Medienspiegel 17. November 2023

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+++BASELLAND
Basler Zeitung 17.11.2023

Zu Besuch in Münchenstein: Hier bringt die Basler Regierung Asylbewerber unter

In Kleinhüningen fühlen sich Anwohner von Asylbewerbern zunehmend gestört. Hat die Regierung kapituliert und eröffnet deshalb eine Unterkunft mitten im Nirgendwo?

Katrin Hauser

Ein junger und ziemlich durchnässter Afghane betritt den Aufenthaltsraum im Asylzentrum unter der Grün 80. Betreuer und Betreuerinnen in blauen Westen schwirren umher. Sie sprechen verschiedene Sprachen – unter anderem Russisch, Ukrainisch oder auch Persisch, wie der Mann aus Afghanistan spricht. Fürs Erste wirkt er schlicht erleichtert, im Trockenen zu sein, denn es regnet in Strömen. In der unterirdischen Asylunterkunft macht es jedoch keinen Unterschied, wie das Wetter draussen ist. Da es keine Fenster gibt, bekommt man davon ohnehin nichts mit.

Als «Bunker von Brüglingen» betitelte die «Tageswoche» die Unterkunft 2012. Nach sieben Jahren ist die Anlage diese Woche erstmals wieder in Betrieb genommen worden. Es ist die einzige im Besitz des Kantons, die nicht auf basel-städtischen, sondern auf Münchensteiner Boden liegt.

Die Wiedereröffnung sorgt bei Baselbieter Politikern und Politikerinnen für grossen Unmut. In der Vergangenheit kam es hier auch schon zu Polizeieinsätzen. Vor elf Jahren geriet etwa ein Betreuer bei einer Messerstecherei zwischen die Fronten. Die Polizei habe allerdings nur selten eingreifen müssen, betont die Basler Asylkoordinatorin Renata Gäumann.

Was es nicht gibt, sind Konflikte mit Anwohnenden. Denn hier gibt es keine.

Und man fragt sich unmittelbar: Nimmt die Regierung die Anlage deshalb wieder in Betrieb?

Denn im gleichen Atemzug, in dem sie verkündete, dass der Bunker bereit gemacht wird, gab sie auch bekannt, dass eine andere unterirdische Anlage in Kleinhüningen, die vom Bund betrieben wird, geschlossen wird. Dort, an der Bonergasse, fühlen sich Anwohner und Anwohnerinnen zunehmend unsicher. Gemäss dem Dorfverein Pro Kleinhüningen kommt es vermehrt zu Drogenhandel und Diebstählen. Auch hätten Asylbewerber Frauen verbal belästigt. Langjährige Anwohner würden sich mittlerweile überlegen, wegzuziehen.

Und nun öffnet die Regierung eine Anlage mitten im Grünen, fernab der Wohnbevölkerung. Zufall?

Oder ist der Brüglinger Bunker ein Zeichen dafür, dass die Regierung vor Problemen, die zuweilen nicht einmal der Bund lösen kann, langsam kapituliert?

Aus der Schweiz nach Belgien «geflohen»

Noch herrscht wenig Betrieb in der Asylunterkunft. Vor der Ankunft des Afghanen am Dienstag wohnte ein junger Marokkaner allein hier. Fotografieren soll die BaZ nicht, doch sind beide Bewohner zu einem kurzen Gespräch bereit.

Der Marokkaner erzählt, er sei wegen einer Naturkatastrophe geflohen, die sein Haus zerstört habe. Im Erstaufnahmezentrum sei es ihm allerdings zu voll gewesen, weshalb er aus der Schweiz «nach Belgien geflohen» sei. Bei der Rückreise habe ihn die Polizei am Flughafen festgenommen. Die letzten Nächte habe er in der Basler Notschlafstelle verbracht, bis er dann hierhergelangt sei. Nothilfe bekommen nur abgewiesene Asylbewerber oder solche mit einem Mehrfachgesuch. Weshalb der Mann genau hier ist und wie sein Aufenthaltsstatus lautet, wird im Gespräch nicht ganz klar. Seine Chancen auf einen positiven Bescheid sind jedenfalls gering. Marokko gilt als «safe country» mit einer sehr tiefen Anerkennungsquote, wie Gäumann erklärt.

Seit 21 Jahren ist sie nun schon für die Asylkoordination in Basel-Stadt zuständig. Sie erinnert sich an eine schöne Szene: Als die Anlage 2011 in Betrieb war, hätten sie bemerkt, dass die Männer das Schweizer Brot nicht essen, und ihnen angeboten, Fladenbrot zu backen.

