Medienspiegel 19. Februar 2024

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Ein Jahr Asylzentrum Sumiswald
Seit einem Jahr gibt es das Asylzentrum in Sumiswald. Anfangs gab es bei den Anwohnerinnen und Anwohnern negative Stimmen. Nicht alle waren einverstanden, dass es im Forum in Sumiswald ein Asylzentrum geben soll. Mittlerweile sind diese Stimmen verstummt und auch sonst läuft es gut, erzählt Gundekar Giebel, Mediensprecher der Gesundheits-, Sozial und Integrationsdirektion des Kantons Bern.
https://www.neo1.ch/artikel/ein-jahr-asylzentrum-sumiswald


+++LUZERN
luzernerzeitung.ch 19.02.2024

Luzerner SVP fordert Bargeld-Stopp für Asylsuchende

Die 6500 Asylsuchenden, die derzeit im Kanton Luzern untergebracht sind, sollen kein Bargeld mehr erhalten oder beziehen können. Das verlangt die SVP-Fraktion in einem Vorstoss, den sie im März einreichen wird.

Lukas Nussbaumer

Was die SVP-Sektionen in Zug, Bern, St. Gallen und Basel schon getan haben und die Bundeshausfraktion angekündigt hat, macht nun auch die Luzerner Kantonalpartei: Sie verlangt die Einführung einer Bezahl- oder Debitkarte für Asylsuchende, die Sozialhilfe beziehen. Mario Bucher wird eine entsprechende Motion in der Session vom 18. und 19. März einreichen, wie der seit Ende 2020 im Kantonsparlament politisierende Urswiler auf Anfrage sagt.

Betroffen vom Vorstoss wären bei einer sofortigen Umsetzung derzeit rund 6500 Personen: etwas mehr als 1000, die in einem Zentrum untergebracht sind, und knapp 5500, die in Wohnungen leben. Während Asylsuchende in Zentren die ihnen zustehenden Beträge alle zwei Wochen in bar erhalten, werden sie in Wohnungen lebenden Personen einmal pro Monat aufs Bankkonto überwiesen, von wo aus sie das Geld abheben können. Die Höhe der Summen ist abhängig von der Unterkunft und vom Status (siehe Box).

Angst vor Zustrom aus Deutschland

Mario Bucher und mit ihm die SVP-Fraktion, die den Vorstoss einhellig unterstützt, wollen mit der Streichung des Bargelds Missbräuche verhindern, wie es im Vorstoss heisst. «Mit einer Debitkarte wäre es nicht mehr möglich, Geld nach Hause zu schicken oder illegale Güter wie Waffen oder Drogen zu kaufen», sagt Bucher. Dass vorab junge Asylsuchende in der letzten Zeit vermehrt Geld ins Ausland transferieren, wird von Betreuenden bestätigt.

Bucher befürchtet eine weitere Zunahme des Missbrauchs, weil Deutschland die Debitkarte flächendeckend einführen dürfte. «Das könnte Personen dazu führen, auf die Schweiz auszuweichen, wo sie weiterhin Bargeld erhalten können.»

Vorstösse in Kantonen sollen Druck erzeugen

Der Leader seiner Fraktion in der kantonsrätlichen Kommission für Justiz und Sicherheit ist sich bewusst, dass eine Bezahlkarte nur mit einer landesweiten Einführung wirksam wäre. Dennoch presche die SVP in den Kantonen mit Vorstössen vor, um so den politischen Druck zu erhöhen, erklärt Bucher, der sich von der FDP und der Mitte Unterstützung für sein Anliegen erhofft.

Obwohl der frühere Emmer Einwohnerrat das Problem als akut erachtet, verzichtet er auf eine dringliche Einreichung seiner Motion. Antworten auf dringliche Vorstösse seien in der Regel nicht von besonders hoher Qualität und würden meistens Nein lauten, so Bucher. «Da warte ich lieber etwas länger und erhalte dafür eine fundierte Stellungnahme.» Die Regierung hat für ihre Reaktion auf eine Motion maximal ein Jahr Zeit.

In Deutschland wurde eine Debit- oder Bezahlkarte im vergangenen November vereinbart. Seit kurzem wird sie in Hamburg als erstem Bundesland ausgegeben; weitere Bundesländer sollen im Laufe dieses Jahres folgen. Mit der Karte können Asylsuchende einkaufen, nicht aber Geld abheben (oder höchstens monatlich beschränkte Kleinsummen) und auch keine Beträge an andere Karteninhaber oder ins Ausland überweisen.



Minimal 10, maximal 22.40 Franken

Asylsuchende in Zentren erhalten pro Tag zwischen 10 und 12.50 Franken. Damit sind gemäss Asylverordnung «pauschal alle Aufwendungen für die Verpflegung, die persönliche Pflege, die Nachrichtenübermittlung und das Internet, die Bildung, die Freizeit, die persönlichen Auslagen sowie die Verkehrsauslagen für den örtlichen Nahverkehr gedeckt». Nicht enthalten sind Kosten für Bekleidung, allgemeine Haushaltsführung und Wohnnebenkosten inklusive Energieverbrauch. In Zentren gelten zudem strenge Hausregeln mit Nachtruhe zwischen 22 und 6.30 Uhr und Rauchverbot in den Zimmern. Zudem dürfen Getränke mit einem Alkoholgehalt von über 18 Prozent nicht konsumiert werden.

Asylsuchende in Wohnungen erhalten mit maximal 14.80 Franken etwas mehr Geld als solche in Zentren. Dafür müssen sie aber auch ihre Kleider selber zahlen. Mit bis zu 22.40 Franken pro Tag sind die Beiträge an in Wohnungen lebende, vorläufig aufgenommene Ausländerinnen und Ausländer noch einmal etwas höher. Diese Ansätze decken gemäss Asylverordnung «pauschal alle Aufwendungen des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt».

Die Beiträge können gemäss dem landesweit geltenden Asylgesetz und der kantonalen Sozialhilfeverordnung um bis zu 35 Prozent gekürzt werden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn Personen Anordnungen nicht befolgen oder ihnen zugewiesene Arbeiten oder Unterkünfte nicht annehmen. (nus)
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/asylwesen-ld.2581861)


+++SCHWEIZ
In diesem Zürcher Dorf feiern die Tibeter – und üben Kritik an der Schweiz
Vor kurzem reiste Bundesrat Ignazio Cassis nach China. Fokus: Handel, Klima, Menschenrechte. In der Schweiz leben über 7500 Tibeter. Sie sind hier, weil China Tibet bis heute besetzt. Wie ist es, wenn die neue Heimat und der Unterdrücker näher zusammenrücken?
https://www.watson.ch/schweiz/international/461344201-in-diesem-zuercher-dorf-feiern-die-tibeter-und-ueben-vorsichtige-kritik


