/status/1790105045960188128
(https://www.derbund.ch/nemos-esc-sieg-post-von-philippe-mueller-wird-thema-im-parlament-498405799203)



ajour.ch 14.05.2024

ESC-Knatsch im Regierungsrat: FDP-Chefin Sandra Hess liest ESC-Gegner Philippe Müller die Leviten

FDP-Kantonalpräsidentin Sandra Hess aus Nidau hat ihren Parteikollegen in der Regierung zur Rede gestellt. Sie hat ihm gesagt, dass sie es sehr bedaure, dass er den Tweet abgesetzt habe.

Werner De Schepper

Der ESC-feindliche Tweet von Regierungspräsident Philippe Müller sorgt weiter für rote Köpfe. Auch 32 Stunden nach seiner Aufschaltung prangt der Tweet immer noch zuoberst auf dem offiziellen X-Konto des Sicherheitsdirektors des Kantons Bern (@SicherheitBern). Der erste und der letzte Satz stehen dabei im Zentrum der Kritik. «Schweizer gewinnt den seit Jahren durch und durch korrupten ESC.» Und: «ESC: Bleib’ fern von Bern!»

Kein Verständnis hat Philippe Müllers Parteipräsidentin Sandra Hess für den Tweet ihres Regierungsrates, auch wenn er es jetzt als persönliche Meinung verstanden haben will. Gegenüber «Canal 3» sagt Hess, man muss sich in dieser Funktion einfach bewusst sein, «dass es sehr schwierig ist als Regierungspräsident eine persönliche Meinung zu veröffentlichen». Noch am Montag hat Hess mit Müller Tacheles geredet und ihm klargemacht, dass seine im Tweet veröffentliche Meinung nicht die Haltung der Kantonalpartei sei. «Ich habe ihm gesagt, dass ich es sehr bedaure, dass er den Tweet abgesetzt habe.»

Hess wünscht sich ESC in der Region Biel

Im Gegenteil zu Müller freut sich die Stadtpräsidentin von Nidau sehr über den ESC-Sieg, schliesslich hätten die Eltern von Nemo ja ihren Ideen-Laden «Brainstore» in Nidau gehabt. Dass Biel zusammen mit Bern ein Co-Hosting des ESC-Finals 2025 anstrebt, begrüsst Hess: «Es wäre einfach eine tolle Sache, wenn dieser Event in irgendeiner Form auch in der Region Biel stattfindet.» Nicht zuletzt auch für Wirtschaft und Tourismus wäre das ein «super Signal».

Aber der Tweet von Philippe Müller hat nicht nur einen Schatten auf die Doppelkandidatur von Bern und Biel geworfen, sondern ist jetzt auch Thema im Kantonsparlament: In einer dringlichen Interpellation will GFL-Grossrat Manuel C. Widmer wissen, ob es für Mitglieder der Regierung keine Regeln gebe für ihr Verhalten auf Social Media. Insbesondere findet es Widmer anstössig, wenn einerseits die Berner Regierung auf Facebook und Instagram Nemo zum Sieg gratuliert und andererseits der Regierungspräsident den Anlass verunglimpft.

«Ich hoffe, die EBU als Organisatorin des ESC verklagt Müller»

Ganz besonders bedenklich findet Widmer die Aussage des Regierungspräsidenten des Kantons Bern, dass der ESC «seit Jahren durch und durch korrupt» sei. Widmer hoffe, dass die European Broadcasting Union (EBU) als Organisatorin des ESC Philippe Müller dafür verklage, sagt Widmer auf «Canal 3». «Das könnte ein Nachspiel haben.» Denn Müller belege seine Behauptung im Tweet in keiner Weise und verweigere jede weitere Auskunft dazu. Darum wolle Widmer in seiner Interpellation genau wissen, welche Beweise Müller dafür habe, dass der Eurovision Song Contest (ESC) «seit Jahren durch und durch korrupt» sei. Weiter will der GFL-Grossrat von der Regierung auch wissen, ob sie als Ganzes den ESC nicht in Bern haben will. Die Schweizerin Ingrid Deltenre, die von 2010 bis 2017 an der Spitze der EBU stand, will sich als «Ex-Direktorin» nicht mehr zu tagesaktuellen Themen äussern, gibt aber zu verstehen, dass solche Korruptionsvorwürfe jeglicher Grundlage entbehren würden und der ESC mehrfach gegen korrupte Machenschaften abgesichert sei.

FDP-Kantonalpräsidentin Sandra Hess zeigt Verständnis für Widmers Interpellation: «Ich kann nachvollziehen, dass diese Fragen aufgeworfen werden.» Am Mittwoch wird der Regierungsrat des Kantons Bern sich erstmals mit dem Thema ESC befassen. Für Biels Stadtpräsident Erich Fehr ist das ein entscheidender Moment für eine Kandidatur aus dem Kanton Bern. Wenn die Regierung eine solche unterstützt, sieht Fehr weiterhin gute Chancen für die Durchführung des Anlasses in Bern und Biel. Wenn die Regierung sich hingegen wegen Müllers Widerstand nur lauwarm oder gar nicht äussere, werde es definitiv schwierig.
(https://ajour.ch/de/story/512322/fdpchefin-sandra-hess-liest-escgegner-philippe-m%C3%BCller-die-leviten)



„Ich fordere Nemo Mettler, aka nonbinäres #Nemo, auf, sich zu erklären. Weshalb nimmt es vom nonbinären, satanistischen und antisemitischen #BambieThug eine #Dornenkrone als Geschenk an und verhönt damit Milliarden von Christen? #ESC25 darf nicht im @kanton_bern stattfinden!“
(https://twitter.com/NilsFiechter/status/1790466948620239173)



tagesanzeiger.ch 14.05.2024

Monitoring von Schweizer Institutionen: Schweizer sucht pro-israelische Aktivisten zur Beobachtung «gegnerischer Akteure»

In einem Rundschreiben will Walter L. Blum von der «Gesellschaft Schweiz – Israel» Mitarbeiter für seine Sache gewinnen. Die Liste verdächtigter Organisationen liefert der Ex-FDP-Politiker gleich mit.

Philippe Reichen

Monitoring von Schweizer InstitutionenSchweizer sucht pro-israelische Aktivisten zur Beobachtung «gegnerischer Akteure»
In einem Rundschreiben will Walter L. Blum von der «Gesellschaft Schweiz – Israel» Mitarbeiter für seine Sache gewinnen. Die Liste verdächtigter Organisationen liefert der Ex-FDP-Politiker gleich mit.

Philippe Reichen

Die Gesellschaft Schweiz – Israel (GSI) gibt es seit bald 67 Jahren. Sie ist laut ihrem Leitbild «politisch und religiös unabhängig». Ihr Ziel ist es, «die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Israel zu vertiefen, indem sie den Mitgliedern und der weiteren Öffentlichkeit die kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Israel näherbringt».

