Medienspiegel 19. Dezember 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++BERN
Die City Card Bern wird digital
Ein Ausweisdokument, das seine Träger*innen als Bürger*innen einer Stadt kennzeichnet — so lautet der Grundgedanke hinter dem Konzept City Card. Ein Ausweisdokument also, das einzig an den Wohnort gebunden ist und nicht an die Staatsangehörigkeit oder den Aufenthaltsstatus. Eng damit verbunden ist das Konzept der «Urban Citizenship», also eines städtischen Bürger*innen-Rechts.
https://rabe.ch/2023/12/19/die-city-card-bern-wird-digital/
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/seit-2017-ein-thema-jetzt-soll-die-city-card-der-stadt-bern-kommen-155793282
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/216377/


+++AARGAU
Über 40 freiwillige Helfer haben sich dieses Jahr für Asylsuchende und Flüchtlinge eingesetzt
Am Jahresabschlussfest von Contact Brugg konnten am Montag Lotto gespielt und Speisen aus verschiedenen Ländern genossen werden. Die Co-Leiterin des Integrationsprojekts erklärt zudem, wie das Angebot am Standort des Vereins Netzwerk Asyl Aargau aussieht.
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/contact-brugg-ueber-40-freiwillige-helfer-haben-sich-dieses-jahr-fuer-asylsuchende-und-fluechtlinge-eingesetzt-ld.2557314


+++THURGAU
IG gegen Asylzentrum Steckborn sammelt 131 Unterschriften (ab 01:53)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/erste-sanierungsetappe-stadtautobahn-abgeschlossen?id=12508161


+++SCHWEIZ
Asylstatistik November 2023
Im November 2023 wurden in der Schweiz 3141 Asylgesuche registriert, 374 weniger als im Vormonat (-10,6 %). Gegenüber November 2022 ist die Zahl der Asylgesuche um 427 gesunken. Wichtigste Herkunftsländer waren Afghanistan und die Türkei. Im November wurde zudem 1090 aus der Ukraine geflüchteten Personen der Schutzstatus S erteilt, in 1399 Fällen wurde er beendet.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-99491.html


Debatte im Nationalrat: Handelte der Bund bei den Afghaninnen gesetzeswidrig?
SVP-Nationalrat Gregor Rutz behauptet, das Staatssekretariat für Migration verstosse mit seinem Vorgehen gegen das Gesetz. Und er sagt, die Medien hätten über ein Gerichtsurteil falsch berichtet. Wo er richtig liegt – und wo nicht.
https://www.derbund.ch/afghaninnen-handelte-der-bund-gesetzeswidrig-447188244443


Nationalrat schickt SVP-Antrag zu Afghaninnen zurück in Kommission
Der Nationalrat hat am Dienstag nicht über eine Motion des Zürcher SVP-Nationalrats Gregor Rutz zum Umgang der Schweiz mit Asyl suchenden Afghaninnen beraten. Er folgte einem Ordnungsantrag des Zuger Mitte-Nationalrats Gerhard Pfister und schickte die Motion zurück zur Vorprüfung in die vorberatende Kommission.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20231219093500705194158159038_bsd054.aspx
-> https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/906761649-pfister-zersaegt-motion-von-rutz-svp-asyl-session-innert-minuten-vorbei?utm_source=twitter&utm_medium=social-auto&utm_campaign=auto-share
-> https://www.blick.ch/politik/asyldebatte-zu-umstrittener-praxisaenderung-bei-afghaninnen-svp-will-praxisaenderung-kippen-id19256452.html
-> https://www.blick.ch/politik/buergerliche-wollen-kein-asyl-fuer-afghanische-frauen-wie-freshta-rahimi-18-die-angst-vor-den-taliban-verfolgt-sie-bis-in-die-schweiz-id19255571.html
-> https://www.derbund.ch/schweizer-asylrecht-fuer-afghaninnen-podcast-apropos-704916856654
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/sp-widmer-kritik-an-asylanspruch-von-afghaninnen-unmenschlich-66673808
-> https://www.srf.ch/play/tv/10-vor-10/video/asylrecht-fuer-afghaninnen-debatte-zu-praxisaenderung-in-der-schweiz-verschoben-verschoben?urn=urn:srf:video:d2b94b66-883d-4a4b-bb7e-69b4a7d46aa8
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/telebaern-news-vom-19-12-2023-155604642 (ab 06:45)
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/dicke-lauft-im-bundeshaus-asyl-diskussion-abgeklemmt-155802710
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/svp-blitzt-ab-nationalrat-stoppt-asyldiskussion-155802491


