Medienspiegel 13. Dezember 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

+++LUZERN
«Das ist meine zweite Familie» – Luzerner Curlingverein integriert Flüchtlinge
Der Verein Integration in der Freizeit bringt Vereine und geflüchtete  Menschen zusammen. Um die Interessierten optimal zu unterstützen,  läuft zurzeit ein Crowdfunding.
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/integration-das-ist-meine-zweite-familie-luzerner-curlingverein-integriert-fluechtlinge-ld.2544716


+++SCHWEIZ
nzz.ch 13.12.2023

So viele Flüchtlinge wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr: In der  Asylpolitik dreht der Wind

Die Rekordzahlen bescheren der Schweiz eine lange Liste von Problemen.  In einer ausserordentlichen Asylsession diskutiert das Parlament über  Verschärfungen.

Irène Troxler

Europaweit wird über Verschärfungen im Asylbereich diskutiert.  Plötzlich scheint es denkbar, Asylverfahren in Drittstaaten ausserhalb  der EU durchzuführen. In Deutschland hat die CDU dies soeben in den  Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm aufgenommen. Auch in der  Schweiz sind die Asylzahlen so hoch wie nie mehr seit dem Zweiten  Weltkrieg. An Schlagzeilen wie «Asylchaos» hat man sich gewöhnt, auch  wenn sich die Schweiz noch einigermassen durchwursteln kann. Bis jetzt  musste kein Asylsuchender im Zelt oder im Freien übernachten. Aber die  Probleme sind zahlreich.

Höhere Zahlen, längere Verfahrensdauer

133 000 Personen befanden sich Ende Oktober im Schweizer Asylprozess.  Zwar war die Zahl der Asylgesuche im Oktober etwas rückläufig, es  gingen aber immer noch gut 3500 Gesuche ein.

Längst nicht alle Personen kommen aus Kriegsgebieten. Im Oktober war  die häufigste Nationalität die türkische, was auf den ersten Blick  erstaunen mag. Allerdings erhält die Hälfte der betreffenden Türkinnen  und Türken in der Schweiz Asyl, da sie eine politische Verfolgung  glaubhaft machen können. In vielen Fällen handelt es sich gemäss dem  Staatssekretariat für Migration (SEM) um Anhänger des Regimekritikers  Fethullah Gülen oder um politisch verfolgte Kurden.

Die Ursachen für die heutigen Fluchtbewegungen sind vielfältiger als  beim Syrien-Krieg 2015/16. Entsprechend gehen Migrationsexperten nicht  davon aus, dass diese Welle einfach wieder verebben wird. Das SEM  rechnet für das laufende Jahr mit etwa 30 000 Asylgesuchen, etwas mehr  als zu Beginn des Jahres prognostiziert. Im Vorjahr waren es 24 500  Gesuche, wobei Personen mit Schutzstatus S nicht eingerechnet sind.

Wegen der hohen Zahlen hat sich auch die durchschnittliche  Verfahrensdauer erhöht: von 108 Tagen im Jahr 2021 auf 127 im Jahr  2023. Und die Pendenzenliste ist von knapp 9500 Gesuchen im Jahr 2022  auf derzeit 15 700 angewachsen.

Kaum noch passable Unterkünfte

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise von 2015/16 wurde noch darüber  debattiert, ob die Unterbringung von Menschen in unterirdischen  Zivilschutzanlagen überhaupt zumutbar sei. Ein SRF-Journalist  verbrachte 24 Stunden mit 99 Asylsuchenden in einem Bunker und schrieb  über die schlechte Luft und seine Platzangst.

Heute ist der Druck so gross, dass sogar Familien unterirdisch  untergebracht werden. Protest ist kaum zu hören. Es geht gar nicht  anders.

Momentan verfügt das SEM noch über eine Reserve von rund 3000 Plätzen,  aber 800 müssten demnächst an die Armee zurückgegeben werden, wie Reto  Kormann vom SEM sagt. Die Kantone eröffnen eine unterirdische  Notunterkunft nach der anderen. Die Lage sei «angespannt und  anspruchsvoll», heisst es bei der Konferenz der kantonalen  Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK). Vier Kantone seien  «im roten Bereich».

