Medienspiegel 17. Dezember 2023

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+++ZÜRICH
nzz.ch 17.12.2023

Wegen der hohen Asylzahlen werden geflüchtete Familien in Zürich unterirdisch einquartiert. Zwei Seniorinnen finden das «heuchlerisch»

Die Stadt sagt, aufgrund der momentanen Lage müssten temporär Abstriche gemacht werden. Die Plätze für Asylbewerber sind rar.

Tobias Marti

Eine pensionierte Kinderpsychologin und eine Heilpädagogin im Ruhestand sitzen an einem Holztisch in der «Linde Oberstrass». Vor den Frauen steht Milchkaffee, hinter ihnen hängt das Wappen einer Zunft. Die Gaststube im Zürcher Kreis 6 umweht ein bürgerlicher Charme. Die beiden Seniorinnen am Tisch wirken beinah aktivistisch.

Regina Strupler, die Kinderpsychologin, macht das alles zum ersten Mal: Engagierte Mails schreiben etwa, an Verbände, Bekannte oder Kulturleute. Oder von früh bis spät ins Festnetztelefon sprechen und Pläne schmieden. Kürzlich gab sie im Lokalfernsehen ein Interview.

Was tut sich oben im Kreis 6, zwischen ETH, Rigiblick und Milchbuck, das Rentnerinnen derart in Aktion versetzt?

Die Schweiz erlebt gerade eine Asyllage wie seit Jahrzehnten nicht mehr. 133 000 Personen befanden sich Ende Oktober im Schweizer Asylprozess. Die Fluchtbewegungen bringen den Bund an seine Kapazitätsgrenzen. Wo sollen all die Asylbewerber untergebracht werden?

In letzter Zeit wurden in den Kantonen vermehrt unterirdische Notunterkünfte eröffnet – etwas, das schon während der letzten grossen Flüchtlingsbewegung, 2015, zu hitzigen Diskussionen führte. Flüchtlingsorganisationen halten eine Unterbringung in unterirdischen Zivilschutzanlagen für nicht zumutbar. Nun flammt diese Debatte erneut auf. Und mittendrin die beiden Rentnerinnen aus der «Linde Oberstrass».

Der Grund für den Protest: Vor zwei Wochen kündigte das Staatssekretariat für Migration (SEM) an, an der Turnerstrasse im besagten Kreis 6 eine unterirdische Zivilschutzanlage zu reaktivieren.

Wo in früheren Krisenzeiten hauptsächlich Männer einquartiert wurden, sollen nun auch Kinder und Familien leben. Das temporäre Bundesasylzentrum mit 90 Plätzen ist auf knapp ein Jahr befristet. Die Stadt Zürich hat dem Bund die Anlage angeboten, nachdem dieser im Juni bei den Kantonen wegen der Platznot Alarm geschlagen hatte.

Das SEM dankt der Stadt Zürich in einer Mitteilung für das Angebot, das diese offeriert habe. In der Vergangenheit war die Stadt Zürich immer stolz darauf, mehr Asylbewerber aufzunehmen, als sie müsste.

Sorge um die Entwicklung der Kinder

«Ein Armutszeugnis», sagt dagegen Marianne Steinlin Hotz, die pensionierte Heilpädagogin. Das gelte umso mehr für eines der reichsten Länder der Welt.

Regina Strupler setzte mithilfe von Nachbarn eine Onlinepetition an die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider auf: «Unterirdische Bunker ohne Tageslicht sind nicht kind- und familiengerecht.» Die Forderung: Geflüchtete Kinder und Familien dürften nicht in «Luftschutzbunkern» untergebracht werden. Nach einer Woche haben über 6000 Leute unterschrieben.

Bei ähnlichen Situationen gab es aus dem Quartier nicht allein Solidarität, sondern auch Ablehnung. So kam es 2012 zu Reklamationen aus der Bevölkerung, weil junge Asylbewerber die gebührende Zurückhaltung und Abstand zur benachbarten Schule vermissen liessen. Als die Anlage 2015 abermals aktiviert wurde, organisierte der Schulleiter nach Anrufen besorgter Eltern ein Treffen mit Asylbewerbern.