Das Beschäftigungsprogramm sei auf Begeisterung gestossen, erzählt sie. «Schon um vier Uhr früh standen sie in der Küche bereit und haben den Teig vorbereitet.» Das Fladenbrot habe für eine friedliche, gute Stimmung gesorgt. «Brot ist ein Stück Heimat.»

Die Asylsuchenden bekommen auch Deutschunterricht, besuchen Informationskurse, helfen beim Abwaschen und können sich für anderweitige Beschäftigungen anmelden.

Ansonsten ist es im Bunker schwierig, sich zu beschäftigen. Handyempfang oder Sportgeräte sucht man vergeblich. Neben dem Aufenthaltsraum, wo ein Fernseher steht, gibt es einen sehr kleinen Raum, der für Gebete reserviert ist. Selbst der Töggelikasten, der 2012 von der «Tageswoche» als Mittelpunkt der Anlage beschrieben wurde, ist nicht mehr da.

Wenn Asylsuchende bis zu einem halben Jahr unterirdisch wohnen müssen, «können wir nicht davon reden, dass wir eine gute Integration, ein gutes Ankommen dieser Personen sicherstellen», kritisierte SP-Grossrat Beda Baumgartner unlängst im basel-städtischen Parlament.

Die ersten Bewohner reagieren gelassen. Es sei besser als die Notschlafstelle, meint der Marokkaner schulterzuckend. Dass die Anlage unterirdisch ist, sei zwar «etwas grausam», aber ansonsten habe er einen guten ersten Eindruck von der Unterkunft, sagt der junge Mann aus Afghanistan.

Der Grund für seine Flucht seien die Taliban, erzählt er. Er gehöre dem Volk der Hazara an, das von den Taliban verfolgt wird. Die Schweiz sei von Beginn an sein Ziel gewesen, weil er im Geografieunterricht gelernt habe, dass «die Schweiz ein Land ist, in dem alle Kulturen und alle Religionen toleriert werden».

Vergewaltigung in Veloparking

Toleranz, Freiheit, wirtschaftliche Perspektiven: Das versprechen sich viele, die hierher flüchten. Einige von ihnen, darunter hauptsächlich junge Männer, treten die Freiheit anderer jedoch mit Füssen, kaum dass sie angekommen sind.

«Sie kamen gerade erst in die Schweiz, haben angegeben, dass Sie hier Frieden gesucht haben. Sie selbst haben aber nichts anderes gemacht, als Frauen Frieden und Sicherheit zu nehmen»: Diese Worte sagte ein Richter vor knapp drei Monaten zu einem 35-jährigen ostafrikanischen Asylsuchenden am Basler Strafgericht. Er hatte eine stark betrunkene Frau in eine Toilette unter dem Centralbahnplatz gezerrt und dort misshandelt.

Die Basler Regierung hielt zur Sicherheitslage im Kleinbasel kürzlich fest: «Aussergewöhnlich häufig sind (…) im unteren Kleinbasel junge Männer aus den Maghreb-Staaten, die im Bundesasylzentrum oder in Asylunterkünften in der Region wohnhaft sind, polizeilich auffällig.»

«Das ist eine kleine Minderheit. Sie hat nichts mit der grossen Mehrheit zu tun, die sorgfältig und auch verbindlich versucht, einen Platz in unserer Gesellschaft zu finden», sagt Gäumann dazu. Sie könne nicht beurteilen, ob Asylbewerber aus Ländern, in denen Frauen als Menschen mit weniger Rechten gelten, westliche Werte wie die Gleichstellung vollumfänglich annehmen könnten. In Informationskursen werde ihnen schon früh erklärt, dass Frauen hier den gleichen Berufen nachgehen wie Männer. «Manche sind beispielsweise irritiert, dass ihnen eine Sozialarbeiterin zugeteilt wird und nicht ein Mann.» Die grosse Mehrheit der Geflüchteten «respektiere diese Werte» jedoch, ist sie sich sicher.

Und was passiert mit jenen, die dies nicht tun? Wie reagieren die Sozialberatenden?

«Meist wird eine Klärung im Einzelgespräch gesucht. Das Ganze ist ein Prozess, der zum Teil Zeit braucht», so Gäumann. Zur Eskalation komme es nur äusserst selten.

Es wirkt nicht so, als hätte sie oder die Regierung kapituliert. Im Gegenteil: In der ganzen Stadt seien kleinere Gruppen von Asylsuchenden in kantonalen Asyl-Liegenschaften inmitten von Wohnquartieren untergebracht und «das funktioniert sehr gut».

Der Grund, weshalb der Kanton manche Asylbewerber nun unter der Grün 80 unterbringe, sei einzig und allein, dass «kurzfristig keine genügend grosse oberirdische Liegenschaft gefunden werden konnte». Es habe nichts damit zu tun, dass die Behörden die Asylbewerber extra weit weg von der Wohnbevölkerung unterbringen wollen würden. «Das geht in einem Stadtkanton ja auch gar nicht.»