Der Kanton Aargau verspricht, bei Bedarf weitere Notunterkünfte zu  eröffnen, weist aber gleichzeitig warnend darauf hin, dass die  Zivilschutzanlagen, die jetzt noch als Asylunterkünfte genutzt werden  könnten, immer weniger dafür geeignet seien.

Vonseiten der Kantone kommt auch Kritik an die Adresse des SEM: Es  kündige den Kantonen jeweils am Vortag an, wie viele Personen ihnen am  nächsten Tag zugewiesen würden. Die Kantone hätten gerne mehr  Vorlaufzeit. Die Sozialdirektorenkonferenz fordert eine verlässliche  Notfallplanung und zusätzliche Reserven beim SEM für den nächsten  Sommer. Dann werden wieder mehr Flüchtlinge erwartet.

Italien mauert

Obwohl Italien aufgrund des Dublin-Abkommens verpflichtet wäre,  Flüchtlinge, die von Süden in die Schweiz einreisen, zurückzunehmen,  tut es das seit rund einem Jahr nicht mehr. Das Tessin bekommt den  Migrationsdruck aus Italien am stärksten zu spüren. Die  «Asylchaos»-Schlagzeilen bezogen sich meist auf die Grenzstadt  Chiasso, wo besonders viele Migranten stranden. Die Bewohner der  Kleinstadt berichten von Diebstählen, Pöbeleien oder Trunkenheit im  öffentlichen Raum.

Die Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider hatte mit ihren  Interventionen bei den italienischen Behörden keinen Erfolg. Die  Schweiz hat nun zwar ihre Grenzkontrollen verstärkt. Sie nehme aber  direkt an der Grenze keine Einreiseverweigerungen vor, das hält das  SEM mit Verweis auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs fest.  Viele Migranten reisen daher einfach weiter, nachdem sie vom Schweizer  Grenzschutz eine Wegweisungsverfügung erhalten haben.

Rückführungen sind schwierig

Wer kein Asyl erhält in der Schweiz, sollte eigentlich wieder  heimkehren. Aber nicht alle gehen freiwillig, und die Rückführungen  gestalten sich oft schwierig. Eritrea beispielsweise nimmt seine  Staatsangehörigen nicht zurück. Diese Personen werden «vorläufig  aufgenommen» und bleiben normalerweise definitiv in der Schweiz.  Etliche reisen aber auch wieder aus. Im laufenden Jahr sind bis Ende  Oktober knapp 10 000 Personen freiwillig in ihre Heimat (inklusive  Ukraine) zurückgekehrt. Gut 1000 reisten in einen Drittstaat weiter.  1200 Ausreisen erfolgten zwangsweise.

Das SEM hat 2023 auch erstmals zwei Sonderflüge nach Algerien  organisiert. Von dort kommen viele junge Männer, die kaum Chancen auf  Asyl haben. Obwohl die Schweiz eigentlich ein Rücknahmeabkommen mit  Algerien hat, weigerte sich das Land lange, Hand zu bieten für  Zwangsrückführungen.

Viele unbegleitete Jugendliche

Seit dem Jahr 2020 reisen zunehmend männliche Teenager allein in die  Schweiz. Bis Ende Oktober gingen 2745 Asylgesuche von unter  18-Jährigen ein. Die meisten Minderjährigen kommen derzeit aus  Afghanistan. Für sie gelten gemäss Kinderrechtskonvention höhere  Standards bei der Unterbringung. Sie brauchen auch Betreuung, einen  Beistand und eine aufwendigere Rechtsvertretung. Die Kantone sind  damit sehr gefordert, und es wird immer wieder Kritik laut an den  Zuständen in einzelnen UMA-Heimen.

Spezialregel für Afghaninnen provoziert eine Sondersession

Im Juli beschloss das Staatssekretariat für Migration, dass Frauen und  Mädchen aus Afghanistan neu in aller Regel als Flüchtlinge anerkannt  werden. Das löste einen Sturm der Entrüstung bei den bürgerlichen  Parteien aus. Sie nehmen Anstoss daran, dass diese Frauen nun im  Rahmen des Familiennachzugs auch Ehepartner und minderjährige Kinder  zu sich in die Schweiz holen dürfen. Im September gingen denn auch  rund 700 Asylanträge von bereits in der Schweiz lebenden Frauen ein.