Auf die Frage, ob nun auch Leute die Petition unterschrieben hätten, die generell keine Asylbewerber in der Nachbarschaft wollen, schauen die Frauen ungläubig. Nein, damit rechnen sie nicht. Sie freuen sich über die Unterstützung im Quartier.

Verhindert haben die Seniorinnen die unterirdische Asylunterkunft damit nicht. Seit vergangener Woche ist diese in Betrieb. Was nützt ihr Bürgerprotest überhaupt noch?

Marianne Steinlin Hotz nimmt ihr Handy hervor und liest: «Es ist kein guter Ort zum Übernachten. Es ist ein offener Raum ohne Privatsphäre. Erst gegen Ende unseres Aufenthalts hatten wir Vorhänge. Wir konnten alles hören. Es war nicht hygienisch.» So steht es in einer SMS, in der ihr Asylbewerber ihre Zeit im Jahr 2022 im «Bunker» schildern.

Die Psychologin und die Pädagogin sprechen von «Retraumatisierungen» und «Panikattacken», welche die schmalen Gänge und Betonräume bei gewissen Asylbewerbern auslösen könnten. Vereinzelt könnten sich bei Konflikten auch «Aggressionen» zeigen.

Es fehle der Raum, um sich zurückziehen zu können. «Kleinkinder benötigen auch tagsüber viel Schlaf, sie müssen sich daher in den fensterlosen, schlecht belüfteten Zivilschutzräumen aufhalten», sagt Regina Strupler. Der Schlaf werde so gestört.

Kurzum: Die Entwicklung von Kindern könne durch ein solches Umfeld gehemmt, ja regelrecht unterbunden werden, sagt Steinlin Hotz. Darum dürfe eine solche Unterbringung nur so kurz wie absolut nötig dauern. Und darum müsse man unterirdische Anlagen in Zukunft verhindern.

Maximal 140 unterirdische Tage

Unter Flüchtlingsorganisationen zirkulierte jüngst eine Aussage der Basler Asylkoordinatorin Renata Gäumann: Kinder unterirdisch unterzubringen, sei «kinderrechtlich nicht zulässig». Auf Nachfrage relativiert Gäumann, ihre Aussage habe sich auf eine spezifische Anlage in Basel bezogen.

Wegen der hohen Asylzahlen, erklärt Gäumann, sei auch eine unterirdische Unterkunft vertretbar. Seit einem Jahr gilt im Asylbereich sowieso die ausserordentliche Lage. Es gibt aber Auflagen: Die Anlage wird ausschliesslich für Familien genutzt, Kinder können von fremden Erwachsenen getrennt werden, die Belegung wird angepasst, es gibt Spielzimmer und Freizeitangebote ausserhalb.

Laut dem Staatssekretariat für Migration ist in der Turnerstrasse dies alles gewährleistet. Von 172 verfügbaren Plätzen würden lediglich 90 belegt, die Abteile seien mit Vorhängen abgetrennt, und es gebe zwei Spielzimmer. Im Pfarreizentrum gegenüber würden täglich Aktivitäten angeboten.

Auch wenn das Schweizer Asylwesen am Anschlag ist, kam es selten zu einer Situation wie jetzt in Zürich. Der Bund musste Kinder bisher nur «in einigen wenigen Ausnahmefällen in der Ostschweiz» unterirdisch einquartieren. Laut SEM waren dies kurze Aufenthalte von ein bis zwei Tagen.

Auf die Turnerstrasse greife der Bund erst zurück, wenn die übrigen Zentren voll belegt seien, wie das SEM mitteilt. Die Aufenthalte sollen möglichst kurz sein. Die maximale Aufenthaltsdauer sei 140 Tage, der derzeitige Durchschnitt der Verfahrensdauer betrage 81 Tage. Danach werden die Menschen auf die Kantone und Gemeinden verteilt.