Asyldebatte im Parlament: «Denkt man wirklich so in der Schweiz?», fragt Afghanistans ehemalige Vizepräsidentin
Sima Samar wurde von den Taliban verfolgt. Nun ist sie bestürzt über den Ruf von SVP und FDP nach einer härteren Gangart bei der Aufnahme afghanischer Frauen und Mädchen.
https://www.derbund.ch/kein-asyl-fuer-afghaninnen-denkt-man-so-in-der-schweiz-fragt-ex-vize-236408640687


Parlament pocht auf mehr Rückführungen
Das Parlament fordert vom Bundesrat mehr Rückführungen und Ausweisungen von abgewiesenen Asylsuchenden. Der Nationalrat hat dazu eine Motion aus dem Ständerat angenommen. Weil er aber die Sanktionen für nicht kooperative Herkunftsländer nicht verstärken will, muss der Ständerat nochmals entscheiden.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20231219103332433194158159038_bsd071.aspx
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/parlament-pocht-auf-mehr-ruckfuhrungen-66673554


Nationalrat will Resettlement-Programm für Flüchtlinge fortsetzen
Der Nationalrat will grundsätzlich das derzeit von der Schweiz sistierte Resettlement-Programm der Uno für Flüchtlinge in den nächsten zwei Jahren weiterführen. Damit stützt die grosse Kammer den Kurs des Bundesrats.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20231219103724741194158159038_bsd072.aspx


Nationalrat will Bund keine Planung von Asylplätzen vorschreiben
Der Nationalrat will dem Bund keine Vorgaben machen zur Kapazitätsplanung für die Erstunterbringung von Asylsuchenden machen. Er lehnte am Dienstag eine Motion der Finanzkommission des Ständerates mit knappem Mehr ab, mit 94 zu 93 Stimmen und mit einer Enthaltung.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20231219105940727194158159038_bsd079.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20231219115207566194158159038_bsd094.aspx


Abgewiesene Eritreer werden nicht in Drittland ausgeschafft
Die Schweiz wird Eritreer mit einem abgewiesenen Asylgesuch nicht in ein Drittland wie zum Beispiel Ruanda ausschaffen. Der Nationalrat hat am Dienstag einen Vorstoss abgelehnt, mit dem ein Pilotprojekt für solche Ausschaffungen gefordert wurde.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20231219113000619194158159038_bsd089.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20231219125720793194158159038_bsd108.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20231219130216700194158159038_bsd110.aspx
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/abgewiesene-eritreer-werden-nicht-in-drittland-ausgeschafft-66673614
-> https://www.blick.ch/politik/asyl-vorstoss-forderte-pilotprojekt-abgewiesene-eritreer-werden-nicht-in-drittland-ausgeschafft-id19257178.html
-> https://www.baerntoday.ch/schweiz/abgewiesene-eritreer-werden-nicht-in-drittland-ausgeschafft-155799432
->  https://www.20min.ch/story/abgewiesene-eritreer-sollen-nach-ruanda-ausgelagert-werden-445045093410
-> https://www.20min.ch/story/wintersession-2023-nationalrat-staenderat-kriegsmaterialexport-wird-gelockert-335984531377
-> https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/586543836-abgewiesene-eritreer-werden-nicht-in-drittland-ausgeschafft


