Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++BASELLAND
Asylunterkunft: Kanton muss für Gemeinden in die Bresche springen
Der Kanton Baselland hat am Montag in Pratteln eine temporäre Unterkunft zur Erstunterbringung von 100 Flüchtlingen eröffnet. Er sah sich dazu gezwungen, weil die Gemeinden ihr Aufnahme-Soll nicht erfüllen, wie die Baselbieter Finanz- und Kirchendirektion am Montag mitteilte.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/asylunterkunft-kanton-muss-fuer-gemeinden-in-die-bresche-springen?id=12532640
-> https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/kanton-unter-druck-temporaere-asylunterkunft-in-pratteln-eroeffnet-am-montag-ld.2575505
-> https://www.baselland.ch/politik-und-behorden/direktionen/finanz-und-kirchendirektion/medienmitteilungen/kanton-eroeffnet-in-pratteln-temporaere-asylunterkunft
->. https://telebasel.ch/sendungen/punkt6/214361
-> https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/pratteln-damit-niemand-auf-der-strasse-uebernachten-muss-kanton-eroeffnet-zweite-temporaere-asylunterkunft-ld.2575696
-> https://www.baseljetzt.ch/temporaere-asylunterkunft-in-pratteln-eroeffnet-am-montag/181485
-> https://www.onlinereports.ch/News.117+M50729e1a279.0.html
-> https://primenews.ch/news/2024/02/kanton-eroeffnet-temporaere-asylunterkunft-pratteln
+++LUZERN
Asylzentren voll: Flüchtlinge müssen zum Zivilschutz
Die Situation rund um die Unterbringung von Geflüchteten ist im Kanton Luzern kritisch. Nun soll die Zivilschutzanlage Schenkon als Unterkunft dienen.
https://www.20min.ch/story/kanton-luzern-asylzentren-voll-fluechtlinge-muessen-zum-zivilschutz-103036958
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luzernerzeitung.ch 05.02.2024
«Lage ist sehr, sehr angespannt» – Kanton Luzern macht aus Zivilschutzanlage Schenkon eine weitere Notunterkunft
Die Unterbringungssituation verschärft sich zunehmend. «Wir haben eigentlich schon alles ‹abgegrast›», sagt die Leiterin der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen.
Livia Fischer
Zwei Monate ist es her, seit der Kanton ankündigte, die Zivilschutzanlage in Dagmersellen wieder als Asylnotunterkunft in Betrieb zu nehmen. Silvia Bolliger, Leiterin der kantonalen Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF), bezeichnete die Situation im Kanton Luzern damals als «sehr herausfordernd». Verbessert hat sich diese nicht, im Gegenteil. Nun wird in zwei Wochen bereits die nächste Zivilschutzanlage vorübergehend zur Unterkunft für Flüchtende umfunktioniert: jene in Schenkon. Bereits Ende 2022 wurde diese dafür vorbereitet, jedoch nie in Betrieb genommen.
«Die Lage verschärft sich weiter. Sie ist sehr, sehr angespannt», sagt Bolliger nun. Waren vor zwei Monaten noch knapp 200 Unterkunftsplätze frei, sind diese mittlerweile bis auf wenige Ausnahmen belegt. In der Zivilschutzanlage in Schenkon, die von Mitarbeitenden der DAF betrieben wird, können ab dem 19. Februar 80 Personen unterkommen.
Diese ist laut Kanton gewissermassen familienfreundlich. Denn am selben Ort befindet sich auch das Begegnungszentrum, in dessen Räume sich die Geflüchteten tagsüber aufhalten können. Derzeit suchen vermehrt Familien aus der Ukraine, der Türkei, Afghanistan und Syrien Schutz im Kanton Luzern. Für schulpflichtige Kinder gibt es ein spezielles Schulangebot. Jene, die in Schenkon untergebracht werden, besuchen dieses in Neuenkirch.
Situation ist schwieriger als in den Vorjahren
Monatlich werden dem Kanton Luzern derzeit rund 150 Schutzsuchende zugewiesen. Dafür stehen der DAF mit Schenkon 17 Asylzentren und zirka 950 Wohnungen, die der Kanton angemietet hat, zur Verfügung. Die DAF ist laufend dran, Lösungen für weitere Unterkunftsplätze zu suchen. «Wir prüfen verschiedene Optionen, die auch aussichtsreich sind. Spruchreich ist aber noch nichts», so Bolliger. Möglich ist, dass noch weitere Zivilschutzanlagen in Betrieb genommen werden.
Dass Schutzsuchende unterirdisch leben müssen, will die DAF wo möglich zwar vermeiden. «Nur ist die Lage wirklich sehr schwierig – schwieriger als noch 2022 oder 2023», sagt Bolliger. Denn: «Der Bestand an Unterkünften ist jetzt schon sehr hoch. Wir haben eigentlich schon alles ‹abgegrast›.» Dabei spricht sie auch den ausgetrockneten Wohnungsmarkt und die zunehmende Schwierigkeit, weitere grössere Objekte für Asylzentren zu finden, an. «Zivilschutzanlagen als Übergangslösung verschaffen uns Zeit.»
«Kantone brauchen Perspektive»
Zeit verschaffen könnte dem Kanton auch der Bund. Denn von seinen total 10’500 Plätzen stehen laut einem Artikel des «Tages-Anzeigers» derzeit deren 4000 frei. Bolliger spricht von einer «Verschnaufpause», nicht aber von einer Lösung, wenn er den Kanton Luzern nun entlasten würde. Mitte-Regierungsrätin und Sozialvorsteherin Michaela Tschuor sieht es gleich und betont, das Asylwesen sei eine Verbundaufgabe von Bund, Kanton und Gemeinden, wobei jede Ebene ihre Aufgaben zu erfüllen habe. Hinzu komme: «Der Bund wird seine Unterkunftsplätze selber benötigen.»
Tschuor erwartet aber, dass der Bund «seine Verfahrenspendenzen im Asylbereich möglichst rasch abbaut, damit die ohnehin schon ausgelasteten kantonalen Unterkunftsstrukturen nicht durch Personen mit einem negativen Asylentscheid belegt werden». Zudem fordert sie eine baldige Klärung über den zukünftigen Umgang mit den ukrainischen Personen mit Schutzstatus S. Dieser bleibt bis mindestens Anfang März 2025 in Kraft. «Was aber passiert danach?», fragt sich Tschuor. «Die Kantone brauchen einen Planungshorizont beziehungsweise eine Perspektive.»
Gemeindezuweisung bleibt Ultima Ratio
Apropos Verbundaufgabe: Bis Ende September vergangenen Jahres kannte der Kanton Luzern einen Verteilschlüssel der Gemeinden, verbunden mit einem Bonus-Malus-System. Wer mehr Plätze bereitstellte als vorgegeben, erhielt Bonuszahlungen, wer weniger lieferte, musste blechen. Wegen der entspannteren Lage dazumal wurde die Zuweisung wieder aufgehoben. Wäre es nun, wo sich die Lage schon seit Wochen wieder zuspitzt und die DAF gemäss Aussagen von Bolliger «unter hohem Druck» steht, nicht Zeit, diese wieder einzuführen?
«Wir setzen alles daran, die herausfordernde Situation anderweitig zu lösen. Die Zuweisung an die Gemeinden wird erst als letzte Massnahme eingesetzt», schreibt Tschuor dazu. «Wir können jedoch nicht ausschliessen, dass wir wiederum die Notlage ausrufen müssen, um zeitnah auf Zivilschutzanlagen zurückgreifen zu können.»
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/kanton-luzern/asylwesen-kanton-luzern-nimmt-zivilschutzanlage-schenkon-in-betrieb-ld.2575672)
+++ST. GALLEN
Zahlkarte für Asylsuchende gefordert
Die SVP fordert in einer Motion den Entwurf eines Nachtrags zum Gesetz über die Sozialhilfe
Die kantonale SVP-Fraktion fordert die Einführung von Bezahlkarten für Personen des Asylbereichs, wie es in Deutschland umgesetzt wird, auch im Kanton, um eine Ausweichung von Asylbewerbern auf die Schweiz aufgrund von Barauszahlungen zu verhindern.
https://st-galler-nachrichten.ch/st-gallen/detail/zahlkarte-fuer-asylsuchende-gefordert
+++ZÜRICH
Mehr Asylsuchende in den Gemeinden trotz leeren Betten beim Bund
Die Zürcher Gemeinden müssen ab dem Sommer mehr Asylsuchende aufnehmen. Das sorgt für Kritik. Wie der Tages-Anzeiger schreibt, würde es aber beim Bund eine hohe Zahl von freien Plätzen für Asylsuchende geben.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/mehr-asylsuchende-in-den-gemeinden-trotz-leeren-betten-beim-bund?id=12532520
+++SCHWEIZ
Wer, wenn nicht Afghaninnen?