Bis jetzt blieb die SVP meist allein mit ihren Forderungen nach einer  schärferen Asylpolitik. Jetzt könnte der Wind drehen. Die neue Praxis  bei den Afghaninnen ist nun das Thema einer ausserordentlichen  Asylsession des Parlaments am 19. und 20. Dezember. Der  SVP-Nationalrat Gregor Rutz will diese Änderung mit einer Motion  wieder rückgängig machen. Er betont, heute lebten bereits 5,2  Millionen afghanische Staatsbürger in den Nachbarländern Afghanistans.  All diese Menschen hätten nun einen Anreiz, in die Schweiz zu kommen.  Das SEM untergrabe so die Bemühungen Europas, die Asylkrise in den  Griff zu bekommen. Im Ständerat wird tags darauf eine fast  gleichlautende Motion der FDP beraten.

FDP will Eritreer in Drittstaaten schicken

Generell kommen mittlerweile auch von den Freisinnigen härtere Töne.  Der Ständerat Damian Müller verlangt in einer Motion, Eritreer mit  abgewiesenen Asylgesuchen in ein sicheres Drittland zu schicken.  Dieser Vorstoss wird am 19. Dezember ebenfalls im Nationalrat  behandelt. Der Ständerat hat bereits zugestimmt. Die Eritreer  benötigten den Schutz der Schweiz nicht, so argumentiert Müller. Sie  belasteten aber die Sozialhilfe und belegten Unterkunftsplätze, die  für echte Flüchtlinge gedacht seien. Er möchte ein Pilotprojekt  anstossen und nennt als Beispiel für ein Drittland Rwanda.

Mit einer weiteren Motion möchte Müller erreichen, dass der Bundesrat  in Brüssel interveniert, damit Italien sich wieder ans Dublin-Abkommen  halten muss. Und schliesslich, fordert der FDP-Ständerat, solle der  Bundesrat mehr tun, um Algerien zu Rückübernahmen zu bewegen. Die  Schweizer Regierung müsse die Aktivierung von Sanktionen bei der  Europäischen Kommission beantragen.

Zum Thema Rückführungen abgewiesener Asylsuchender wird der  Nationalrat auch eine Motion von Werner Salzmann (SVP) debattieren.  Dieser fordert ein Konzept zur Erhöhung der Zahl von Rückführungen und  Ausweisungen. Dabei sollen auch Sanktionen für nicht kooperative  Herkunftsländer zum Einsatz kommen.
(https://www.nzz.ch/schweiz/so-viele-fluechtlinge-wie-seit-dem-zweiten-weltkrieg-nicht-mehr-in-der-asylpolitik-dreht-der-wind-ld.1768365)

Afghaninnen Asyl zu gewähren ist richtig
Staatssekretariat für Migration hat die Praxis den internationalen  Empfehlungen angepasst
Die Situation für Frauen in Afghanistan wird immer prekärer und  UN-Organisationen betonen ihren besonderen Schutzbedarf. Die Schweiz  hat diesen Sommer ihre Praxis an jene ihrer Nachbarländer angepasst.  Diese Neubeurteilung ist eine wichtige Errungenschaft für die  Betroffenen.
https://www.caritas.ch/de/afghaninnen-asyl-zu-gewaehren-ist-richtig/


+++GROSSBRITANNIEN
Aufatmen für Sunak: Britisches Parlament stimmt für umstrittenen  Asylpakt mit Ruanda
Im Streit um seine Asylpolitik ist der britische Premierminister Rishi  Sunak einer historischen Niederlage im Parlament entgangen. Die  Abgeordneten im Unterhaus stimmten am Dienstagabend in zweiter Lesung  mehrheitlich für einen Gesetzentwurf, mit dem die konservative  Regierung ihren vom obersten Gericht für rechtswidrig erklärten  Asylpakt mit Ruanda retten will.
https://www.watson.ch/international/grossbritannien/414997569-ruanda-deal-britisches-parlament-stimmt-fuer-umstrittenen-asylpakt
->  https://www.jungewelt.de/artikel/465197.repression-gegen-schutzsuchende-last-exit-ruanda.html


+++ITALIEN
Flüchtlingsdeal mit Albanien: Italien setzt auf Abschreckung
Die Flüchtlingszahlen in Italien steigen. Die Regierung will nun eine  restriktivere Unterbringung und vorgelagerte Asylzentren in Albanien.
https://taz.de/Fluechtlingsdeal-mit-Albanien/!5976094/