Zu den Vorfällen im Kleinbasel, wo es offensichtlich nicht so gut funktioniert, sagt Gäumann, dass es sich dabei vermutlich um abgewiesene Asylbewerber «aus verschiedenen Kantonen» handle. «Als illegaler Aufenthalter, der nicht in sein Herkunftsland zurückreisen kann oder will, kann der Weg in die Delinquenz kurz sein.»

An dieser Stelle sei man wieder bei der «politisch anspruchsvollen Situation», dass «jene Staaten, die diese Menschen zurücknehmen müssten, nicht immer so kooperieren, wie die Schweiz das gern hätte». Gerade Maghreb-Staaten wie Algerien, Marokko oder Tunesien hätten zwar eine niedrige Anerkennungsquote von Flüchtlingen. Der Wegweisungsvollzug sei aber schwierig.
(https://www.bazonline.ch/zu-besuch-in-muenchenstein-in-diesem-bunker-kommen-basler-asylbewerber-unter-386953998556)


+++SCHWEIZ
Nach Lockerung – Asylgesuche von Afghaninnen vervierfachen sich
Nach der Praxisänderung steigen die Gesuche von Afghaninnen deutlich an. Viele Gesuchstellerinnen haben allerdings schon vorher in der Schweiz gelebt.
https://www.20min.ch/story/afghaninnen-asyl-nach-lockerung-asylgesuche-von-afghaninnen-vervierfachen-sich-622506278719


Der Lange Arm des Regimes: Als wäre Eritrea ein ganz normaler Staat
Um an Papiere zu gelangen, müssen geflüchtete Eritreer:innen mit der Botschaft des Regimes üble Deals eingehen. Die Schweizer Behörden wissen um die Praxis – und stützen sie.
https://www.woz.ch/2346/der-lange-arm-des-regimes/als-waere-eritrea-ein-ganz-normaler-staat/!F61DC93T089T


+++DEUTSCHLAND
»Rückführungsverbesserungsgesetz«: Sea-Watch macht Druck
Die Seenotrettungsorganisation nennt den Gesetzentwurf zur Kriminalisierung von Fluchthilfe »menschenfeindlich« und fordert eine Rücknahme des Bundesinnenministeriums. Auch eine Petition gegen das Gesetz gibt es bereits.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1177845.fluchthilfe-rueckfuehrungsverbesserungsgesetz-sea-watch-macht-druck.html
-> https://www.nd-aktuell.de/artikel/1177831.fluchthilfe-seenotrettung-retten.html


+++FINNLAN D
luzernerzeitung.ch 17.11.2023

Als «Strafe für die Nato»: Russland schickt Wellen von Geflüchteten auf Velos Richtung Nordeuropa

Russland will mit eingeschleusten Flüchtlingen aus Nahost Finnland unter Druck setzen. Auch Estland und Norwegen befürchten, Ziel dieser Hybridkriegtaktik zu werden. Jetzt aber reagieren die nordischen Staaten.

Niels Anner, Kopenhagen

Am Freitag um Mitternacht zieht Finnland eine Blockade hoch: Die Hälfte der Grenzübergänge nach Russland wird geschlossen. Der Grund sind Hunderte von Flüchtlingen aus Nahost und Afrika, die in den vergangenen Tagen und Wochen aus Russland über die Grenze kamen.

Die Anzahl wurde täglich grösser, viele kamen auf Velos durch die winterliche Landschaft, aber alle ohne Papiere. Die finnische Regierung ist sich sicher, dass es die Asylsuchenden nicht alleine an die EU- und Schengengrenze schaffen: «Sie werden von Russland unterstützt», erklärte Ministerpräsident Petteri Orpo.

Bis vor kurzem hatten die russischen Behörden keine Personen ohne die nötigen Reise-Ausweise an die Grenze gelassen. Doch jetzt ist das Gegenteil der Fall. Finnische Medien berichteten, dass Flüchtlinge erzählten, sie seien von der russischen Polizei oder von Taxis an die Grenze gefahren worden.

Andere kamen mit Velos – bis Finnland den Grenzübertritt auf zwei Rädern verbot. In sozialen Netzwerken kursieren Videos auf Arabisch, in denen behauptet wird, die Grenze in den Westen stehe offen. Auch bieten Schlepper für 2000 Dollar eine «garantierte Einreise nach Finnland».