Die europäische Asylagentur EUAA hat ziemlich genau vor einem Jahr einen Leitfaden für Asylverfahren von geflüchteten Afghaninnen erarbeitet. Sie empfahl angesichts des frauenfeindlichen Regimes der Taliban, Frauen aus Afghanistan den Anspruch auf Flüchtlingsstatus in europäischen Ländern zu gewähren. Im Lauf des Jahres sind Deutschland und Dänemark dieser Empfehlung gefolgt, im Juni beschloss, dann auch die Schweiz und das Staatssekretariat für Migration (SEM), die einzelnen Asylanträge von Afghaninnen künftig vor dem Hintergrund dieses Leitfadens zu beurteilen. Wegen ihrer gewaltvollen und systematischen Diskriminierung unter den Taliban eigentlich doch eine vernünftige und nachvollziehbare Praxisänderung, oder?
https://www.woz.ch/taeglich/2024/02/05/wer-wenn-nicht-afghaninnen
++++POLEN
Der Film »Green Border« und die Kampagne gegen Regisseurin Agnieszka Holland in Polen
Im Sumpf
In Agnieszka Hollands Spielfilm »Green Border« geht es um die Flüchtlingsabwehr an der polnisch-belarussischen Grenze. Für die nationalkatholische Partei PiS ist sie deshalb eine Vaterlandsverräterin.
https://jungle.world/artikel/2024/05/fluechtlingsabwehr-polen-film-green-border-kampagne-gegen-regisseurin-agnieszka-holland-im-sumpf
+++EUROPA
Amnesty warnt vor zunehmendem Einsatz digitaler Technologien zur Migrationskontrolle
Der Einsatz neuer digitaler Technologien in der Asyl- und Migrationskontrolle wird zu einem zentralen Problem für die Menschenrechte. Automatisierte Überwachungs- und Entscheidungssysteme bedrohen das Recht auf Asyl und verstärken Diskriminierung und Rassismus gegenüber bestimmten Personengruppen.
https://www.amnesty.ch/de/themen/asyl-und-migration/dok/2024/global-amnesty-warnt-vor-zunehmendem-einsatz-digitaler-technologien-zur-migrationskontrolle
+++FREIRÄUME
ajour.ch 05.02.2024
Autonomes Jugendzentrum: Im Bieler Chessu wird weiter ohne Bewilligung, aber trotzdem legal gefeiert
Braucht das Autonome Jugendzentrum eine reguläre Gastro-Betriebsbewilligung, um im Chessu Konzerte und Partys zu veranstalten? Darüber verhandeln Stadt und das AJZ-Kollektiv seit Monaten.
Hannah Frei
Seit Oktober wird im Chessu wieder getanzt, gefeiert, gesungen und gespielt. Für den Betrieb eines Orts wie diesem, wo Wein und Bier aus- und eingeschenkt wird, wo Pizza über die Theke gereicht wird, braucht es in der Regel eine gastgewerbliche Bewilligung. Doch im Chessu gelten andere Regeln. Unter der Kuppel wird geraucht und gekifft. Eine reguläre Betriebsbewilligung braucht das Autonome Jugendzentrum (AJZ) nicht. Jahrzehntelang wurde dies nicht angefochten – bis der Umbau des Chessus das Thema neu auf den Tisch brachte.
Eine Betriebsbewilligung gibt es weiterhin nicht. Und auch was die Hausregeln angeht, haben sich die Stadt und das AJZ-Kollektiv bisher nicht definitiv geeinigt. Das bestätigt André Glauser, Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit der Stadt Biel. Was die Betriebsbewilligung angeht, stecke man noch mitten in den Verhandlungen. Worüber konkret verhandelt wird, lässt Glauser offen. Auch bezüglich der Regeln, die im renovierten Chessu gelten sollen, äussert sich Glauser nur vage. Da bleibe grundsätzlich alles beim Alten.
Dass immer noch Verhandlungen zwischen den Parteien über eine Bewilligung stattfinden – vier Monate nach der Wiedereröffnung – zeigt: So einfach ist das nicht.
Rechtslage wäre klar
Aufklären kann das Bieler Regierungsstatthalteramt. Dieses ist für die Erteilung von Betriebsbewilligungen im Gastgewerbe zuständig. 1993 hat das damalige Amt für Wirtschaftsentwicklung des Kantons Bern das Jugendzentrum als Begegnungsstätte definiert, erklärt Regierungsstatthalterin Romi Stebler (FDP). Zehn Jahre später habe der damalige Regierungsstatthalter festgestellt, dass das Jugendzentrum somit nicht unter das Gastgewerbegesetz gestellt werden könne. Seither habe sich die Rechts- und Sachlage nicht geändert, so Stebler. Folglich wird für den Chessu-Betrieb zum jetzigen Zeitpunkt keine reguläre Bewilligung benötigt.
Darauf bezieht sich auch das AJZ-Kollektiv. In den Gesprächen mit den zuständigen Stellen gehe es darum, am Betrieb des Chessus wie bisher und somit an der Ausnahme des Gastgewerbegesetzes festzuhalten. Auch deshalb, weil die Funktionsweise des AJZ als basisdemokratisches, selbstorganisiertes Kollektiv gar nicht mit den Anforderungen für eine Gastro-Bewilligung vereinbar sei. Denn dafür müsste eine Person den Kopf herhalten. Agiert wird im AJZ jedoch stets als Gemeinschaft, als Kollektiv.
Würde das AJZ künftig doch dem Gastgewerbegesetz unterstellt, gefährde dies «das seit über 50 Jahren erfolgreich existierende und für die Stadt Biel höchst wichtige Projekt», schreibt das AJZ-Kollektiv auf Anfrage.
Die Diskussion über eine allfällige Betriebsbewilligung ist nicht neu. Während des Umbaus hat das AJZ hinter dem Bieler Bahnhof die Coupole Temp ins Leben gerufen (ajour.ch berichtete). Monatelang haben die Stadt und das AJZ-Kollektiv über die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Coupole Temp verhandelt, ohne Resultat. Also startete das Kollektiv den Betrieb ohne Einwilligung der Stadt. Erst einen Monat nach der Eröffnung kam die Stadt zum Schluss, dass auch für den Betrieb der Coupole Temp keine Betriebsbewilligung nötig ist.
Kritik aus dem Stadtrat
Die Rechtslage sollte also klar sein. Trotzdem wird nun erneut verhandelt. Und trotzdem regt sich in der Bieler Politik Widerstand: Der Zustand sei untragbar, heisst es in einer Interpellation, die an der letzten Stadtratssitzung von der SVP eingereicht wurde. Es müsse eine Person aus dem AJZ-Kollektiv ernannt werden, die gegenüber den Behörden die Verantwortung für den Gastgewerbebetrieb übernehme. Dabei gehe es auch um rechtliche Fragen, sagt SVP-Stadtrat Stefan Maurer. Wer haftet, wenn es im Chessu brennt? Allenfalls bestehe diesbezüglich auch eine Gefahr für die Stadt Biel als Besitzerin.
Für das AJZ bei der Betriebsbewilligung eine Ausnahme zu machen, sei zudem gegenüber den anderen Clubs und Gastrobetrieben in der Region unfair. «Und das erst noch bei einem Veranstalter, den wir mit unseren Steuern subventionieren», sagt Maurer. Vielmehr solle das AJZ eine Vorbildfunktion einnehmen.
Der Gemeinderat wird daher aufgefordert, die Haftungsfragen zu klären und darzulegen, weshalb der Chessu auch nach dem Umbau einen Sonderstatus in Sachen Betriebsbewilligung hat.
Das Fumoir bleibt leer
Was die Regeln angeht, die im umgebauten Chessu gelten sollten, scheint ebenfalls noch nicht alles so klar zu sein, wie das André Glauser darlegt. Geraucht und gekifft wird im Chessu auch seit der Wiedereröffnung überall, wie ein Augenschein der BT-Redaktion am Eröffnungswochenende im Oktober zeigte. Das Fumoir bleibt folglich meist leer. Das ist rechtlich nicht tragbar, so Romi Stebler. Bewilligungsfrei bedeute nicht rechtsfrei. Das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen etwa sei auch im Chessu einzuhalten.
