Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++GROSSBRITANNIEN
Nach knapp zwei Wochen landen wieder irreguläre Migranten in England
Am Freitag haben knapp 300 Menschen die südenglische Küste in kleinen Booten erreicht. Es sind die ersten irregulären Migranten seit 2 Wochen.
https://www.nau.ch/news/europa/nach-knapp-zwei-wochen-landen-wieder-irregulare-migranten-in-england-66671876
+++ÖSTERREICH
ICMPD gibt auf: Keine Berufung gegen SOS Balkanroute im SLAPP-Verfahren
Überprüfung der Förderungen für zwielichtiges ICMPD, das laut rechtskräftigem Urteil „unprofessionell und widersprüchlich“ vorgeht, dringend geboten.
https://www.amnesty.at/presse/icmpd-gibt-auf-keine-berufung-gegen-sos-balkanroute-im-slapp-verfahren/
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Écologie politique et diversité des tactiques
Redéfinir collectivement la notion de “violence” pour faire face à la criminalisation de nos luttes
En écho à l’appel des Soulèvements de la Terre à agir contre Lafarge Holcim du 9 au 12 décembre et dans un contexte général de criminalisation des luttes écologistes (entre autre), nous vous proposons un article pour questionner ensemble l’utilisation de la notion de “violence” et repenser les moyens à disposition pour bâtir des mondes plus justes et égalitaires.
https://renverse.co/analyses/article/ecologie-politique-et-diversite-des-tactiques-4286
Klimaaktivisten blockieren Verkehr in Zürich – Polizei trägt sie weg
Am Samstagnachmittag haben sich drei Mitglieder der Gruppe Renovate Switzerland in der Mühlegasse mit Transparenten auf den Boden gesetzt und den Verkehr blockiert. Die Stadtpolizei Zürich trug sie anschliessend weg.
https://www.limmattalerzeitung.ch/schweiz/renovate-klimaaktivisten-blockieren-verkehr-in-zuerich-polizei-traegt-sie-weg-ld.2557081
-> https://www.watson.ch/schweiz/z%c3%bcrich/781040121-zuerich-klimaaktivisten-blockieren-verkehr-im-niederdorf
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/klimaaktivistinnen-und-aktivisten-blockieren-strasse-polizei-traegt-sie-weg-155780863?autoplay=true&mainAssetId=Asset:155780996
Bewilligte Demmo sorgt für ÖV-Chaos
https://telebasel.ch/sendungen/punkt6/213470
-> https://www.bazonline.ch/newsticker-region-basel-297230329650
Mehrere Tausend Menschen demonstrieren in Genf für Waffenruhe
Rund 3000 Menschen haben in Genf am Samstag an einer Demonstration gegen den Krieg im Gazastreifen teilgenommen. Sie forderten in dem Konflikt einen Waffenstillstand.
https://www.baseljetzt.ch/mehrere-tausend-menschen-demonstrieren-in-genf-fuer-waffenruhe/162884
-> https://www.rts.ch/info/regions/geneve/14558731-appels-a-la-demission-dignazio-cassis-lors-dune-manifestation-propalestinienne-a-geneve.html
+++KNAST
Umstrittener Führungsstil: Mitarbeitende des Regionalgefängnisses in Bern kündigen in Scharen
In der Berner Haftanstalt brodelt es: Innerhalb von eineinhalb Jahren hat die Hälfte der Mitarbeitenden gekündigt. Die Ursache liegt offenbar in der neuen Führung unter Eugen Marty, die mit einem verschärften Regime und übertriebenen Härtemassnahmen gegenüber Insassen konfrontiert wird.
https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/mitarbeitende-des-regionalgefaengnisses-in-bern-kuendigen-in-scharen-155778548
-> https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/829024256-massenkuendigungen-im-regionalgefaengnis-bern
-> https://www.srf.ch/news/schweiz/ueber-haelfte-der-belegschaft-massenkuendigung-nach-reorganisation-im-regionalgefaengnis-bern
-> https://www.20min.ch/story/regionalgefaengnis-bern-schwere-vorwuerfe-gegen-neue-fuehrung-697210617447
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limmattalerzeitung.ch 16.12.2023
«Meine Mutter hat mich weggeschmissen»: Albert M. ist seit 37 Jahren verwahrt – jetzt verklagt er die Schweiz
Albert M. ist 62 Jahre alt und sitzt schon mehr als die Hälfte seines Lebens im Gefängnis. Der Verwahrte profitiert zwar vom lockersten Haftregime des Landes. Doch das ist aus seiner Sicht zu wenig.
Andreas Maurer (Text) und Andrea Zahler (Bilder)
Albert M.* öffnet seine Zellentüre und führt durch sein Reich. «Achtung!», sagt er, und deutet auf die Waage am Boden. Er wiegt sich jeden Morgen. 42 Kilogramm, zeigt sie an. Der 62-Jährige ist 162 Zentimeter klein und hat seit Geburt – einer Frühgeburt – Untergewicht.
Er findet sein Zimmer gross. So viel Platz hatte er früher nicht. Verglichen mit einer normalen Gefängniszelle ist es zwar geräumig, verglichen mit einer Wohnung aber eng. WC, Bett, Fernseher, CD-Sammlung und Keyboard – alles in einem Raum. Dazwischen kann er nur zwei Schritte machen.