    The border between 🇫🇮 and 🇷🇺 is under high pressure by Moscows hybrid warfare. As a reaction Helsinki now closes the most southern crossings and prohibits entries by foot or bike. Updates coming up on @srfnews #Finland @yleuutiset @Monocle_Radio pic.twitter.com/3j1meig3Bw
    — Bruno Kaufmann (@kaufmannbruno) November 16, 2023

Wie viel die finnischen Grenzschliessungen im Südosten bringen, ist offen. Das EU-Land mit seiner 1340 Kilometer langen Grenze zu Russland will und kann sich – aus humanitären und rechtlichen Gründen – nicht völlig gegen Osten abschotten. Dafür gibt es auch zu viele legitime Grenzgänger, die Familie im Nachbarland und ein Schengenvisum haben.

Flüchtlinge können nun aber nur noch an zwei Übergängen ein Asylgesuch stellen, und diese liegen mehrere hundert Kilometer weiter nördlich. Doch bereits kurz nach dem Entscheid der Regierung tauchten einige Asylsuchende auf dem Velo in Vartius auf, an einer der beiden noch zulässigen Grenzstationen.

Weissrussland machte es vor

Der finnische Präsident Sauli Niinistö sagte, Russland wolle mit den Flüchtlingen Unruhe stiften, nachdem Finnland der Nato beigetreten ist. Experten sprechen von hybrider Kriegsführung, um Verunsicherung auszulösen. Der Kreml hat dieselbe Methode bereits früher angewendet – und findet sie offenbar immer noch gut.

Während der Flüchtlingskrise 2015/16 liessen russische Behörden Tausende Flüchtlinge in die arktische Region und an die Grenze zu Norwegen und Finnland reisen. Diese Route galt als sicherer als der Weg über das Mittelmeer und hatte für die dünn besiedelten Regionen im Norden zunächst chaotische Folgen, weil eine Asylinfrastruktur fehlte.

Auf dieselbe Weise missbraucht Weissrussland seit 2021 Flüchtlinge, indem es Tausende an die Grenze zu Polen und Litauen schickt. In Finnland warnen nun Flüchtlingsorganisationen vor einer dramatischen Entwicklung, wenn wie in Osteuropa Asylsuchende abgewiesen werden und mitten im Winter ohne Papiere im Niemandsland stehen.

Kritiker werfen der Regierung vor, zu übertreiben: Es gebe schliesslich keine illegalen Einreisen durch die grüne Grenze, sondern die Flüchtlinge kämen zu einem offiziellen Grenzübergang und würden um Asyl bitten.

Doch die Mitte-Rechts-Regierung von Petteri Orpo macht klar, dass sie rasch auf das «Phänomen» reagieren will, um eine Eskalation zu verhindern. Dasselbe gilt für Estland, wo seit Donnerstag ebenfalls rund ein Dutzend papierlose Somalier aus Russland über die Grenze wollten. Sie wurden zurückgeschickt, und Innenminister Lauri Läänemets erklärte, Grenzschliessungen würden in Erwägung gezogen.

Auch Norwegen bereitet sich darauf vor, dass wie 2015 wieder Flüchtlingsgruppen an den verschneiten Grenzübergang Storskog im äussersten Norden des Landes gelangen. Ein syrischer Mann berichtete finnischen Medien, Grenzwächter in Russland hätten Flüchtlingen erklärt, sie sollten doch die Einreise nach Norwegen versuchen, wenn es in Finnland nicht klappe.
(https://www.luzernerzeitung.ch/international/fluechtlinge-als-kriegswaffe-russland-schickt-gruppen-per-velo-nach-finnland-ld.2542715)


+++GASSE
Stadt Amriswil installiert Überwachungskameras beim Bahnhof
Nach gewalttägigen Übergriffen und weiteren Vorfällen auf dem Bahnhofgelände verschärft die Stadt Amriswil die Überwachung. In einem ersten Schritt werden fünf zusätzliche Kameras installiert. Sie sollen mithelfen, die Situation zu verbessern.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/stadt-amriswil-installiert-ueberwachungskameras-beim-bahnhof?id=12490395
-> https://www.tvo-online.ch/aktuell/brennpunkt-bahnhof-amriswil-fuehrt-videoueberwachung-ein-155008105



bzbasel.ch 17.11.2023

Obdachlosigkeit in Basel: So überstehen Menschen auf der Strasse den Winter

Das Leben ohne Dach über dem Kopf ist hart. Besonders im Winter. Verschiedene Anlaufstellen für Bedürftige in Basel verzeichnen aktuell regen Andrang.