Asylstatistik Januar 2024
Im Januar 2024 wurden in der Schweiz 2768 Asylgesuche registriert, 525 mehr als im Vormonat (+23,4 %). Gegenüber Januar 2023 ist die Zahl der Asylgesuche um 245 gestiegen. Wichtigste Herkunftsländer waren Afghanistan und die Türkei. Im Januar wurde zudem 90 aus der Ukraine geflüchteten Personen der Schutzstatus S erteilt, in 57 Fällen wurde er beendet.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-100059.html
-> https://www.watson.ch/schweiz/migration/280837392-rund-23-prozent-mehr-asylgesuche-im-januar-eingereicht
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/rund-23-prozent-mehr-asylgesuche-im-januar-eingereicht-66710895


Kriegsflüchtlinge in der Schweiz – Verdrängen des Traumas
Mehr als 114 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht – ein trauriger Rekord. Der Weg in die Sicherheit ist oft traumatisch. Als Tochter von Geflüchteten aus Sri Lanka geht «rec.»-Reporterin Sofika Yogarasa der Frage nach, wie sehr die Flucht die Betroffenen prägt.
https://www.srf.ch/play/tv/rec-/video/kriegsfluechtlinge-in-der-schweiz—verdraengen-des-traumas?urn=urn:srf:video:583bc138-9733-44f9-85a3-ac145e400245&aspectRatio=16_9


+++BELGIEN
Geflüchtete in Brüssel: Der Staat kümmert sich nicht
Geflüchtete müssen in Belgien auf der Straße leben. Längst kämpfen Anwält*innen landesweit für Unterkünfte und Verpflegung
Frauen ohne Papiere haben in Brüssel ein Hotel besetzt, weil sie sonst obdachlos wären. Längst kämpfen Anwält*innen landesweit für Unterkünfte und Verpflegung.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1180142.asylpolitik-gefluechtete-in-bruessel-der-staat-kuemmert-sich-nicht.html


+++EUROPA
Kontroverser Ex-Chef von Frontex: Er war Europas oberster Grenzschützer, nun wechselt er zu Marine Le Pen
Frankreichs extreme Rechte verbucht einen prominenten Zuzug für die Europawahlen: Fabrice Leggeri. Das ist denkwürdig, aber auch ziemlich kohärent.
https://www.derbund.ch/frankreich-ex-frontex-chef-leggeri-wechselt-zu-le-pen-partei-971440147614



nzz.ch 19.02.2024

Der frühere Frontex-Chef tritt bei der Europawahl für die Partei von Marine Le Pen an

Fabrice Leggeri stand bis 2022 an der Spitze der EU-Grenzschutzagentur, bevor er aufgrund schwerwiegender Vorwürfe gegen ihn zurücktrat. Nun will er gemeinsam mit dem Rassemblement national die Migrationspolitik in Europa gestalten.

Julia Monn, Paris

Der frühere Chef der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, kandidiert bei der Europawahl vom 9. Juni für das Rassemblement national (RN) von Marine Le Pen. Dies gaben Leggeri und die Partei am Wochenende bekannt. In einem exklusiven Interview mit dem französischen «Journal du Dimanche» erklärte der gebürtige Elsässer seinen Schulterschluss mit den Rechtspopulisten damit, dass das RN insbesondere in der europäischen Migrationspolitik einen konkreten Plan habe: «Gemeinsam wollen wir die migrantische Überflutung bekämpfen, die die Europäische Kommission und die Eurokraten nicht als Problem, sondern vielmehr als Projekt betrachten. Das weiss ich aus eigener Erfahrung», sagte Leggeri.

Die Partei habe ausserdem die Fähigkeit, ihren Plan auch umzusetzen, so der 55-Jährige. Das Rassemblement national liegt in neusten Umfragen für die Europawahlen mit knapp 10 Prozent Vorsprung auf die Renaissance-Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf dem Spitzenplatz. Sie käme derzeit auf einen Wähleranteil von rund 30 Prozent. Bei den Europawahlen 2019 erreichte das RN einen Stimmenanteil von rund 23 Prozent und verwies damit die Präsidentenpartei bereits damals auf den zweiten Platz.

Der ehemalige Frontex-Chef steht für die Europawahlen auf Listenplatz drei des Rassemblement national. Damit hat er sehr gute Aussichten, einen Sitz im Europaparlament in Strassburg zu ergattern. Die Liste wird angeführt von Jordan Bardella, dem Parteichef des RN.

Leggeri bleibt in Migrationspolitik bei seinen Überzeugungen

Die Entscheidung, in die Politik zu gehen, sei nur konsequent, erklärte Fabrice Leggeri im Interview mit dem «Journal du Dimanche». Nachdem er seinen Posten bei Frontex im April 2022 geräumt habe, sei ihm klar geworden, dass er in die Politik gehen müsse, um seine Überzeugungen zu verteidigen. «Persönliche Attacken und Druckversuche haben mich nur dabei bestärkt, dass ich mich in den Dienst der Franzosen stellen muss», sagte der Politiker.

Im April 2022 hatte Leggeri nach schweren Vorwürfen gegen ihn und einige Mitarbeiter die Leitung von Frontex, die er seit 2015 innegehabt hatte, zur Verfügung gestellt. Hintergrund waren insbesondere Ermittlungen zu illegalen Zurückweisungen von Migranten im Mittelmeer. Führungskräfte der in Warschau ansässigen EU-Agentur sollen absichtlich vertuscht haben, dass griechische Grenzschützer Flüchtlinge zurück aufs offene Mittelmeer brachten.

Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Aussengrenzen, sogenannte Pushbacks, sind nach internationalem Recht illegal. Nichtregierungsorganisationen werfen Frontex vor, die Rechte von Flüchtlingen nicht ausreichend zu schützen. Leggeri sei während seiner Amtszeit ein Hauptverantwortlicher dieser Praxis gewesen, heisst es.

Le Pen freut sich über das Insiderwissen

Leggeri kennt die Brüsseler Politik schon seit über 20 Jahren. Im Jahr 2000 wurde er zum Berater der Europäischen Kommission. Im Projekt «Management der EU-Aussengrenzen» war er für die Gründung von Frontex zuständig.

Marine Le Pen, die derzeit als Abgeordnete für das RN im französischen Parlament sitzt, zeigte sich erfreut über die Kandidatur des ehemaligen Frontex-Chefs. «Es ist sehr spannend, jemanden zu haben, der von innen heraus den Franzosen sagen kann, was vor sich geht», erklärte Le Pen gegenüber dem Fernsehsender LCI.