Mittwochabend vor der Unterkunft. Frauen und Männer in Trainerhosen stehen vor dem Eingang, sie rauchen und telefonieren. Ihre Gesichter wirken erschöpft. Sie sprechen kurdisch, ihre Mobiltelefone dienen als Übersetzer. Sie stammen aus der Türkei, sind eine Grossfamilie und haben Kinder dabei. Die Kleinen seien drinnen im Warmen, deuten sie an. Zu der Frage, wie sie die Unterkunft fänden, äussern sie sich nicht gross.

Die Stadt sieht keine andere Lösung

Trotz Schlagzeilen wie «Asylchaos» musste hierzulande bisher zumindest kein Asylsuchender im Zelt oder im Freien übernachten. Der Bund versucht, die wachsende Zahl der Asylsuchenden so unterzubringen, dass der Unmut in den Kantonen und Gemeinden nicht überbordet. Dabei gibt es kaum noch passable Unterkünfte: «Wir müssen mit den Unterkünften arbeiten, die wir bekommen», lautet die Devise des SEM.

Für die beiden Seniorinnen aus dem Kreis 6 ist es darum «unverständlich», dass Zürich dem Bund keine anderen Räume angeboten habe. Die Stadt als Liegenschaftsbesitzerin hätte leerstehende Immobilien anbieten müssen, finden sie. Zur Not auch Gewerberäume oder Container oder freie Zimmer in Jugendherbergen.

Das städtische Sozialdepartement antwortet: Man befinde sich gegenwärtig in einer Krise, Plätze seien rar. Schliesslich müssten die Menschen untergebracht werden, und darum müssten temporär auch Abstriche gemacht werden.

Eigene Immobilien hat die Stadt keine gefunden. Und was die Container angeht: Die Rekurse auf dem Hardturm-Areal, wo Flüchtlingscontainer geplant sind, würden zeigen, «dass sich solche Strukturen kaum zeitnah realisieren lassen».

«Heuchlerisch» und «unverständlich» nennen das die Seniorinnen. Die Stadt gebe sich grosszügig und nehme freiwillig mehr Geflüchtete auf, sei aber gleichzeitig nicht bereit, mehr zu tun, damit diese «in Würde untergebracht werden können».
(https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-widerstand-gegen-asylunterkunft-in-kreis-6-ld.1770468)


+++SCHWEIZ
NZZ am Sonntag 16.12.2023

Asyl für Afghaninnen: Gericht stützt Baume-Schneider

Ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts platzt mitten in eine politische Debatte. Afghaninnen haben ein Anrecht auf Asyl. Das dürfte nicht allen passen.

Rafaela Roth

Das Urteil liest sich wie das Drehbuch eines Albtraums. In einer über 30-seitigen Schrift beschäftigt sich das Bundesverwaltungsgericht ausführlich mit der momentanen Situation der Frauen und Mädchen in Afghanistan. Es beschreibt den schrittweisen und dann kompletten Ausschluss aller Frauen aus dem öffentlichen und politischen Leben. Das Urteil ist erst einige Tage alt, es dürfte aber kommenden Dienstag im Parlament viel zu reden geben.
-> https://bvger.weblaw.ch/cache?guiLanguage=fr&id=aa2f4486-07d3-4939-9650-4e20abcbbd0f&sort-field=relevance&sort-direction=relevance

Dann debattieren die Räte über zwei Vorstösse von Gregor Rutz (SVP) und Philipp Bauer (FDP), die eine Korrektur der gegenwärtigen Asylpraxis des Staatssekretariats für Migration (SEM) fordern. Diesen Sommer hat das Amt unter der Leitung von Elisabeth Baume-Schneider entschieden, dass Afghaninnen Asyl erhalten sollen, weil sie aufgrund ihres Geschlechts verfolgt werden. Seither ist auch der Familiennachzug einfacher möglich. Politikerinnen und Politiker von SVP und FDP wollen dies rückgängig machen. Afghaninnen sollen, wie zuvor, nur vorläufig aufgenommen werden.