Anna-Lena Lauber

Die Temperaturen sinken. Der Winter steht vor der Tür. Wer kein Dach über dem Kopf hat, riskiert bei Minusgraden sein Leben. Und trotzdem gibt es Menschen in Basel, die das ganze Jahr draussen übernachten, sagt Manuela Jeker, Gassenarbeiterin und Co-Geschäftsleiterin des Schwarzen Peter – Verein für Gassenarbeit. Diese sogenannten «rough sleepers» seien gut ausgerüstet und «Profis im draussen übernachten». Für die passende Ausstattung sorgt unter anderem der Verein.

Die kostenlose Ausgabe von Kleidung an bedürftige Personen ist seit mehreren Jahren ein fester Bestandteil des Angebots vom Schwarzen Peter, der hierfür auf Sachspenden angewiesen ist. «Der Bedarf und Ansturm wurde jedoch so gross, dass wir das von unserem regulären Betrieb abkoppeln mussten», sagt Jeker. Aktuell werde vor allem saisonale warme Winterkleidung und Outdoormaterial benötigt.

Doch nicht jede Person ohne Dach über dem Kopf gehöre zu den Profis im draussen schlafen: «Natürlich gibt es Menschen, vor allem aus dem osteuropäischen Raum, die hier ankommen und der Kälte ausgeliefert sind», sagt Jeker. Der Fokus liege dann vor allem darauf, dass Menschen gut ausgerüstet sind und in die Notfallschlafstellen des Kantons triagiert werden. In Basel gibt es zwei solcher Notunterkünfte: Eine für Frauen in der Rosentalstrasse und eine für Männer in der Alemannengasse.

Notschlafstellen nicht für alle geeignet

Diese Notschlafstellen sind allerdings nicht für alle Menschen ideal. Das Problem: Das Nachtlager für Männer bietet ausschliesslich Mehrbettzimmer an. Einige hätten psychische Probleme und Mühe, in einem Mehrbettzimmer zu schlafen, sagt Jeker. Auch eine tierische Begleitung kann einen Aufenthalt verhindern. Haustiere dürfen laut Webseite des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt nicht mitgebracht werden. Für eben jene Personen seien Sachspenden ein wesentlicher Beitrag zur Überlebenshilfe im Winter.

Dass das Leben auf der Strasse im Winter auch tödlich enden kann, sei einem Zusammenspiel von Kälte und schlechtem Gesundheitszustand geschuldet: «Wohnungslosigkeit zieht oft einen langen Rattenschwanz mit sich, auf der Strasse baut man schnell ab», sagt Jeker. Glücklicherweise sei in Basel gemäss Wissensstand des Teams noch keine Person erfroren. Und sie würden es wissen, denn der Hauptfokus des Vereins liege auf der Beziehungsarbeit: «Mit den Menschen in Kontakt bleiben und am Puls der Gasse sein».

Auch Privatpersonen sollten sich vor einer Kontaktaufnahme nicht scheuen: «Nicht wegzuschauen ist eine grosse Hilfe», sagt Jeker. Dadurch würden sich armutsbetroffene und wohnungslose Menschen weniger an den Rand gedrängt und unsichtbar fühlen. «Denn die Armut ist mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen», sagt die Gassenarbeiterin.

Verpflegungsangebote gefragt wie nie

Auch andere Hilfsorganisationen in der Stadt vermelden einen regen Andrang. So beispielsweise die Gassenküche Basel. Montag bis Freitag erhalten Hilfsbedürftige in der Markgräflerstrasse ein kostenloses Frühstück und abends eine warme Mahlzeit für drei Franken. Mehr als 31’000 Abendessen, mehr als 80 pro Tag, werden jährlich ausgegeben.

«Ab diesem Frühsommer schnellten die Besucherzahlen auf noch nie dagewesene Höhen», sagt Andy Bensegger, Leiter der Gassenküche. Diese Zahlen seien in der Zwischenzeit zur Normalität geworden. Im Moment sei nochmals ein langsamer Anstieg festzustellen. Ernsthaft analysieren könne Bensegger die hohen Zahlen jedoch nicht: «Wir fragen nicht nach dem Grund oder Herkunft der Besucher, die Gassenküche ist grundsätzlich für alle offen».