Weniger erfreut, aber kaum überrascht, äusserte sich derweil die politische Konkurrenz. «Seine Ankunft auf der Liste des Rassemblement national zeigt, wie die europäische Migrationspolitik in Richtung Chaos und Rassismus kippt. Aber ein anderer Weg ist möglich», schrieb Chloé Ridel, Sprecherin der französischen Sozialisten im Europaparlament, auf X. Der grüne Europaabgeordnete Damien Carême schrieb auf der Plattform, Leggeri habe bereits die Farbe und den Geschmack des RN gehabt, und die belgische Europaparlamentarierin Sophie in ’t Veld twitterte: «Weshalb bin ich nicht überrascht? Der ehemalige Chef von Frontex hat sich endlich als Rechtsextremist geoutet.»
(https://www.nzz.ch/international/europawahl-ex-frontex-chef-tritt-fuer-die-partei-von-marine-le-pen-an-ld.1814673)


+++GASSE
Kanton Solothurn: Anzahl Crack-Abhängiger steigt – Schweiz Aktuell
Im Kanton Solothurn such Behörden zusammen mit sozialen Organisationen und der Polizei Lösungen, um dem zunehmenden Konsum und den Folgen zu begegnen.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/kanton-solothurn-anzahl-crack-abhaengiger-steigt?urn=urn:srf:video:315e0556-1157-4dbe-98a4-eddc44366b4f
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/drogenszene-schweiz-crack-ist-auch-in-kleinstaedten-auf-dem-vormarsch



derbund.ch 19.02.2024

Wer zahlen soll, ist unklar: Obdachlose Jugendliche müssen um Notschlafstelle bangen

Die Zukunft der Berner Jugendnotschlafstelle Pluto ist ungewiss. Gleichzeitig schlafen immer mehr Menschen auf der Strasse. Eine Betroffene erzählt.

Marius Aschwanden

Als Mia (Name geändert) das erste Mal obdachlos wird, ist sie gerade mal 17 Jahre alt. Seit zwei Jahren lebte die Bernerin damals in einem Heim, dann wurde es ihr zu viel. Sie haute ab, ohne eine Ahnung zu haben, wohin.

Die kommenden zwei Wochen verbrachte sie im Freien. Unter Rutschbahnen und auf Pingpong-Tischen habe sie geschlafen, tagsüber manchmal auch in der Toilette der Unibibliothek. Dann ging sie in die Notschlafstelle Sleeper.

Dort harrte die Minderjährige zwei Monate zwischen Langzeit-Obdachlosen, Drogensüchtigen und zwei schizophrenen Frauen aus, bevor sie 18 Jahre alt wurde und in ein Programm für begleitetes Wohnen kam.

Vier Jahre später, im September 2022, stand Mia wieder am selben Punkt. Damals wohnte sie in einer WG, ihr Mitbewohner verhielt sich ihr gegenüber aggressiv und übergriffig. Sie musste weg. Die Frage war, wohin?

Fünf Monate vorher eröffnete an der Studerstrasse 44 in Bern eine Institution mit dem Namen «Pluto». Im Rahmen eines Pilotprojekts finden dort seither Jugendliche zwischen 14 und 23 Jahren ein temporäres Dach über dem Kopf. Es ist neben dem Nemo in Zürich erst die zweite Notschlafstelle explizit für Jugendliche in der Schweiz.

Knapp ein Dutzend Nächte verbrachte Mia vor eineinhalb Jahren dort. «Im Sleeper hatte ich Angst, dass ich beklaut werde. Hier war es voll okay. Es war wirklich ein Schutzraum für mich», erinnert sich die heute 22-Jährige an diese Zeit.

Erschreckend viele obdachlose Jugendliche

Wie Mia geht es einer erschreckend grossen Zahl von Jugendlichen. Ursprünglich war das Pluto auf sechs Schlafplätze ausgelegt. «Schon nach zwei oder drei Monaten haben wir ein Zweierzimmer in ein Dreierzimmer ausgebaut, weil die Nachfrage derart gross war», sagt Robert Sans vom Betreiberverein «Rêves sûrs – Sichere Träume».

Seither sei die Nachfrage stetig weiter gestiegen. Häufig sind die sieben Betten komplett belegt, regelmässig komme es vor, dass Leute weitervermittelt werden müssten. Im ersten Betriebsjahr wurden 2229 Übernachtungen von 150 verschiedenen Menschen verzeichnet, durchschnittlich nutzten mehr als sechs junge Personen pro Nacht das Angebot.

Das Haus an der Studerstrasse hat zwei Einer-, ein Zweier- und ein Dreierzimmer. Im Erdgeschoss deponieren die Jugendlichen ihre Habseligkeiten, es stehen ein paar Koffern herum sowie eine Toilettenbox für eine Katze. «Oft kommen die Nutzerinnen und Nutzer aber lediglich mit dem hierher, was sie gerade anhaben», sagt Sans.

Im ersten Stock gibt es ein gemütliches Wohn- und Esszimmer sowie eine Küche. Die Betten werden jeden Abend neu verteilt, tagsüber hat das Pluto geschlossen. In der Nacht sind zwei Betreuende anwesend.

Die Gründe, weshalb Jugendliche kein Zuhause mehr haben, sind vielfältig. Gemäss Robert Sans kommt rund ein Drittel der Pluto-Gäste wegen Gewalt in der Herkunftsfamilie oder in Wohngemeinschaften in die Notschlafstelle. Ein weiteres Drittel sei von akuter Wohnungslosigkeit ohne Gewaltkontext betroffen, etwa weil die Wohnung gekündigt wurde. Andere Personen würden ein Bett benötigen, weil sie aus Kollektivunterkünften weggewiesen wurden oder aus Institutionen abgehauen sind.

Heime, WGs und Notschlafstellen

Bei Mia haben die Probleme bereits früh begonnen. Ihre Eltern haben sich getrennt, sie wuchs zeitweise bei ihrer Mutter und ihrem Vater auf. Doch sowohl er als auch sie waren gewalttätig. Das ging so weit, dass Mia mit 16 Jahren fremdplatziert wurde und in ein Heim kam. Den Eltern wurde kurz darauf die Obhut entzogen.

Doch auch im Heim machte Mia keine guten Erfahrungen, genauso wenig mit einigen ihrer Betreuungspersonen. Das führte letztlich zu einer Kaskade von Obdachlosigkeit, Übernachtungen bei Freundinnen, begleitetem Wohnen, Wohngemeinschaften und Notschlafstellen. Eine prekäre Wohnsituation folgte auf die nächste.

Die Nachfrage nach Notschlafplätzen ist aber nicht nur unter Jugendlichen gross. In der Stadt Bern sind auch immer mehr Erwachsene unterwegs, die ein Bett suchen – mitunter vergeblich. Alle insgesamt 87 Plätze im Passantenheim sowie den Notschlafstellen im Sleeper und im Pluto waren im Winter 2022/2023 in manchen Nächten komplett belegt. Gemäss der Berner Verwaltung hätte es zeitweise 40 weitere Notschlafplätze gebraucht, um die Nachfrage zu decken.

Deshalb hat der Gemeinderat im Herbst eine Strategie Obdach verabschiedet, die sowohl kurzfristige wie auch langfristige Massnahmen beinhaltet. Auf diesen Winter hin konnte beispielsweise bereits die Anzahl Plätze in begleiteten und betreuten Wohnungen von 211 auf 276 erhöht werden. Dies habe die Situation ein wenig entspannt, heisst es bei der Stadt.

Geplant ist zudem, mehr saisonale Notschlafplätze zu schaffen sowie eine Notschlafstelle für Frauen aufzubauen. Das Problem dabei: die Finanzierung. Die Stadt möchte, dass sich der Kanton daran beteiligt. Dort aber heisst es, dass die Stadt diesbezüglich noch nicht auf den Kanton zugekommen sei.

