Themen
- Regierung in Deutschland will mehr Ausschaffungen
- Flug ins Elend – mit der türkischen Billigairline
- Neonazis besetzen Asylcamp in Dresden
- Free Palestine und die deutschschweizer Linke
- Demo: Sofortiges Ende der Iranausschaffungen, geregelten Aufenthalt für alle geflüchteten Iraner*innen
- Passbeschaffungspflicht für Eritreer*innen in der Schweiz abschaffen!
Was ist neu?
Regierung in Deutschland will mehr Ausschaffungen
Die deutsche Regierung will Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, verstärkt ausschaffen und hat dazu ein Paket mit repressiven Massnahmen beschlossen. Ein Vergleich mit der Schweiz zeigt: Eine repressive Ausschaffungspraxis ist hier längst Realität.
Olaf Scholz befindet sich auf der Titelseite von «Der Spiegel», darunter der Satz: «Wir müssen endlich im grossen Stil abschieben». Die deutsche Regierung hat ein Massnahme-Paket beschlossen, um in Zukunft «konsequenter und rascher» abschieben zu können. Darin enthalten sind folgende Punkte:
– Die Maximaldauer des Ausreisegewahrsams soll von 10 Tage auf 28 Tagen erhöht werden
– Die Ausschaffungen müssen nicht mehr angekündigt werden
– Die Polizei soll mehr Zugriffsmöglichkeiten erhalten: neu soll auch die Durchsuchung der gesamten Wohnung und von weiteren Räumen, also zB. jener der Zimmernachbar:innen möglich sein.
Die Innenministerin Nancy Faeser sagt zu dieser Praxisverschärfung: «Das ist notwendig, damit wir weiterhin unserer humanitären Verantwortung für die Menschen gerecht werden können, die wir vor Krieg und Terror schützen müssen.»
Ein Vergleich mit der Schweiz: Ein Blick in die Statistiken der Schweiz zeigt: Die Schweiz ist Meisterin im Ausschaffen. In der Schweiz betrug die Rückführungsquote im Jahr 2022 54 Prozent, während jene von Deutschland bei 21 Prozent lag. 2022 wurden knapp 13’000 Personen aus Deutschland abgeschoben. In der Schweiz wurden im gleichen Jahr 1820 Personen entweder in ihren Heimatstaat oder einen Drittstaat ausgeschafft und 1314 Personen in einen Dublin-Staat. Im Vergleich: 2022 wurden in Deutschland 244’132 Asylanträge gestellt, in der Schweiz 24’500. Diese Verhältnisse führte auch bereits zu Titelschlagzeilen wie folgende: «Die Schweiz erteilt Deutschland Abschiebe-Nachhilfe».
Ein Grund für die hohe Ausschaffungsquote besteht darin, dass die Schweiz vergleichsweise viele Migrationsabkommen abgeschlossen hat. Die Migrationsabkommen verpflichten die Heimatstaaten, die weggewiesenen Personen zurückzunehmen und bei der Prüfung derer Identitäten zu unterstützen.
Was in Deutschland also im Moment als repressive Ausschaffungspraxis zu Recht kritisiert wird, ist in der Schweiz schon länger Realität: Eine weggewiesene Person kann vom Schweizer Staat insgesamt bis zu 18 Monaten weggesperrt werden. Zuerst in der Administrativhaft (wenn Personen in den Augen der Behörden ihre Mitwirkungspflicht verletzen), anschliessend in der Durchsetzungshaft und zuletzt in der Ausschaffungshaft (im Moment, in dem den Behörden eine Ausschaffung durchführbar scheint).
https://taz.de/Verschaerfung-der-Migrationspolitik/!5965379/
https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/sem/medien/mm.msg-id-93006.html
https://www.nzz.ch/schweiz/deutschland-versagt-bei-der-abschiebung-von-asylbewerbern-was-macht-die-schweiz-anders-ld.1717227?reduced=true
Was geht ab beim Staat?
Flug ins Elend – mit der türkischen Billigairline
Ein Artikel vom Bündnis Wo Unrecht zu Recht wird …
In zwei Sonderflügen wurden im Juni und im September 2023 31 Personen in den Irak ausgeschafft. Betroffen sind vor allem kurdische Männer aus dem Irak, die seit vielen Jahren versuchen, in der Schweiz zu überleben und Fuss zu fassen.
«Ein ganz junger Mensch hatte sehr Angst. Er hat geschrieen und geweint. Er blieb dann den ganzen Flug über gefesselt und man stülpte ihm einen Sack über den Kopf. Besonders schlimm war, dass die türkischen Flugbegleiter:innen ihn verhöhnten.» Dies erzählte mir A.*, der den Ausschaffungsflug vom 22. Juni 2023 von Zürich nach Bagdad miterlebt hat. Bei dem erwähnten «Sack über den Kopf» dürfte es sich um einen so genannten «Spuckschutz» handeln, den Polizisten ihren Opfern über den Kopf stülpen, wenn sie befürchten, angespuckt zu werden. Zusätzlich wird Menschen, wie dem erwähnten Jungen, ein Helm überr den Kopf gestülpt. Drei Polizisten begleiteten je ein Ausschaffungsopfer, wer sich nicht wehrte, blieb trotzdem den ganzen Flug an den Händen gefesselt. Wer sich wehrte blieb auch im Flugzeug an den Füssen gefesselt. Kurz vor oder nach der Landung in Badgad wurden den Opfern die Handschellen abgenommen, die Begleitpolizisten verliessen das Flugzeug nicht. Einzig eine arabisch sprechende Mitarbeiterin des SEM (Staatssekretariat für Migration) wagte sich an Land.