(https://ajour.ch/de/story/308108/im-bieler-chessu-wird-weiter-ohne-bewilligung-aber-trotzdem-legal-gefeiert)
+++GASSE
30’000 Personen konsumieren illegale Substanzen
In unserer „Drogen-Serie“ thematisieren wir diese Woche illegale Substanzen im Kanton Freiburg in all seinen Facetten.
https://frapp.ch/de/articles/stories/im-kanton-freiburg-konsumieren-30000-personen-drogen
«Bettelnde werden systematisch hergefahren»
Trotz Bettelverbot und strenger Wegweisungspraxis werden immer noch rumänische Bettelgruppen nach Basel gefahren, wie die Beobachtung eines News-Scouts zeigt.
https://www.20min.ch/story/basel-bettelnde-werden-systematisch-hergefahren-103036757
Ein WC treibt das Kleinbasel um
Am Bajour-Drogenstammtisch beklagt sich ein Anwohner über den nächtlichen Lärm in der Toiletten-Anlage auf dem Matthäusplatz. Wenige Tage später ist das WC über Nacht nicht mehr zugänglich. Hat Justizdirektorin Stephanie Eymann interveniert?
https://bajour.ch/a/cls4fice113703042sgwrfn8xw6m/eine-wc-anlage-verschaerft-das-drogenproblem-im-kleinbasel
+++PSYCHIATRIE
Zusatzabklärungen verlangt: Die grosse Psychiatriefusion erleidet einen Rückschlag
Weil «valider Businessplan» fehlt: Die Kantonsregierung will vorerst nicht über den Zusammenschluss der beiden Berner Psychiatrien entscheiden.
https://www.derbund.ch/berner-psychiatriefusion-regierungsrat-verlangt-zusatzabklaerungen-596283589620
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Erfolg für Erdogan-Kritiker in Bern
Weil Ankara es verpasst hat, rechtzeitig in der Schweiz Anzeige zu erstatten, ist die Causa um die Drehscheibe „Killer Erdogan“ verjährt. Dennoch scheint es der Berner Polizei wichtig zu sein, dass die politischen Botschaften unter Verschluss bleiben.
https://anfdeutsch.com/aktuelles/erfolg-fur-erdogan-kritiker-in-bern-40893
limmattalerzeitung.ch 05.02.2024
Wer soll haften, wenn Demos im Kanton Zürich ausarten?
Die Stimmberechtigten im Kanton Zürich befinden am 3. März über die Anti-Chaoten-Initiative der Jungen SVP. Die wichtigsten Punkte.
Sven Hoti
In der Zürcher Innenstadt zeigt sich ein Bild der Verwüstung. Scheiben diverser Läden wurden zerstört, Wände und Denkmäler versprayt, Billettautomaten beschädigt. Tags zuvor waren über 1000 Personen durch die Innenstadt gezogen, um gegen die Räumung des besetzten Koch-Areals zu demonstrieren. Die anfänglich friedliche Demonstration artete aus, einzelne Vermummte randalierten und attackierten Polizeibeamte.
Vorfälle wie dieser vom 19. Februar 2023 beschäftigen die Stadt Zürich immer wieder. Auch an den Demos zum Tag der Arbeit am 1. Mai oder dem «Marsch für s’Läbe» kommt es regelmässig zu Störaktionen. Für die Initianten der Anti-Chaoten-Initiative geht es nicht an, dass die Steuerzahlenden für entstandene Schäden und Polizeieinsätze aufkommen müssen. Sie fordern ein strengeres Regime im Umgang mit Störenfrieden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Initiative.
Worum geht es bei der Initiative?
Die Junge SVP verlangt mit ihrer «Volksinitiative zur Durchsetzung von Recht und Ordnung», kurz: Anti-Chaoten-Initiative, dass bei Demonstrationen, Kundgebungen, anderweitigen Veranstaltungen oder Hausbesetzungen Teilnehmerinnen und Veranstalter für Polizeieinsätze und Schäden aufkommen müssen. Das Polizeigesetz sieht diese Möglichkeit zwar schon heute vor – allerdings in Form einer «Kann-Formulierung», die nicht alle Gemeinden gleich umsetzen.
Die Initiative unterscheidet zwischen bewilligten und unbewilligten Veranstaltungen. Bei illegalen Veranstaltungen sollen anfallende Kosten auf den Veranstalter und sämtliche Teilnehmerinnen überwälzt werden. Es handelt sich um eine Kollektivstrafe. Bei besetzten Gebäuden sollen die beteiligten Personen und Organisationen für die Räumung aufkommen. Bei legalen Veranstaltungen hingegen sollen nur die Störenfriede blechen müssen.
Die Initianten verlangen ausserdem eine generelle Bewilligungspflicht. Heute regeln die Gemeinden selbstständig, ob und in welchen Fällen beispielsweise eine Demonstration eine Bewilligung braucht.
Was sind die Argumente der Befürworter?
Die Befürworterinnen argumentieren, dass es insbesondere in der Stadt Zürich immer mehr unbewilligte und gewalttätige Demonstrationen gebe. Weil die Polizei so länger im Einsatz stehen müsse, stiegen die Kosten. Im Jahr 2021 etwa seien von einer einzelnen Organisation in zwei Tagen Einsatzkosten von über 400’000 Franken verursacht worden. Diese Kosten dürften nicht den Steuerzahlenden aufgebürdet werden.
Die derzeitige Kann-Regelung biete Raum für Willkür und sei in der Stadt Zürich noch nie angewendet worden, behaupten die Initianten. Diese Rechtsungleichheit zwischen den Gemeinden solle bekämpft werden. Für die Kostentragungspflicht dürfe es keine Rolle spielen, wo demonstriert werde.
Eine kantonal einheitliche Bewilligungspflicht erhöhe darüber hinaus die Sicherheit, da die genauen Abläufe beispielsweise einer Demo im Voraus bekannt wären. Dies verringere den Aufwand für die Polizei, die sich dann wieder verstärkt auf ihre «Kernaufgaben» konzentrieren könne. Zudem würden die mit einer Veranstaltung und etwaigen Polizeieinsätzen einhergehenden Einschränkungen für die Bevölkerung minimiert.
Im Unterschied zum Gegenvorschlag benenne die Initiative klar, in welchen Fällen entsprechende Kosten verrechnet werden sollen.
Was sagen die Gegnerinnen?
Für die Gegner ist die Initiative zu unpräzise. Sie umfasse einen zu grossen Kreis von Personen und Organisationen. Dies schaffe Probleme bei der Umsetzung. Sprich: Die konkreten Kosten müssten den jeweiligen Verursacherinnen und Verursachern zugerechnet werden können. Gegnerinnen warnen vor einem «Bürokratiemonster». Es müssten weiter Regelungen ergriffen werden, die weitergingen als entsprechende Regelungen in anderen Kantonen, wo solche bereits erfolgreich angefochten worden seien. Zudem sei unklar, ob nun der Kanton oder immer noch die Gemeinden die Bewilligungen erteilen sollen.
Die Gegnerinnen warnen ausserdem vor einer «Kollektivbestrafung unschuldiger Personen». Eine solche verletze rechtsstaatliche Prinzipien und führe zu einem sogenannten «chilling effect»: Die Bevölkerung verzichte aus Angst vor Konsequenzen zunehmend darauf, ihre verfassungsmässig garantierten Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit auszuüben.
Worum geht es beim Gegenvorschlag?
Regierungs- und Kantonsrat teilen die Grundhaltung der Initiative, wie sie betonen – wären da nicht die erwähnten Bedenken. Deshalb haben sie einen Gegenvorschlag ausgearbeitet. Demgemäss sollen künftig für «ausserordentliche Polizeieinsätze» vorsätzlich handelnde Verursacherinnen und Verursacher aufkommen müssen. Was mit ausserordentlich genau gemeint ist, bleibt unklar.
Zudem nimmt der Gegenvorschlag die von der Initiative verlangte Bewilligungspflicht auf. Im Unterschied zur Initiative gibt er aber ausdrücklich den Gemeinden die Verantwortung darüber. Damit trage man der Gemeindeautonomie Rechnung.
Wer ist dafür, wer dagegen?
Sowohl der Regierungsrat als auch der Kantonsrat lehnen die Initiative ab und sprechen sich für den Gegenvorschlag aus. Bei den Parteien sieht es folgendermassen aus:
Volksinitiative
– Ja: SVP, EDU, FDP
– Nein: SP, Grüne, EVP, AL, Mitte, GLP
Gegenvorschlag
– Ja: EVP, SVP, EDU, Mitte, FDP, GLP
– Nein: SP, Grüne, AL
Stichfrage (bei Annahme beider Vorlagen)
– Für Volksinitiative: SVP
– Für Gegenvorschlag: SP, Grüne, EVP, EDU, Mitte, FDP, GLP
– keine Empfehlung: AL
Gegen beide Vorlagen spricht sich ausserdem Amnesty International aus. Die Menschenrechtsorganisation ist der Ansicht, dass sie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gefährdeten.