+++FREIRÄUME
Kostspielige Überwachung nach Besetzungen
Wird ein Gebäude von Aktivist*innen besetzt, dann meist weil es leer  steht. Doch was passiert mit den Gebäuden nach der Räumung? Manchmal  kommt es zu einer Zwischennutzung, doch oft bleiben die Liegenschaften  für einige Zeit leer.
https://rabe.ch/2023/12/13/kostspielige-ueberwachung-nach-besetzungen/
-> Interpellation:  https://www.rr.be.ch/de/start/beschluesse/suche/geschaeftsdetail.html?guid=8a30b6d88b854d63832bd46745b8d07d


Party ohne Gewalt: «Wir machen den Leuten nicht ihr Leben kaputt,  sondern höchstens eine Nacht»
Wie gehen Clubs und Festivals gegen sexualisierte Gewalt an ihren  Veranstaltungen vor? Der Verein Helvetiarockt hat einen Bericht dazu  veröffentlicht: Noch gibt es viel zu tun – doch in einigen Clubs hat  schon ein Umdenken stattgefunden.
https://www.woz.ch/2350/party-ohne-gewalt/wir-machen-den-leuten-nicht-ihr-leben-kaputt-sondern-hoechstens-eine-nacht


+++GASSE
Weil seit ein paar Monaten immer mehr Menschen im Aargau im  öffentlichen Raum Drogen konsumieren will der Aargauer Regierungsrat  handeln. Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati hat entschieden,  sofort eine kantonale Suchtstrategie zu lancieren – und nicht  abzuwarten, bis die Suchtstrategie in der Gesundheitspolitischen  Gesamtplanung 2030 umgesetzt wird. (ab 05:14)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/solothurner-kantonspolizei-wird-aufgestockt?id=12504642
->  https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/suchtstrategie-aargau-ld.2555571
->  https://www.ag.ch/de/aktuell/medien/medienmitteilungen?mm=projektstart-suchtstrategie-kanton-aargau-af53722f-65be-4af8-8484-ae75703bb451_de


Basler Suchthilfe gestärkt: Millionenspritze gegen Kleinbasler Drogenhotspot
Der Grosse Rat bewilligte eine Reihe von Massnahmen, welche die  Situation rund um die Dreirosenanlage verbessern soll.
https://www.bazonline.ch/basler-suchthilfe-gestaerkt-millionenspritze-gegen-kleinbasler-drogenhotspot-249104598701
->  https://www.baseljetzt.ch/suchthilfe-angebote-erhalten-beitraege-in-millionenhoehe/161730


Drogenszene in Zürich: Stadt zieht positive Bilanz zu Konsum-Containern
Seit einem Monat ist im Zürcher Kasernenareal die provisorische  Kontakt- und Anlaufstelle für Drogenabhängige geöffnet. Sie wird rege  genutzt.
https://www.tagesanzeiger.ch/drogenszene-in-zuerich-stadt-zieht-positive-bilanz-zu-konsum-containern-994099918825


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Joyeux 13.12 !
Pour fêter dignement ce 13 décembre (13.12) 2023, nous vous partageons  un petit trombinoscope de flics en civil genevois.
https://renverse.co/infos-locales/article/joyeux-13-12-4269



Demonstration vor Untersuchungsgefängnis Waaghof
Vor dem Untersuchungsgefängnis Waaghof kommt es am Dienstagabend zu  einer Demonstration. Dazu aufgerufen hatte die Gruppierung «3 Rosen  gegen Grenzen». Sie wirft der Polizei vor, bei einer Polizeikontrolle  Menschen aufgrund ihres Erscheinungsbildes festgenommen zu haben.
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/blaulicht-region-basel-drei-verletzte-bei-kollision-auf-der-a18-in-muenchenstein-suv-fahrer-testet-in-oltingen-offroad-faehigkeiten-und-bleibt-stecken-ld.2524190



derbund.ch 13.12.2023

«Effy 29»-Prozess in Bern: Verteidiger zerpflücken die Anklage

«Dünne Beweislage» und «Gesinnungsjustiz»: Die Verteidiger der  Hausbesetzer kritisieren die Staatsanwaltschaft harsch. Auch die  Polizei wird nicht verschont.