Gefragter denn je ist auch das Angebot des Soup & Chill unweit des Bahnhofs SBB. In der Wintersaison hat die Wärmestube täglich geöffnet. «Seit Corona und dem Krieg in der Ukraine kommen mehr als doppelt so viele Leute», sagt die Leiterin, Claudia Adrario de Roche. Sie glaube nicht, dass es in nächster Zeit weniger zu tun gebe – im Gegenteil. Deshalb benötige es dringend mehr Angebote, gerade auch im Baselbiet. Die Notschlafstellen, die für nicht in Basel Gemeldete 40 Franken pro Nacht kosten, sind laut Adrario de Roche keine Lösung.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/strassenarbeit-obdachlosigkeit-in-basel-so-ueberstehen-menschen-auf-der-strasse-den-winter-ld.2542681)


+++SEXWORK
Escort-Damen sind überdurchschnittlich von Gewalt betroffen
Der Fall Richterswil zeigt, wie gefährlich der Job als Escort ist. Die Sexarbeiterinnen sind in vielen Fäll Gewalt schutzlos ausgetzt.
https://tv.telezueri.ch/zuerinews/escort-damen-sind-ueberdurchschnittlich-von-gewalt-betroffen-155008329


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Das Stadtberner Parlament kritisiert den Entscheid der Stadtregierung, keine Grosskundgebungen mehr zu bewilligen vor Weihnachten. (ab 01:34)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/im-gefaengnis-statt-in-der-klinik-kritik-von-psychiatrie-direktor?id=12490275
-> https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/215472/


«Verstoss gegen Menschenrechte»: Amnesty International kritisiert Berner Demoverbot scharf
International hat das faktische Demonstrationsverbot bis Weihnachten in der Stadt Bern scharf kritisiert. Das seit Freitag geltende Verbot von Grosskundgebungen in der Innenstadt verstösst laut der Menschenrechtsorganisation gegen die Standards des Völkerrechts.
https://www.watson.ch/schweiz/bern/936713956-amnesty-international-kritisiert-berner-demoverbot-scharf
-> https://www.nau.ch/news/schweiz/amnesty-international-kritisiert-faktisches-demoverbot-in-bern-66651992
-> https://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/schweiz/dok/2023/weitere-unzulaessige-einschraenkung-des-rechts-auf-protest



derbund.ch 17.11.2023

Unbewilligter Umzug durch Bern: Demo gegen Demoverbot abgesagt

Mit einer Platzkundgebung auf dem Bundesplatz wollen sich die Organisatoren nicht zufriedengeben. Die Palästina-Unterstützer demonstrieren derweil im Wankdorf.

Andres Marti

Am Samstag hätte die «Demo gegen das Demonstrationsverbot» stattfinden sollen. Doch nun haben die Organisatoren, darunter die Linksaussen-Partei Alternative Linke (AL), die Kundgebung abgesagt. Man habe keine Lust auf ein «Gstürm» mit der Polizei, so Stadtrat David Böhner (AL) auf Anfrage. Die Stadt habe nur eine Platzkundgebung auf dem Bundesplatz bewilligt. «Wir wollen jedoch einen Umzug durch die Innenstadt.»

Nach drei Pro-Palästina-Demos hat der Berner Gemeinderat bis Weihnachten alle grösseren Kundgebungen in Berns Innenstadt verboten. Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) rechtfertigt den politisch restriktiven Schritt, den auch Staatsrechtler kritisieren, mit anstehenden Veranstaltungen und Grossanlässen, die jeweils ein grosses Polizeiaufgebot erfordern.

Gericht soll entscheiden

Auch Amnesty International hat das faktische Demonstrationsverbot bis Weihnachten in der Stadt Bern scharf kritisiert. Das seit Freitag geltende Verbot verstösst laut der Menschenrechtsorganisation gegen die Standards des Völkerrechts.

Man sei besorgt über die Leichtfertigkeit, mit der die Berner Behörden die Demonstrationsfreiheit einschränkten, schrieb die Schweizer Sektion von Amnesty International am Freitag in einer Medienmitteilung. Die Behörden verfügten über zahlreiche Instrumente, um auf reale Bedrohungen zu reagieren.

Nach der Absage der «Demo gegen das Demonstrationsverbot» soll das Demoverbot nun vor Gericht bekämpft werden. Sicherheitsdirektor Nause hat die beschwerdefähige Verfügung für nächste Woche in Aussicht gestellt. Neben der AL wollen auch die SP und das Grüne Bündnis juristische Mittel ergreifen. Die Verbotsgegner hoffen auf einen Grundsatzentscheid des zuständigen Regierungsstatthalteramts.

Für die AL ist klar, dass das Kundgebungsverbot des Gemeinderats juristisch nicht standhält. Doch auch Nause gab sich in der Debatte im Stadtrat siegessicher: Er wisse «haargenau», wer als Sieger vom Platz gehen werde, sagte er am Donnerstag.

Pro-Palästina-Demo im Wankdorf

Derweil ruft die AL in den sozialen Medien alle «politisch Bewegten» dazu auf, «frisch und munter» Gesuche für politische Kundgebungen in der Innenstadt einzureichen. Man solle sich nicht von der Kommunikation des Gemeinderats abschrecken lassen.