Geflüchtete mit Schutzstatus S sollen einfacher zu Arbeit kommen
Flüchtlinge mit Schutzstatus S sollen in der Schweiz einfacher zu einem Job kommen können. Der Nationalrat hat eine Motion angenommen, die darauf abzielt, dass bei solchen Personen die bisherige Arbeits-Bewilligungspflicht durch eine Meldepflicht ersetzt wird.
https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20231219113157035194158159038_bsd090.aspx
-> https://www.nau.ch/politik/bundeshaus/gefluchtete-mit-schutzstatus-s-sollen-einfacher-zu-arbeit-kommen-66673617


Tabubruch: Bürgerliche wollen Flüchtlingskonvention abändern
Die Flüchtlingskonvention von 1951 sei kein zeitgemässes Abkommen mehr für die Migrationskrise, finden bürgerliche Politiker. Sie wagen den Tabubruch – und sind damit nicht alleine in Europa.
https://www.20min.ch/story/tabubruch-buergerliche-wollen-fluechtlingskonvention-abaendern-985616891643?version=1702964206227
-> https://www.20min.ch/story/tabubruch-buergerliche-wollen-fluechtlingskonvention-abaendern-985616891643


Bürgerliche blitzen mit härterem Asylkurs ab – Echo der Zeit
Mit den letzten Wahlen ist der Nationalrat nach rechts gerückt. Dennoch fanden die FDP und die SVP am Mittwoch im Nationalrat keine Mehrheit für Forderungen, die einen härteren Asylkurs anstreben.
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/buergerliche-blitzen-mit-haerterem-asylkurs-ab?partId=12509277
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/asyldebatte-im-nationalrat-buergerliche-blitzen-mit-haerterem-asylkurs-ab


+++MITTELMEER
Blockiert wegen einer Lüge
Seenotretter klagen gegen Strafen in Italien
Nach einem neuen Dekret wurden in Italien mehrere Schiffe ziviler Rettungsorganisationen im Hafen festgesetzt. Der Fall der »Humanity 1« ist besonders, denn die Vorwürfe sind falsch.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178623.deutsches-rettungsschiff-blockiert-wegen-einer-luege.html


+++EUROPA
Frontex-Drohne fliegt wieder
Ursache für Absturz vor Kreta bleibt unbekannt
Nach einem Absturz im August überwacht Frontex das Mittelmeer in Griechenland mit einer neuen Militärdrohne aus Israel. Eine Bergung des Wracks blieb unmöglich.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178627.nach-crash-im-mittelmeer-frontex-drohne-fliegt-wieder.html


+++GASSE
Obdachloser muss Baracke verlassen – jetzt kommen Bootsplätze
In Nidau am Bielersee wurde Anfang Dezember eine Baracke geräumt. Man habe einen Ex-Obdachlosen loswerden wollen, sagen Kritiker. Man habe den Mann schützen wollen, die Gemeinde.
https://www.20min.ch/story/nidau-obdachloser-muss-baracke-verlassen-jetzt-kommen-bootsplaetze-465768282689
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/beat-cattaruzza-kaempft-gegen-herzlos-entscheid-seiner-amtskollegen-in-nidau-be-sie-schliessen-baracke-von-obdachlosem-fuer-bootsplaetze-id19255308.html
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/gemeinde-nidau-vertreibt-obdachlosen-aus-baracke-empoerung-155797557


Bettelverbot in Bern? Basel hat Erfahrung damit
Der Berner Regierungsrat will ein kantonales Bettelverbot einführen, um Bettel-Banden zu bekämpfen. Er unterstützt einen Vorstoss der SVP. Vorbild ist das Basler Bettelverbot, das seit März 2023 angewendet wird. Welche Erfahrungen hat man in Basel gemacht?
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/bettelverbot-in-bern-basel-hat-erfahrung-damit?id=12508173
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/nach-abgelehntem-akutspital-kommt-nun-das-gesundheitszentrum?id=12509235 (ab 09:24)
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/telebaern-news-vom-19-12-2023-155604642 (ab 03:13)