Michael Bucher

Am dritten Tag des Prozesses gegen 16 Hausbesetzer kamen deren  Verteidiger zu Wort. In ihren Plädoyers liessen sie kein gutes Haar an  der Anklage. Diese stehe wegen der dünnen Beweislage auf äusserst  wackligen Beinen.

Es sind Voten, die es bereits im Sommer 2021 in einem anderen  Gerichtssaal zu hören gab. Damals sprach das Regionalgericht die vier  Frauen und zwölf Männer frei vom Hauptanklagepunkt, der Gewalt gegen  Beamte. Übrig blieb bloss Hausfriedensbruch. Weil die  Staatsanwaltschaft in Berufung ging, kommt es aktuell vor Obergericht  zur Neuauflage. Das Urteil erfolgt am 10. Januar.

Immer wieder verwiesen die Verteidiger auf das in ihren Augen  fundierte Urteil der Erstinstanz. Sie sind überzeugt, dass das  Obergericht zur selben Erkenntnis kommen muss: Weil keiner  beschuldigten Person eine konkrete Gewalttat nachgewiesen werden kann,  muss es Freisprüche geben.

Die Frage der Distanzierung

Zur Erinnerung: Am Morgen des 22. Februar 2017 herrschten an der  Effingerstrasse 29 kriegsähnliche Zustände. Vermummte Personen wehrten  sich mit massiver Gewalt gegen die polizeiliche Räumung. Die  Hausbesetzer warfen Feuerwerk und allerhand Mobiliar auf die  Polizisten. Mehrere Einsatzkräfte wurden dabei verletzt.

In der Tat kann die Staatsanwaltschaft keinem der Beschuldigten eine  konkrete Tat nachweisen. Das sei auch gar nicht nötig, findet sie.  Denn es gelte das Prinzip: mitgegangen, mitgefangen. Wer sich von der  Gewalt hätte distanzieren wollen, hätte dies problemlos tun können,  meinte die Staatsanwältin.

Als «lebensfremd» bezeichneten diese Argumentation mehrere  Verteidiger. Es könne nicht erwartet werden, dass Unbeteiligte das  Gebäude verlassen, wenn im Treppenhaus ein Gefecht ausgetragen werde,  das selbst erfahrene Polizisten als beispiellos taxierten.

Doch warum zogen sich am Ende der Räumung die 16 Frauen und Männer in  dasselbe Zimmer im vierten Stock zurück, wo sie im Kreis sitzend auf  die Polizei warteten? Für die Anklage ist es ein Indiz, dass es sich  um eine verschworene Gruppe handelt. Die Verteidiger sehen es anders:  Auch für Unbeteiligte sei es am sichersten gewesen, sich dorthin  zurückzuziehen.

Das fehlende Ultimatum

Ganz allgemein wurde die Staatsanwaltschaft auch dafür kritisiert,  dass sie trotz dünner Beweislage zwei «Monsterprozesse» erzwinge, die  am Ende wohl vor allem viel Steuergelder vernichten würden.  Tatsächlich kostete allein das erstinstanzliche Verfahren inklusive  Entschädigung der amtlichen Vertreter rund 400’000 Franken. Bestätigt  das Obergericht das damalige Urteil, müsste der Kanton Bern den  Grossteil davon bezahlen.

«Wir würden nicht hier sitzen, hätte die Staatsanwaltschaft das Ganze  einfach mit Strafbefehlen erledigt», sagte ein Verteidiger. Eine  Kollegin pflichtete ihm bei und meinte: «Die Staatsanwaltschaft  betreibt Gesinnungsjustiz. Ihr geht es bloss darum, einem angeblichen  Besetzermilieu einen Schlag zu verpassen.»

An der Polizei wurde ebenso Kritik geübt. «Hätte sie an jenem Morgen  eine deeskalierende Strategie gefahren, gäbe es diesen Monsterprozess  nicht», meinte ein Verteidiger. Er stützte sich dabei auf eine Aussage  der Vorinstanz, die da lautete: Die Polizei hätte den Besetzern am  Morgen der Räumung via Megafon eine kurze Frist einräumen sollen,  damit sie die Liegenschaft noch hätten verlassen können. Damit hätte  sich die Spreu vom Weizen getrennt und die Beweislage wäre eindeutiger  gewesen.