Doch geht es wirklich nur um klassische Beziehungspflege? Eine E-Mail, die GSI-Zentralsekretär Walter L. Blum am 1. Mai um 9.30 Uhr an 2000 Mitglieder verschickte, erweckt einen anderen Eindruck.

Blum bezieht sich auf den Angriff der Hamas vom 7. Oktober. «Wir brauchen Ihre Hilfe!» heisst es in der Betreffzeile der Nachricht, die dieser Redaktion vorliegt. Blum schreibt: «Es gibt in der Schweiz mehr Institutionen, als uns bisher bekannt waren, die sich mit ‹Palästina› solidarisch erklären, obwohl der Nahostkonflikt vielfach nichts mit ihrem Zweck und ihren Aufgaben zu tun hat.» Oft habe die «sogenannte Solidarität einen antisemitischen Einschlag», stellt Blum fest.

Dieser «geänderten Ausgangslage» müsse man gerecht werden. «Die GSI will das gegnerische Lager systematisch beobachten», so Blum. «Für diese wichtige Aufgabe suchen wir Aktivistinnen und Aktivisten, die bereit sind, einen oder mehrere der gegnerischen Akteure systematisch zu monitoren.» Als Voraussetzung werden Social-Media-Kenntnisse und Vertrautheit mit Accounts in Telegram und Tiktok genannt. Blum stellt Aktivisten eine «pauschale, noch zu bestimmende Entschädigung» in Aussicht.

EDA, UNO, Medien und IKRK im Fokus

Pikant ist: Der E-Mail ist auch gleich eine Liste mit den zu beobachtenden Organisationen angehängt. Unter dem Titel «Wo seit dem 7. Oktober für Palästina Partei ergriffen wurde und wird» stehen als erstes grosse Schweizer Medienhäuser wie die SRG, Tamedia (welche auch diese Zeitung herausgibt) und CH Media, (nicht aber die NZZ), sämtliche Universitäten, mehr als ein Dutzend Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen, das IKRK, der Thinktank Foraus (Forum Aussenpolitik), «die Bundesverwaltung: insbesondere Teile von EDA und EDI», der Nationalfonds, die Weltgebetstage der Kirchen, die UNO und wenig überraschend die Gesellschaft Schweiz – Palästina samt der parlamentarischen Freundschaftsgruppe im Bundeshaus.

«Die Liste könnte ich sogar noch verlängern», sagt der 79-jährige Blum im Gespräch, in dem er den Versand der E-Mail bestätigt. «Dass es in der Schweiz eine Welle der Sympathie für die palästinensische Sache gibt, hat uns überrascht», betont der PR-Berater und ehemalige Präsident der Stadtzürcher FDP. Die «andere Seite ist sehr professionell».

Das habe sich etwa bei den ganzseitigen Zeitungsinseraten in Schweizer Zeitungen rund um die umstrittene Finanzierung der UNRWA gezeigt. «Der Gaza-Krieg ist ein Krieg von Israel gegen die Hamas und kein Krieg gegen Palästina», betont Blum. Der Öffentlichkeit werde das anders vermittelt. «Durch die Informationsbewirtschaftung der Gegenseite wird Israel zum Feind», so der Zürcher.

Aber was hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) damit zu tun? Und was wirft die GSI dem IKRK vor, dessen höchster Wert die Neutralität und die Unparteilichkeit ist?

Im Fall des IKRK habe man die Ernennung von Ex-UNRWA-Chef Pierre Krähenbühl zum Generaldirektor «nicht gerne gesehen», so Blum. Das EDA wiederum sei «natürlich kein Gegner», mit dem EDA sei man auch immer wieder in Kontakt, aber man schaue «trotzdem genau hin».

Der Vergleich mit Cincera

Die parlamentarische Gruppe Schweiz – Palästina steht ebenfalls auf der Liste. Der Genfer Ständerat Carlo Sommaruga ist Mitglied. Mit Blums E-Mail konfrontiert, sagt Sommaruga: «Ich bin überrascht und sehr irritiert»: Blum wende Methoden an, wie sie der Zürcher FDP-Bundespolitiker Ernst Cincera in den 1970er-Jahren bei der Observierung linker Gruppen angewandt habe.

Ernst Cincera mit Decknamen «Cäsar» betrieb eine private Informationsgruppe und stellte seine Informationen Interessenten aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik zur Verfügung, um die Anstellung von politisch links stehenden Stellenbewerbern zu verhindern. Sommaruga sagt, es gebe eine Parallele, das seien «Methoden autoritärer Staaten, zu denen Israel heute gehört», kritisiert er.

«Der Vergleich mit Cincera und den Fichen ist ein ungeheuerlicher Vorwurf und völlig falsch», sagt Walter L. Blum. Er selbst sei als Mitglied des Zürcher Stadtparlaments seinerzeit mit der Aufklärung der bei der Stadtpolizei Zürich gelagerten Fichen des Staatsschutzes betraut gewesen. Er benutze nur öffentlich zugängliche Informationen.

Beim «Tages-Anzeiger» interveniert

Blum sagt, er interveniere, kritisiere und versuche nachvollziehen zu können, wie und warum eine Israel diffamierende Information zustande gekommen sei, sagt Blum. Das habe er auch schon kürzlich bei der «Tages-Anzeiger»-Redaktion gemacht, im Fall eines Beitrags des Genfer Völkerrechtlers Marco Sassòli.

Blum sagt: «Sassòli schrieb, dass der Internationale Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz wegen Unterstützung von Völkermord belangen könnte, falls diese die Unterstützung für die UNRWA einstellt. Wir haben dann eine Zweitmeinung bei einem anderen Völkerrechtler eingeholt, die Sassòlis Sicht widerlegte.» Ihm sei es aber auch darum gegangen, zu wissen, ob der «Tages-Anzeiger» die Analyse selbst bestellt oder ob man sie ihm angeboten habe. Die Redaktion habe in der Folge Transparenz geschaffen. Sassòli war es, welcher der «Tages-Anzeiger»-Redaktion seine Analyse angeboten hat.

Walter L. Blum sagt, die Mail sei an rund 2000 Mitglieder der GSI gegangen. Darauf habe er viele positive Rückmeldungen erhalten. Offen ist, wie viele Aktivistinnen und Aktivisten für Blum arbeiten und was mit den gesammelten Informationen geschieht.

Diese Redaktion hat zum Vorgehen von Blum Anfragen an GSI-Präsidentin Corina Eichenberger (Alt-Nationalrätin FDP) und GSI-Ehrenpräsidentin Vreni Müller-Hemmi (Alt-Nationalrätin SP) gestellt. Die beiden Politikerinnen liessen diese unbeantwortet.
(https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz-israel-ex-politiker-will-israelgegner-ueberwachen-736186158266)
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/alt-fdp-politiker-will-mit-verein-israel-gegner-bespitzeln-66761774



nzz.ch 14.05.2024

 Fichieren Schweizer Israel-Freunde ihre Gegner?

Die Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI) beobachtet propalästinensische Aktivisten und Organisationen – Kritiker sprechen von Überwachung und Methoden à la Cincera. Der GSI-Zentralsekretär Walter L. Blum weist die Vorwürfe zurück.