Unabhängig von dem Aufruf der AL sind laut Nause bei der Stadt «Dutzende» Kundgebungsgesuche eingegangen. «Die kleineren Sachen haben wir alle bewilligt.» Für Freitagabend hat die Stadt auch eine Pro-Palästina-Demo zugelassen. Allerdings nicht auf dem Bundesplatz, sondern auf dem Rosalia-Wenger-Platz im Wankdorfquartier. Weit weg vom Bundeshaus.

Auch GSoA kündigt Demo an

Zu einer «Kundgebung für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina» rufen die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) und die «Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Palästina» auf. Man werde ein Gesuch für den 9. Dezember auf einem Platz in der Innenstadt einreichen, sagt Aktivist Jo Lang. Der Entscheid dafür sei unabhängig vom Aufruf der Stadtberner AL gefasst worden. Die Organisatoren möchten den Schwung der zahlreichen positiven Reaktionen auf eine Kundgebung auf dem Zürcher Bürkliplatz vor zwei Wochen wieder aufnehmen. An der Kundgebung waren Transparente und Plakate unerwünscht und nur Peace-Flaggen erlaubt. «Wir solidarisieren uns mit allen zivilen Opfern und verurteilen alle Kriegsverbrechen», sagt Lang.
(https://www.derbund.ch/unbewilligter-umzug-durch-bern-demo-gegen-demoverbot-abgesagt-306838435702)



hauptstadt.be 17.11.2023

Demoverbot – Stadtrat-Brief #18

Sitzung vom Donnerstag, 16. November 2023 – die Themen: Grosskundgebungen; Ka-De-We; Klimaanpassung; papierlose Debatten; Reitschule. Ratsmitglied der Woche: Janina Aeberhard (GLP).

Das Verbot von Grosskundgebungen in der Berner Innenstadt bis nach Weihnachten führte gestern im Stadtrat auch zu einer kleinen Kundgebung – und zwar in Form einer aktuellen Debatte. David Böhner (AL) hatte eine solche kurzfristig gefordert, nachdem der Gemeinderat das Verbot letzte Woche verkündet hatte.

Böhner kämpft auf allen Ebenen für das Recht auf Grosskundgebungen. So hat er ein Gesuch für eine Demo gegen das Demoverbot mit Umzug durch die Innenstadt gestellt. Es wurde nicht bewilligt. Auch im Rat zeigte sich Böhner empört. Wenn Kommerz höher gewichtet werde als freie Meinungsäusserung, sei das ein Zeichen von «autoritären Tendenzen». Die angefragte Demo werde man nicht durchführen, sagte Böhner. «Wir wollen kein ‹Geschlegel› mit der Polizei.» Er strebe eine gerichtliche Klärung an und werde Beschwerde gegen die Verfügung mit dem nicht bewilligten Umzug einreichen.

In der folgenden Debatte kritisierten die anderen linken Parteien von SP bis zu den Grünen den Gemeinderat ebenfalls für die «Einschränkung der Versammlungsfreiheit». Verteidigt wurde die Regierung für einmal von der Opposition. FDP, Mitte und SVP betonten, dass gar kein Demoverbot vorliege.

Sicherheitsdirektor Reto Nause sagte, der Gemeinderat habe keinesfalls ein generelles Kundgebungsverbot erlassen. So werde es in den kommenden Wochen viele Mahnwachen geben, auch in der Innenstadt. Dann enervierte sich Nause wortreich über das Vorgehen von AL-Stadtrat Böhner: «Jetzt komme ich zu dir, David» sagte Nause bedeutungsvoll. Man habe das Demo-Gesuch geprüft. «Und wir hätten dir sogar den Bundesplatz gegeben, den symbolträchtigsten Platz der Demokratie!» Böhner habe sich aber nur für die Verfügung interessiert. «Du scheinst mir grenzenlos stur zu sein», sagte Nause und rief in den Ratssaal: «Ich weiss, wer vor Gericht als Sieger vom Platz gehen wird.»

Stadtpräsident Alec von Graffenried versuchte zu beschwichtigen und sagte – auch an seinen Kollegen Nause gerichtet: «Kommunikativ ist nicht alles optimal gelaufen.» Doch auch von Graffenried betonte, es gebe kein Demonstrationsverbot. Für den Gemeinderat seien Weihnachtsanlässe nicht wichtiger als die Versammlungsfreiheit. Grosse Kundgebungen seien aber in der Adventszeit eine besondere Belastung für den öffentlichen Raum. Darauf habe man auch in früheren Jahren immer hingewiesen.