Das neue Urteil des Bundesverwaltungsgericht stützt nun aber den Entscheid von Baume-Schneider. Es hält fest, dass «ein selbstbestimmtes Leben für Frauen und Mädchen in Afghanistan unter dem aktuellen Regime nicht möglich ist». Die diskriminierenden Regeln und Massnahmen würden ein menschenwürdiges Leben für Afghaninnen in ihrem eigenen Land verunmöglichen. Wegen des unerträglichen psychischen Drucks, dem sie ausgesetzt würden, hätten sie in der Schweiz ein Anrecht auf Asyl. Und damit auch auf Familiennachzug.

Es waren zwei junge Schwestern aus der afghanischen Stadt Ghazni, die mit einer Beschwerde gegen ihre abgelehnten Asylgesuche ans Bundesverwaltungsgericht gelangten. Sie kamen im Frühling 2022 gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren jüngeren Geschwistern in die Schweiz. Ihr Vater war in Afghanistan ein Reporter. Er sei mehrmals von den Taliban entführt und festgehalten worden, sagten die beiden Schwestern den Behörden. Dem Vater gelang mehrmals die Flucht, später schaffte er es, sich unter dem Vorwand, an einer Konferenz teilnehmen zu wollen, ins Ausland abzusetzen. Seither habe die Familie in verschiedenen Verstecken in Afghanistan leben müssen. Im März 2022 kamen sie im Rahmen eines Familiennachzugs zum Vater in die Schweiz. Nun dürfen sie bleiben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde zum Anlass genommen, die Lage für Frauen und Mädchen in Afghanistan einer Neubeurteilung zu unterziehen. Es sind beelendende Schlüsse, zu denen es kommt. Seit der Machtergreifung der Taliban habe die Gewalt gegen Frauen und Mädchen extrem zugenommen, die Suizidraten bei jungen Frauen sei gestiegen. Ebenso die Anzahl Zwangs- und Kinderehen. Frauen und Mädchen seien praktisch gänzlich in die eigenen vier Wände verbannt, selbst Gruppen von mehr als drei Frauen auf der Strasse werden aufgelöst – angeblich um Demonstrationen zu vermeiden.

Auf drei Seiten listet das Gericht ihre schrittweise Verbannung ins Private auf: 17. September 2021: Schliessung des Ministerium für Frauenangelegenheiten. 11. November: Frauen dürfen nicht mehr alleine in Parks. 27. März 2022: Frauen dürfen nicht mehr alleine fliegen. 21. Mai: TV-Moderatorinnen müssen ihr Gesicht verhüllen. 13. November: Parks sind für Frauen verboten. 20. Dezember: Universitäten sind für Frauen verboten.

Für Alberto Achermann, Professor für Migrationsrecht an der Universität Bern, ist das Urteil keine Überraschung. «Flüchtlingsrechtlich war das schon immer ein ziemlich klarer Fall. Die Situation der Frauen in Afghanistan ist sehr gut dokumentiert», sagt er. Das Urteil bestätige nun das Staatssekretariat für Migration (SEM) bei seiner Auslegung des Flüchtlingsbegriffs. Afghaninnen könnten sich in Zukunft darauf berufen – und bleiben.

Die Frage sei, was das Parlament nun damit mache. Es sei ohnehin umstritten, ob der Bundesrat dem Migrationsamt vorgeben könne, wie es den Flüchtlingsbegriff auszulegen habe. Da gäbe es auch völkerrechtliche Verpflichtungen. Wenn das Parlament erreichen wollte, dass Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts verfolgt werden, kein Anrecht auf Asyl mehr erhalten, müsste es das Asylgesetz ändern. Dies würde aber nichts daran ändern, dass den betroffenen Frauen die völkerrechtlich verankerte Flüchtlingseigenschaft anzuerkennen ist. Auch die Istanbul-Konvention verpflichte die Staaten, den Flüchtlingsbegriff gendergerecht anzuwenden.