Simon Hehli

Herr Blum, die Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI) sucht Freiwillige, die verschiedene Medien, Universitäten und Vereine wegen allfälliger propalästinensischer Aktivitäten beobachten sollen. Ist das nötig?

Es gehört zu unserer Aufgabe, öffentliche Äusserungen zu Israel im Auge zu behalten. Damit wir intervenieren können, wenn wir feststellen, dass es zu Diffamierungen von Israel kommt. Diese Aufgabe ist seit dem 7. Oktober und seit dem Beginn der israelischen Offensive sehr schwierig geworden. Dauernd poppt irgendwo eine neue Gruppierung auf, die sich mit Palästina solidarisiert. Oder sogar mit der Hamas. Unsere Geschäftsstelle verfügt nicht einmal über eine 100-Prozent-Stelle, das ist nicht mehr zu bewältigen. Deshalb haben wir unsere Basis, die etwa 2000 Personen umfasst, um Hilfe gefragt.

In der E-Mail von Anfang Mai sprechen Sie von einem «gegnerischen Lager», das systematisch beobachtet werden müsse.

Ich gebe zu, das mit dem gegnerischen Lager war nicht die glücklichste Formulierung. Unser Ziel ist nicht die Konfrontation. Wir suchen das Gespräch, wenn wir auf Inhalte stossen, die eine Reaktion von uns erfordern.

Wie muss man sich das konkret vorstellen?

Kürzlich wurden wir beim Schweizer Fernsehen vorstellig, weil wir finden, die Berichterstattung zum Gaza-Konflikt ist nicht das Gelbe vom Ei. Demnächst haben wir ein Gespräch mit einem Hilfswerk, weil die Ausschreibung für ein humanitäres Projekt in Gaza unserer Meinung nach Punkte enthält, die wir mit den Verantwortlichen besprechen möchten. Ein drittes Beispiel ist der Fall Marco Sassòli.

Der Genfer Völkerrechtler schrieb in einem Gastbeitrag im «Tages-Anzeiger», eine Streichung der Beiträge für das Palästinenserhilfswerk UNRWA könnte der Schweiz eine Verurteilung wegen Verletzung des Völkermordsübereinkommens einbringen.

Und der Artikel erschien genau an dem Tag, als die Aussenpolitische Kommission über die UNRWA-Gelder entschied, es war reine Politagitation. Deshalb wollten wir von der «Tagi»-Chefin wissen, ob ihre Redaktion diesen Beitrag bestellt hatte. Sie versicherte mir, Sassòli habe ihn selbst angeboten. Ich fragte daraufhin einen anderen Völkerrechtler, was von der Argumentation zu halten sei, er fand, Sassòli bewege sich auf sehr dünnem Eis. Normalerweise hätten wir bei der Leitung der Universität Genf nachgefragt, ob sie es in Ordnung finde, dass Professoren solche «Drohungen» verbreiten würden. Doch dann fingen die Studentenproteste an. Und wir liessen es sein.

Mit welchen Gefühlen beobachten Sie diese Besetzungen der Schweizer Unis durch pro-palästinensische Aktivisten?

Die rasanten Entwicklungen an den Universitäten der letzten 14 Tage zeigen genau, warum wir uns für das Monitoren breiter aufstellen müssen. Es ist mindestens ein Dutzend neuer Gruppierungen entstanden. Nicht einmal mehr die Universitäten selbst haben da einen Überblick. Und man stellt eine Radikalisierung fest. Wie in Freiburg, wo eine Gruppe fordert, dass die Gedenktafel für Chaim Weizmann in der Aula Magna wegmüsse. Der erste israelische Präsident hatte Jahrzehnte vor der Gründung Israels in Freiburg studiert. Nun soll er einfach aus den Annalen der Universität gelöscht werden – eine moderne Form des Bildersturms.

In den Tamedia-Zeitungen wirft Ihnen der SP-Ständerat Carlo Sommaruga vor, Sie würden Methoden anwenden wie der frühere Zürcher FDP-Mann Ernst Cincera. Dieser fichierte in den siebziger Jahren politische Gegner.

Das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf! Es gibt einen grossen Unterschied zwischen Beobachten und Überwachen. Wir schleusen niemanden in problematische Organisationen ein und verwenden nur öffentlich verfügbares Material. Doch natürlich kommt bei Sommaruga reflexartig der Fichenvorwurf. Von einem Mann wohlgemerkt, dessen Freundschaftsgruppe Schweiz-Palästina einst Hamas-Vertreter ins Bundeshaus einlud. Und es ist auch nicht überraschend, dass eine solche Kritik von einem Genfer kommt.

Inwiefern?

Wir stellen bei unserem Medienmonitoring fest, dass die Zeitungen sowie Radio und Fernsehen in der Westschweiz tendenziell israelkritischer sind. Das zeigt sich etwa daran, dass die welschen Medien die Angaben zu den Toten in Gaza von Anfang an für bare Münze nahmen und – anders als die Deutschschweizer Medien – kaum darauf hinwiesen, dass die Zahlen von Hamas-kontrollierten Behörden stammen. Woher dieser Bias kommt, weiss ich nicht genau. Vielleicht ist es der Einfluss des französischen Diskurses, der israelkritischer ist als jener in Deutschland und in der Deutschschweiz.

Auf der Liste der Akteure, die Sie beobachten lassen wollen, figuriert neben verschiedenen Organisationen auch eine Einzelperson: Victor J. Willi vom Middle East Institute in Genf. Erstaunt Sie da der Fichenvorwurf wirklich?

Willi stellte bei einem Auftritt in der «Arena» die Hamas als staatstragende Organisation dar, sie habe auch die Charta von 2017, in der sie zur Vernichtung Israels aufruft, relativiert. Die SRG-Ombudsstelle hat die Sendung denn auch gerügt, weil der Moderator bei den Aussagen dieses «Experten» nicht interveniert hat. Aber auch hier muss ich gestehen, dass die Liste nicht optimal ist. Wir hätten da stärker differenzieren sollen.

Haben sich auf Ihren Aufruf hin viele Leute gemeldet, die bei der Beobachtung mithelfen wollen?

Ja, einige. Vor allem auch Junge, die Social-Media-affin sind.

Sie haben dafür auch eine Entschädigung versprochen. Wie hoch ist das Budget dafür?

Wir haben keinen konkreten Geldbetrag auf die Seite gelegt. Wenn man das Monitoring seriös machen will, mit einer gewissen Verlässlichkeit, dann ist es sehr aufwendig. Deshalb können wir uns vorstellen, eine Pauschale von maximal einigen hundert Franken zu bezahlen. Doch jene, die sich bisher gemeldet haben, wollen es unentgeltlich machen. Unsere Basis ist enorm sensibilisiert und motiviert.

Fordern Sie die Mitglieder der Gesellschaft Schweiz-Israel auch auf, israelkritische Stellungnahmen auf X oder Facebook selbst zu kontern?