Albert M. lebt im modernsten Verwahrungsvollzug der Schweiz, in einer Wohngemeinschaft mit fünf anderen Männern. Sie sind zwischen 50 und 74 Jahre alt. Alle sind Schweizer. Sie haben ihre Strafen schon vor vielen Jahren abgesessen, aber sie bleiben eingesperrt, weil sie als Sicherheitsrisiko für die Gesellschaft gelten. Der Hauptgrund ist also nicht ihre dunkle Vergangenheit, sondern ihre prognostizierte Zukunft.
Früher erhielten Verwahrte deshalb mehr Freiheiten ausserhalb der Gefängnismauern. Sie durften öfter und länger in den Ausgang als Insassen des Strafvollzugs. Früher bedeutet vor 1993, vor dem Mord am Zollikerberg. Die Tat hat den Justizvollzug verändert. Sexualstraftäter Erich Hauert ermordete damals die 20-jährige Pfadfinderführerin Pasquale Brumann während eines Hafturlaubs und verscharrte sie nackt im Waldboden.
Seither kommen viele Verwahrte nie mehr frei. Das Bundesamt für Statistik hat auf Anfrage eine Sonderauswertung durchgeführt. Weil die Zahlen so klein sind, publiziert sie das Bundesamt nicht auf seiner Website. Demnach registrierte es im vergangenen Jahrzehnt nur 36 Austritte aus der Verwahrung. Davon ist jede dritte Person in der Haft gestorben. Die Hälfte hat die Freiheit durch eine bedingte Entlassung erreicht.
Insgesamt sind in der Schweiz knapp 150 Menschen verwahrt. Sie befinden sich im Durchschnitt schon 18 Jahre im Gefängnis – auch diese Zahl haben die Statistiker auf Anfrage ermittelt. Die meisten Verwahrten sitzen in den gleichen Zellen wie ihre Kollegen vom Strafvollzug. Das Mobiliar ist standardisiert. Der Raum für Persönliches ist minim.
Die Justizvollzugsanstalt Solothurn ist die erste der Schweiz, die Verwahrten eine eigene Wohnumgebung bietet. Statt wie früher ausserhalb des Stacheldrahtzauns erhalten sie nun innerhalb der Sicherheitsumgebung mehr Freiheiten.
Die sechs Verwahrten wohnen im ehemaligen Direktionsgebäude auf dem Areal, wo einst der Direktor mit seiner Familie lebte. Sie schlafen in individuell eingerichteten Zellen, die das Personal nachts zwischen 21.45 und 6.45 Uhr abschliesst. Tagsüber dürfen sie sich im Gemeinschaftsbereich frei bewegen.
Die sechs Männer teilen sich ein Wohnzimmer mit einem schwarzen Ledersofa, eine Küche und einen Balkon. Am Wochenende kochen sie selber. Auch ihre Wäsche und die Reinigung der Alters-WG erledigen sie selbstständig.
Wer hier leben will, muss sich dafür qualifizieren. Die Bewohner müssen gruppentauglich sein. Anstaltsdirektor Charles Jakober erklärt: «Man muss manchmal auf seine Bedürfnisse zugunsten der Gruppe verzichten können. Wer sehr impulsiv ist und wenig Empathie hat, passt nicht hinein.»
Die Kantonsregierungen sehen die Solothurner WG als Vorbild. Dieses Jahr haben die Justizdirektoren des Strafvollzugskonkordats Nordwest- und Innerschweiz entsprechende Empfehlungen verabschiedet. Alle grossen geschlossenen Anstalten planen nun ähnliche Projekte.
Die Zürcher Regierung hat soeben einen Kredit für die Justizvollzugsanstalt Pöschwies beschlossen, das grösste Gefängnis der Schweiz. Schon im nächsten Jahr sollen Verwahrte mehr Freiheiten erhalten. Grosszügigere Regelungen sind in folgenden Bereichen angedacht: bei Telefon, Videotelefonie und Besuch, den arbeitsfreien Tagen, der Arbeitspflicht im Rentenalter und der Zellenausstattung.
Die Massnahmen haben ihren Preis. Ein Gefangener im normalen Strafvollzug kostet rund 300 Franken pro Tag. In der Verwahrten-WG sind es 600 Franken. Das liegt daran, dass diese mehr Platz innerhalb der teuren Sicherheitsinfrastruktur benötigt. Einsparungen fallen zudem keine an. Der Personalaufwand ist gleich gross.
Ist das Sondersetting luxuriös? Gefängnisdirektor Jakober entgegnet: «Ich persönlich bin froh, dass ich nicht in einer Sechser-Männer-WG leben muss. Ich habe schon meine eigene WG-Zeit als Student eher schwierig in Erinnerung.» Er betont, dass die Verwahrten nur aufgrund einer schlechten Prognose eingesperrt seien: «Das geht nicht zum Nulltarif.»
Warum sich der Verwahrte nicht auf Weihnachten freut
Albert M. übt auf seinem Keyboard für die anstaltsinterne Weihnachtsfeier. In der Turnhalle wird er mit einer Band vor 60 Gefangenen und Betreuern auftreten. Auf einem Blatt Papier hat er notiert, was er beachten muss, damit er seine Einsätze nicht verpasst. Zum Beispiel: «Bis 3 im Kopf zählen.»