Unklare Zuständigkeit zwischen Stadt und Kanton

Auch beim Pluto ist unklar, wie es langfristig weitergeht, denn die Finanzierung ist nur für die ersten drei Jahre gesichert. Die 2 Millionen Franken stammen von kirchlichen Einrichtungen, zahlreichen Stiftungen und privaten Spenden. In einem Jahr aber läuft das Pilotprojekt aus.

Für die Jugendlichen sind die Übernachtungen kostenlos. Und das soll auch so bleiben. Denn nur so könne die Niederschwelligkeit garantiert werden, so Elias Weingartner vom Pluto-Team. Ein weiteres Problem sei die Tatsache, dass viele der Nutzerinnen und Nutzer noch bei keinem Sozialdienst angemeldet seien und somit keine Kostengutsprache hätten.

Es stellt sich somit die Frage, woher künftig das Geld kommen soll. «Wir sind daran, dies gemeinsam mit der Stadt und dem Kanton zu klären», sagt Robert Sans. Allerdings scheinen sich diese die heisse Kartoffel hin- und herzuschieben.

Klar ist: Um in den Genuss von öffentlichen Geldern zu kommen, muss der Bedarf nachgewiesen werden. Und ausgerechnet daran zweifelte bisher die Stadt Bern. Es gebe bereits andere Institutionen, die in diesem Bereich tätig seien, hiess es etwa vor einem Jahr beim Berner Sozialamt. Die Rede war gar davon, dass eine Parallelstruktur aufgebaut worden sei.

Und heute? Angesichts der Nutzungszahlen sind die Zweifel beim städtischen Sozialamt verflogen. «Wir sind zum Schluss gelangt, dass das Angebot von Pluto sinnvoll und nötig ist», sagt Leiterin Claudia Hänzi. Die Stadt unterstütze deshalb die Trägerschaft darin, beim Kanton ein Gesuch um definitive Anerkennung des Angebotes zu stellen. Es sei am Kanton, darüber zu entscheiden, ob das Angebot künftig mit öffentlichen Mitteln finanziert werden soll.

Dort aber heisst es, dass die Städte dafür zuständig seien, Leistungsverträge mit Notschlafstellen abzuschliessen. Liege ein solcher vor, könne man beim Kanton lediglich einen Antrag um eine Mitfinanzierung via Lastenausgleich stellen. Im Fall des Pluto sei ein solcher zwar eingegangen. Weil aber noch «einige relevante Fragen» etwa betreffend Trägerschaft geklärt werden müssten, sei noch kein Entscheid getroffen worden.

Wie es weitergeht, weiss Mia nicht

«Die künftige Finanzierung wird sicherlich eine Herausforderung», ist sich Sans bewusst. «Aber wir haben die Zahlen auf unserer Seite. Uns braucht es.» Er und die die anderen Mitglieder des Vereins sind davon überzeugt, dass es für junge Menschen, die zum ersten Mal von Obdachlosigkeit betroffen sind, einen speziell geschützten Rahmen braucht.

Es sei ungünstig, wenn sie zusammen mit Personen untergebracht werden, die bereits eine zehnjährige Suchtkarriere mitbringen würden. «In einem solchen Rahmen kommen sofort ganz andere Themen auf den Tisch. Diese mit den Problematiken von Jugendlichen zu vermischen, finden wir nicht gut», so Sans.

Mia hat nach ihrem Aufenthalt im Pluto eine Anschlusslösung in einer betreuten Wohnung gefunden. Allerdings war auch das nicht von Dauer. In den letzten eineinhalb Jahren ist sie neunmal umgezogen.

Zeit, sich um andere Dinge in ihrem Leben zu kümmern, habe sie kaum. Die obligatorische Schule hat Mia zwar abgeschlossen, das Gymnasium jedoch abgebrochen. Heute lebt sie von der Sozialhilfe. Die Matura möchte sie aber irgendwann nachholen. Und wieder Klavierunterricht nehmen.

«Doch zuerst brauche ich eine sichere Wohnung», sagt sie. In der aktuellen WG kann sie nur noch bis Ende Monat bleiben. Was danach kommt, weiss Mia noch nicht.
(https://www.derbund.ch/obdachlose-jugendliche-in-bern-die-notschlafstelle-pluto-ist-regelmaessig-ueberbelegt-519247335911)


+++PSYCHIATRIE
Living Museum soll psychisch erkrankten Menschen helfen
Malen, nähen, töpfern – kreatives Schaffen soll Menschen mit psychischen Problemen dabei helfen, ihren Alltag zu meistern. Das Konzept des Living Museum wurde vor 40 Jahren in New York entwickelt, und nun gibt es das Angebot auch in Bern. Ins Leben gerufen von einem nicht gewinnorientierten Verein. (ab 1421)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/living-museum-soll-psychisch-erkrankten-menschen-helfen?id=12541694
-> https://livingmuseumbern.ch/


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Rassistische Morde in Hanau: Polizei und Justiz sind keine Verbündeten!
Wandbild der OA Zürich in Erinnerung an das rassistische Attentat
Für migrantische Menschen stellen die Cops eine alltägliche Gefahr dar. Sie schikanieren, drangsalieren, prügeln und töten mit rassistischer Motivation – und die Justiz tut alles, um die Täter:innen in Uniform zu beschützen. Auch beim Attentat von Hanau bewies die Polizei ihren Rassismus.
https://barrikade.info/article/6314


Trotz Verjährung wird eine Kunstinstallation zerstört – RaBe-Info 19.02.2024
Vor zwei Jahren wurden im «Kill-Erdoğan-Prozess» vier Personen vom Vorwurf der öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit freigesprochen. Das Verfahren sorgte damals für viel Aufsehen. Aktuell ist das Urteil im Berufungsprozess vor dem Berner Obergericht hängig.
Damals vor zwei Jahren präsentierten zwei Aktivist*innen zum Prozessauftakt eine Kunstinstallation auf der unter anderem die Worte «Killer Erdoğan» zu lesen waren. Die Kantonspolizei beschlagnahmte das Holzplakat sofort und die Bundesanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen Beleidigung eines Fremden Staates auf.
https://rabe.ch/2024/02/19/trotz-verjaehrung-wird-eine-kunstinstallation-zerstoert/


Steine und Stöcke im Gepäck: Wieder geraten Eritreer aneinander – wie weiter?
Am Wochenende standen sich im Kanton Freiburg regimetreue und -kritische Eritreer gegenüber. Rund 100 Polizeikräfte waren im Einsatz. Der Vorfall zeigt: Der Konflikt schwelt weiter.
https://www.derbund.ch/steine-und-stoecke-im-gepaeck-wieder-geraten-eritreer-aneinander-409176034143


+++KNAST
nzz.ch 19.02.2024

Tessiner Gefängnisse sind voll – weil der Kanton eine Transitzone für Drogenkuriere ist

Im Grenzkanton Tessin nehmen die Straftaten zu, die Gefängnisse sind am Anschlag. Die Hoffnungen liegen in der Westschweiz. Doch eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.