Regierung verabschiedet kantonale Strategie Sucht
Die Regierung hat zum Thema Sucht eine kantonale Strategie verabschiedet. Die betroffenen Dienststellen koordinieren ihre Aktivitäten von der Prävention bis zum Strafvollzug künftig stärker.
https://www.gr.ch/DE/Medien/Mitteilungen/MMStaka/2023/Seiten/2023121901.aspx


++++DEMO/AKTION/REPRESSION
Stimmrechtlose Stimme
Kurzimpressionen von einem der Protagonisten, der jahrelang illegal in der Schweiz lebte und mittlerweile eine Aufenthaltsbewilligung, aber immer noch kein Stimm- und Wahlrecht hat. Gib ihm bitte Raum für seine Stimme und unterstütze den Film «Revolte jetzt!» unter https://wemakeit.com/projects/dokfilm-revolte-jetzt
https://www.youtube.com/watch?v=S0juIz_htCE


Trotz Demoverbot? Demo für Palästina an Weihnachten geplant
Propalästinensische Organisation will am 24. Dezember in Bern eine Kundgebung durchführen. Eigentlich herrscht Demo-Verbot.
https://www.derbund.ch/trotz-demoverbot-demo-fuer-palaestina-an-weihnachten-geplant-553682217129



Umstrittener Einsatz am 1. MaiEuropäischer Gerichtshof für Menschenrechte rüffelt Zürcher Polizei
Der Gerichtshof hat Beschwerden gegen den 1.-Mai-Einsatz von 2011 in Zürich gutgeheissen. Wie die Zürcher Polizeibehörden darauf reagieren, ist noch nicht klar.
https://www.tagesanzeiger.ch/umstrittener-polizeieinsatz-am-1-mai-strassburg-rueffelt-zuercher-polizei-853913158923
-> https://www.watson.ch/schweiz/z%c3%bcrich/266896339-egmr-heisst-beschwerde-gegen-polizeieinsatz-in-zuerich-gut
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/egmr-heisst-beschwerde-gegen-zurcher-polizeieinsatz-gut-66673568
-> https://www.blick.ch/schweiz/zuerich/demonstranten-eingekesselt-egmr-verurteilt-polizeieinsatz-in-zuerich-id19256849.html
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/egmr-heisst-beschwerde-gegen-polizeieinsatz-in-zuerich-gut-1-00227963/
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/europaeischer-gerichtshof-ruegt-die-zuercher-polizei?id=12508440
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/umstrittener-1-mai-einsatz-europaeische-gerichtshof-ruegt-zuercher-polizei
-> https://www.20min.ch/story/nach-egmr-entscheid-darf-die-polizei-kuenftig-noch-einkesseln-165276068608
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/radio-legende-walter-scheibli-ist-gestorben?id=12509211
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadtpolizei-zuerich-hat-an-1-mai-demo-gegen-menschenrecht-verstossen-155798998?autoplay=true&mainAssetId=Asset:155802745
-> https://www.zueritoday.ch/videos/skandalurteil-oder-guter-tag-fuer-meinungsfreiheit-155802995?autoplay=true&mainAssetId=Asset:155802741
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/rueffel-fuer-die-zuercher-polizei-nach-1-mai-einsatz-155802723
-> https://tv.telezueri.ch/zuerinews/reaktionen-zum-urteil-aus-strassburg-155802699



nzz.ch 19.12.2023

Urteil nach 1.-Mai-Demonstration: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kritisiert die Zürcher Polizei hart

Das Gericht spricht von Schikane und Willkür und gibt zwei Demonstrationsteilnehmern recht, die geklagt haben.

Zeno Geisseler

Die Taktik der Zürcher Polizei im Zusammenhang mit Demonstrationen sorgt immer wieder für Kritik. Jetzt hat sich auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit der Thematik befasst – und hat zwei Klägern recht gegeben, die sich gegen das Vorgehen der Polizei an einer 1.-Mai-Demonstration in der Stadt Zürich gewehrt hatten. Sowohl die Stadt- wie die Kantonspolizei standen damals im Einsatz.