«Bei einem Ultimatum hätten sich die meisten vom Acker gemacht», ist  der Verteidiger überzeugt. Daran hat die Anklage jedoch Zweifel. Die  errichteten Barrikaden im Treppenhaus sowie die bereitgestellten  Sturmhauben und Feuerwerksbatterien würden viel eher darauf hindeuten,  dass man sich auf eine Konfrontation mit der Polizei vorbereitet habe.  Auch allfälligen Unbeteiligten hätte dies auffallen müssen.
(https://www.derbund.ch/effy-29-prozess-in-bern-verteidiger-zerpfluecken-die-anklage-508019774355)


+++POLIZEI BS
Ersatz des Mehrzweckwerfers 73a
Die Kantonspolizei ersetzt den Mehrzweckwerfer 73a durch den Werfer LL  06. Das neue Einsatzmittel wird im unfriedlichen Ordnungsdienst  eingesetzt und bringt Verbesserungen im Bereich der Zielgenauigkeit.
https://www.polizei.bs.ch/nm/2023-ersatz-des-mehrzweckwerfers-73a-jsd.html
->  https://www.20min.ch/story/basel-der-mzw-73a-hat-im-unfriedlichen-ordnungsdienst-ausgedient-939665301864


+++POLIZEI SO
Solothurner Kantonspolizei wird aufgestockt
Bei der Solothurner Kantonspolizei werden in den nächsten Jahren 10  neue Stellen geschaffen. Der Kantonsrat hat das Polizei-Budget mit 283  Mio. Franken bewilligt. Im Rat war man sich allerdings nicht einig, ob  es noch mehr Polizisten braucht oder ob man sich das im Moment nicht  leisten kann. (ab 01:06)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/solothurner-kantonspolizei-wird-aufgestockt?id=12504642


+++POLICE VD
Classement du dossier par une procureure du Ministère Public
Lamin Fatty, un Gambien de 23 ans, est décédé en 2017 dans la zone  carcérale de la Police cantonale vaudoise, aujourd’hui le Ministère  Public classe l’affaire – Communiqué de Presse signé par différents  collectifs
  https://renverse.co/infos-locales/article/lamin-fatty-classement-du-dossier-par-une-procureure-du-ministere-public-4283


++++RECHTSPOPULISMUS
Besetzer der Hardturmbrache haben eine offizielle Postadresse
Die Besetzerinnen und Besetzer der Hardturmbrache haben sich einen  eigenen Briefkasten aufgebaut und somit eine eigene Postadresse.
https://www.20min.ch/story/zuerich-besetzende-der-hardturmbrache-haben-eine-offizielle-postadresse-197516584450?version=1702445369604
->  https://tv.telezueri.ch/zuerinews/umstrittener-briefkasten-fuer-besetzer-der-hardturmbrache-155743968


+++RECHTSEXTREMISMUS
WoZ 14.12.2023

Rechtsextremismus: Amtlich bestätigte Neonazis

In der Schweiz pflegt die rechtsextreme Gruppierung Junge Tat gute  Kontakte zur SVP, und in Deutschland sucht sie gezielt die Nähe zur  organisierten Naziszene. Die dortigen Sicherheitsbehörden sind  alarmiert.

Von Jan Jirát

Anfang Monat schaltete der Pressedienst des Deutschen Bundestags eine  Kurznachricht zu einer «Schweizer Neonazigruppe» auf. Konkret geht es  um die Gruppierung Junge Tat (JT), die von sich selbst gerne  behauptet, sie seien «keine Rechtsextremisten», und zuletzt  demonstrativ die Nähe zur SVP suchte (siehe WOZ Nr. 41/23). Wie sich  nun aber zeigt, ist die in der Meldung gewählte Bezeichnung  «Neonazigruppe» durchaus zutreffend.

Hintergrund der Meldung ist eine Anfrage der Partei Die Linke an die  Bundesregierung zu den Verbindungen der Jungen Tat nach Deutschland.  Eine gute Frage: Im Februar 2023 nahmen JT-Mitglieder an einer  Propagandaaktion mit volksverhetzenden Straftaten vor einer Unterkunft  für Geflüchtete in Bayern teil. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft  Ingolstadt fanden diesen August mehrere Razzien statt, darunter auch  in Hagenbuch bei Winterthur, wo der Anführer der rechtsextremen  Gruppierung seinen Wohnsitz hat.