Peter Jankovsky, Bellinzona

Die Tessiner Justiz hat ein akutes Problem: Sie findet kaum noch Platz für ihre Angeklagten und vor allem Verurteilten. Der Südkanton verfügt über drei Haftanstalten, die sich alle in der Agglomeration Lugano befinden. Derzeit sind die 159 Plätze im regulären Gefängnis La Stampa voll belegt, ebenso die 88 Plätze im Untersuchungsgefängnis La Farera. Von den 45 Plätzen im offenen Strafvollzug Lo Stampino sind nur 6 frei.

Ende Dezember sah die Situation noch anders aus. Damals waren im Tessin erst 83 Prozent der insgesamt 292 Gefängnisplätze belegt. Dies geht aus der Statistik des Schweizerischen Kompetenzzentrums für den Justizvollzug hervor. Danach lag die Auslastung im Südkanton im vergangenen Jahr zwischen 80 und 88 Prozent, während sie gesamtschweizerisch zwischen 89 und 94 Prozent lag.

Die Situation im Süden hat sich also im letzten Monat massiv zugespitzt. Die Tessiner Gefängnisse sind voll. Zu denken gibt, dass die Behörden darin keine vorübergehende Spitze sehen und auch keine Trendwende erwarten. Es häuften sich ganz bestimmte Arten von Straftaten, erklärt der Regierungsrat und Justizdirektor Norman Gobbi. Dies liege daran, dass der Grenzkanton Tessin die wichtigste Transitregion zwischen Nord und Süd sei.

Damit meint Gobbi vor allem folgende drei Deliktarten: Drogenhandel, Einbrüche im Grenzgebiet und Straftaten im Zusammenhang mit der Migration. In diesen Bereichen ist es zu breit angelegten Polizeiaktionen gekommen, die eine grössere Zahl von Personen hinter Gitter gebracht haben. Alles in allem ist die Kriminalität aber nicht gestiegen. Stattdessen werden eher Straftaten begangen, die zwingend mit einer Gefängnisstrafe verbunden sind.

Spitzenreiter sind die Drogendelikte. Derzeit sitzt rund die Hälfte der im Tessin inhaftierten Personen wegen Handels oder Schmuggels von Drogen ein. Oder wegen der Beschaffungskriminalität, die sich auch in Überfällen auf Tankstellen äussert. Das Problem sei geografisch bedingt, sagt Andreotti, Leiterin des kantonalen Justizamtes. Steige der Drogenkonsum in den Grossagglomerationen nördlich und südlich des Tessins, würden auch mehr Drogen im Kanton selber auftauchen. «Das Tessin ist eine sehr stark genutzte Transitzone für Drogenkuriere», so Andreotti.

Häftlingsverlegung in die französische Schweiz

Die letzten sechs freien Gefängnisplätze befinden sich alle im offenen Vollzug und werden wohl bald besetzt sein. Da auch das Untersuchungsgefängnis voll belegt ist, könnte man noch einige Polizeizellen in Anspruch nehmen, aber nur für kurze Zeit. Eine Lösung könnte in der Mitgliedschaft des Tessins beim Strafvollzugskonkordat der lateinischen Kantone liegen. Das heisst, bei Voll- oder Überbelegung dürfen einzelne Häftlinge in Anstalten der französischen Schweiz gebracht werden.

Der Haken: Auch die Gefängnisse der Romandie sind am Anschlag. Für eine Häftlingsverlegung aus dem Tessin müssten normkonforme Haftplätze zur Verfügung stehen, sagt der Sekretär des lateinischen Konkordats Blaise Péquignot. Aber er bestätigt, dass die Gefängnisse dieses Konkordats insgesamt zur Überbelegung tendieren. Das zeigt auch die Statistik: Ende Dezember waren die Haftanstalten der Romandie und des Tessins zusammen zu 101 Prozent ausgelastet. Einige Gefängnisse des Kantons Genf waren im Schnitt mit 109 Prozent und einige des Waadtlandes mit 115 Prozent deutlich überfüllt.

Daher sollte sich das Tessin eher an die Deutschschweiz richten, was schon in der letzten Zeit der Fall war. Einweisungen sind laut Stefan Weiss, dem Sekretär der Deutschschweizer Strafvollzugskonkordate, im Einzelfall möglich. Jedoch bestehen einige bürokratische Schwierigkeiten, zum Beispiel die unterschiedliche Landessprache im Aktenverkehr. Ausserdem sind gemäss Weiss derzeit auch die Deutschschweizer Gefängnisse stark ausgelastet. Noch Ende Dezember wies die Statistik für die Deutschschweiz insgesamt eine Belegung von 87 Prozent aus. In bestimmten Haftanstalten einzelner Deutschschweizer Kantone war die Auslastung aber 100 Prozent oder höher.

Rekrutierung von Personal aus anderen Kantonen

Um die überfüllten Tessiner Gefängnisse schnell zu entlasten, gelangt in letzter Zeit bei leichteren Fällen vermehrt der Hausarrest mit elektronischem Fussband zur Anwendung. Zudem wird die Einführung von Haftcontainern geprüft, wie sie in einigen Deutschschweizer Gefängnissen zum Einsatz kommen.

Die Erfahrungen mit solchen Containern sind allerdings unterschiedlich. Ihr Einsatz muss laut dem Konkordatssekretär Weiss immer im Einzelfall genau geprüft werden, um den tatsächlichen Nutzen und eine ausreichende Sicherheit im Verhältnis zu den hohen Kosten zu erkennen. Das Tessiner Justizdepartement plant deshalb, eine solche Anstalt zu besuchen, um die Machbarkeit und die maximal mögliche Platzzahl abzuklären. Auch dies wäre jedoch nur eine Übergangslösung.

Schwierigkeiten hat das Tessin auch mit dem Gefängnispersonal im Bereich der Untersuchungshaft. Während früher ein Aufseher durchschnittlich 15 Insassen betreute, sind es heute doppelt so viele. Die Behörden erwägen deshalb, ehemalige Aufseher zu rekrutieren und geschultes Personal aus anderen Kantonen anzustellen.
(https://www.nzz.ch/schweiz/tessiner-gefaengnisse-sind-voll-vor-allem-mit-drogendelinquenten-ld.1814370)


+++POLICE BE
Regierungsratsantwort auf M 224-2023 Baumann (Münsingen, EDU) Machtmissbrauch durch Medien-Konzern: Kantonsangestellte schützen.
https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=87d86b12eb8a490d8bd188c70730cbb5
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/living-museum-soll-psychisch-erkrankten-menschen-helfen?id=12541694
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/regierungsrat-prueft-vorgehen-gegen-medien-nach-polizistenfreispruch-156323288
-> https://www.watson.ch/schweiz/bern/717481159-berner-regierungsrat-prueft-vorgehen-gegen-medien-nach-polizistenfreispruch


+++POLICE NE
Familie des Geiselnehmers von Yverdon-les-Bains erstattet Anzeige – Schweiz Aktuell
Er habe es nicht verdient zu sterben: Die Familie des Geiselnehmers von Yverdon-les-Bains hat eine Anzeige gegen die Waadtländer Polizei eingereicht.
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/familie-des-geiselnehmers-von-yverdon-les-bains-erstattet-anzeige?urn=urn:srf:video:b21f7cba-7312-4f40-9c75-c85b3dead0af



nzz.ch 19.02.2024

Diesen wirren Migrationsparcours hat der Geiselnehmer von Yverdon zurückgelegt

Die Tat hat die Schweiz aufgewühlt. Nun reicht die Familie des iranischen Asylbewerbers Strafanzeige gegen die Polizei ein. Eine Annäherung an die letzten Monate seines Lebens.