Der Fall liegt schon etwas länger zurück: Am 1. Mai 2011 hielten sich nach den offiziellen Feierlichkeiten zum Tag der Arbeit in der Stadt Zürich mehrere hundert Personen beim Kanzleiareal und auf dem Helvetiaplatz auf. Die Polizei kesselte alle Anwesenden ein und liess nur jene frei, die offensichtlich nicht als Teilnehmer einer unbewilligten Nachdemonstration infrage kamen, an der mit Verletzten und Sachschäden zu rechnen war.

542 Personen wurden schliesslich in die Polizeikaserne gebracht, um ihre Identität festzustellen. Erst nach mehreren Stunden wurden die Kontrollierten wieder entlassen. Ihnen wurde auferlegt, in den nächsten 24 Stunden der Zürcher Innenstadt fernzubleiben.

Das Bundesgericht kam 2016 zu dem Schluss, dass das Vorgehen der Polizei gerechtfertigt gewesen sei. Gegen diesen Entscheid zogen zwei damalige Teilnehmer nach Strassburg. Dort hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nun anders geurteilt als die Richter in Lausanne.

Die Massnahmen der Polizei sind laut Urteil ein Verstoss gegen Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention. In diesem Artikel geht es um das Recht auf Freiheit und Sicherheit.

Je 1000 Euro Schadenersatz

Das Gericht nimmt der Polizei nicht ab, dass es für eine Überprüfung der Identität tatsächlich notwendig gewesen sei, die Personen auf die Polizeiwache zu bringen. Dies hätte auch über Funk von der Strasse aus erfolgen können. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Festhaltung in der Polizeiwache in erster Linie eine Schikane gewesen sei. Sie sei «unangemessen» und sogar «willkürlich» gewesen.

Die Festhaltung könne auch nicht damit begründet werden, dass sie notwendig gewesen sei, um eine Straftat zu verhindern, finden die Richter in Strassburg. Auch wenn an früheren 1.-Mai-Nachdemos Gewalt ausgeübt worden sei, es Aufrufe linksextremer Gruppen gegeben habe und Masken getragen worden seien, bedeute dies nicht zwingend, dass auch die beiden Kläger eine Straftat begehen würden.

Ausserdem hätten sich die beiden Männer auf dem Helvetiaplatz aufgehalten und nicht auf dem Kanzleiareal, wo es Hinweise auf eine illegale Nachdemonstration gegeben habe.

Das Gericht spricht den beiden Männern je 1000 Euro als Schadenersatz zu, ausserdem je 5000 Euro für die Kosten und Auslagen.

Die beiden Beschwerdeführer zeigten sich an einer Medienorientierung am Dienstag in Zürich erfreut über das Urteil, sie kritisierten das Prozedere aber auch. «Bei Verfahren gegen die Polizei gibt es hohe, kaum überwindbare Hürden», sagte Lukas Arnold, einer der beiden Männer. «Das Verfahren ist unübersichtlich und dauert zu lange.»

Eine effektive Wahrnehmung der Rechte sei fast unmöglich. Seiner Ansicht nach hat das Urteil auch eine starke politische Komponente. Es stehe in Zusammenhang mit «anhaltender Repression gegen die ausserparlamentarische Linke», sagte Arnold.

Felix Marthaler, der zweite Beschwerdeführer, sagte, er habe von mehr als 100 Personen Geld organisiert, um die Klage überhaupt führen zu können. Wenn am Ende des Verfahrens noch Geld übrig bleibe, werde er den Rest jenen geben, die den gleichen Weg gehen wollten.

Zweifel auch bei den Richtern

Viktor Györffy ist der Anwalt der beiden Beschwerdeführer. Er ist der Ansicht, dass die Polizei damals von Anfang an geplant habe, die Demonstranten einzukesseln und dann zur Polizeikaserne zu bringen. «Das war eine vorbereitete Aktion», sagte er vor den Medien.

Aus seiner Sicht hat das Strassburger Urteil nun grundlegende Konsequenzen für die Polizeiarbeit bei Demonstrationen. «Die Polizei muss sich an die Menschenrechtskonvention und an die Bundesverfassung halten. Diese Pflicht wurde ganz klar vernachlässigt», sagte er. Es sei offensichtlich, dass Einkesselungen nicht mehr zulässig seien.