David Böhner wiederum konterte am Ende der Debatte: «Es ist absurd, dass ich als Anarchist dem Sicherheitsdirektor Nachhilfe in Staatskunde geben muss.» Zu einer Kundgebung gehöre einfach auch ein Umzug. Darum wolle er juristisch klären lassen, ob das Verbot eines solchen zulässig sei.
(https://www.hauptstadt.be/a/demoverbot-stadtrat-brief-18)


++++SPORT
Risikospiel: Nach Vorfällen in Vaduz steht das Aargauer Derby unter besonderer Beobachtung
Das Aargauer Fussball-Derby FC Baden – FC Aarau findet zwar erst Anfang Dezember statt, gibt aber jetzt schon zu reden: Anhänger von Baden sollen beim Auswärtsspiel in Vaduz diverse Schäden im Stadion angerichtet haben. Weil es auch zwischen den Fans beider Aargauer Vereine schon zu Scharmützeln kam, dürften beim nächsten Derby mehr Polizisten im Einsatz stehen als normalerweise.
https://www.telem1.ch/aktuell/risikospiel-nach-vorfaellen-in-vaduz-steht-das-aargauer-derby-unter-besonderer-beobachtung-155008236
-> https://www.argoviatoday.ch/sport/fussball/noch-vor-dem-kantonsderby-gewaltpotenzial-zwischen-fan-clubs-steigt-155011204?autoplay=true&mainAssetId=Asset:155008487


+++JUSTIZ
Kommission befürwortet Einführung der Verwahrung im Jugendstrafrecht
Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat die beiden Entwürfen des Massnahmenpakets Sanktionenvollzug 22.071 («Strafgesetzbuch und Jugendstrafgesetz. Änderung») beraten. Sie hat sich mit 15 zu 8 Stimmen für den Entwurf 2 des Massnahmenpakets ausgesprochen, mit welchem der Bundesrat die Möglichkeit schaffen will, im Anschluss an eine jugendstrafrechtliche Sanktion eine Verwahrung anzuordnen.
https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-rk-s-2023-11-17.aspx


+++KNAST
Im Gefängnis statt in der Klinik: Kritik von Psychiatrie-Direktor
Weil es in den Psychiatrien und Heimen zu wenig Platz für besonders schwierige Jugendliche hat, werden diese zum Teil im Regionalgefängnis Thun untergebracht, wie Recherchen von SRF zeigen. Das kritisiert der Direktor der Psychiatrischen Dienste Bern Michael Kaess. (ab 02:20)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/im-gefaengnis-statt-in-der-klinik-kritik-von-psychiatrie-direktor?id=12490275


Beschwerde von Brian wegen Begutachtung abgewiesen
Das Bundesgericht hat eine Beschwerde des 28-jährigen Brian gegen ein im Dezember 2022 in Auftrag gegebenes Gutachten abgewiesen. Es war die Grundlage für die Sicherheitshaft, aus welcher der junge Mann vergangene Woche entlassen wurde.
https://www.watson.ch/schweiz/justiz/845275128-beschwerde-von-brian-wegen-begutachtung-abgewiesen
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/bundesgericht-laesst-beschwerde-von-brian-abblitzen-154999395?autoplay=true&mainAssetId=Asset:154807689


+++FRAUEN/QUEER
Ausgelastet: Letztes Jahr flüchteten 121 Frauen in die Berner Frauenhäuser
«Wir brauchen dringend mehr Schutzplätze»
Seit sieben Jahren arbeitet Anna Tanner als Sozialarbeiterin im Berner Frauenhaus. Für sie ist klar: Solange Männer in Machtpositionen übervertreten sind, werden Frauen systematisch unterdrückt.
https://www.workzeitung.ch/2023/11/wir-brauchen-dringend-mehr-schutzplaetze/


+++RECHTSPOPULISMUS
Kontroverser Gast der «Weltwoche»: Köppel bringt Viktor Orbán nach Zürich – Berset und Cassis empfangen ihn zum Höflichkeitsbesuch
Der ungarische Ministerpräsident wird nächste Woche auf Einladung des «Weltwoche»-Chefs in Zürich eine Rede halten. In Bern trifft Orbán den Bundespräsidenten und den Aussenminister.
https://www.derbund.ch/kontroverser-gast-der-weltwoche-koeppel-bringt-viktor-orban-nach-zuerich-berset-und-cassis-empfangen-ihn-zum-hoeflichkeitsbesuch-331818466334


+++RECHTSEXTREMISMUS
Gatte einer Direktorin: Wirbel um Nazi-Foto bei der Baarer Partners Group
Ein Foto bei einem Aufenthalt in Las Vegas sorgt in Baar bei der Private-Equity-Firma Partners Group für Furor und Furore: Der Ehemann einer Direktorin posiert mit einer NSDAP-Armbinde.
https://www.zentralplus.ch/news/wirbel-um-nazi-foto-bei-der-baarer-partners-group-2597678/