Fest steht, dass das SEM ohnehin für jedes Gesuch eine Einzelfallprüfung durchführt. Seit der Praxisänderung ergeht immer noch bei rund 20 Prozent der Gesuche ein Nichteintretensentscheid, weil die Gesuchstellerinnen aus einem sicheren Drittstaat kommen oder in einem anderen Dublin-Staat schon Asyl beantragt haben.
(https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/asyl-fuer-afghaninnen-gericht-stuetzt-baume-schneider-ld.1770838)
-> Urteil Bundesverwaltungsgericht: https://bvger.weblaw.ch/cache?guiLanguage=fr&id=aa2f4486-07d3-4939-9650-4e20abcbbd0f&sort-field=relevance&sort-direction=relevance
-> https://www.20min.ch/story/recht-auf-asyl-afghaninnen-siegen-vor-bundesverwaltungsgericht-740145127103
-> https://www.watson.ch/schweiz/migration/766218842-gericht-stuetzt-baume-schneider-afghaninnen-haben-recht-auf-asyl
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/nach-beschwerde-zwei-afghaninnen-wird-asyl-gewahrt-66672434
-> https://www.blick.ch/politik/bundesverwaltungsgericht-heisst-beschwerde-gut-schweiz-muss-afghaninnen-asyl-gewaehren-id19251212.html
-> https://www.tagesanzeiger.ch/kurz-vor-asyl-debatte-im-parlament-gericht-gibt-afghaninnen-recht-auf-asyl-527357858568
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20231217121555872194158159038_bsd039.aspx
-> https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2023/20231217130007003194158159038_bsd050.aspx


++++MITTELMEER
Mittelmeer : Viele Tote durch Bootsunglück vor der Küste Libyens
Mehr als 60 Menschen sind laut UN beim Versuch ertrunken, das Mittelmeer von Libyen aus zu überqueren. Ein Großteil sind Frauen und Kinder. Einige Insassen überlebten.
https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-12/mittelmeer-libyen-flucht-boot-migranten-tote
-> https://www.spiegel.de/ausland/fluechtlinge-offenbar-mehr-als-60-tote-bei-bootsunglueck-vor-libyens-kueste-a-83ab274e-1329-4d0a-9328-baaa5558fe84
-> https://www.srf.ch/news/international/vor-der-kueste-libyens-ueber-60-menschen-bei-bootsunglueck-ertrunken
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178575.zentrales-mittelmeer-libyen-mehr-als-tote-bei-bootsunglueck.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178578.pushbacks-nach-libyen-gesetzlosigkeit-im-mittelmeer.html


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Nicht bewilligt: Linksautonome wollen erneut gegen Demoverbot in Bern demonstrieren
Trotz Demonstrationsverbot in Bern kommt es am Sonntag zur zweiten nicht genehmigten Kundgebung. Die Polizei verstärkt ihre Präsenz, während Kritik aus politischen Kreisen wächst.
https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/linksautonome-wollen-erneut-gegen-demoverbot-in-bern-demonstrieren-155779230
-> https://www.20min.ch/story/bern-linke-wollen-erneut-gegen-demoverbot-demonstrieren-756734642881
-> https://twitter.com/PoliceBern
-> Demoaufruf: https://barrikade.info/article/6248


Ist das nicht etwas übertrieben, Herr Nause?
Das wäre wirklich nicht nötig gewesen, dass sie uns erneut mit einem so dekadenten (Un)Sicherheitsaufgebot empfangen, Herr Nause. Haben Sie uns vermisst? Langsam entsteht der Eindruck, dass ihre Liebe zum Krawall unserer Konkurrenz macht. Wir fühlen uns geehrt.
Mehr: https://barrikade.info/article/6251


Demoaufruf war ein Reinfall: Die Polizei war da, aber die Demonstrierenden fehlten
Unbekannte riefen für Sonntag zu einer Demo gegen das Stadtberner Demoverbot auf. Es kam zu 91 Personenkontrollen und 13 Wegweisungen.
https://www.derbund.ch/demoaufruf-war-ein-reinfall-die-polizei-war-da-aber-die-demonstrierenden-fehlten-590752397188
-> https://www.20min.ch/story/bern-grosses-polizeiaufgebot-fuer-kleinen-proteststand-539287728283
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/sonntag-17-dezember-2023-155154567 (ab 03:27)
-> https://www.baerntoday.ch/bern/stadt-bern/veraeppelten-linksautonome-die-berner-polizei-155786711
-> https://twitter.com/gegen_oben/status/1736452014593184175
-> https://twitter.com/policebern
-> https://barrikade.info/article/6251