Auf Weihnachten freut er sich aber nicht. Die vielen Besuche deprimieren ihn. Denn niemand kommt zu ihm. Er sitzt rekordverdächtig lange hinter Gittern: seit 37 Jahren. In dieser Zeit hat er viele Kontakte zur Aussenwelt verloren.
Sein Leben war schon beschädigt, bevor es begonnen hatte. Seine Mutter trank während der Schwangerschaft Alkohol und vergiftete dadurch den Fötus in ihrem Bauch. Sein Gehirn konnte sich nicht normal entwickeln. Ärzte diagnostizierten bei Albert eine organische Persönlichkeitsstörung.
Wenn er darüber spricht, fasst er sich an den Kopf und sagt: «Ich fühle mich normal.» Er wirkt auch im Gespräch normal und schildert seine Geschichte während vier Stunden reflektiert und präzise.
Sein Leben ist aber alles andere als normal verlaufen. Es ist vom ersten Tag bis heute geprägt von Fremdplatzierungen und Versetzungen. Zuerst von Heim zu Heim und später von Gefängnis zu Gefängnis.
Auf dem rechten Arm hat Albert M. den Schriftzug «Grellingen» tätowiert. Aus dieser Baselbieter Gemeinde stammt seine Mutter. Er lebte aber nie dort. Sie übergab ihn direkt nach der Geburt im Kinderspital in ein Kinderheim. Heute sagt er: «Ich bin auf die Welt gekommen und schon wurde ich – auf Deutsch gesagt – weggeschmissen.»
Zu seinen Eltern hatte er nie eine Beziehung. Wenn er von seinem «Müeti» spricht, meint er eine der Leiterinnen des Kinderheims in Wolhusen LU. Sie habe ihn nur ein einziges Mal geschlagen. Er war sechs Jahre alt und wollte mit den Kindern in einer Garage ein Lagerfeuer machen. Sonst bezeichnet er seine Kindheit als schön.
Mit 14 beging er allerdings die ersten Delikte: Diebstähle, Einbrüche, Sachbeschädigungen. Mit 19 sass er das erste Mal in Untersuchungshaft, weil er aus einer Pflegefamilie davongelaufen war. Er absolvierte eine Lehre als Gärtner und hatte danach, wie er sagt, die beste Zeit seines Lebens in einem Wohnheim in Ruswil LU.
Das Unglück begann, als seine wichtigste Beziehung in die Brüche ging: Er hielt einen Schäferhund, den er einst von seinem «Müeti» als Welpe erhalten hatte. Als ein Mitbewohner unerwartet in seinem Zimmer auftauchte, ging der Hund auf ihn los. Ein Polizist kam vorbei und stellte Albert vor die Wahl: Entweder kommt der Hund in ein Tierheim oder er wird erschossen. Albert drückte selber ab. Aus seiner Sicht war dies sein erstes Tötungsdelikt.
Es geschah in einer Gewitternacht an Ostern 1986
Albert war 25 Jahre alt und ertränkte seine Trauer im Alkohol. An Ostern 1986 machte er eine Velotour an die Chilbi in Bremgarten. Er soff die ganze Nacht. Auf dem Heimweg kam er bei einem Bauernhaus vorbei. Es blitzte und donnerte. Wegen eines Blitzeinschlags ging plötzlich ein Alarm los. Der Bauer rannte in den Schweinestall.
Albert klopfte an der Tür. «Ohne zu überlegen ging ich einfach hinein», erzählt er. Im Schlafzimmer traf er auf die 26-jährige Bäuerin. Er wusste nicht, dass sie schwanger war. Er fragte sie, ob sie ihm helfen könne. Doch als sie den Betrunkenen sah, wollte sie die Türe zuschlagen. Ein Gerangel entstand.
Er nahm einen Stoffgurt und wollte sie fesseln. «Im Suff habe ich nicht begriffen, dass ich ihr den Gurt um den Hals wickelte», sagt er. Als der Bauer zurückkam, sah er Albert auf seiner toten Ehefrau. Er warf ihm später vor, sich an der Leiche sexuell vergangen zu haben. Albert M. bestreitet dies. Seine Hose sei geöffnet gewesen, weil sein Knopf nicht richtig funktionierte. Der Bauer prügelte Albert fast zu Tode und übergab ihn der Polizei.
Das Luzerner Kriminalgericht verurteilte ihn 1987 wegen Mordes zu zwölf Jahren Zuchthaus und einer Verwahrung, die bis heute dauert. Schon in den 1990er-Jahren sass Albert M. in der Solothurner Justizvollzugsanstalt. Damals war sie noch nicht von Zäunen mit Nato-Stacheldraht umgeben. Albert M. lebte im offenen Vollzug, aus dem er einfach hätte davonlaufen können. Dann geschah der Mord am Zollikerberg. Die Schweiz war in Aufregung.
Die Justiz verschärfte den Verwahrungsvollzug sofort im ganzen Land. Zuerst habe ihm der Direktor versichert, er könne hier bleiben. Doch dann belauschte Albert M. eine Sekretärin bei einem Telefongespräch, wonach er doch versetzt werde. Albert M. lief davon, viele Kilometer der Aare entlang. Einen Plan hatte er aber nicht und so verhaftete ihn die Polizei bald.