(https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/vorschau-anti-chaoten-inititative-ld.2570204)
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nzz.ch 05.02.2024
So teuer wird es, wenn die Feuerwehr einbetonierte Aktivisten befreien muss – oder wenn die Polizei an einer illegalen Demo auffährt
Die Zürcher Anti-Chaoten-Initiative will die Teilnehmer von unbewilligten Demonstrationen zur Kasse bitten. Doch welche Kosten fallen überhaupt an?
Zeno Geisseler, Marius Huber
Wer eine illegale Demonstration organisiert oder daran teilnimmt, soll für die Polizeikosten und Sachschäden künftig geradestehen müssen. Dies ist, neben einer allgemeinen Bewilligungspflicht, die Kernforderung der Anti-Chaoten-Initiative, über welche der Kanton Zürich am 3. März abstimmt.
Doch wie viele Demonstrationen, bewilligte und unbewilligte, gibt es eigentlich, und was kosten sie? Ein Überblick, basierend auf Zahlen der Stadt Zürich.
1. Wie viele Demos gibt es überhaupt?
Zuerst eine Begriffsklärung: Als Demonstration versteht die Stadtpolizei einen Umzug durch die Stadt. Eine Kundgebung hingegen ist eine stehende Veranstaltung auf einem Platz. Beide gibt es in bewilligten und unbewilligten Varianten.
Von 2015 bis 2023 hat die Zahl aller Demonstrationen und Kundgebungen um etwa 75 Prozent zugenommen, von rund 190 auf knapp 340. Praktisch an jedem Tag wurde letztes Jahr also irgendwo in der Stadt Zürich auf ein politisches Anliegen aufmerksam gemacht. Zum Teil gab es mehrere Veranstaltungen am gleichen Tag.
Der Zuwachs geht zu einem sehr grossen Teil auf das Konto der bewilligten Kundgebungen, ihre Zahl hat sich seit 2015 mehr als verdoppelt.
Weniger einheitlich ist das Bild bei den unbewilligten Anlässen. Kundgebungen ohne staatliches Plazet gab es im abgelaufenen Jahr 25, das ist der tiefste Wert seit 2015. Die Zahl der illegalen Demos hingegen zeigt tendenziell nach oben. Seit 2018 gab es kein Jahr mehr mit weniger als 30 unbewilligten Umzügen. Auch hier gibt es aber von Jahr zu Jahr Schwankungen.
Ein Sonderfall war das Jahr 2020. Wegen der Corona-Pandemie erliessen der Bundesrat und die Zürcher Kantonsregierung damals sehr weitgehende Einschränkungen auch für politische Versammlungen (die später von Gerichten als übertrieben taxiert wurden). In der Folge sank die Gesamtzahl der Demonstrationen und Kundgebungen und stieg der Anteil der unbewilligten Zusammenkünfte.
Die Zahl der Teilnehmer variiert stark. An der Pride, der grossen Demonstration der LGBT-Community, ziehen jeweils Zehntausende durch die Zürcher Strassen; die Polizei führt aber auch Veranstaltungen mit bloss zwei Personen in ihrer Statistik auf. Insbesondere Kundgebungen sind in der Regel eher familiäre Angelegenheiten, wie Zahlen aus dem Jahr 2019 zeigen: Damals nahmen an 80 Prozent aller stehenden Veranstaltungen nicht einmal 50 Personen teil.
2. Wie gross ist der Aufwand der Polizei?
Ein Mass für den Aufwand der Polizei ist die Zahl ihrer Einsatzstunden für Demonstrationen und Kundgebungen. Hier waren in den letzten Jahren starke Schwankungen zu beobachten, von etwa 10 000 Stunden pro Jahr bis über 40 000. Dabei fällt auf: Ein Jahr mit vielen Demonstrationen und Kundgebungen bedeutet nicht zwingend mehr Polizisten auf der Strasse. So gab es in den Jahren 2015 und 2017 zwar praktisch gleich viele Veranstaltungen, doch 2017 verbuchte die Polizei viel weniger Einsatzstunden als zwei Jahre zuvor.
Für die Polizeistatistik ins Gewicht fallen vor allem die grossen Umzüge, und von diesen gab es 2015 mehr als 2017. Es ist etwas anderes, an einem Samstagnachmittag 15 000 Klimabewegte sicher durch die Zürcher Innenstadt zu geleiten, als bei vier Tierschützern vorbeizuschauen, die an einer Strassenecke ein Plakat für das Wohl der Orcas hochhalten.
Die Stadtpolizei Zürich weist aus einsatztaktischen Gründen nicht aus, wie viel Personal oder Stunden sie pro Veranstaltung ansetzt. Einen Annäherungswert gibt es aber aus Basel-Stadt: Für den dortigen 1.-Mai-Umzug verbuchte die Kantonspolizei im letzten Jahr rund 3600 Zusatzstunden.
3. Was kostet ein Polizeieinsatz an einer illegalen Demo?
Eine systematische Übersicht über die Polizeikosten fehlt – dies nicht zuletzt, weil die Stadt Zürich bis jetzt Einsätze grundsätzlich nicht in Rechnung stellt. Es gibt aber einige Hinweise und Erfahrungswerte.
Im Oktober 2021 besetzten Aktivisten von Extinction Rebellion im Rahmen einer «Klimawoche» mehrere Tage lang Teile der Zürcher Innenstadt. Unter anderem kam es zu Sitzblockaden. Ein Jahr später legte der Stadtrat nach einer Anfrage im Parlament die Abrechnung vor. Die Polizeikosten für einen einzigen Einsatztag beliefen sich laut dieser auf bis zu knapp 300 000 Franken, gesamthaft waren es fast 700 000 Franken. Diese Rechnung berappte der Steuerzahler.
Polizeikosten für eine Klimademo
Kosten in Fr. pro Tag an einer Sitzblockade von Extinction Rebellion im Oktober 2021
4. Oktober 290 000
5. Oktober 144 000
6. Oktober 105 000
7. Oktober 7 000
8. Oktober 138 000
Total 684 000
Zahlen gerundet.
Quelle: Stadt Zürich
zge.
Genaue Zahlen gibt es auch zu einer Besetzung: 2015 ging eine unbewilligte dreitägige Open-Air-Party im Binz-Areal in der Stadt Zürich über die Bühne. Der Stadtrat bezifferte die Polizeikosten auf 225 000 Franken.
Alles in allem kosten Polizeieinsätze an Demonstrationen und Kundgebungen (bewilligt und unbewilligt) etwa 2 bis 3 Millionen Franken pro Jahr – dies zeigen Zahlen aus den Jahren 2015 bis 2019. Ein Ausreisser war das Jahr 2021 mit über 5 Millionen Franken.
Als Spezialfall gelten kann die Räumung eines besetzten Waldstücks in Rümlang, unmittelbar an der Zürcher Stadtgrenze, im April 2023. Da sich die Umweltaktivisten zum Teil in den Bäumen verschanzt hatten, wurden Drehleitern und Kletterspezialisten benötigt. Dieser Einsatz ging auf das Konto der Kantonspolizei, die im Gegensatz zur Stadtpolizei ihre Kosten bereits heute weiterverrechnet.
Vierzehn Personen, deren Personalien vor Ort aufgenommen wurden, sehen sich daher mit Forderungen von über 24 000 Franken konfrontiert. Dabei differenziert die Polizei: Jene drei, die sich in den Bäumen der Räumung lange widersetzten, werden mit je 5000 Franken belangt. Diese Zahlen stammen aus dem Umfeld der Aktivisten, offiziell bestätigt werden sie wegen des laufenden Verfahrens nicht.
Grundsätzlich ist aber selbst bei einer Annahme der Anti-Chaoten-Initiative nicht davon auszugehen, dass künftig sämtliche Polizeikosten integral überwälzt werden können – das übergeordnete Recht sieht Einschränkungen vor.
Denkbar ist, dass Zürich Obergrenzen definieren wird, wie sie etwa der Kanton Bern kennt. Dort liegt das Limit, für besonders schwere Fälle, bei 30 000 Franken. In der Praxis liegen die Zahlungen aber deutlich tiefer. Bei einer unbewilligten Corona-Demonstration fielen Polizeikosten von 200 000 Franken an. Einige wenige Teilnehmer erhielten Rechnungen in der Höhe von 200 bis 1000 Franken, total kaum mehr als 5000 Franken.