Nein, das ist vor allem Sache von uns auf der Geschäftsstelle. Wir begegnen polemischen Posts nüchtern und faktenbasiert.

Nicht als verlängerter Arm der israelischen Regierungspropaganda?

Auf keinen Fall. Ein solcher Vorwurf wäre allein schon deshalb verfehlt, weil bei unseren Mitgliedern die Meinungen zur israelischen Politik weit auseinandergehen. Viele kritisieren dezidiert die Regierung Netanyahu.
(https://www.nzz.ch/schweiz/legen-schweizer-israel-freunde-fichen-ihrer-gegner-an-ein-ungeheuerlicher-vorwurf-ld.1830371)


+++HISTORY
tagesanzeiger.ch 14.05.2024

Kunst in Winterthur: Erstes Verfahren zu möglicher Nazi-Raubkunst eröffnet

Die Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte lässt verdächtige Werke ihrer Sammlung von einer unabhängigen Kommission beurteilen. Nun hat diese ein Gemälde von Ferdinand Hodler ins Visier genommen.

Annette Saloma

Was die Winterthurer Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG) momentan macht, ist Detektivarbeit. Die von Bruno Stefanini 1980 gegründete SKKG besitzt rund 6000 Gemälde. Vor einem Jahr setzte die Stiftung eine unabhängige Kommission ein, um zu prüfen, ob es sich bei manchen davon um verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter aus der Nazizeit handelt. Kunstwerke also, die unter der Naziherrschaft entweder enteignet wurden oder bei denen sich die Eigentümer gezwungen sahen, sie zu verkaufen, um damit ihre Flucht zu finanzieren.

Nun hat diese Detektivarbeit bei einem Werk erste Hinweise darauf gebracht, dass es aus «NS-verfolgungsbedingtem Entzug» stammen könnte, wie die offizielle Sprachregelung der Stiftung lautet. Es geht um das Gemälde «Thunersee mit Blüemlisalp und Niesen» von Ferdinand Hodler. Der Schweizer Künstler hat es 1876 gemalt.

Stillschweigen während laufendem Verfahren

Einst gehörte es zur Sammlung von Hugo Nathan aus Frankfurt am Main, wie die unabhängige Kommission SKKG mitteilt. Nathan starb im Jahr 1922. Seine Frau Martha erbte das Bild. Als Jüdin wurde sie in den Dreissigerjahren vom Naziregime verfolgt, floh 1937 nach Paris und zwei Jahre später in die Schweiz. 1958 ist sie gestorben.

Wie Recherchen dieser Zeitung ergaben, gelangte das Gemälde in den Besitz eines Peter Nathan in Zürich. Mutmasslich handelt es sich dabei um den Sohn von Fritz Nathan, einem ebenfalls aus Nazideutschland in die Schweiz geflüchteten Kunsthändler. Mehrere Kunstwerke, die durch dessen Galerien gegangen sind, waren bereits Gegenstand von Klagen oder Wiedergutmachungsansprüchen der Familien jüdischer Kunstsammler, die von den Nazis verfolgt worden sind. Ob die beiden Familien Nathan miteinander verwandt sind, weiss diese Redaktion nicht. 1998 wurde das Gemälde von Ferdinand Hodler beim Auktionshaus Sotheby’s in Zürich versteigert und gehört seitdem der SKKG.

Gemäss Mitteilung der Kommission ist das Gemälde nun das erste Werk, bei dem sie Hinweise sieht, dass es sich um ein NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut handeln könnte, und hat deshalb ein Verfahren eröffnet. Über die genauen Hinweise bewahrt die Kommission während des laufenden Verfahrens Stillschweigen. Nach Abschluss wird sie darüber informieren, ebenso wie über den Entscheid, was mit dem Bild passiert.
(https://www.tagesanzeiger.ch/erstes-verfahren-zu-moeglicher-nazi-raubkunst-eroeffnet-527755730629)



Früher Völkerschau, heute Tieroase: Der Basler «Zolli» wird 150
08.05.2024 – Der Basler Zoo, liebevoll «Zolli» genannt, feiert in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen und ist damit der bei weitem älteste Zoo der Schweiz. «Kulturplatz» schaut zurück auf eine bewegte Geschichte und fragt, wie heute ein Zoo gestaltet wird und was seine Funktionen sind.
https://www.srf.ch/play/tv/kulturplatz/video/frueher-voelkerschau-heute-tieroase-der-basler-zolli-wird-150?urn=urn:srf:video:3c24e44e-5cbf-449d-87f5-1579c432ed43


Herkunft vieler Werke unklar: Gibt es Nazi-Raubkunst in Luzern? Behörden werden aktiv
06.05.2024 – Das Kunstmuseum Luzern macht die Provenienzforschung zum festen Bestandteil seines Betriebs. Damit will es die möglicherweise problematische Herkunft von Werken klären. Stadt und Kanton unterstützen das Unterfangen.
https://www.zentralplus.ch/kultur/gibt-es-nazi-raubkunst-in-luzern-2645946/



#REITSCHULE
«Apropos» – der tägliche Podcast: Der ewige Streit um die Berner Reitschule
14.05.2024 – Das autonome Kulturzentrum ist einmalig – und umstritten. Gewalttätige Auseinandersetzungen werfen immer wieder die Frage auf: Wie weiter mit der Reitschule?
https://www.derbund.ch/reitschule-bern-wie-weiter-nach-der-krawallnacht-696613584163


Experte: Gewalt hat mit Reitschule nur wenig zu tun
12.05.2024 – Die Gewalt vor der Berner Reitschule komme von gewaltbereiten Personen aus – mit dem Ort habe das kaum zu tun, erklärt Extremismus-Experte Samuel Althof.
https://www.nau.ch/news/schweiz/experte-gewalt-hat-mit-reitschule-nur-wenig-zu-tun-66758203


Berner Brennpunkt – Gewalt, Randale und Drogendeal: Wie weiter auf der Schützenmatte?
10.05.2024 – Nicht erst seit den jüngsten Ausschreitungen steht das Gebiet rund um die Reitschule im Fokus. Das sind die Gründe.
https://www.srf.ch/news/schweiz/berner-brennpunkt-gewalt-randale-und-drogendeal-wie-weiter-auf-der-schuetzenmatte



derbund.ch 10.05.2024

Leitartikel zur Attacke auf Polizisten: Jetzt muss sich die Reitschule bewegen

Nach dem Gewaltexzess in Bern braucht es keine radikalen Scheinlösungen. Primär muss die Reitschule besser mit der Polizei kooperieren, um nicht Zuspruch zu verlieren.

Michael Bucher

Stumpfsinnig. Anders lässt sich die Aktion nicht beschreiben. Am vergangenen Wochenende errichten rund ein Dutzend Linksextremisten auf einer Strasse bei der Reitschule eine brennende Barrikade und warten auf die Polizei. Als diese eintrifft, attackieren die Vermummten die Beamten mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern. Elf Ordnungshüter werden verletzt.