Kürzlich wehrte sich Albert M. bis vor Bundesgericht, dass er endlich aus der Verwahrung entlassen werde. Er möchte in ein Wohnheim wechseln. Doch das höchste Schweizer Gericht hat seine Beschwerde abgelehnt.
Albert M. argumentierte, er sei alt und schwach und somit gar nicht mehr in der Lage, eine Tat wie 1986 zu begehen. Das Bundesgericht entgegnet, dass auch ein Senior mit wenig Kraft in der Lage sei, eine Frau mit einem Stoffgurt zu strangulieren. Nach dem 50. Lebensjahr nehme die Gefährlichkeit zwar tendenziell ab. Doch bei Albert M. sei die Gefahr immer noch zu gross.
Gemäss dem aktuellen psychiatrischen Gutachten ist sein Risiko für Tötungsdelikte in Freiheit «moderat bis erhöht». Das Bundesgericht betont zudem, dass Albert M. eine Therapie abgebrochen habe, weil er damit überfordert sei. Seine Intelligenz sei schwach. Sein IQ betrage nur 65.
Albert M. legt wortreich dar, dass er die Therapie nicht aus diesem Grund abgebrochen habe. Er sei mit seiner Therapeutin übereingekommen, dass es so keinen Sinn mehr mache. Er habe schon so viel über seine Tat geredet. Doch inzwischen habe er damit abgeschlossen. Der Mord sei ihm auch nah gegangen. «Es ist nicht schön, was ich getan habe.» Aber nun wolle er nicht mehr darüber diskutieren.
Ist Albert M. gefährlich? Mit der Fotografin und dem Reporter darf er alleine in einem Raum sein. Seine Stimme zittert, wenn er über Ungerechtigkeit spricht. Aber er hat sich unter Kontrolle. «Ich gehe regelmässig in den Ausgang und komme sauber zurück. Wie soll ich sonst noch beweisen, dass ich nicht mehr gefährlich bin?», sagt er. Zwei Betreuer begleiten ihn dabei jeweils.
Verletzt die Schweiz die Menschenrechte von Verwahrten?
Albert M. wirft der Schweiz vor, dass sie die Menschenrechte von Verwahrten verletze. Deshalb zieht er seinen Fall mit seinem Anwalt vor den Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.
Die Solothurner Alters-WG sieht er zudem nicht als Vorbild. Die Freiheiten gehen aus seiner Sicht zu wenig weit. Er und seine Mitbewohner fordern, dass sie in der Garage einen Hobbyraum mit Fräsmaschinen und Kreissägen einrichten dürfen. «Das ist zu gefährlich», sagt der Gefängnisdirektor dazu.
Zudem verlangt die Männer-WG freien Internetzugang und Handybenutzung. «Das wäre wegen der Internetkriminalität nicht vernünftig», entgegnet der Direktor.
Weiter wollen die Verwahrten mehr Ausgänge. Doch dafür fehle einerseits das Personal, heisst es. Andererseits gilt das Risiko bei einigen Insassen als zu hoch für einen Spaziergang in Freiheit.
Und für sie ganz wichtig: Die Eingesperrten wünschen sich Haustiere. Doch auch dies sieht der Gefängnisdirektor skeptisch. Hühner und Schildkröten leben bereits auf dem Areal. «Wir hatten auch schon Hamster, Meerschweine und eine Hauskatze. Die Erfahrungen waren nicht gut. Plötzlich waren Tiere tot und niemand übernahm Verantwortung dafür», sagt er.
Die Verwahrten beweisen in ihrer WG, dass sie in diesem Setting friedlich miteinander zusammenleben können. Der Gefängnisdirektor mag die sechs Schwerverbrecher persönlich alle. Er sagt: «Diese sechs Männer sind eine Top-Crew. Ich habe bei jedem von ihnen ein gutes Gefühl. Aber das reicht einfach nicht, um sie freizulassen.»
(https://www.limmattalerzeitung.ch/leben/gefaengnisbesuch-meine-mutter-hat-mich-weggeschmissen-er-ist-verwahrt-seit-37-jahren-jetzt-verklagt-er-die-schweiz-ld.2556488)
++++ARMEE
Armee beendet Einsatz zum Konferenzschutz im Kanton Genf
Die Schweizer Armee hat den Assistenzdienst für den Kanton Genf und die Sicherheitsmassnahmen für das zweite globale Flüchtlingsforum der UNHCR erfolgreich beendet. Während acht Tagen standen durchschnittlich 560 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Der Einsatz verlief ohne Zwischenfälle und zur vollen Zufriedenheit der einsatzverantwortlichen zivilen Behörden.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-99477.html
+++RASSISMUS
Ängste vor Antisemitismus – Davos kämpft um sein Image als weltoffener Ort
Jüdisch-orthodoxe Feriengäste haben in Davos Tradition. Doch die Beziehung mit Einheimischen wird zunehmend angespannt.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/aengste-vor-antisemitismus-davos-kaempft-um-sein-image-als-weltoffener-ort
+++HISTORY
Christoph Blocher – Leben und Kampf für seine Schweiz
Der «DOK»-Film «Christoph Blocher – Leben und Kampf für seine Schweiz» lässt das Leben des mächtigen Politikers Revue passieren. Christoph Blocher erzählt ausführlich über seine Kindheit, die Ems-Chemie sowie seinen Einstieg in die Politik. Und er wird konfrontiert mit seinem umstrittenen Politstil.