4. Wie hoch sind die Sachschäden?
Die Anti-Chaoten-Initiative verlangt, dass Organisatoren und Teilnehmer von unbewilligten Kundgebungen und Demonstrationen nicht nur für die Polizeikosten, sondern auch für die Sachschäden aufkommen.
Deren Höhe variiert stark. Eine Aufstellung der Stadtregierung weist für Demonstrationen von 2015 bis 2019 jährliche Schäden von insgesamt rund 100 000 bis weit über 400 000 Franken aus. Die meisten Veranstaltungen zogen zwar gar keine Schäden nach sich, doch für eine kleine Zahl fallen Aufwendungen von wenigen tausend, einigen zehntausend oder sogar mehreren hunderttausend Franken an.
Auch eine kleine Gruppe kann viel Unheil anrichten: Im Jahr 2016 hinterliess ein Zug von nur gerade 50 Personen Schäden im Umfang von 155 000 Franken, also rund 3000 Franken pro Kopf. Das Umgekehrte gibt es allerdings auch: grosse, unbewilligte Demonstrationen ohne jegliche Beschädigung.
5. Welche sonstigen Kosten gibt es?
Bei der «Klimawoche» von Extinction Rebellion im Oktober 2021 befreite die Feuerwehr zwei Personen, die sich einbetoniert hatten. Dieser Einsatz schlug mit nicht ganz 5000 Franken zu Buche und wurde den beiden Aktivisten in Rechnung gestellt, weil sie vorsätzlich gehandelt hatten.
Regelmässig mit Kosten konfrontiert sehen sich weiter auch die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich; sie rechnen pro Umzug im Schnitt mit 2200 Franken Sonderaufwand.
Kaum beziffert und deshalb auch kaum verrechnet werden können schliesslich indirekte Kosten von Demonstrationen, zum Beispiel Umsatzeinbussen, weil Kunden wegbleiben, oder die verlorene Zeit, weil es wegen einer Veranstaltung zu Staus kommt. Eine einzige Velo-Demo (Critical Mass) kann nach Angaben des Stadtrats Verspätungen für bis zu 20 000 Passagiere im öffentlichen Verkehr mit sich bringen.
Im Fall der Waldbesetzung von Rümlang zeigt sich, dass selbst vergleichsweise harmlose Aktionen ohne Sachschäden diverse Folgekosten nach sich ziehen können. Fast 20 Gemeindearbeiter und Feuerwehrleute räumten nach der Auflösung die Überreste des Camps weg. Sie stellten der Waldbesitzerin, einer lokalen Korporation, dafür 8000 Franken in Rechnung. Diese bekam noch eine zweite Rechnung, über 9000 Franken für einen privaten Sicherheitsdienst. Der Wald musste nach der Räumung auf Geheiss der Polizei bewacht werden, damit die Aktivisten nicht zurückkehren.
Die Korporation versucht ihre Auslagen nun bei jenen vierzehn Personen einzutreiben, deren Personalien aufgenommen wurden – ob sie damit Erfolg hat, ist offen. Die Waldbesetzer haben zwar ein Crowdfunding gestartet und bisher über 30 000 Franken gesammelt. Dieser Betrag reicht aber gerade einmal, um den Polizeieinsatz und die zu erwartenden Bussen zu bezahlen. Kommt hinzu, dass die Besetzer ihn ohnehin für etwas anderes einsetzen wollen: um sich vor Gericht gegen die Forderungen zu wehren.
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-was-eine-demonstration-wirklich-kostet-ld.1776765)
+++REPRESSION DE
Rondenbarg-Verfahren: Die Hoheit im Saal haben die Angeklagten
Am 8. Februar wird der G20-Prozess in Hamburg fortgesetzt. Viele Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sind bereits widerlegt
Nach den ersten beiden Prozesstagen im Hamburger G20-Rondenbarg-Verfahren verlangen Richter*innen und Staatsanwälte*innen von den Beschuldigten eine Distanzierung von Gewalt. Aber diese ist gar nicht notwendig.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179766.g-prozess-rondenbarg-verfahren-die-hoheit-im-saal-haben-die-angeklagten.html
+++SPORT
«Auf Kollektivstrafen folgen kollektive Antworten» – so protestierten die Schweizer Kurven
Es waren ungewohnte Bilder, die an diesem Wochenende in die Stuben der Schweizer Sportfans gesendet wurden. Die Fankurven der besten Fussballklubs der Schweiz blieben mehrheitlich leer. In einer gemeinsamen Protestaktion setzten die Kurven so ein Zeichen gegen die zuletzt häufiger gewordenen Kollektivstrafen der Behörden.
https://www.watson.ch/sport/fussball/532463852-super-league-fan-proteste-gegen-kollektivstrafen-so-liefen-sie-ab
Gewalt im Schweizer Fussball: «Jetzt beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Fans und Polizei»
Nach Ausschreitungen in und um Schweizer Fussballstadien greifen die Behörden zu repressiven Massnahmen. Nun wehren sich die Fans. Eskaliert die Situation weiter? Die Diskussion im Podcast.
https://www.luzernerzeitung.ch/sport/podcast-tribuenengefluester-kopie-von-ploetzlich-gesamtweltcupsiegerin-der-titel-wuerde-fuer-gut-behrami-wegen-den-verletzten-weniger-zaehlen-ach-was-ld.2575694
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nzz.ch 05.02.2024
Die Baslerin Stephanie Eymann gilt als härteste Polizeidirektorin der Schweiz: «Gewalt wird nicht toleriert, das ist die rote Linie»
Städte und Kantone greifen nach mehreren Fällen von brutaler Fangewalt durch. Die baselstädtische Regierungsrätin Stephanie Eymann (LDP) prägt den Kurs mit. Dennoch glaubt sie nicht, dass die Zürcher Anti-Chaoten-Initiative funktioniert.
Andrea Fopp, Daniel Gerny
«Wir wollen Ausschreitungen an Sportanlässen nicht als regelmässig wiederkehrende Tatsache hinnehmen.» Das sagte Karin Keller-Sutter vor zwölf Jahren, damals als Präsidentin der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD). Woran ist sie gescheitert?
Ich war damals noch nicht im Amt. Ich glaube aber, dass die Koordination fehlte: Jede Stadt und jeder Kanton schaute vor allem für sich. Das funktioniert nicht. Die Szene ist in der ganzen Schweiz aktiv. Fans reisen mal dorthin, mal dahin. Sie begleichen Rechnungen dort, wo gerade Spiele der Super-League stattfinden. Wir müssen uns deshalb besser abstimmen. Gleichzeitig muss man auch sehen, dass Fangewalt in Wellen kommt. Lange war es ruhiger, nun nimmt sie wieder zu.
Heute gelten Sie als die härteste Polizeidirektorin der Schweiz. Im letzten Jahr haben Sie erstmals eine Fankurve geschlossen, die Muttenzerkurve im Joggeli. Mit welchem Ziel eigentlich?
Zunächst: Wir haben das nicht wegen einer Bagatelle getan. Sondern weil ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma fast zu Tode geprügelt worden war. Das war ein brutaler Angriff mit schweren Folgen für die angegriffene Person. So etwas darf nicht ohne Konsequenzen bleiben! Bei einer derart massiven Tat hilft Dialog nicht weiter. Ich habe deshalb die Klubleitung, die Liga und die Kantonspolizei an den Tisch geholt, und wir waren uns einig, dass es eine Reaktion braucht. So haben wir die Massnahme gemeinsam beschlossen.
Und was hat die Schliessung gebracht?
Es war nicht zuletzt eine weitere Initialzündung für die Städte und Kantone, sich bei solchen Vorkommnissen besser abzustimmen. Daraus ist das Kaskadenmodell entstanden. Es sieht abgestufte Massnahmen vor, die schweizweit einheitlich gehandhabt werden sollen.
Und was hat die Schliessung in Bezug auf die Fangewalt gebracht?
Die militante Fanszene ging natürlich auf die Barrikaden. Aber wenn man davon einmal absieht: Es war ein wichtiges Zeichen an die gemässigten Fans. An die FCB-Anhänger, die aus Freude ins Stadion gehen, den Fussball zelebrieren wollen und die sich nicht wohlfühlen, solange solche Gewaltausbrüche toleriert werden.
Aber es gab weitere Ausschreitungen . . .
Ja, kurzfristig gesehen ist das so. Das Problem wird nicht von heute auf morgen gelöst. Doch es ging mir darum, klarzumachen, dass wir solche Dinge in Zukunft nicht mehr hinnehmen.
Inzwischen sind in der Schweiz mehrmals Sektoren geschlossen worden. Und dies, nachdem die letzte Saison die ruhigste seit Jahren war. Ist eine solche Eskalationsstrategie der Behörden sinnvoll?