Dahinter steckt offenbar eine unbekannte Gruppierung mit anarchistischen Zügen. In einem Bekennerschreiben versuchen die Täter, die niederträchtige Attacke als legitimen Kampf gegen das herrschende System zu verkaufen. Am Schluss wird eine inhaftierte ehemalige RAF-Terroristin gegrüsst. Der Text strotzt vor militanten Parolen.

Linksautonome Szene in der Krise

Der Gewaltexzess mag erschrecken, neu ist das jedoch nicht. In den Jahren 2016, 2017 und 2019 errichteten ebenfalls vermummte Linksextremisten Strassenblockaden und attackierten die ausgerückte Polizei. Auch damals gab es jeweils rund zehn verletzte Polizeibeamte. Die Verwunderung kommt eher daher, dass es in den letzten Jahren ruhig war um Berns autonomes Kulturzentrum.

Was bei den jüngsten Ausschreitungen ebenfalls neu ist: Bei den Chaoten handelt es sich offenbar um eine isolierte Gruppe mit wenig Rückhalt in der Szene. Anders als bei früheren Strassenschlachten solidarisierte sich dieses Mal niemand vom Partyvolk mit den Gewalttätern. Und selbst die Reitschule distanzierte sich in einem Schreiben in seltener Deutlichkeit von der Aktion.

Das Ganze bestätigt, was Szenekenner schon länger feststellen: Die linksautonome Bewegung befindet sich in einer tiefgreifenden Identitätskrise. Das hat primär damit zu tun, dass eine neue, «woke» Generation die Szene durchdringt. Diese will sich primär gegen patriarchale Strukturen und Sexismus einsetzen.

Mit militanten Aktionen können die meisten von ihnen nichts anfangen. Zumal es in der Regel testosterongesteuerte junge Männer sind, die Steine gegen Polizisten schmeissen – und dabei auch noch behaupten, dadurch der queerfeministischen Sache zu dienen. Das kommt nicht gut an und wird auch mal in Foren angeprangert. Auch diese öffentliche Selbstzerfleischung ist neu.

Es braucht den Dialog mit der Polizei

Dass sich die Reitschule von den jüngsten Krawallen vor ihren Toren deutlich distanziert, könnte noch andere Gründe haben. Denn auch der oft als grösster Jugendtreff im Mittelland bezeichnete Ausgehhotspot befindet sich im Kriechgang. So haben die dortigen Gastrobetriebe erst kürzlich schwindenden Zulauf beklagt.

Das dürfte nicht nur – wie von der Reitschule vermutet – mit dem veränderten Ausgehverhalten der Jungen zu tun haben, sondern auch mit der prekären Situation auf dem Vorplatz. Seit letztem Sommer hat sich dort die Gewalt- und Drogenproblematik massiv verschärft. Diese Probleme kann und muss die Reitschule nicht allein lösen. Ein gutes Verhältnis mit den Behörden ist deshalb unabdingbar.

Stumpfsinnige Gewaltexzesse wie letztes Wochenende torpedieren nicht bloss den intakten Dialog mit der Stadt, sie schaden auch massiv dem Kulturzentrum als Ganzem. Denn die Reitschule ist nach wie vor ein bedeutender Veranstaltungsort. Und das soll er auch bleiben.

Es ist schön und gut, distanziert sich die Reitschule offiziell von der jüngsten Gewalt. Doch damit ist es nicht gemacht. Es ist bekannt, dass in der linksautonomen Hochburg auch Leute aktiv sind, die das militante Gedankengut der Täter vom Wochenende teilen. Davon zeugen unter anderem Transparente am Gebäude. Um sich von dieser radikalen Minderheit den Kulturbetrieb nicht noch mehr kaputt machen zu lassen, muss die Reitschule jenen Kräften noch konsequenter entgegentreten.

Den neuen Tiefpunkt sollte das autonome Zentrum zudem nutzen, um von alten Feindbildern Abschied zu nehmen. So sollten die Reitschüler sich dazu durchringen, mit der Kantonspolizei in einen vernünftigen Dialog zu treten. Denn einen solchen gibt es seit Jahren nicht.

Schliessung ist keine Lösung

Radikale Forderungen aus dem bürgerlichen Lager – wie etwa die temporäre Schliessung der Reitschule – mögen, solange der Pulverdampf noch frisch ist, folgerichtig klingen. Doch sind sie nicht besonders weitsichtig, es wäre das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Immerhin ist die Reitschule primär ein Kulturzentrum. Eine derartige Kollektivstrafe würde ausserdem zu einer Solidarisierung innerhalb der zersplitterten Szene und zu kaum kontrollierbaren Protesten führen.

Die Folgen eines solchen Vorgehens lassen sich aktuell in Schweizer Fussballstadien beobachten. Auf Fanausschreitungen abseits der Stadien reagiert die Politik mit einseitig verordneten Sektorsperren. Seither sind Polizei und Clubs mehr denn je gefordert. Etwa, weil die Ultras nun in andere Sektoren ausweichen und so die Strafe ad absurdum führen. Oder weil sie mit Protestmärschen durch die Innenstädte die Polizei beschäftigen und den Verkehr behindern.
(https://www.derbund.ch/linksextremismus-bern-reitschule-muss-mit-polizei-kooperieren-845700430978)



Nach Angriff auf die Polizei: «Kameras hätten die Ausschreitungen nicht verhindert»
08.05.2024 – Der Berner Gemeinderat kritisiert den Gewaltexzess bei der Reitschule «aufs Schärfste». Zu einer temporären Schliessung will sich Alec von Graffenried jedoch nicht äussern.
https://www.derbund.ch/esc-nemo-gueggu-reitschule-coffeebreak-die-woche-in-bern-792108708686
-> https://www.nau.ch/politik/regional/berner-stadtregierung-verurteilt-reitschul-krawalle-aufs-scharfste-66759206


Gemeinderat verurteilt Ausschreitungen
08.05.2024 – An seiner heutigen Sitzung hat der Gemeinderat über die Vorfälle vom letzten Wochenende bei der Schützenmatte diskutiert. Er verurteilt die schweren Angriffe auf die Polizei aufs schärfste. Der Gemeinderat wird nun den Dialog mit allen Beteiligten zur Sicherheit rund um die Reitschule intensivieren.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/gemeinderat-verurteilt-ausschreitungen



derbund.ch 07.05.2024

Nach linksextremem Gewaltexzess: Angriffe auf die Polizei: Spurensuche um die Reitschule

Was ist am Wochenende genau passiert? Woher kommen die Drahtzieher? Wie reagiert die linke Szene? Antworten zur jüngsten Berner Krawallnacht.

Andres Marti, Franziska Zaugg, Kaspar Keller

Was ist am Wochenende rund um die Reitschule genau passiert? Wie aus dem Nichts lockte offenbar eine Gruppe Linksextremer die Polizei in einen Hinterhalt und griff sie an. Nach wie vor ist vieles unklar. Wir haben die Ereignisse zu rekonstruieren versucht, beantworten die wichtigsten Fragen, legen aber auch offen, was nicht oder nur schwierig zu klären ist.