Antonio Fumagalli, Katharina Bracher

Der Fall hat die Schweiz erschüttert – nun nimmt er eine neue Wendung: Die Familie von Qadr B., der am 8. Februar während rund vier Stunden in einem Waadtländer Regionalzug 13 Personen in Geiselhaft hielt, reicht Strafanzeige ein. Diese richtet sich gegen «alle Personen, die auf unerlaubte Weise zum Tod» ihres Angehörigen beigetragen hätten, berichtet das Westschweizer Fernsehen RTS. Der 32-jährige Iraner wurde von der Polizei erschossen, nachdem sie ihn nicht mit einem Taser hatte stoppen können.

Die Familie, die in einem Dorf im kurdischen Gebiet an der iranisch-irakischen Grenze lebt, heisst die Geiselnahme nicht gut. «Aber er hat es nicht verdient, getötet zu werden. Es ist eine Ungerechtigkeit», sagt sein jüngerer Bruder Vafa B. gegenüber den RTS-Reportern. Allerdings ist die Schussabgabe der Polizei ohnehin Gegenstand einer Untersuchung. Ob der Schütze korrekt gehandelt hat, wäre also auch ohne die Anzeige der Familie abgeklärt worden.

Wie ist es dazu gekommen, dass der psychisch labile Asylbewerber zur Tat schritt? Hätte das Drama, das den Alltag der ehemaligen Geiseln weiterhin beeinträchtigt, verhindert werden können? Die NZZ hat sich die turbulente Vergangenheit des Mannes angeschaut – und dabei Bemerkenswertes gefunden.

Im Hotel taucht er nicht auf

Qadr B. reist am 1. August 2022 in die Schweiz ein. Er stellt ein Asylgesuch im Bundesasylzentrum von Boudry und wird am 11. November dem Kanton Genf zugeteilt. Dort erhält er den Ausweis N. Aufgrund der hohen Asylzahlen sind die Kantone in jenen Wochen überlastet. Der Iraner wird nach einer ersten Abklärung vorübergehend in einem Hotel einquartiert.

Doch dort taucht er am 16. November 2022 entgegen der Vereinbarung nicht auf. Als er wieder auffindbar ist, klären die Genfer Behörden seinen psychischen Gesundheitszustand ab. Der Befund ist besorgniserregend: Die Fachleute stellen «paranoide Tendenzen» fest, der Mann muss medizinisch betreut werden. Im Februar 2023 schliesslich ist die Notlage derart akut, dass ihn die Ärzte gegen seinen Willen in eine Genfer Psychiatrieklinik einweisen. Wie lange er dort bleiben muss, ist nicht gesichert.

Klar ist hingegen, dass er trotz medizinischer Betreuung plötzlich untertaucht. Im Juni 2023 sei er «administrativ verschwunden», bestätigt das Genfer Sozialamt auf Anfrage. Der Kanton informiert das Staatssekretariat für Migration (SEM) in Bern und stellt die finanzielle Unterstützung an ihn ein.

Fröhliche Bilder auf Social Media

Wohin Qadr B. in jenem Sommer gezogen ist, zeigt ein Blick in die sozialen Netzwerke. Auf Plattformen wie Tiktok, Instagram und Facebook war er äusserst aktiv. Dort präsentiert er sich als fröhlichen, lebensbejahenden Menschen. «Pass life with laughter» («Verbringe das Leben mit Lachen») lautet der Leitspruch seines Profils auf Instagram.

Insgesamt sind es unverfängliche Zitate und Bilder, die er von sich preisgibt. Weder zeigt sich darin ein Hang zu Gewalt noch eine radikale Gesinnung. Abgesehen von einigen Posts, welche die Proteste in Iran nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini gutheissen, gibt er seiner politischen Haltung keinen Raum.

Dafür finden sich auf Social Media zahlreiche Zeugnisse eines regelrechten Migrationsparcours. Die fröhlich wirkenden Fotos und Videos sind offensichtlich für die Daheimgebliebenen bestimmt und zeigen einen gepflegt aussehenden jungen Mann, der sich als souveräner Reisender gibt.

Ein Bild vom Herbst 2021 zeugt davon, wie er sich mutmasslich in der Türkei aufhält. Es ist vermutlich das erste Land, das er nach seiner Abreise aus Iran durchquert. Im Dezember 2021 trifft er gemäss Recherchen in Griechenland ein und bleibt dort über ein halbes Jahr. Im Sommer 2022 posiert er in Athen vor der Nationalbibliothek. Ob er in Griechenland auch ein Asylgesuch gestellt hat, ist offen – es ist jedoch unwahrscheinlich. Danach geht die Reise via Nordmazedonien, Serbien, Bosnien, Kroatien, Slowenien und Italien bis in die Schweiz weiter.

Im Dezember 2022 steht er in Genf auf einer Strasse und freut sich über das Schneetreiben. Immer wieder postet er Bilder von sich und seinen Reisegefährten, aber auch ältere Aufnahmen aus seiner Heimat, die Männer in traditioneller kurdischer Kleidung zeigen.

Was machte er in Birmingham?

In jenem Sommer 2023, als die Genfer Migrationsbehörden seine Spur verlieren, entdeckt man auf Instagram und Tiktok Bilder aus dem englischen Birmingham. Wie lange hielt er sich dort auf? Und vor allem: Warum blieb er nicht in Grossbritannien, das seit dem Brexit Asylbewerber – gemäss Dublin-Abkommen – nicht mehr an frühere Aufenthaltsländer zurückweisen kann? Die Fragen bleiben ungeklärt.

Am 8. September 2023 taucht er jedenfalls plötzlich wieder in Genf auf. Sein Dossier wird reaktiviert – doch wiederum bleibt Qadr B. nicht lange im System. Bereits am 20. Oktober erklärt der Kanton ihn erneut für verschwunden. Wohin geht er? Die Social Media geben dazu keine Hinweise.

RTS berichtet, gestützt auf Aussagen von Bekannten von ihm, dass er via Deutschland nach Polen gelangt sei. Eine Person erzählt gar, dass er in die Ukraine habe weiterziehen wollen, um dort «zu kämpfen und zu sterben». In der Tat erwähnt Qadr B. die Ukraine während der Geiselnahme. Dies ist auf einem Video zu hören, das ein Passagier aufgenommen hat.

Medizinische Hilfe abgelehnt

Ob er von den polnischen Behörden aufgegriffen und an die Schweiz zurückgewiesen wurde, ist unklar. Jedenfalls meldet er sich am 24. Januar dieses Jahres wieder bei den Genfer Behörden. Der Mann wird in der Kollektivunterkunft Palexpo einquartiert. Erneut fällt er dort negativ auf, gemäss RTS erleidet er in der Nacht vom 6. auf den 7. Februar eine nervliche Krise und wirft einen Tisch um.