Die nun publizierte Antwort des Bundes auf die Anfrage der Linken ist  in zweifacher Hinsicht aufschlussreich. Erstens haben die deutschen  Sicherheitsbehörden die Junge Tat im Blick. So veranlasste die  Bundespolizei anlässlich «einer Gefahrenprognose im Kontext des  Rechtsextremismus» die Erfassung zweier mutmasslicher JT-Mitglieder im  polizeilichen Informationssystem. Und auch das «Gemeinsame  Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum», ein vierzig Polizei- und  Nachrichtendienstbehörden umfassender Arbeitskreis, hat sich mit der  Gruppierung aus der Schweiz befasst. «Die offenbar engmaschige  Beobachtung der Jungen Tat zeigt, wie gefährlich selbst deutsche  Sicherheitsbehörden die Gruppierung und ihre Aktivitäten einschätzen»,  sagt die Linken-Abgeordnete Martina Renner, die die Anfrage  miteingereicht hat, gegenüber der WOZ.

Geläutert?

Zweitens zeigt sich, dass die Junge Tat in den letzten zwei Jahren  Verbindungen zu den folgenden drei Gruppen der neuen Rechten pflegte:  zur Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD; zum Institut  für Staatspolitik des neurechten Verlegers Götz Kubitschek mit Sitz in  Schnellroda, Sachsen-Anhalt; sowie zum rassistischen Kampagnenprojekt  «Ein Prozent». Alle drei Organisationen sind in Deutschland seit  diesem Frühjahr als «gesichert rechtsextrem» eingestuft, weil sie  «verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen».

Während die Junge Tat in Deutschland also offiziell als  «Neonazigruppe» gilt und ihr Gefahrenpotenzial angesichts der engen  Verbindungen in organisierte rechtsextreme Strukturen auch erkannt  wurde, werden ihre Mitglieder in den Schweizer Medien gerne mal als  geläuterte patriotische Aktivist:innen inszeniert. Vor allem aber  sucht die Junge Tat offensiv die Nähe zur SVP. Sie sieht sich als  deren ausserparlamentarischer Flügel – und rennt bei der  wähler:innenstärksten Partei des Landes offene Türen ein.

Wahlkampf für SVP-Kandidatin

Maria Wegelin, die mittlerweile zurückgetretene Präsidentin der  Winterthurer SVP, spannte diesen Herbst für ihren  Nationalratswahlkampf mit Manuel Corchia und Tobias Lingg zusammen,  den zwei führenden Köpfen der JT. Auf die Slogans der Gruppierung  angesprochen, sagte Wegelin gegenüber der NZZ: «Das kann ich voll  unterschreiben, aber das sind ja keine problematischen Aussagen. Da  steht auch die SVP dahinter.» Nachdem die Polizei wegen der  rassistischen Propagandaaktion in Bayern diesen Sommer eine Razzia bei  JT-Mitgliedern durchführte, sammelte die Gruppe Spenden – und gibt an,  Geld von Exponent:innen der SVP bekommen zu haben.

Besonders wirkungsvoll lief die «Zusammenarbeit» zwischen der Jungen  Tat und der SVP im Oktober 2022. Damals störten JT-Mitglieder im  Zürcher Tanzhaus eine Veranstaltung, bei der Dragqueens Kindern  Geschichten vorlasen, und forderten, dass eine solche Vorlesestunde  nicht mehr stattfinden dürfe. Während alle lokalen Parteien die Aktion  verurteilten, tat die SVP das Gegenteil: Sie trug die Forderung der  Jungen Tat ins Stadtparlament.
(https://www.woz.ch/2350/rechtsextremismus/amtlich-bestaetigte-neonazis/!H9PMQBY6XE3H)


+++HISTORY
Basler Avantgarde gegen Nazis: Galerie Mueller feiert 90 Jahre Gruppe 33
Die Galerie Mueller würdigt zum 90-Jahr-Jubiläum die antifaschistische  Basler Künstlervereinigung Gruppe 33. Die reichhaltige Ausstellung  hätte auch einer der grossen Kunstinstitutionen der Stadt gut  angestanden.
https://www.bzbasel.ch/kultur/basel/kunst-basler-avantgarde-gegen-nazis-galerie-mueller-feiert-90-jahre-gruppe-33-ld.2548582