https://www.srf.ch/play/tv/dok/video/christoph-blocher—leben-und-kampf-fuer-seine-schweiz?urn=urn:srf:video:0b577a10-877f-438e-9369-d7d05ffdb764
Elizabeth Magie Phillips – Die vergessene Geschichte der Monopoly-Erfinderin
Als Elizabeth Magie Phillips das Brettspiel erfand, wollte sie das Verständnis für soziale Ungerechtigkeit fördern. Dass sich die Spielregeln komplett ins Gegenteil verkehrten, war nicht in ihrem Sinn. Sie selbst ging als Verliererin vom Feld.
https://www.srf.ch/news/wirtschaft/elizabeth-magie-phillips-die-vergessene-geschichte-der-monopoly-erfinderin
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hauptstadt.be 16.12.2023
«Politik ist ein emotionales Geschäft»
Sicherheitsdirektor Reto Nause will im Nationalrat eine Pop-Up-Bar auf der Bundesterrasse erreichen und räumt Fehler bei der Kommunikation des Demoverbots ein. – Das Interview zur neuen Doppelrolle.
Von Joël Widmer, Mathias Streit (Text), Manuel Lopez (Bild)
Herr Nause, Sie sind neuerdings sowohl Berner Gemeinderat wie auch Nationalrat. Wie bringen Sie die beiden Jobs unter einen Hut?
Das ist in der Anfangsphase natürlich eine Herkulesarbeit – bis die beiden Agenden aufeinander abgestimmt sind. Aber im Parlament hat man während der Debatten viel Zeit zum Arbeiten. Daher ist das machbar.
Sie sitzen im Nationalrat, arbeiten aber für die Stadt?
Ja.
Wie machen Sie das jeweils am Mittwoch? Dann tagt der Nationalrat und findet gleichzeitig die Sitzung der Stadtregierung statt.
Wir regeln das wie damals, als Stadtpräsident Alexander Tschäppät im Nationalrat sass, und schieben die Gemeinderatssitzung von morgens um 8 Uhr in die Mittagspause des Nationalrates auf 13 Uhr. Mit Tschäppät haben wir ab und zu sogar im Bundeshaus getagt. Er hat sich dann jeweils kurz für die Abstimmung in den Nationalratssaal verabschiedet und kam wieder zurück in die Sitzung.
Sie sind seit 15 Jahren Regierungsmitglied, stehen im Stadtparlament Red und Antwort. Jetzt sitzen Sie wieder als Parlamentarier in den Bankreihen. Wie ist das?
Speziell. In der Nationalratssitzung soeben haben wir über diverse Postulate abgestimmt, die irgendwelche Berichte vom Bundesrat einfordern. Als Gemeinderat nervt es mich oft, wenn der x-te Bericht gefordert wird, bei dem man den Eindruck hat, damit werde primär die Verwaltung beschäftigt.
Also lehnen Sie diese Postulate im Nationalrat alle ab?
Nicht alle. Aber soeben hat der Nationalrat zum Beispiel ein FDP-Postulat zum Kulturgüterschutz verhandelt. In der Stadt Bern bin ich für dieses Thema zuständig. Die Städte machen das gut; da muss jetzt der Bund nicht auch noch drin rumwuseln.
In welcher Kommission werden Sie sitzen?
In der Sicherheitspolitischen Kommission. Das war meine Wunschkommission. Da gibt es verschiedene kommunale Themen, bei denen möglicherweise eine Anpassung der nationalen Rahmenbedingungen nötig ist.
Zum Beispiel?
Das Ausländerrecht wird immer wieder verschärft. Und doch ist es in der Schweiz möglich, sich mit gefälschten Papieren anzumelden, denn viele Gemeinden verfügen nicht über Pass-Scanning-Geräte. In Bern haben wir solche Scanner und fischen damit jährlich etwa 80 Leute raus, die mit gefälschten Papieren die Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz erschleichen wollen. Wenn man die Aufenthaltsbewilligung mal hat, erhält man auch Sozialleistungen.
Was wird Ihr erster Vorstoss als Nationalrat sein?
Es gibt ein altes «Hobby», das ich schon mit etwa fünf Bundespräsidenten diskutiert habe. Es geht um die Sicherheitsprobleme auf der Bundesterrasse. Wir haben dort am Freitag- und Samstagabend oft wilde Ansammlungen von 200 bis 300 Leuten, die Alkohol konsumieren und laut Musik hören. Immer wieder fliegen dabei Flaschen runter Richtung Marzili. Es gibt sogar Junge, die sich einen Sport daraus machen, mit den Flaschen eine Dachlukarne zu treffen. Wenn man die Bundesterrasse mit einem Pop-Up-Gastroangebot beleben würde, hätte man völlig andere Verhältnisse. Auf der Grossen Schanze haben wir das erfolgreich durchexerziert.
Sie wollen quasi eine Bundeshaus-Bar auf der Bundesterrasse?
Richtig. Weil diese mehr Sicherheit bringt. Ich hatte mich mit Herrn Berset und Herrn Maurer – als diese jeweils Bundespräsident waren – eigentlich schon geeinigt. Dann versickerte das aber immer wieder in den Tiefen des Bundesamtes für Bauten und Logistik. Jetzt kann ich selber vorstössig werden und im Nationalrat schauen, ob das mehrheitsfähig ist.