Was ist passiert?

Unbekannte errichteten in der Nacht auf Sonntag, nach Mitternacht, auf der Neubrückstrasse bei der Reitschule zwei Barrikaden und setzten diese in Brand. Die anrückende Polizei wurde mit Steinen, Flaschen, Feuerwerk und Laserpointer attackiert. Laut Polizei auch vom Dach der Reitschule aus.

Die Einsatzkräfte antworteten mit Tränengas, Gummischrot und Wasserwerfer. Es waren die schwersten Krawalle bei der Reitschule seit 2019.

Nach rund zwei Stunden zog sich die Täterschaft laut Polizei zurück. Sie konnte in der grossen Menge der Besuchenden, die sich nicht an den Ausschreitungen beteiligt hatten, untertauchen. Aufgrund der zu wenig spezifischen Erkennungsmerkmale der Täterschaft und der hohen Gefährdung der Unbeteiligten sei auf eine Intervention in der Menge verzichtet worden.

Wer steckt dahinter?

Laut Augenzeugen und Polizeiberichten haben sich an der Attacke auf die Polizei rund ein Dutzend Unbekannte beteiligt. Mehrere Anwesende beschrieben die Vermummten als mehrheitlich junge Männer. Von den «üblichen Verdächtigen» – Bündnis gegen Rechts, Berns Revolutionäre Jugend, Anarchistische Gruppe Bern – hat sich niemand zu den Attacken bekannt.

David Böhner, Kollektivmitglied der Druckerei Reitschule und Berner Stadtrat (AL), vermutet, dass es sich bei den Initianten um eine isolierte Gruppe von jungen Leuten handelte.

Wie geht es den verletzten Polizisten?

Laut Polizei sind bei dem Einsatz insgesamt elf Mitarbeitende verletzt worden. Drei davon mussten zu weiteren Abklärungen ins Spital. Der anfängliche Verdacht auf Knochenbrüche wurde nicht bestätigt, zwei Mitarbeitende hatten jedoch Glassplitter in den Augen.

Alle konnten das Spital bereits am Sonntag wieder verlassen, bis auf eine Person sind alle Mitarbeitenden wieder einsatzfähig.

Wie reagierten Gäste, Personal und Betreiber der Reitschule?

Gemäss mehreren Anwesenden ist die Aktion bei Gästen und dem Personal der Reitschule auf grosses Unverständnis gestossen. Im Konzertlokal der Reitschule, dem Dachstock, fand während des Krawalls ein ausverkauftes Konzert statt. Auch der Vorplatz war gut besucht.

Im Gegensatz zu früheren Scharmützeln haben sich diesmal offenbar keine Gäste an den Attacken beteiligt. Die Akteure hätten sich im Umfeld der Reitschule mit ihrer Aktion «keine Freunde gemacht», sagt David Böhner. Er hält fest, «dass Personen aus dem linksradikalen Umfeld diese Aktion daneben finden». Und: «Das Ganze schadet vor allem den Betreiberinnen und Betreibern der Reitschule.»

Welche Verbindung gibt es zwischen der Reitschule und den Chaoten?

Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Die Mediengruppe, die von der Vollversammlung mandatiert ist, den Medien Auskunft zu geben, distanzierte sich am Montag von der gewalttätigen Aktion.

Auch bei den Verantwortlichen für die Gastro- und Kulturbetriebe in der Reitschule dürfte die jüngste Eskalation auf Unverständnis gestossen sein. Denn die Rössli-Bar und das Sous le Pont haben erst letzte Woche über fehlende Gäste geklagt.

Andererseits: Es gibt innerhalb der Reitschule Personen und Gruppen, die mit linksextremistischen Ideologien sympathisieren. So hängt am Balkon des Dachstocks ein Transparent, welches zu Solidarität mit der kürzlich verhafteten RAF-Terroristin Daniela Klette aufruft. Klette gehört zur dritten Generation linksextremistischer Terroristen in Deutschland und versteckte sich mehr als 30 Jahre lang in Berlin.

Im Infoladen der Reitschule, einem Treffpunkt der Linksradikalen, ist seit kurzem ein neues Kollektiv am Drücker. Nach der Verhaftung Klettes zeigte der Infoladen einen Film über die RAF und solidarisierte sich mit «Daniela». Man werde nicht zulassen, «dass sie uns spalten oder einschüchtern». Auch die Chaoten in der Nacht auf Sonntag veröffentlichten im Internet eine Mitteilung, die mit einem Gruss an die im März in Berlin verhaftete Linksextremistin Klette und «all ihre Freund*innen im Untergrund» endete.

Was sagt der Gewaltexperte?

Gewaltexperte Dirk Baier, Professor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, vermutet, dass die Gruppe dadurch «eine internationale Dimension schaffen und sich mit einer Person verbrüdern will, die in die ‹Fänge des Staates› geraten ist».

Und wie sieht das die Polizei?

Für den kantonalen Polizeidirektor Philippe Müller (FDP) besteht ein «offensichtlicher Zusammenhang» zwischen der Reitschule und den Angriffen gegen die Polizei. «Die Gewalttäter ziehen sich jeweils in die Räumlichkeiten der Reitschule zurück», schreibt Müller auf Anfrage.

Er wirft den Betreibern vor, regelmässig ein Eingreifen der Polizei zu erschweren. Dies geschehe etwa durch das Schliessen des Tores der Reitschule.

War das Tor in der Nacht auf Sonntag geschlossen oder offen?

Laut der Mediengruppe war das Tor bis zum Betriebsschluss im Sous le Pont offen. Der Polizeieinsatz sei seitens der Reitschule nicht behindert worden.

Politiker fordern jetzt eine temporäre Schliessung der Reitschule. Ist das realistisch?

Insbesondere Sicherheitsdirektor Philippe Müller sieht eine temporäre Schliessung als Sicherheitsmassnahme, mit der künftige Gewaltausbrüche verhindert werden könnten. «Gäbe es keine Reitschule, gäbe es auch keine derartigen gewalttätigen Ausschreitungen und keine Verletzten», so Müller. Allerdings: Eine polizeiliche Schliessung könnte das Problem verschärfen und eine starke Gegenreaktion provozieren.
Sicherheitsdirektor Philippe Müller sieht eine temporäre

Politisch dürften es in der links-grün regierten Stadt Bern sowohl die Forderung nach einer Schliessung des Kulturzentrums als auch das Kürzen von Geldern schwer haben. Dieselben Forderungen hatten bereits in der Vergangenheit weder bei der Stadtregierung noch dem Stadtparlament eine Chance.

Wird die linksextreme Szene bei der Reitschule überwacht?

Das ist nicht klar. Damit der Nachrichtendienst des Bundes präventiv tätig werden kann, reicht ein ideologischer oder politischer Hintergrund jedenfalls nicht aus. Nach den jüngsten Eskalationen fordert der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (Die Mitte) im «Blick» mehr Kompetenzen für den Nachrichtendienst des Bundes (NDB).