Eskalation der Behörden? Vergessen Sie bitte nicht, woher die Gewalt kommt! Wir haben es hier mit brutalen Angriffen auf Personen zu tun. Es geht um schwere Gewaltdelikte. Ich habe die Bilder von letzter Woche aus Zürich Altstetten gesehen, als Polizisten mit Flaschen und Steinen beworfen wurden. Wenn wir auf solche Vorkommnisse reagieren, kann keine Rede von einer Eskalationsstrategie sein.
Wir sind uns alle einig, dass es kriminell ist, Polizisten anzugreifen und Sicherheitsleute zu verprügeln. Aber weshalb schnappen und bestrafen Sie nicht Täter, statt ganze Fankurven zu schliessen und damit Unbeteiligte zu bestrafen?
Das eine schliesst das andere doch nicht aus. Natürlich müssen wir die Täter stellen. Aber man macht es sich zu einfach, wenn man von wenigen Einzeltätern aus den Kurven ausgeht. Wir haben es mit einer organisierten Szene zu tun. Sie spricht sich ab. Alle sind identisch vermummt, um die Strafverfolgung zu verunmöglichen. Niemand arbeitet mit den Behörden zusammen, um die Täter zu fassen. Man schaut, dass alles unter dem Deckel bleibt.
Weiss die Polizei, wer zu dieser Szene gehört und wer dort den Ton angibt?
Auch wenn wir dies wissen, hilft uns das im Strafverfahren oft nicht weiter. Denn wir müssen genau beweisen können, wer was getan hat und wer für welche Handlungen verantwortlich ist. In einem Strafverfahren können Sie nicht pauschal eine Strafe verhängen, nur weil jemand zu einer bestimmten Szene gehört.
Genau deshalb kommt bei Kurvenschliessungen der Vorwurf der Kollektivstrafen: Sie bestrafen alle, weil Sie die wahren Täter nicht erwischen oder ihnen nichts beweisen können.
Es ist nicht so, dass es zu keinen Verurteilungen kommt. Aber ja: Es ist schwierig. Und ich verstehe, dass Massnahmen wie Kurvensperrungen als Kollektivstrafen wahrgenommen werden und Unbeteiligte ärgern. Nur frage ich mich: Weshalb richtet sich der Ärger gegen die Behörden – und nicht gegen die Hooligans? Die Fans müssen doch merken, dass sie Ausschreitungen aus der Kurve heraus nicht mehr tolerieren können.
Nur ist die Realität eine andere: Die Identität in der Gruppe wird gestärkt, die Solidarität unter den Fans nimmt zu. Das zeigen auch wissenschaftliche Untersuchungen.
Ich will nicht die Wissenschaft in Zweifel ziehen, aber ich bin da anderer Meinung: Wenn wir nicht reagieren, nur weil wir Angst vor einer Solidarisierung haben, läuft das auf eine Forfait-Niederlage hinaus. Angst davor zu haben, dass die Gegenseite Stärke demonstriert, ist keine Lösung. Das würde bedeuten, dass wir, unsere Sicherheitsprinzipien preisgeben. Das gilt übrigens nicht nur für den Fussball, sondern für alle möglichen Bereiche. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Bevölkerung das will.
Geht es nicht ganz pragmatisch darum, jenen Weg zu finden, der am ehesten zu einer Beruhigung beiträgt?
Ich höre von der Gegenseite nur nie einen Vorschlag dazu. Ich höre immer nur: Dialog. Punkt. Auf der anderen Seite habe ich viele Rückmeldungen von Leuten, die sagen: «Endlich macht jemand etwas gegen die Fangewalt.» Leuten, die nicht mehr ins Stadion gehen, weil sie sich solche Szenen nicht mehr antun wollen.
Ihr Vorgänger hat stark auf den «Basler Weg» gesetzt und die Situation mit Dialog beruhigt, oder nicht?
Unter dem Strich bin ich gar nicht viel restriktiver als meine Vorgänger. Ich anerkenne, dass der «Basler Weg» etwas gebracht hat. Es braucht den Dialog, und ich pflege ihn weiterhin. Aber nach Gewaltexzessen ist Dialog allein nicht mehr zielführend. Ich möchte, dass man die Regeln und den Spielraum klar definiert und sich dort drin bewegt. Und nicht regelmässig ausschert.
Unternehmen die Klubs genügend gegen Fangewalt?
Diese Frage ist berechtigt. Von den Klubs kommt häufig die Aussage: «Wir haben mit den Ausschreitungen nichts zu tun. Sie finden ja nicht im Stadion statt.» Ich finde das naiv: Es passiert ja nicht irgendwann, sondern bei der An- oder der Abreise, bei den Fanmärschen, in den Extrazügen. Der Kausalzusammenhang zu den Spielen ist eindeutig da.
Und was erwarten Sie von den Klubs?
Sie müssen deutlich signalisieren, dass sie Fangewalt auch ausserhalb des Stadions nicht akzeptieren. Das passiert nur teilweise. Der FC Basel hat nach dem Angriff auf den Sicherheitsmann klargemacht, dass man nicht zur Tagesordnung übergehen kann. Ganz anders der FC Zürich nach den Übergriffen in Altstetten: Der Klub hat sich in den Medien stark gegen Sektorschliessungen gewehrt.
Und wie sehen Sie die Rolle der Fanorganisationen?
Ich bedaure es sehr, dass die Fanorganisationen aus dem Dialog über das Kaskadenmodell ausgestiegen sind. Wir haben diese Runde für alle involvierten Parteien geöffnet, um alle an einem Tisch zu haben – und dann wird ausgestiegen. Das ist jetzt auch nicht gerade dialogbereit.
Wie ernsthaft war denn dieser Dialog überhaupt gemeint? Haben die Behörden die Massnahmen nicht praktisch vorgeschrieben?
Die Dialogbereitschaft war sehr ernst gemeint. Wir haben die Fanorganisation aufgefordert, Ideen vorzubringen. Wenn man sich dann zurückzieht, fehlt mir das Verständnis. Man muss sich doch an einen Tisch setzen können, auch wenn es einmal unangenehm wird.
Die härteste Massnahme im Kaskadenmodell ist das Spielverbot. Soll das Modell Gewalt verhindern oder bestrafen?
Das lässt sich nie trennscharf auseinanderhalten. Ich mache Ihnen ein Beispiel. Wenn man wegen ein paar Verkehrsunfällen auf einem Strassenabschnitt Tempo 30 einführt, sagen alle die, die vorsichtig gefahren sind: Nun werde ich dafür bestraft, dass ein paar Rowdys nicht aufgepasst haben. Dennoch hat das Tempolimit eindeutig präventiven Charakter.
Die Frage ist aber nicht ganz unwichtig, weil die Verweigerung einer Bewilligung als Sanktion rechtlich auf wackligen Füssen steht.
Die Massnahmen haben eine starke präventive Komponente. Aber was im Detail zulässig ist, werden letztlich die Gerichte entscheiden müssen, falls die Massnahmen angefochten werden.
Es gibt einen weiteren Streitpunkt: die personalisierten Tickets, um die Identität von Stadionbesuchern zu kennen. Seit Jahren sprechen die Polizeidirektoren davon, passiert ist immer noch nichts. Lassen Sie sich vom Widerstand der Klubs einschüchtern?
Ich habe mich in der KKJPD ja von Anfang an für personalisierte Tickets ausgesprochen, worauf es einen Aufschrei bei Klubs und Fans gegeben hat. Jede Massnahme wird hochemotional kritisiert. Das ist aber nicht der Grund für die Verzögerung.
Sondern?
Der Datenschutz. Die Klubs können die Daten der Ticketkäufer nicht einfach speichern und den Behörden weitergeben. Dafür brauchen wir eine Gesetzesgrundlage.
Gesetze lassen sich ändern. Fehlt es nicht vielmehr am politischen Willen?
Nein, das nehme ich nicht so wahr. Seitens der Behörden spüre ich eine grosse Geschlossenheit in der ganzen Schweiz. Wir wollen der Fangewalt Herr werden.
Warum führen Sie als Regierungsrätin die personalisierten Tickets nicht einfach in Ihrem Kanton ein?
Nach aktuellem Wissensstand müsste Basel-Stadt dafür dem erweiterten Hooligan-Konkordat beitreten. Das Parlament wollte das in der Vergangenheit nicht. Würde ich in Eigenregie personalisierte Tickets auf dem Sonderweg einführen, würde ich den politischen Willen missachten, auch wenn der Entscheid zehn Jahre zurückliegt. Deshalb wird für mich die Einführung der personalisierten Tickets ein politischer Marathon: Ich werde das erweiterte Konkordat in Basel-Stadt noch einmal auf den Tisch bringen.