Doch eine Person gegen ihren Willen psychiatrisch zu betreuen, ist nur in Ausnahmefällen möglich – etwa dann, wenn der Patient sein eigenes oder das Leben anderer gefährdet. Gemäss NZZ-Recherchen erklärt er am 7. Februar, also am Tag vor der Tat, gegenüber den Behörden, dass er keine medizinische Hilfe benötige. Er habe eine schwierige Zeit durchlebt, die nun aber hinter ihm sei.

Am 8. Februar schliesslich veröffentlicht der Iraner eine Serie von Bildern, die ihn mit einem etwa zehnjährigen, dunkelhaarigen Buben zeigen. Laut Kommentaren unter dem Eintrag handelt es sich angeblich um seinen Sohn.

Frau trifft zu spät ein

Weitere Fragen bleiben offen, so etwa seine «Beziehung» zu einer SEM-Mitarbeiterin, die seinen Fall betreute. Trieb ihn die von ihr nicht erwiderte Zuneigung in den Abgrund? Das SEM äussert sich dazu nicht. Dem Vernehmen nach ging die Frau gar juristisch gegen Qadr B. vor. Wie die Waadtländer Behörden bestätigen, verlangte während der Geiselnahme im Zug, die Frau zu sehen – es war seine einzige Forderung. Gemäss Aussage einer Geisel reist sie am späten Abend tatsächlich an den Tatort, wie RTS berichtet. Sie will offenbar mithelfen, die äusserst angespannte Situation zu deeskalieren.

Doch als sie in Essert-sous-Champvent bei Yverdon eintrifft, ist es zu spät. Als sich der Geiselnehmer kurz von den Opfern distanziert, nutzt die Einsatzgruppe die Gelegenheit – und setzt der Tat mit einem Pistolenschuss ein Ende.

Auf Qadr B.s Instagram-Profil posten seine Bekannten weiter. Neben Beileidsbekundungen für seine Familie sind verschiedene Anschuldigungen an die Adresse der Schweizer Behörden zu lesen: «Sie haben diesen armen Mann zu Unrecht getötet», schreibt jemand. Ein anderer bezeichnet ihn als «unschuldig hingerichtet». Die Untersuchung der Waadtländer Staatsanwaltschaft dauert an.
(https://www.nzz.ch/schweiz/diesen-wirren-migrationsparcours-hat-der-geiselnehmer-von-yverdon-zurueckgelegt-ld.1814711)


++++RASSISMUS
ANTIRA-WOCHENSCHAU: Frontex mit «Schweren Herzen», Fabrice Leggeri mit Ultra-Rechten, Solidarität mit Wilson A.
https://antira.org/2024/02/19/frontex-mit-schweren-herzen-fabrice-leggerie-mit-ultra-rechten-solidaritaet-mit-wilson-a/


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
«Willkür-Werkzeug» der Politik: Nein-Komitee warnt vor dringlicher Gesetzgebung im Kanton Bern
Ein neu formiertes Komitee bekämpft die dringliche Gesetzgebung, über die im Kanton Bern in zwei Wochen abgestimmt wird.
«Willkür-Werkzeug» der PolitikNein-Komitee warnt vor dringlicher Gesetzgebung im Kanton Bern
Ein neu formiertes Komitee bekämpft die dringliche Gesetzgebung, über die im Kanton Bern in zwei Wochen abgestimmt wird.


+++FUNDIS
Unheilige Allianzen: Gefährliches Netz radikaler Abtreibungsgegner
Internationale Geldgeber, „Kreuzzüge für die Familie“ und Medikamente unter der Hand – wie radikale Abtreibungsgegner Einfluss auf die Gesellschaft nehmen wollen zeigt „Die Spur“.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/abtreibung-gegner-marsch-leben-netzwerk-afd-100.html


+++HISTORY
Reinigung und Unterhalt des Kindlifresserbrunnens
Am 25. Dezember 2023 haben Unbekannte den Kindlifresserbrunnen auf dem Kornhausplatz in Bern mit roter Farbe übergossen. Die Stadt hat Strafanzeige erstattet. Weil die Farbe nicht mit einfachen Mitteln entfernt werden konnte, musste ein für diese Arbeiten spezialisiertes Unternehmen mit der Reinigung beauftragt werden. Neben der Reinigung wird gleichzeitig ein anstehender Unterhalt ausgeführt. Die Arbeiten sind temperaturabhängig und können nun ausgeführt werden. Sie beginnen mit dem Aufstellen des Gerüstes am Dienstag, 20. Februar 2024, und dauern voraussichtlich eine Woche.
https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/reinigung-und-unterhalt-des-kindlifresserbrunnens
-> https://www.derbund.ch/nach-farbanschlag-stadt-bern-reinigt-kindlifresserbrunnen-990297843208
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/ab-dienstag-wird-die-farbe-vom-kindlifresserbrunnen-geschrubbt-156320746
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/stadt-bern-reinigt-verunstalteten-kindlifresserbrunnen-66710773
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/vandalismus-in-bern-unbeannte-verunstalteten-kindlifresserbrunnen-id19448544.html


Anschlag in Hanau: Alte Fehler und neues Erinnern – Rendez-vous
Vor vier Jahren ermordete ein Rechtsterrorist neun Personen mit Migrationsgeschichte in der hessischen Stadt Hanau. Nicht nur das Attentat, sondern auch das Verhalten der Behörden belasten die Hinterbliebenen bis heute.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/anschlag-in-hanau-alte-fehler-und-neues-erinnern?partId=12541535
-> https://twitter.com/BaselBlock/status/1759471107319472190
-> https://www.zeit.de/politik/2024-02/anschlag-hanau-opfer-angehoerige-nachrichtenpodcast
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1180091.gedenken-anschlag-in-hanau-staat-schuetzt-uns-nicht-gegen-rechten-terror.html


Kanton Zürich soll Adoptierte bei der Herkunftssuche unterstützen
Adoptierte Kinder haben es nicht immer leicht, ihre Wurzeln zu finden. Oft fehlen wichtige Unterlagen aus den Herkunftsländern. Auf dieser Suche sollen die Betroffenen nun besser unterstützt werden. Das hat der Zürcher Kantonsrat entschieden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/kanton-zuerich-soll-adoptierte-bei-der-herkunftssuche-unterstuetzen?id=12541640
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/illegale-adoptionen-kanton-zuerich-will-betroffenen-helfen-00232444/
-> https://www.tagesanzeiger.ch/zuercher-kantonsrat-fuer-unterstuetzung-adoptierte-sollen-bei-der-herkunftssuche-mehr-hilfe-erhalten-890175732413



nzz.ch 19.02.2024

Illegale Adoptionen im Ausland: Kritik am Kanton Zürich wegen mangelnder Unterstützung von Betroffenen bei der Suche nach ihrer Herkunft

Der Regierungsrat will erst über weitere Schritte entscheiden, wenn eine neue Studie zu den Umständen der Adoptionen vorliegt.