+++SPORT
FCL-Chaoten lösen Feueralarm im Stadion aus
Die FCL-Fans protestierten zusammen mit dem FCB-Anhang gegen Kollektivstrafen
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/swissporarena-fcl-chaoten-loesen-feueralarm-im-stadion-aus-ld.2557218


+++KNAST
Albert M. ist seit 37 Jahren verwahrt – jetzt verklagt er die Schweiz
Albert M. ist 62 Jahre alt und sitzt schon mehr als die Hälfte seines Lebens im Gefängnis. Der Verwahrte profitiert zwar vom lockersten Haftregime des Landes. Doch das ist aus seiner Sicht zu wenig.
https://www.watson.ch/schweiz/justiz/746198273-albert-m-ist-seit-37-jahren-verwahrt-jetzt-verklagt-er-die-schweiz



derbund-ch 17.11.2023

Kritik am Regionalgefängnis Bern: Experte fordert bessere Haftbedingungen

Zu klein, zu strenge U-Haft: Vollzugsexperte Benjamin F. Brägger bezeichnet die Berner Haftanstalt als «Problemkind». Der Kanton plant indes Anpassungen.

Michael Bucher

Im Regionalgefängnis Bern herrscht dicke Luft: Seit Sommer 2022 haben 31 Mitarbeitende gekündigt – das ist etwas mehr als die Hälfte. Laut mehreren ehemaligen Aufsichtspersonen hat dies primär mit der neuen Führung zu tun. Gegenüber dieser Redaktion berichten sie von einem «Klima der Angst». Auch würden die Gefangenen unnötig hart bestraft.

Benjamin F. Brägger gilt als profunder Kenner des Strafvollzugs. Der 56-jährige promovierte Jurist war bis Sommer Sekretär der Strafrechtskommission der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren und ist heute als unabhängiger Experte tätig. Zu den Vorwürfen gegen die neue Gefängnisleitung in Bern wolle er sich jedoch nicht äussern, da er die dortige Situation nicht im Detail kenne. «Es sind jedoch sehr starke und belastende Aussagen des Aufsichtspersonals», meint er. Und: «Bei derart vielen Kündigungen muss die Leitung definitiv über die Bücher.»

Betreuung gestaltet sich schwierig

Ganz allgemein ist das Regionalgefängnis Bern laut Brägger seit längerem ein «Problemkind». Dies sei vor allem in seiner Funktion als Drehscheibe im Strafvollzug begründet. Über 10’000 Ein- und Austritte gibt es dort pro Jahr. Ausserdem werden im selben Gebäude unterschiedlich strenge Haftarten umgesetzt.

Ein solches Setting sei anspruchsvoll, die nötige individuelle Betreuung schwierig. «Das Regionalgefängnis Bern gleicht daher eher einem Logistikbetrieb», so Brägger. Sein Vorschlag: Im veralteten Gebäude an der Genfergasse in Bern sollten bloss noch Personen für die ersten Tage bis Wochen einer Untersuchungshaft unterkommen. Als Vorbild nennt er den Kanton Zürich, wo die Hafttrennung konsequenter angewendet werde. Auch bei der Verbesserung der Bedingungen in Untersuchungshaft sei Zürich weiter als Bern.

Zur Erklärung: In Untersuchungshaft landen Verdächtige, während die Polizei gegen sie ermittelt. Das Haftregime ist äusserst restriktiv. Die Zelle darf nur während weniger Stunden am Tag verlassen werden, die Besuchszeiten sind stark eingeschränkt, und die Post wird kontrolliert. Damit soll verhindert werden, dass die Beschuldigten die Ermittlungen gefährden, etwa indem sie Zeugen beeinflussen. Verurteilte Täter, die ihre Strafe absitzen, haben derweil mehr Freiheiten.

Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter hat die Härte der Schweizer U-Haft bereits mehrfach kritisiert. Sie sei die rigideste Haftform, obwohl für alle Inhaftierten die Unschuldsvermutung gelte.

Die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) hat 2017 reagiert und diverse Lockerungen eingeführt. Die Untersuchungshäftlinge dürfen sich seither jeden Tag bis zu acht Stunden ausserhalb der Zelle bewegen. Es gibt neu Werkzimmer und Besucherräume für Familien. Damit folgte Zürich den Empfehlungen der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren. Warum hinkt Bern da hinterher?

Der Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) wehrt sich gegen diese Sicht. Längere Zellenöffnungszeiten, Gruppenvollzug, Zugang zu einer Bibliothek sowie die Möglichkeit, Sport zu treiben – das gebe es ebenfalls seit längerem in den Berner Gefängnissen. Diese Freiheiten könnten jedoch nur dort gewährt werden, wo es keine Restriktionen der Verfahrensleitung beispielsweise wegen Flucht- und Kollusionsgefahr gebe. «Generell achten wir darauf, die persönliche Freiheit der eingewiesenen Personen nur so weit einzuschränken, als dass es der Haftzweck erfordert», so Müller.

Hohe Suizidrate in U-Haft

Laut Vollzugsexperte Brägger kommt es indes häufig vor, dass die Staatsanwaltschaft U-Häftlinge bis zu sechs Monate in Einzelhaft lässt. In Bern bedeutet dies, dass ein Insasse 23 Stunden am Tag in seiner Zelle eingesperrt bleibt. Doch auch im Normalvollzug sind einem U-Häftling in Bern nicht mehr als drei Stunden Freigang am Tag erlaubt. Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter stuft indes Zelleneinschlüssen von mehr als 20 Stunden pro Tag als «grundrechtswidrig» ein.

«Klar müssen die Ermittlungen geschützt werden», meint Brägger, doch sechs Monate im strikten Untersuchungshaftregime seien problematisch. Er empfiehlt Lockerungen ab drei Monaten. «Der Mensch braucht soziale Kontakte, sonst nimmt er psychischen Schaden.»

Tatsächlich ist es so, dass in der Schweiz 60 Prozent aller Suizide im Freiheitsentzug während der U-Haft geschehen. Im europäischen Mittelwert liegt dieser Wert bedeutend tiefer: bei 37,5 Prozent. Dies zeigte vor zwei Jahren ein Vergleich des Schweizerischen Kompetenzzentrums für den Justizvollzug, über den der «SonntagsBlick» berichtete.

Dass die Haftbedingungen nicht mehr zeitgemäss sind, hat der Kanton Bern offenbar selbst erkannt. So teilte die Sicherheitsdirektion vor drei Monaten mit, dass man mit dem Kanton Zürich bis 2027 einen gemeinsamen Modellversuch für die «U-Haft von morgen» durchführt. Das Ziel: Haftschäden minimieren.

Die Inhaftierten sollen gezielt darin unterstützt werden, ihre vorhandenen Ressourcen – etwa den Beruf, die Wohnung oder die Beziehungen – zu erhalten. Dies soll die spätere Wiedereingliederung verbessern. In Bern wird das vom Bund mitfinanzierte Pilotprojekt in den Regionalgefängnissen Bern, Biel und Thun getestet.

Mehr Platz und Personal gefordert

Vollzugsexperte Benjamin F. Brägger begrüsst den Testlauf. Er gibt jedoch zu bedenken, dass eine offenere U-Haft auch mehr personelle Ressourcen benötige, «mit dem heutigen Personalbestand ist das nicht umsetzbar». Es stelle sich die Frage: Können die Kantone das neue Regime überall anbieten, und haben sie die finanziellen Möglichkeiten? Denn viele Untersuchungsgefängnisse seien veraltet und ein moderner Haftvollzug deshalb gar nicht möglich.