Werden Sie eine Mehrheit finden? Das erweiterte Konkordat ist ja auch unter Bürgerlichen umstritten, der derzeitige FDP-Regierungskandidat Luca Urgese hat Sie in der Vergangenheit wegen Ihrer Initiative in diese Richtung kritisiert.
Das erweiterte Konkordat hat weniger mit links und rechts und mehr mit Freiheits- contra Sicherheitsdenken zu tun. Es kann durchaus sein, dass Basel-Stadt dem erweiterten Konkordat nicht beitreten will – was uns übrigens in der Vergangenheit von den anderen Kantonen nicht nur Lob eingebracht hat.
Setzen die anderen Kantone Sie unter Druck?
Nein. Und ich möchte dem erweiterten Konkordat nicht beitreten, nur damit die Sicherheitsdirektoren aus den anderen Kantonen befriedigt sind. Ich möchte es probieren, weil ich überzeugt bin, dass man einen solchen Weg gemeinsam mit allen Kantonen und Städten beschreiten muss. Ich habe keine Angst vor dem politischen Diskurs.
Werfen wir noch einen Blick auf die Fanszene: Aus Zürich hört man, die Fans seien jünger und gewaltbereiter geworden. Was passiert in Ihrem Stadion?
Die lange Zeitachse habe ich nicht. Von der Grösse her ist die Szene stabil. Die Polizei sagt mir aber, die politische Ausrichtung habe sich verändert. Es gibt Hinweise auf eine teilweise Überlappung zwischen der Fanszene und den Teilnehmern gewisser Demonstrationen.
Gemäss unseren Informationen gibt es in der Muttenzerkurve die Weisung, dass der harte Kern nicht an Demonstrationen teilnehmen soll. Sprechen Sie eher von rechten oder von linken Aktivisten unter den Fussballfans?
Das überblicke ich nicht, aber ich weiss, dass es innerhalb der Muttenzerkurve verschiedene Gruppen gibt. Was ich sagen kann: Bei uns in Basel ist die linksaktivistische Szene um einiges grösser als die rechte. Wir haben aber auch viele Matchbesucher aus dem Baselbiet, diese Klientel kann ich nicht beurteilen.
Reden wir über Demonstrationen. Dort greifen Sie auch durch. Was ist Ihre Strategie?
Mein Ziel ist immer dasselbe. Es gibt Regeln in einer Gesellschaft, an die man sich halten muss. Mir war von Anfang an die hohe Zahl an unbewilligten Demonstrationen ein Dorn im Auge. Die Teilnehmer machen eigentlich, was sie wollen, und verweigern sich dem Dialog mit der Polizei.
Es gibt die Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäusserung.
Das ist korrekt, und dieses Grundrecht möchte ich nicht einschränken. Aber Gewalt wird nicht toleriert, das ist die rote Linie. Wenn Leute das Gefühl haben, sie könnten sich vermummen oder mit Spraydosen durch die Stadt laufen, «Scheissbullen» rufen und ein paar Scheiben zerschlagen, akzeptiere ich das nicht. Um das zu verhindern, braucht es die Bewilligungspraxis. Also Organisatoren, die mit der Polizei die Route besprechen und ansprechbar sind. Wird der Dialog verweigert, versucht die Kantonspolizei die Kundgebung zu stoppen.
In Zürich wird im März über eine Volksinitiative abgestimmt. Sie will die Kosten unbewilligter Demonstrationen auf Störer überwälzen. Ist das der richtige Weg?
Die SVP Basel-Stadt sammelt Unterschriften für ein ähnliches Begehren. Wir haben das Thema in der Regierung noch nicht besprochen, aber ich denke, die Initianten stellen es sich einfacher vor, als es ist.
Was ist schwierig?
Es kann nicht sein, dass der Veranstalter, der die Bewilligung für eine Demonstration einholt, nachher für das Verhalten aller Teilnehmer haftet. Das ist keine Geburtstagsparty mit zwanzig Leuten, die man gut kennt. Es kommen auch Menschen, welche die Kundgebung unterwandern und die man als Organisator schwer kontrollieren kann.
Haben Gewerkschaften oder linke Parteien keine Verantwortung dafür, was beispielsweise am 1. Mai passiert? Sie können doch Einfluss auf ihre Klientel nehmen.
Es ist nicht so einfach. Die Veranstalter können durchaus die Parole durchgeben, dass sie Gewalt nicht tolerieren. Aber sie können nicht verhindern, dass Gewaltbereite auftauchen. Ich erwarte aber, dass sich die Organisatoren von Gewalt distanzieren. Das machten die Veranstalter am 1. Mai in Basel letztes Jahr nicht konsequent, und dann passierte, was passiert ist.
Vermummte Mitglieder des schwarzen Blocks tauchten auf, woraufhin die Polizei einen Teil der Demonstration einkesselte.
Die Arbeit der Polizei wird schwierig, wenn sich Veranstalter einer bewilligten Demonstration mit Vermummten solidarisieren und es noch gut finden, wenn diese an der Spitze des Demonstrationszugs laufen. Dann kann die Polizei gewaltbereite nicht mehr von friedlichen Demonstranten unterscheiden, das macht die Arbeit schwierig.
Ihre Polizei hat am 1. Mai sogar eine Passantin eingekesselt, die gar nicht demonstrierte, sondern einfach durch die Stadt ging.
Das lassen wir einmal dahingestellt. Gegen die Polizei läuft wegen des Einsatzes ein Gerichtsverfahren, daher kann ich nicht im Detail Auskunft geben. Ganz allgemein sind Demonstrationen häufig ein Gemenge. Für die Polizisten ist es schwierig, zu erkennen, wer friedlich demonstriert, wer Schlagstöcke und anderes Material bei sich hat. Daher lässt es sich nicht verhindern, dass auch Menschen eingekesselt werden, die sich friedlich verhalten. Die Frage ist: Wie verhält man sich dann als Demonstrant?
Und?
Es ist ganz einfach: Wer der Polizei den Ausweis zeigt, darf den Kessel verlassen. Wer sich hingegen weigert und sich mit Vermummten solidarisiert, der kann sich nicht beklagen, wenn er nicht rauskommt.
Kritiker sagten, die Polizei habe auch Leute, die sich ausgewiesen hätten, nicht rausgelassen am 1. Mai.
Leider kann ich dazu nichts sagen, weil das Gerichtsverfahren läuft. Ich möchte mich der Diskussion nicht verweigern, aber ich kann dem Urteil des Gerichts nicht zuvorkommen.
Schauen wir auf Ihre bisher dreijährige Amtszeit zurück: Was haben Sie mit Ihrer Nulltoleranz gegenüber unbewilligten Demonstrationen bisher erreicht?
Ladenbesitzer beklagen sich: «Jeden Samstag gibt es eine Demo.» Andere sprechen vom «Chilling-Effekt» – es werde nicht mehr demonstriert, weil ich so repressiv sei. Jetzt führen wir seit zwei Jahren eine Statistik, um Klarheit in die diffuse Diskussion zu bringen.
Und? Gibt es dank Ihrer Verschärfung weniger unbewilligte Demonstrationen und Ausschreitungen?
Wir haben eine konstant hohe Anzahl an Demonstrationen, 2023 waren es 224, darunter auch kleine Standaktionen. Fakt ist: Die meisten Demonstrationen gehen friedlich über die Bühne. Auch wenn die, die ausarten, mediale Präsenz haben.
Wir fragen noch einmal: Hat Ihre Verschärfung etwas gebracht? Gibt es weniger Gewalt als unter Ihrem Vorgänger?
Das kann ich nicht sagen, denn Gewalt ist schwierig zu messen. Aber die Anzahl unbewilligter Demonstrationen hat letztes Jahr deutlich abgenommen. Ob das an meiner Strategie liegt, kann ich noch nicht sagen. Dafür ist es zu früh, es braucht einen Mehrjahresvergleich. Im Dialog erreichen wir Teilerfolge.
Welche?
Beispielsweise haben mir Demonstrationsveranstalter gesagt, es wirke abschreckend, wenn man eine Kopie des Ausweises bei der Polizei lassen müsse, um eine Bewilligung einzuholen. Daraufhin sagte der Kommandant: «Stimmt, man muss sich zwar ausweisen, aber die Kopie der ID braucht es tatsächlich nicht.» Man muss gegenseitig einen Schritt aufeinander zugehen.