Ganz so eindeutig ist die Beurteilung gerade bei der Frage der Einkesselung allerdings auch für die Strassburger Richter nicht. Am Schluss des Urteils äussern sich drei Richter mit einer abweichenden Minderheitsmeinung.

Sie schreiben, dass im Urteil letztlich die Frage offengeblieben sei, ob die Einkesselung tatsächlich einem Freiheitsentzug gleichkomme. In ihren Augen sei dies eindeutig nicht so. In einem sehr ähnlichen Fall sei der Gerichtshof zudem zu dem Schluss gekommen, dass selbst eine siebenstündige Umzingelung nicht gegen die Menschenrechtskonvention verstossen habe.

Zum Entscheid inhaltlich noch nicht Stellung genommen haben die Zürcher Behörden. Das Sicherheitsdepartement der Stadt Zürich schreibt, dass man das Urteil lesen und sorgfältig analysieren werde. «Erst danach äussern wir uns dazu», sagt Katharina Schorer, die Sprecherin von Stadträtin Karin Rykart. Die Kantonspolizei lässt verlauten, dass sich die Polizeiarbeit seit damals verändert habe.
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-gericht-kritisiert-polizeieinsatz-am-1-mai-ld.1771177)



limmattalerzeitung.ch 19.12.2023

Einkesselung und Massenverhaftung am 1. Mai in Zürich war ungerechtfertigter Freiheitsentzug

Zum Tag der Arbeit kesselte die Polizei 2011 in Zürich über 500 Personen ein und nahm sie stundenlang fest. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beurteilt dies nun als Verletzung des Grundrechts auf Freiheit. Das Urteil dürfte nicht folgenlos bleiben.

Matthias Scharrer

Es war ein Wendepunkt im Umgang mit 1.-Mai-Kundgebungen in Zürich: In den Jahren zuvor waren Ausschreitungen der sogenannten Nachdemo schon fast zur Gewohnheit geworden. Nun kesselte die Polizei am 1. Mai 2011 im Anschluss an die offizielle Kundgebung zum Tag der Arbeit 542 Personen beim Helvetiaplatz ein und nahm sie fest. Durfte sie das?

Der Fall ging zunächst bis vor Bundesgericht. Dieses hiess das Vorgehen der Polizei gut. Zwei Beschwerdeführer, die an jenem Tag der Arbeit von der Polizei bis am Abend stundenlang festgehalten wurden, zogen weiter an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (EGMR). Und dieser kommt nun in seinem am Dienstag veröffentlichten Urteil zum Schluss: Mit ihrem Vorgehen habe die Polizei das Grundrecht auf Freiheit ungerechtfertigt verletzt.

Den Beschwerdeführern spricht das Gericht je 1000 Euro Genugtuung zu, zudem 10’000 Euro für ihre Anwaltskosten.

«Einkesselungen sind nicht mehr zulässig»

An einer Medienkonferenz nahmen die Beschwerdeführer Lukas Arnold und Felix Marthaler zusammen mit ihrem Anwalt Viktor Györffy Stellung dazu. Laut Györffy dürfte das Urteil Folgen für künftige Polizeieinsätze haben: «Wenn Strassburg sagt, das geht so nicht, sind Einkesselungen nicht mehr zulässig. Es ist Pflicht der Behörden, sich an die Grundrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention zu halten. Und diese Pflicht ist in diesem Fall vernachlässigt worden.»

Die Einkesselung hatte an jenem 1. Mai etwa um 16.30 Uhr begonnen. Die Polizei überprüfte zunächst auf dem Helvetiaplatz die Identität der Betroffenen. Das dauerte mehrere Stunden. Anschliessend wurden sie auf den Polizeiposten mitgenommen und dort einer erneuten Überprüfung unterzogen. Die beiden Beschwerdeführer kamen erst am späteren Abend wieder frei. Und sie erhielten für die nächsten 24 Stunden ein Aufenthaltsverbot in mehreren Zürcher Stadtkreisen.