Stefan Hotz

In den 1970er bis 1990er Jahren haben Schweizerinnen und Schweizer Tausende von Kindern im Ausland adoptiert. Oft ging es dabei nicht mit rechten Dingen zu. So lautet das Resultat einer Studie, die der Bund bei der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Auftrag gegeben hatte und letzten Dezember veröffentlichte.

Schon länger hatte es Hinweise über illegale Adoptionen aus dem damaligen Bürgerkriegsland Sri Lanka gegeben. Die Untersuchung der ZHAW aufgrund von Unterlagen im Bundesarchiv zeigte aber, dass das Ausmass weit grösser war als zunächst angenommen. So fanden sich Hinweise auf Adoptionen aus zehn weiteren Ländern in Asien, Lateinamerika sowie Rumänien.

Die Behörden gingen laut den Autorinnen unhinterfragt davon aus, dass es den Kindern in der Schweiz besser gehe als in ihrem Herkunftsland. Die Interessen der adoptionswilligen Eltern in der Schweiz wurden höher gewichtet als das Recht der Kinder nach Klarheit, spätestens als Erwachsene zu erfahren, woher sie kommen und wer ihre Eltern und Geschwister sind.

Die Suche nach den eigenen Wurzeln kann belastend und schmerzhaft sein. Oft fehlen Hinweise, weil Unterlagen gefälscht oder vernichtet wurden. Der Bundesrat bedauerte Ende letzten Jahres, dass die Behörden damals ihre Verantwortung gegenüber den Kindern und ihren Familien nur unzureichend wahrgenommen haben. Die Unterstützung der Betroffenen bei der Herkunftssuche sei Sache der Kantone.

Vorerst keine Kostenbeteiligung

Jetzt hat das Thema Zürich erreicht. Die Regierung publizierte am Montag im Kantonsrat mündlich die Antworten auf eine dringliche Interpellation, wobei Regierungspräsident Mario Fehr (parteilos) die zuständige, aber abwesende Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte) vertrat. Die Stellungnahme fiel angesichts des emotionalen Themas sehr nüchtern und juristisch aus.

Die Regierung erklärte, dass für Abklärungen zur Herkunft im Amt für Jugend und Berufsberatung eine Stelle geschaffen worden sei, zu der ein Kontaktformular auf dessen Website führe. Auch unterstütze der Kanton Zürich Organisationen wie den Verein «Back to the Roots» finanziell. Die Zürcher Praxis entspreche den Empfehlungen der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren.

Die Quellensuche im kantonalen Staatsarchiv sei kostenfrei, schreibt die Regierung. Das allerdings gilt dort grundsätzlich für den Informationszugang. Weitere Kosten wie DNA-Analysen oder eine Reise ins Herkunftsland müssten suchende Personen selber übernehmen. Über weitere Schritte will der Regierungsrat erst entscheiden aufgrund der Ergebnisse einer 2021 von den Kantonen Zürich und Thurgau gemeinsam in Auftrag gegebenen Studie. Sie soll im Herbst dieses Jahres vorliegen.

Die Mitte-links-Parteien, welche die Interpellation eingereicht hatten, reagierten unzufrieden. Auf den Kanton Zürich entfallen vermutlich am meisten Adoptionen im Ausland. Die Regierung selber schrieb in einer früheren Stellungnahme von einem Fünftel aller Fälle in der Schweiz.

Aus der Sicht der Betroffenen sei die Haltung in einem Wort als «ambiti0nslos» zu bezeichnen, sagte die Erstunterzeichnerin Sibylle Marti (SP, Zürich). Der Regierungsrat habe offenbar das Ausmass des Problems noch nicht erfasst. Heute wisse man, dass unrechtmässige Praktiken bei Auslandadoptionen keine Einzelfälle darstellten, sondern die Regel gewesen seien.

Bei rechtswidrigen Adoptionen reichten die kantonalen Strukturen nicht aus. Oft fehlten Angaben oder seitens der Herkunftsländer würden falsche Auskünfte erteilt, sagte die Co-Präsidentin der SP-Fraktion. Deshalb brauche es oft die Hilfe von Personen vor Ort. Ausserdem hätten zahlreiche Betroffene aufgrund ihrer Erfahrungen kein Vertrauen in die Behörden, was verständlich sei.

Dass Zürich sich an die Empfehlungen anderer Institutionen halte, sei das Minimalprogramm, das man erwarten dürfe, sagte Marti. Eine umfassende historische Aufarbeitung der Vorgänge auf der Ebene der Kantone sei von grosser Bedeutung, weil sie zu einer gesellschaftlichen Anerkennung des erlittenen Unrechts beitrage; das sei als Teil der Wiedergutmachung wichtig.

Wie Marti erwarten weitere Sprecherinnen im Rat eine Entschuldigung der damals zuständigen staatlichen Stellen. Das Engagement des Kantons Zürich sei sehr bescheiden, sagte Silvia Rigoni (Grüne, Zürich). Es brauche eine proaktive Information über die Unterstützung bei der Suche nach der eigenen Herkunft und eine Kostenbeteiligung der öffentlichen Hand.

In den 1970er Jahren habe sich ein Geschäftsmodell daraus entwickelt, in armen Ländern Familien Kinder wegzunehmen oder aus Krankenhäusern zu stehlen, sagte Andrea Gisler (GLP, Gossau). Es scheine, als wiederhole sich die Geschichte heute mit der Leihmutterschaft.

Für Mario Fehr ein Menschenrecht

Für die bürgerliche Seite sind illegale Adoptionen derzeit kaum ein Thema. Christina Zurfluh Fraefel (SVP, Wädenswil) sagte, wo Unrecht geschehen sei, sei das aufzuarbeiten. Man müsse die Studie der Kantone Zürich und Thurgau abwarten. «Mehr Inhalt statt Verpackung» sei auch im Interesse der Betroffenen. FDP und Mitte äusserten sich nicht.

Überraschend war die Stellungnahme des Sicherheitsdirektors Mario Fehr. Zunächst hatte er nur die schriftliche Antwort der Regierung abgelesen. Nach der Debatte stützte er die Sicht der Interpellanten. «Es ist ein Menschenrecht, zu wissen, woher man kommt», sagte er.

Mit dieser Debatte im Rat sei das Thema illegale Adoptionen keineswegs erledigt, die Diskussionen stünden im Gegenteil erst am Anfang, sagte der Sicherheitsdirektor. Zürich sei durchaus am Ball. Bis anhin fehle nämlich auf politischer Ebene ein Organ für die Koordination unter den Kantonen, mit Ausnahme des Projekts von Zürich und Thurgau.

Zum Punkt, dass Betroffene die Kosten weiterführender Abklärungen selbst bezahlen müssen, meinte Mario Fehr gar, wäre er Parlamentarier, würde er eine Motion einreichen, um diesen Zustand zu beheben. Das aber haben jene, welche die Interpellation unterzeichneten, ohnehin vor.
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-kritik-an-lauer-hilfe-fuer-betroffene-illegaler-adoptionen-ld.1814719)