Am 3. März wählt Basel-Stadt den Nachfolger für den neu gewählten Bundesrat Beat Jans in die Regierung. Es besteht die Chance, dass es seit 19 Jahren erstmals wieder eine bürgerliche Mehrheit gibt. Was würde sich punkto Fangewalt und Demonstrationen ändern?
Eine bürgerliche Mehrheit in der Regierung ändert noch gar nichts. Über den angesprochenen Beitritt zum erweiterten Konkordat etwa müsste das Parlament entscheiden. Und die Demonstrationen sind kein Gesamtregierungs-Business, sondern liegen in der Kompetenz der Sicherheitsdirektorin. Von daher würde sich nur etwas ändern, wenn man mir ein anderes Departement zuweisen würde.
Haben Sie solche Pläne? Das Justiz-und Sicherheitsdepartement galt lange Zeit als Trostpreis. Bei Ihnen hat man aber von aussen das Gefühl, Sie seien mit Leidenschaft dabei.
In meinem Amt steht man die ganze Zeit im Schaukasten. Wenn ich weiss, diesen Samstag marschieren 2000 Leute durch die Stadt, trinke ich kein Cüpli, denn ich möchte jederzeit vor meine Mitarbeitenden hinstehen können, wenn etwas passiert. Das ist mein Anspruch. Denn die Polizisten haben mein Vertrauen verdient, und die Stadt braucht sie. Das ist harte Büez, macht aber Freude.
(https://www.nzz.ch/schweiz/baslerin-stephanie-eymann-gilt-als-haerteste-polizeidirektorin-der-schweiz-gewalt-wird-nicht-toleriert-das-ist-die-rote-linie-ld.1776948)
+++BIG BROTHER
Überwachungskamera macht der Cuba Bar nun Ärger
Eine Tram-Entgleisung in Bern sorgte am Donnerstag für Schlagzeilen. Bald waren auch Videoaufnahmen vom spektakulären Unfall im Umlauf. Unter anderem gefilmt von der Überwachungskamera der Cuba Bar. Nun wird das Lokal kritisiert: Die Kamera sei ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre der Stadtberner Bevölkerung.
https://www.telebaern.tv/telebaern-news/ueberwachungskamera-macht-der-cuba-bar-nun-aerger-156129539
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/tram-unfall-gefilmt-cuba-bar-muss-illegale-kamera-entfernen-156128344?autoplay=true&mainAssetId=Asset:156128828
+++POLIZEI ZH
Gewalt gegen die Polizei: Immer mehr Jugendliche verlieren Respekt
In der Nacht auf gestern attackieren 20 Jugendliche in Stäfa Polizisten mit Steinen. Am vorletzten Wochenende gehen FCZ-Chaoten mit Flaschen, Steinen und Pyros auf die Beamten los. Die Gewaltbereitschaft nimmt zu, der Respekt ab. Psychologen sind besorgt.
https://www.telezueri.ch/zuerinews/gewalt-gegen-die-polizei-immer-mehr-jugendliche-verlieren-respekt-156129572
+++FRAUEN/QUEER
Queer auf dem Land – Schweiz Aktuell
Auf dem Dorf leben häufig nur vereinzelt queere Personen. Eine Community zum Austauschen gibt es dann nicht – im Kanton Uri haben queere Jugendliche deshalb einen LGBTQ-Treff gründet
https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/queer-auf-dem-land?urn=urn:srf:video:a15bcd6a-f377-410c-9de9-cde80321be86
+++RECHTSPOPULISMUS
Brisante Initiative: SVP fordert systematische Grenzkontrollen
Nach der Initiative zur «10-Millionen-Schweiz» wartet die SVP mit dem nächsten Volksbegehren auf: Mit der deutlich schärferen Grenzschutzinitiative will die Volkspartei die Asylmigration eindämmen.
https://www.watson.ch/schweiz/migration/980237783-brisante-initiative-svp-fordert-systematische-grenzkontrollen
-> https://www.blick.ch/politik/startschuss-fuer-grenzschutz-initiative-soll-im-maerz-fallen-so-will-die-svp-die-zuwanderung-eindaemmen-id19403381.html
-> https://www.20min.ch/story/gruene-findens-schande-svp-initiative-will-fixe-hoechstgrenze-bei-asyl-gewaehrungen-103036913
+++RECHTSEXTREMISMUS
«Falsche Freunde: SVP-Politiker (und Kaderperson bei der Armee) Mathias Müller fiel in durch Verherrlichung von Nazi-Figur auf. Nun verlangt er in einem Vorstoss eine „Solidaritätsaktion für jüdische Mitmenschen“.»å
Mehr: https://twitter.com/bwg_bern/status/1754459388587204717
+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
Urteil in Niedersachsen Volksverhetzung und falsche Maskenatteste – Bewährungsstrafe für Ärztin
Sie floh nach Mexiko, wurde in der Schweiz festgenommen und stand nun in Niedersachsen vor Gericht: Während der Coronapandemie hat eine Ärztin falsche Atteste ausgestellt, damit Menschen keine Masken tragen müssen.
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/duderstadt-volksverhetzung-und-falsche-maskenatteste-bewaehrungsstrafe-fuer-aerztin-a-caf5159c-9a39-4c09-b9be-d43ece57bee9
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tagblatt.ch 05.02.2024
Dilemma: Staatsverweigerer beschweren sich bei staatlichen Gerichten über staatliche Bussen
Zwei Müllheimer behaupten, als Angehörige des fiktiven indigenen Volks der Germaniten gälten die Schweizer Gesetze für sie nicht. Die gegenteilige Ansicht vertreten das real existierende Bezirksgericht wie auch das Obergericht und das Bundesgericht.
Thomas Wunderlin
Die Erfolgschancen sind naturgemäss klein, wenn sich Staatsverweigerer bei einer staatlichen Instanz über eine andere staatliche Instanz mit dem Argument beschweren, die staatlichen Gesetze seien nicht auf sie anwendbar. So ist auch das Bundesgericht Anfang Jahr nicht auf die Beschwerden eines Paars aus Müllheim eingetreten, das sich gegen Strafbefehle der Thurgauer Generalstaatsanwalt wehrt.
Der Mann erhielt am 9. Mai 2023 eine Busse von 150 Franken wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen. Die Frau wurde am 5. Mai 2023 mit 120 Franken wegen einer einfachen Verkehrsverletzung gebüsst (6B_1321/2023 und 6B_1320/2023).
Beschwerde ans höchste Gericht des abgelehnten Staats
Daraufhin stellte sich die Frage, wie weit die beiden Schweizer Bürger nach den Regeln des Staat spielen sollten. Eine klare Antwort fanden sie keine. Beide reichten zwar Einsprache gegen die Strafbefehle ein, erschienen jedoch am 24. August nicht zur Verhandlung vor dem Bezirksgericht Frauenfeld, worauf dieses die Einsprachen als zurückgezogen beurteilte. Dagegen wiederum wandten sich die beiden Staatsverweigerer erfolglos ans Thurgauer Obergericht und danach ans höchste Gericht des von ihnen abgelehnten Staats.
Wie dem Bundesgerichtsurteil zu entnehmen ist, argumentieren sie sinngemäss, als Angehörige des indigenen Volks der Germaniten seien sie nicht dem staatlichen Recht unterstellt. Sie beanstanden, das humanitäre Völkerrecht werde nicht angewendet und ihre Indigenenrechte würden missachtet.
Laut Bundesgericht setzen sie sich aber nicht in einer den Formerfordernissen genügenden Weise damit auseinander, weshalb für die Beurteilung ihrer Straftaten nicht die kantonalen Behörden zuständig seien. Sie hätten auch offen gelassen, worin die völkerrechtliche Rechtsgrundlage für die Ausnahme von der Schweizer Strafrechtshoheit bestehe.
Germanit ist ein Mineral
Bei den beiden Staatsverweigerern dürfte es sich um dasselbe Paar handeln, das schon am 24. Februar 2023 mit einer Beschwerde bezüglich zweier Betreibungen vom Bundesgericht abgewiesen wurde und sich ebenfalls als Germaniten bezeichnete.
Gegründet wurde die Gruppierung der Germaniten 2007. Sie betrachtet Deutschland in den Grenzen von 1937 als Gebiet des Staats Germanitien. Die Bezeichnung Germanit spielt auf die Germanen an, die Vorfahren der heutigen Deutschen. Germanit ist auch ein Mineral. Zu seinen Eigenschaften gehört, dass es in jeder Form undurchsichtig ist.
(https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kanton-thurgau/thurgau-dilemma-staatsverweigerer-beschweren-sich-bei-staatlichen-gerichten-gegen-staatliche-bussen-ld.2573940)