Sie waren aus unterschiedlichen Gründen auf dem Helvetiaplatz gewesen, wie sie am Dienstag vor den Medien sagten: Arnold wollte als Demonstrant seine Meinung öffentlich kundtun, Marthaler mit Kollegen bloss die Szenerie beobachten. «Ich wurde stundenlang festgenommen – für nichts. Ich war einfach dort», sagte Marthaler.

Der EGMR kam zum Schluss, die stundenlange Festnahme ohne konkrete Anhaltspunkte für Straftaten sei ein ungerechtfertigter Freiheitsentzug. Es sei nicht auszuschliessen, dass die Festnahme als blosse Schikane diente, was nicht tolerierbar sei, hält der Strassburger Menschenrechtsgerichtshof in seinem Urteil weiter fest.

Ein Dutzend Verfahren sei noch hängig

Arnold kritisierte vor den Medien zum einen die lange Verfahrensdauer von nunmehr zwölf Jahren und die damit verbundenen hohen Kosten. Zum anderen die Tatsache, dass sich die Schweizer Beschwerdeinstanzen von der kantonalen Sicherheitsdirektion über Verwaltungsgericht, Bezirksgericht und Obergericht bis hin zum Bundesgericht jeweils sogleich auf die Seite der Polizei gestellt hätten. Dies erschwere es, Beschwerden gegen die Polizei durchzuziehen. «Ich habe in den ersten sechs Jahren den Glauben an unser Rechtssystem verloren», fügte Marthaler rückblickend zum langen Verfahren an.

Die Einkesselungspraxis wurde von der Polizei in den letzten Jahren nicht nur in Zürich angewandt. Auch in Basel sei sie dieses Jahr am 1. Mai zum Einsatz gekommen, sagte Rechtsanwalt Györffy. «Die Polizei muss diese Praxis nun überdenken», folgerte er aus dem nun ergangenen Urteil.

Zudem sei noch ein Dutzend Verfahren zum Zürcher Polizeieinsatz vom 1. Mai 2011 hängig. Györffy geht davon aus, dass auch in diesen Fällen Genugtuungszahlungen fällig werden.

Die Polizeiführung schweigt

Doch wie reagiert die Stadtpolizei Zürich und ihre politische Führung, die derzeit Stadträtin Karin Rykart (Grüne) obliegt? Eine Sprecherin des Stadtzürcher Sicherheitsdepartements teilte nach Bekanntwerden des Urteils auf Anfrage mit: «Wir werden das Urteil nun lesen und sorgfältig analysieren. Erst danach äussern wir uns dazu.»

Bei der Einkesselung und Massenverhaftung am 1. Mai 2011 in Zürich habe es sich um eine gemeinsame Aktion von Stadt- und Kantonspolizei Zürich gehandelt, sagte Anwalt Györffy. Wer genau die Aktion ausgelöst habe, hätten die Beschwerdeführer den im Laufe des Rechtsverfahrens erhaltenen Dokumenten nicht entnehmen können. Üblicherweise liege die politische Verantwortung aber beim zuständigen Zürcher Stadtratsmitglied.

Polizeivorstand und damit politisch mitverantwortlich für den Einsatz war 2011 Stadtrat Daniel Leupi (Grüne). Eine Anfrage für eine Stellungnahme zu dem Urteil aus Strassburg liess er am Dienstag bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
(https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/urteil-einkesselung-und-massenverhaftung-am-1-mai-in-zuerich-war-ungerechtfertigter-freiheitsentzug-ld.2557852)


+++JUSTIZ
Justiz vor dem Kollaps: Überlastete Strafverfolger werden zum Politikum
Bei den Schweizer Staatsanwaltschaften stapeln sich die Pendenzen. Doch der Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf. Jetzt greift das Parlament in die Debatte ein.
https://www.derbund.ch/schweizer-justiz-ueberlastete-strafverfolger-werden-zum-politikum-126091410054