Wie und wann soll die Bar betrieben werden?
Ich stelle mir zunächst einmal einen Pilotversuch vor. Das würde allen Kritikern aufzeigen, dass ein Pop-Up eine echte Beruhigung bringt. Anschliessend würde man weiterschauen.
Aktuell sind Sie der einzige Bürgerliche in der Stadtregierung. Den zweiten Sitz können die Bürgerlichen wohl nur zurückerobern, wenn alle Parteien von GLP bis SVP auf einer gemeinsamen Liste antreten.
Das gäbe zwei Sitze, ja. Und jede Direktion, die wieder in bürgerlicher Hand ist, ist eine gute Direktion. Dort werden die Entscheidungen vorgespurt und inhaltliche Schwerpunkte gesetzt. Die Grünliberalen müssen jetzt entscheiden, ob sie mit einer gemeinsamen Liste ihren Beitrag zu zwei bürgerlichen Sitzen leisten wollen oder nicht.
Verstehen Sie die Bedenken der GLP, mit der SVP auf einer Liste zu kandidieren?
Das Stadtberner Wahlsystem zwingt Parteien zu breiten Allianzen. Und wenn ich sehe, dass RGM ein relativ breites Spektrum abdeckt, frage ich mich, warum ein Bündnis von der Mitte gegen rechts nicht möglich sein sollte.
In welchen Situationen hat Ihnen in den vergangenen sieben Jahren eine zweite bürgerliche Stimme in der Regierung gefehlt?
Ich habe 95 Prozent meiner Geschäfte in der Regierung durchgebracht. Aber in einer 4-zu-1-Konstellation ist es undenkbar, ausserhalb der eigenen Direktion politische Schwerpunkte zu setzen. In der Verkehrspolitik beispielsweise kann ich keine Akzente setzen.
Dann haben Sie das gar nicht erst versucht?
Ab und zu habe ich schon ein wenig versucht, der Stachel im Fleisch zu sein. Aber inhaltlich war das letztlich chancenlos. Und wenn man in der Regierung die Kritik an Geschäften anderer auf die Spitze treibt, dann schadet man sich bei den eigenen Geschäften. Schwierig waren immer die Diskussionen rund um die Kundgebungen. Dort hätte ich mir eine zweite bürgerliche Stimme gewünscht. Da muss ich in der Regierung jeweils um jede Stimme für vernünftige Regelungen kämpfen.
Mit dem Demoverbot gibt es ein aktuelles Beispiel, bei dem Sie im Gemeinderat mit ihrer Haltung durchgekommen sind. Die Kontroverse und den Demoverbots-Entscheid des Gemeinderats vom 8. November hält an.
Diese Kontroverse ist sinnlos aufgeblasen. Der Beschluss besagt, dass wir auf dem Bundesplatz bis zum 24. Dezember keine Grosskundgebungen mit erhöhten Sicherheitsrisiken durchführen möchten. Das betrifft konkret den Palästina-Konflikt. Da sind viele Emotionen im Spiel, die Stimmung ist extrem aufgeheizt. Man sah sogar Leute mit Taliban-Fahnen und Hakenkreuzen. Vor diesem Hintergrund hat der Gemeinderat Umzüge in der Innenstadt untersagt. Wir haben aber auch nach dem Beschluss Kundgebungen zu Palästina auf der Schützenmatte und dem Rosalie-Wenger-Platz bewilligt.
Dennoch war der Gemeinderat offenbar selbst unzufrieden über den kommunizierten Entscheid. Stadtpräsident Alec von Graffenried sagte im Stadtrat an Sie gerichtet, die Kommunikation sei nicht gut gewesen. Was hätten Sie anders machen müssen?
Das müssen Sie ihn fragen. Sein Votum war etwas verwirrlich. Nun will die Linke natürlich aus der Debatte politisches Kapital schlagen. Der Alternativen Linken hätten wir für ihre Demo gegen das Demoverbot sogar den Bundesplatz offeriert und dennoch haben sie auf einem Umzug durch die Stadt bestanden. Die Verfügung blieb dann aber offenbar tagelang in ihrem Postfach liegen. Das ist nur noch politische Schaumschlägerei.
Jetzt gehen mit dem Grünen Bündnis und der SP zwei Regierungsparteien juristisch gegen den Demo-Entscheid vor. Was halten Sie davon?
Diese Beschwerde ist gegenstandslos. Eine anfechtbare Verfügung erhält, wer ein Demogesuch stellt. Beschwerde kann man nur gegen den Einzelfallentscheid führen. Und es gibt kein Grundrecht, wonach man an einem frei zu wählenden Ort jederzeit irgendeinen Umzug durchführen darf. Im Gegenteil. Kundgebungen müssen bewilligt werden, um bei der Nutzung des öffentlichen Raums verschiedene Ansprüche aneinander vorbeizubringen. Und das ist bundesgerichtlich gestützt. Als Bewilligungsbehörde haben wir einen Ermessensspielraum und können sagen, dass aus Sicherheitsgründen kein Umzug möglich ist.
In der Medienmitteilung zur Demo-Richtlinie fehlte der Vermerk, dass auch im Dezember jedes Gesuch im Einzelfall geprüft werde. Würden Sie das heute anders formulieren?