Dazu zählt laut Brägger auch das Regionalgefängnis Bern. Selbst das kantonale Amt für Justizvollzug hat 2017 die dortigen Platzverhältnisse bemängelt. Die Zellen seien zu klein, rechtlich zwingende Trennungsvorschriften könnten nicht konsequent umgesetzt werden, und für Personen im Vollzug gebe es zu wenig Arbeitsmöglichkeiten. «Um den für eine moderne U-Haft nötigen Platz zu schaffen, müsste man die Anzahl der Insassen halbieren», ist Brägger überzeugt.

«Im Rahmen des Masterplans für den Justizvollzug im Kanton Bern ist eine Erneuerung der Infrastruktur in den nächsten Jahren beabsichtigt», hält Philippe Müller dazu fest. Gleichzeitig betont er die Komplexität des Strafvollzugs: «Es gibt keine Lösungen, die alle Experten zufriedenstellen.»

Man dürfe nicht vergessen, was der Grundauftrag des Strafvollzugs sei, so der Berner Sicherheitsdirektor. Neben der Vorbereitung der Häftlinge auf die Wiedereingliederung seien dies vor allem auch die Bestrafung von Täterinnen und Tätern und der Schutz der Bevölkerung vor diesen. «Diese Aufgaben müssen wir mit den vorhandenen, beschränkten Mitteln erfüllen.»
(https://www.derbund.ch/kritik-am-regionalgefaengnis-bern-experte-fordert-bessere-haftbedingungen-913667785307)


+++BIG BROTHER
Techfirmen bestätigen – Regierungen benutzen Push-Nachrichten zur heimlichen Überwachung
Der US-Senator Ron Wyden hat letzte Woche aufgedeckt, dass «unbekannte Regierungen» Nutzerdaten über Push-Benachrichtigungen auf Smartphones sammeln. Apple und Google bestätigen dies auf Anfrage von Reuters. SRF-Digitalredaktor Jürg Tschirren mit den wichtigsten Antworten.
https://www.srf.ch/news/international/techfirmen-bestaetigen-regierungen-benutzen-push-nachrichten-zur-heimlichen-ueberwachung


+++RECHTSEXTREMISMUS
Die Reichsbürger sind unter uns. Manche ihrer Kinder nicht
Erste Familien im Reichsbürgermilieu kapseln ihre Kinder gänzlich von staatlichen Strukturen ab. Wie soll der Staat damit umgehen?
Die Reichsbürgerszene ist seit Corona stark gewachsen. Inzwischen werden in Reichsbürgerfamilien Kinder geboren, für die es nicht einmal eine Geburtsurkunde gibt. Für den Staat ist das eine große Herausforderung.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178580.reichsbuerger-die-reichsbuerger-sind-unter-uns-manche-ihrer-kinder-nicht.html


+++HISTORY
Fehlt es an Schweizer Schulen an Geschichtsstunden, um Judenhass zu verstehen?
Habsburgische Hochzeiten statt Holocaust und Nahost-Konflikt: Was Kinder im Geschichtsunterricht lernen, hängt zu grossen Teilen von den Vorlieben der Lehrer ab.
https://www.watson.ch/schweiz/schule%20-%20bildung/698739972-fehlt-es-an-schulen-an-geschichtsstunden-um-judenhass-zu-verstehen


Zwangsassimilation – Jenischer: «Meine Mutter war in Haft, weil sie schwanger war»
Die Zwangsassimilation jenischer Kinder in den 1920er- bis 1970er-Jahren in der Schweiz gehört zu den dunkelsten Kapiteln der Schweizer Sozialgeschichte.
https://www.srf.ch/news/schweiz/zwangsassimilation-jenischer-meine-mutter-war-in-haft-weil-sie-schwanger-war


Offene Drogenszene in Zürich hat geprägt
Die Demonstration vom 17. Dezember 1993 geht in die Schweizer Geschichte ein: 200 Zürcher Schulkinder fordern vor dem Bundeshaus Schutz vor der Drogenszene.
https://www.srf.ch/play/tv/srf-news-videos/video/offene-drogenszene-in-zuerich-hat-gepraegt?urn=urn:srf:video:9a75b4b6-5ec5-4d7f-871c-dcee285c6eea&aspectRatio=4_5