+++BIG BROTHER
KKJPD lehnt neue Finanzierung der Fernmeldeüberwachung ab
Die KKJPD kritisiert den Entscheid des Bundesrats zur Finanzierung der Fernmeldeüberwachung
https://www.kkjpd.ch/newsreader/kkjpd-lehnt-neue-finanzierung-der-fernemeldeueberwachung-ab.html
-> PDF: https://www.kkjpd.ch/newsreader/kkjpd-lehnt-neue-finanzierung-der-fernemeldeueberwachung-ab.html?file=files/Dokumente/News/2023/231219%20MM%20KKJPD%20zu%20FV-%C3%9CPF%20mit%20Beilage%20d.pdf


+++POLIZEI SO
Kantonspolizei Solothurn soll zentralen Stützpunkt erhalten
Die Kantonspolizei ist bisher auf 17 Standorte verteilt. Das erschwere nicht nur den Betrieb, sondern behindere auch schnelle Einsätze, heisst es vom Kanton. Ein zentraler Stützpunkt werde die Reaktionsfähigkeit erhöhen, Abläufe verbessern und Raumprobleme lösen, so die Meinung des Kantons.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/kantonspolizei-solothurn-soll-zentralen-stuetzpunkt-erhalten?id=12508425


+++POLICE VD
Collecte en soutien à la famille de Mike ben Peter
L’association “Soutien pour la Famille de Mike” lance une campagne de fonds visant à soutenir la famille de Mike Ben Peter, tué par la police en 2018 à Lausanne
https://renverse.co/infos-locales/article/l-association-soutien-pour-la-famille-de-mike-4293


+++POLIZEI ZH
«Macht sie überhaupt etwas?» – Niemand ist zufrieden mit Karin Rykart
Die grüne Stadträtin wird von allen Seiten mit Kritik eingedeckt – selbst von den Linken und aus der eigenen Partei. Das ist neu. Es fehle an Gestaltungswille und Durchsetzungskraft. Karin Rykart selbst sieht dies anders: «Natürlich habe ich Visionen.»
https://tsri.ch/a/clq3h7obd13936812s8txo3rss1z/macht-sie-ueberhaupt-etwas-niemand-ist-zufrieden-mit-karin-rykart-polizei-zuerich-politik-stadtrat
-> https://tsri.ch/a/clqavnch02441822s8tqy9y63dt/stadtraetin-gruene-karin-rykart-kann-im-sicherheitsdepartement-nur-scheitern


+++POLIZEI DE
Tödliche Polizeischüsse: Prozess gegen Polizisten beginnt
Im August 2022 wurde die Polizei in Dortmund wegen eines Suizidversuchs gerufen. Kurz danach starb der 16-jährige Dramé in Folge von Polizeischüssen. Heute beginnt der Prozess gegen die Polizisten.
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/toedliche-polizeischuesse-100.html
-> https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-12/dortmund-polististen-prozess-gefluechteter
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178641.tod-von-mouhamed-drame-polizisten-vor-gericht.html


+++RASSISMUS
Der Kampf gegen Rassismus in Schweizer Fussballstadien – Echo der Zeit
Rassismus in Schweizer Stadien ist ein bekanntes Problem. Aktuell sorgt das Thema wieder für Schlagzeilen, wegen Vorkommnissen in den Zuschauerrängen des FC Basel. Der Club hat nun Stichproben-Kontrollen eingeführt. Wie wirkungsvoll sind solche Massnahmen?
https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/der-kampf-gegen-rassismus-in-schweizer-fussballstadien?partId=12509289


++++HISTORY
Vergessene Rettung von Jüdinnen und Juden: Späte Ehrung der Berner Lados-Gruppe
In Bern stationierte polnische Gesandte fälschten 1940 bis 1943 im grossen Stil lateinamerikanische Pässe und gaben tausenden Jüdinnen und Juden damit eine Überlebenschance.
https://www.swissinfo.ch/ger/vergessene-rettung-von-juedinnen-und-juden–spaete-ehrung-der-berner-lados-gruppe/49062078