Ja. Wir hätten explizit schreiben müssen, dass bei Kundgebungsgesuchen wir nach wie vor im Einzelfall prüfen, was möglich ist. In den letzten Wochen haben wir den Tatbeweis längst erbracht, dass kein generelles Demoverbot verhängt wurde. So haben wir etwa die GSoA-Kundgebung auf der Schützenmatte bewilligt.
Warum war es Ihnen so wichtig, die Demo-Einschränkung zu verkünden, wenn weiterhin jedes einzelne Gesuche geprüft wird?
Der Entscheid stützte unsere Vollzugsleute, die mit Gesuchen bombardiert werden. Wir sind grundsätzlich eine sehr liberale Bewilligungsbehörde. Angesichts der aktuellen Lage mit zahlreichen aufgeheizten Demonstrationen wollten wir aber eine Zurückhaltung kommunizieren.
Sie zeigen sich im Stadtparlament oft genervt, so zum Beispiel in der Sitzung zum Thema Demoverbot. Warum ist das so?
Das sind einfach Emotionen. Politik ist ein emotionales Geschäft. Ich bin natürlich überzeugt, dass das, was wir im Rat zur Abstimmung vorlegen, vernünftig, gut und richtig ist. Was der Rat zum Teil fordert, hier konkret Herr Böhner von der Alternativen Linken, ist Nonsens. Dann ist es nicht verboten, emotional zu werden.
Das sind Sie oft bei Vorstössen zur Polizei.
Nach 15 Jahren als Sicherheitsdirektor weiss ich nicht mehr, wie viele Kundgebungen ich bereits aus der Nähe erlebt habe. Damals bei «Tanz dich frei» wurde ich vom Schwarzen Block quasi überrannt. Und wenn Sie die Gewaltbereitschaft und das sinnlose Zerstören einmal aus der Nähe erlebt haben und nachher im Ratssaal Voten hören, wonach die Polizei provoziert habe, dann sage ich: Sorry, das ist einfach gelogen.
Sind Sie froh, nächsten Herbst ihr Exekutivamt abzugeben?
Ja und nein. Ich habe ja mittlerweile viel erlebt: Die linken Saubannerzüge, Kuhglocken-Treichler aus dem rechtsnationalen Spektrum und nun die emotionalen Kundgebungen zu internationalen Konflikten. Sicherheitsdirektor zu sein ist ein Verschleissjob. Gleichzeitig habe ich die Direktion mit den besten Angestellten. Das sind geerdete Menschen, die sich für das Wohl der Allgemeinheit engagieren und sogar die eigene körperliche Unversehrtheit riskieren. Das gilt für einen Feuerwehrmann, für einen Rettungssanitäter und für einen Polizisten. Dieses Engagement werde ich massiv vermissen.
Die Linke weigert sich in der Stadt Bern seit 30 Jahren, das Ressort Polizei zu übernehmen, kritisiert Ihre Arbeit aber die ganze Zeit.
Nicht nur die Linken kritisieren, auch die Rechten. Diese sagen, ich sei ein Weichbecher, die Linken sagen, ich sei ein Pitbull. So gesehen habe ich den Job wohl nicht so schlecht gemacht.
Wen wünschen Sie sich als Nachfolger*in?
Béatrice Wertli, die Gemeinderatskandidatin der Mitte. Sie würde das auch können.
Soll nicht mal eine RGM-Partei die Sicherheitsdirektion verantworten?
Das soll der künftige Gemeinderat diskutieren. Die Linke gefällt sich in der Rolle, die Sicherheitsdirektion zu kritisieren. Selber hinzustehen wäre schwieriger.
RGM ist seit über 30 Jahren an der Macht. Was hat das Bündnis aus Bern gemacht?
Bern ist eine absolut lebenswerte Stadt. Das bestätigt Ihnen auch jeder Bürgerliche. Punkto Finanzen sind wir aber definitiv aus der Schiene gesprungen. Punkto Sicherheit hingegen stehen wir gut da. Insbesondere wenn man sich die Verhältnisse im Bern der 90er-Jahre mit offenen Drogenszenen in Erinnerung ruft.
Das Klimareglement sieht das Ziel Netto Null im Jahr 2045 vor. Dann sollen weniger Treibhausgase ausgestossen werden, als gebunden werden können. Was braucht es, um dies zu erreichen?
Es braucht die Investitionen, die wir nun tätigen. Zum Beispiel in die Fernwärme.
Aber Fernwärme braucht ja auch noch fossile Energie.
Wir verwenden zwecks Spitzenlastabdeckung eine Gasturbine. Aber die Substitution der Gasturbine ist für das Jahr 2035 vorgesehen. Im Moment sind die Absenkkurven noch flach. Zunächst muss man Gräben ausheben, Leitungen verlegen und so die Fernwärme in den Boden bringen.
Das klingt so, als ob allein mit der Fernwärme das Klima gerettet wird.
Nein, sicher nicht. Hinzu kommt die Verantwortung der privaten Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer.
Wie bringen Sie als Klimadirektor Privatpersonen oder Institutionen dazu, schneller auf erneuerbare Energien umzusteigen? Die Burgengemeinde zum Beispiel hat noch keine einzige Solaranlage auf ihre Häuser montiert.