Aktuell darf dieser keine sogenannten «genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen» anwenden, um schwere Bedrohungen aufzuklären, die von gewalttätig-extremistischen Gruppen ausgehen.

Dazu gehören etwa die Überwachung der Post, der Einsatz von Ortungs- und Überwachungsgeräten oder das Eindringen in Computernetzwerke. Der Bundesrat will mit der anstehenden Gesetzesrevision die Kompetenzen des Nachrichtendienstes ausweiten.

Kritiker sprachen im Rahmen der Vernehmlassung währenddessen von Massenüberwachung. Die Revision wird in diesem Jahr im Parlament beraten.

Kommt jetzt die Videoüberwachung?

Aktuell können Kameras im öffentlichen Raum nur von Gemeinden eingesetzt werden. Wegen des Ja des Grossen Rats zur sogenannten «Lex Reitschule» soll künftig der Kanton an gefährlichen Brennpunkten eine Videoüberwachung anordnen können.

Das Gesetz ist jedoch noch nicht in Kraft. Ordnet der Kanton die Videoüberwachung an, teilen sich Gemeinde und Kanton die Kosten zu gleichen Teilen. Eine andere Frage ist, wie lange solche Kameras auf dem Perimeter rund um die Reitschule unbeschädigt bleiben würden.
(https://www.derbund.ch/reitschule-bern-droht-nach-krawallnacht-die-schliessung-192938943774)
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/jetzt-fordert-sicherheitschef-mehr-uberwachung-bei-der-reitschule-66757607



Communique zur Nacht vom 4. Mai, Bern
07.05.2024 – Am Samstag, den 4.Mai, haben wir für eine kurze Zeit den Raum um die Reitschule zum offensichtlichen Konflikfeld gemacht, das es eigentlich immer ist. Wir haben die Strasse gesperrt, wir haben die Bullen angegriffen und wir haben sie getroffen.
https://barrikade.info/article/6438



derbund.ch 06.05.2024

Nach Gewaltexzess in Bern: Philippe Müller fordert temporäre Schliessung der Reitschule

Der kantonale Sicherheitsdirektor Philippe Müller nimmt die Stadtregierung in die Pflicht – derweil distanziert sich die Reitschule von der Gewalt.

Jana Kehl, Kaspar Keller

In einem Punkt sind sich fast alle einig: Die Gewalt, die der Polizei in der Nacht auf Sonntag bei der Reitschule entgegenschlug, ist zu verurteilen. Die Politik und sogar die Reitschule liessen das am Montag in unterschiedlichen Graden an Deutlichkeit verlauten.

Einmal mehr zeigten sich aber auch Meinungsverschiedenheiten zwischen Kanton und Stadt. So kritisierte der kantonale FDP-Polizeidirektor Philippe Müller nicht nur die Extremisten scharf, sondern auch die Stadt und mit ihr die linke Regierungsmehrheit. Müller forderte, dass diese «endlich» Massnahmen zur Eindämmung der Gewalt bei der Reitschule ergreifen müsse.

Er präsentierte in einem Interview mit der NZZ auch seine Ideen: «Die Stadt Bern soll die finanzielle Unterstützung kürzen und temporäre Schliessungen anordnen», gab Müller zu Protokoll.

Weiter forderte er gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, dass die Stadt den Einsatz von Videokameras auf der Schützenmatte ernsthaft prüfe. Schliesslich wären Videoaufnahmen nun bei der Aufklärung der Taten hilfreich.

Stadtpräsident nimmt Reitschule in Schutz

Auch der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) bezeichnet die Gewalt der Linksextremen als «verabscheuungswürdig». Doch zur Kritik und den Forderungen von Müller will er sich auf Nachfrage nicht äussern.

Von Graffenried betont aber, dass die Auseinandersetzungen isoliert geblieben seien. Oder mit anderen Worten: Der Stadtpräsident sieht die Verantwortung dafür nicht primär bei der Reitschule, sondern vor allem bei den Chaoten.

Er widerspricht auch der Darstellung, die Stadt bleibe im Perimeter Schützenmatte/Reitschule untätig. Und er kündigt an: «Die Stadt bleibt dran.» So soll etwa der Austausch zwischen allen Partnern weiter intensiviert werden. «Wichtig ist zu betonen, dass die involvierten Stellen von Stadt und Kanton die jeweiligen Massnahmen in gemeinsamer Absprache treffen», so von Graffenried.

Die Vorkommnisse sollen nun mit der Reitschule besprochen werden, um die Sache besser einordnen zu können.

Ohne Schutzmontur in den Hinterhalt

Klar ist: Die Gewalteskalation traf die Stadt und die Polizei unvorbereitet. Am Montag wurden auch neue Details zur Krawallnacht bekannt. Kurz nach Mitternacht blockierten mehrere Linksextreme mit brennenden Barrikaden die Strasse, wie die Kantonspolizei mitteilte.

Die anrückenden Polizeikräfte wurden mit Steinen und Flaschen beworfen. Zudem setzten die Aktivisten Lasergeräte ein und zündeten Feuerwerkskörper. Die Polizei antwortete mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummischrot.

Das Fazit der Ausschreitungen: Elf verletzte Polizisten, wovon drei wegen Verdachts auf Knochenbrüche und Glassplitter in den Augen ins Spital gebracht werden mussten. Auf Anfrage schreibt die Polizei, dass die drei Verletzten noch am selben Tag wieder nach Hause gehen konnten.

Adrian Wüthrich, Präsident des Polizeiverbandes Kanton Bern, sagt: «Wenn man die Berichte liest, handelte es sich um einen gezielten Angriff auf die Gesundheit der Polizistinnen und Polizisten.» Die Polizisten seien in einen «perfid geplanten Hinterhalt» gelockt worden. Sie verfügten über keine spezielle Schutzausrüstung und hatten dadurch ein erhebliches Verletzungsrisiko.

Reitschule geht auf Distanz

Über die Gründe für die Ausschreitungen ist wenig bekannt. Am Sonntag veröffentlichte eine sogenannte «Bezugsgruppe Sebastian Lotzer» ein Communiqué auf der Infoplattform «barrikade.info». Darin versuchte die Gruppierung, die Gewalt zu legitimieren: «Unser Handeln ist die Konsequenz unserer Kritik an diesem System und seinen Verbündeten.»

Wer hinter der Gruppierung steht, ist unklar. Die Anarchistische Gruppe Bern, die in der Nacht auf Sonntag auf X dazu aufrief, sich der Aktion anzuschliessen, hält am Montag auf Anfrage plötzlich fest, weder «Organisator*in noch Urheber*in der Ereignisse» zu sein.

Während im Communiqué der «Bezugsgruppe Sebastian Lotzer» betont wird, dass es vor Ort «viel Zustimmung für die offensiven Aktionen gegeben hat», zeigen sich die Betreiber der Reitschule erstaunt über die Vorfälle. «Der Anlass für die Aktion am Samstagabend wurde weder von uns Betreiber*innen noch von unseren Gästen verstanden», hiess es vonseiten der Mediengruppe der Reitschule am Montagnachmittag.