Wenn ich zum Zent-Areal fahre, sehe ich auf dem Dach eine der grössten Photovoltaikanlagen im Grossraum Bern. Diese hat die Bidag AG zusammen mit der Firma Badertscher+Co vor vier Jahren in Betrieb genommen. Die Privaten investieren derzeit. Seit die Energiepreise explodiert sind, versuchen Firmen erneuerbare Energie vor Ort zu produzieren. So hat CSL Behring eine der grössten Biogasanlagen der Schweiz errichtet.
Auch bei der Mobilität werden die städtischen Ziele nicht erfüllt. Die Stadt hat zum Beispiel noch viel mehr immatrikulierte Autos, als man sich zum Ziel gesetzt hat.
Das müssen Sie mit der Kollegin Kruit und der Direktion für Tiefbau und Verkehr diskutieren.
Und beim Wärmeverbrauch der Stadt ist man hinter den gesteckten Zielen.
Weil wir noch nicht im Jahr 2041 stehen. Die Stadtverwaltung soll 2041 CO2-neutral sein, die ganze Stadt 2045.
Wir zitieren hier nur die städtischen Absenkpfade, die Sie gemäss Ihrem eigenen Kontrollbericht nicht einhalten können.
Kommen Sie mal in der Realität an, wirklich! Das sage ich auch allen Grünen und Klimaklebern. Wir können doch in einem Schulhaus die Ölheizung nicht sofort herrausreissen, wenn wir wissen, dass die Fernwärme erst in zwei Jahren bereit ist. Es ist eine naive Vorstellung, man könne den Schalter umlegen und morgen CO2-neutral sein. Und wenn jetzt gewisse Ampeln bei rot stehen, heisst das einfach High Management Attention.
Sie sind als Umweltdirektor zuständig für Energie Wasser Bern (EWB). Warum will EWB nicht vollständig aus dem Gas aussteigen?
Weil es industrielle Anwendungen gibt, die auf Gas angewiesen sind. Und es gibt Stadtquartiere, wie die Untere Altstadt, wo eine alternative Energie-Infrastruktur fehlt. EWB sagt nicht, dass man das Gasnetz auf immer und ewig betreiben möchte. Vor allem werden wir sicher nicht parallel Netze mit Fernwärme und Gas betreiben. Und wir wollen mehr Biogas produzieren und akquirieren. Bern hat im übrigen wegen des Gasunfalls am Nordring 1998 eines der jüngsten Gasnetze in der Schweiz. Dieses Netz ist noch nicht in allen Bereichen amortisiert.
Die Veränderungen im Tierpark geben zu reden. Begrüssen Sie als zuständiger Gemeinderat die Aufhebung des Streichelzoos?
Ich begrüsse, dass man die Infrastruktur des Tierparks erneuert. Konkret braucht es ein neues Ökonomiegebäude unten am Aareufer. Ich begrüsse das angedachte Artenschutzzentrum, verbunden mit einem neuen Eingang. Und ich begrüsse, dass man den Dalmazi-Bach freilegen und im Zoo-Perimeter Biodiversitätsflächen schaffen möchte. Wenn man das alles macht, wird der Platz für einen Streichelzoo eng. Wäre es da nicht einfacher, im Bauernhof Elfenau die Idee eines Stadt-Bauernhofs mit für Kinder erlebbaren Tieren umzusetzen?
Gibt es dazu konkrete Pläne?
Das ist eine Diskussion, die man führt. Die Platzverhältnisse und die Stallungen sind in der Elfenau massiv besser als im Dählhölzli. Es ist wichtig, dass man unseren Kindern beibringt, dass die Milch nicht aus dem Tetrapack, sondern von der Kuh kommt. Es ist aber auch wichtig aufzuzeigen, was es heisst, wenn wir keine Bienen mehr hätten. Eine Fokussierung auf die Themen Artenschutz und Biodiversität ist die Zukunft jedes europäischen Zoos.
Im «Bärnerbär» übte der frühere Tierparkdirektor Kritik…
Dazu äussere ich mich nicht. Die Ehre tue ich ihm nicht an.
Gemäss demselben Artikel steht zudem die neue Tierparkdirektorin in Kritik wegen Führungsmängeln.
Ich habe selber Dutzende von Gesprächen mit Mitarbeitenden geführt. Es gibt von Einzelpersonen Kritik wegen fehlender Wertschätzung. Das ist aber eine verschwindend kleine Minderheit. Dementsprechend teile ich diese Kritik so nicht.
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Zur Person
Reto Nause (52) ist seit 2009 Teil der Berner Stadtregierung und in dieser für die Direktion Sicherheit, Umwelt und Energie zuständig. Mit dem Ende der städtischen Legislatur 2024 muss er seinen Posten aufgrund der Amtszeitbeschränkung abgeben.
Aufgewachsen ist Nause in Birmenstorf im Kanton Aargau. Noch als Teenager findet er den Weg in die Politik und gilt rasch als Polittalent. Ab 2001 und bis zu seiner Wahl in den Berner Gemeinderat ist Nause Generalsekretär der CVP Schweiz. Für diese Stelle zieht der zweifache Vater nach Bern.
Bei der Wahl im Herbst 2023 schafft Nause als Kandidat der fusionierten Mitte-Partei den Sprung in den Nationalrat.
(https://www.hauptstadt.be/a/reto-nause)