Möglichst inklusiv, um Sympathien zu erhalten

Auch für den Extremismusexperten Dirk Baier kam die Eskalation überraschend. Gleichzeitig nimmt der Professor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften international ein Erstarken des Linksextremismus wahr. Einerseits sei dies auf die Wohnungsnot und die verschärfte Asylpolitik zurückzuführen. Andererseits würden sich mehr Menschen in der linksextremistischen Szene bewegen, die sich zudem radikalisiert habe.

«In Deutschland kann diese Erstarkung auch als Reaktion auf den Aufschwung der rechtsextremen Szene beurteilt werden», sagt Baier. In der Schweiz sei dies weniger ein Thema, auch wenn das Land für die rechtsextreme Bewegung als Rückzugsort und als Drehscheibe gelte.

Laut Baier stechen zwei Punkte bei der Begründung der Gewalttäter heraus. Einerseits die Aussage, dass die Beteiligten in dieser Nacht «die Wut von Migrant*innen, von Queers, von jüdischen Menschen, von Eltern und Kindern (…) und vielen weiteren» gewesen seien. «Die Gruppe formuliert möglichst inklusiv, um Sympathien zu erhalten», sagt Baier. Mit einer solchen Auflistung würden die Linksextremen versuchen, sich zu legitimieren, «was natürlich Humbug ist, denn sie sprechen mit der Gewalt für keine dieser Gruppen».

Der zweite auffallende Punkt, sei der Gruss an die im März inhaftierte RAF-Terroristin Daniela Klette. «Ich vermute, dass die Gruppe dadurch eine internationale Dimension schaffen und sich mit jemandem verbrüdern will, die in die ‹Fänge des Staates› geraten ist», sagt Baier.

Wie es nun weitergeht

Der Vorfall wird in der kommenden Woche auch im Stadtrat ein Thema sein. Die SVP-Fraktion, die seit Jahren für eine Schliessung der Reitschule plädiert, hat einen Antrag zum aktuellen Ereignis eingereicht. Bisher wurden solche Anträge von der Mehrheit des Stadtrats stets abgelehnt. Allerdings wird über die Reitschule am 16. Mai ohnehin debattiert, da eine Reihe von Vorstössen rund um das autonome Kulturzentrum traktandiert sind.
(https://www.derbund.ch/bern-reitschule-verurteilt-gewalt-von-samstagnacht-995966090515)
-> https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/diskussion-nach-ausschreitungen-bei-der-berner-reitschule?urn=urn:srf:video:9d079c7a-f0ce-42c7-9e2e-a4b2df10a117
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/ausschreitungen-bei-der-reitschule-wie-sind-sie-einzuordnen?id=12586085
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/ausschreitungen-bei-reitschule-bern-das-sagt-der-stadtpraesident?id=12585887
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/147394428-berner-polizeichef-erhebt-schwere-vorwuerfe-an-randalierer
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/582157850-berner-reitschule-nach-gewalt-auf-der-schuetzenmatte-in-der-kritik
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/berner-polizeichef-erhebt-schwere-vorwurfe-an-randalierer-66757663
-> https://www.nau.ch/politik/regional/berner-stadtrat-berat-am-16-mai-uber-reitschule-66757805
-> https://www.nau.ch/politik/regional/burgerliche-verlangen-schliessung-der-reitschule-66757712
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/elf-polizisten-bei-ausschreitungen-bei-der-reitschule-verletzt-66757370
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/verletzte-berner-polizisten-aus-spitalpflege-entlassen-66757932
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/nach-ausschreitungen-bei-reitschule-in-bern-jetzt-fordert-nause-die-nachrichtendienstliche-ueberwachung-der-chaoten-id19711614.html



Medienmitteilung vom 6. Mai 2024 zum Polizeieinsatz von Samstag auf Sonntag bei der Berner Schützenmatte
Perfide Angriffe gegen Polizistinnen und Polizisten müssen Folgen haben
Der Polizeiverband Bern-Kanton verurteilt die bewusste, vorsätzliche Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten am letzten Wochenende in der Stadt Bern. Mit Elf verletzten Einsatzkräften – drei davon mussten sich in Spitalpflege begeben – ist die Kantonspolizei Bern seit langem nicht mehr konfrontiert worden. Der Polizeiverband Bern-Kanton fordert eine genaue Analyse des Einsatzes und die strafrechtliche Verfolgung der Täterschaft.
https://www.pvbk.ch/uploads/downloads/202405061625432024-05-06_Medienmitteilung_PVBK,_Einsatz_Sch%C3%BCtzenmatte.pdf


Ausschreitungen bei Reitschule: Chaoten greifen Polizei mit Steinen und Lasern an – elf Verletzte
05.05.2024 – In der Nacht auf Sonntag kam es im Raum Schützenmatte zu schweren Ausschreitungen. Drei Polizisten mussten in Spitalpflege gebracht werden.
https://www.derbund.ch/reitschule-bern-chaoten-greifen-polizei-an-elf-verletzte-534537527770
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/umstrittenes-kulturzentrum-elf-polizisten-bei-ausschreitungen-vor-berner-reitschule-verletzt
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/ausschreitungen-in-bern-das-war-eine-art-organisierter-angriff-aus-der-reitschule
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/reitschule-bern-bei-ausschreitungen-11-polizisten-verletzt?id=12585263
-> https://www.20min.ch/story/berner-reitschule-angriffe-mit-steinen-und-feuerwerk-11-polizisten-verletzt-103098223
-> https://www.watson.ch/schweiz/polizeirapport/355464893-bern-elf-polizisten-bei-ausschreitungen-bei-der-reitschule-verletzt


05.05.2024
Bern: Ausschreitungen bei Reitschule – elf verletzte Einsatzkräfte
In der Nacht auf Sonntag ist es im Raum Schützenmatte in Bern zu gezielten Angriffen gegen Einsatzkräfte der Kantonspolizei Bern gekommen. Die Einsatzkräfte wurden unter anderem mit Steinen, Flaschen, Feuerwerkskörpern und Lasern angegriffen. Es mussten in der Folge Mittel eingesetzt werden. Mehrere Polizisten wurden beim Einsatz verletzt. Es werden Zeugen gesucht.
https://www.police.be.ch/de/start/themen/news/medienmitteilungen.html?newsID=28ae7211-fedd-4d90-987f-1c9f13cb9a12


Brennpunkt Schützenmatte – Wie ein Wohnwagen vor der Berner Reitschule für Ruhe sorgen soll
04.05.2024 – Seit ein paar Monaten steht ein Schutzmobil auf der Schützenmatte in Bern. Nun hat die Stadt erstmals Einblick gewährt.
https://www.srf.ch/news/schweiz/brennpunkt-schuetzenmatte-wie-ein-wohnwagen-vor-der-berner-reitschule-fuer-ruhe-sorgen-soll
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/dieser-wohnwagen-soll-vor-reitschule-fur-ruhe-sorgen-66757700