Es scheint schwierig für das SEM, eine Airline für die brutalen Ausschaffungsflüge zu finden. Der Flug vom 22. Juni wurde von der kleinen türkischen Chartergesellschaft Freebird Airlines durchgeführt. Sie fliegt normalerweise aus deutschen Grossstädten in die Touristenhochburg Antalya. Ein zweiter Flug fand am 21.9.2023 von Zürich nach Bagdad statt.
Neue Politik der Republik Irak: Die Republik Irak hat offensichtlich ihre Politik gegenüber ausgewanderten Bürgern geändert. Bis diesen Sommer akzeptierte Irak unfreiwillige Ausschaffungen aus der Schweiz nur, wenn die Ausgeschafften erheblich (mindestens sechs Monate Haftstrafen) strafbar geworden waren. Das hat sich geändert, denn bei den Flügen im Juni und September wurden auch nicht-vorbestrafte Menschen ausgeschafft, wie wir aus verschiedenen Gesprächen mit Opfern und ihren Rechtsvertreter:innen wissen. Alle oder die meisten der Opfer sind Kurden.
Das SEM bestätigte gegenüber einem Journalisten der WOZ, dass sich die Praxis geändert hat. Grundlage seien Gespräche zwischen irakischen und Schweizer Beamten. Der Inhalt dieser Gespräche ist noch nicht bekannt. Das gleiche gilt für Deutschland und den Irak. Im Mai berichtete die deutsche Tagesschau, dass es offenbar eine «Joint Declaration» zwischen dem Irak und Deutschland gebe, deren Inhalt aber unbekannt sei.
Härtefallgesuch als Falle: Auffallend ist, dass alle der Ausgeschafften, deren Hintergrund wir recherchieren konnten, schon viele Jahre in der Schweiz waren. Und viele haben an der Legalisierung ihrer Existenz in der Schweiz gearbeitet. Für «Illegale», oft abgelehnte Asylsuchende, die nicht ausgereist sind, gibt es im Prinzip zwei Wege, ihre Existenz in der Schweiz doch noch zu legalisieren. Sie können sich verlieben und eine Heirat anstreben, wobei immer noch die Gefahr besteht, dass ihr Gesuch um Aufenthaltsbewilligung auch nach einer Heirat abgelehnt wird. Oder sie können ein «Härtefallgesuch» stellen. In einem solchen Gesuch muss man nachweisen, dass man nach den Massstäben der Migrationsämter integriert ist (Sprache, Freunde, Freiwilligenarbeit, Vereinstätigkeit, keine Schulden, keine Vorstrafen, ein sicher zugesagter Arbeitsplatz). Und man muss einen gültigen Ausweis vorweisen. Und genau dies kann zur Falle werden. So wurde der L. am gleichen Tag verhaftet und einen Tag später unter Gewaltandrohung in den Flieger gesteckt, an dem seinem Rechtsanwalt der negative Entscheid bezüglich Härtefallgesuch zugestellt wurde. Das Vorgehen des SEM und des zuständigen Migrationsamtes war wohl legal … und perfid.
Zum Sans-Papier gemacht: Ältere Leser:innen werden sich vielleicht noch an den irakisch-iranischen Krieg erinnern. An dessen Ende griff der einst vom Westen gehätschelte irakische Diktator die kurdisch-irakische Stadt Halabdscha mit Giftgas an. Der Angriff, der tausende von Opfern forderte, löste weltweites Entsetzen aus. In einem brutalen Feldzug wurden kurdische Menschen aus bestimmten Gebieten vertrieben. Genau aus einer solchen Stadt unweit von Halabdscha stammt M.*. Seine Eltern waren während der mörderischen Offensive gegen kurdische Menschen mehrmals in den Iran geflohen, zurückgekehrt und wieder geflohen. M. wurde nicht mit einem Reisepass ausgeschafft, sondern nur mit einem Notpapier (Laissez-passer), das die irakischen Behörden auf Antrag des SEM ausgestellt hatten. Er wurde in Bagdad gleich nach der Landung verhaftet und für vier Tage und Nächte in ein Gefängnis gesteckt. Danach wurde er – papierlos – aus dem Gefängnis geschmissen. Das ist als Kurde im Irak, wo es überall Checkpoints gibt und Milizen Menschen entführen, um sie zu erpressen, gefährlich. So schreibt das EDA (Schweizer Aussendepartement): «Das Risiko von Entführungen durch terroristische und kriminelle Gruppierungen (teilweise mit Todesfolge) ist hoch und besteht für einheimische wie für ausländische Personen.» M., der keine Verwandten im Irak mehr hat, blieb nichts anderes übrig, als in seine «Heimatstadt» zu fliehen. Doch auch dort verweigerte man ihm einen gültigen Pass, es gibt keinen Nachweis seiner Existenz mehr. M. überlebte einige Wochen als Tagelöhner in einer Bäckerei, wo er gegen Brot und eine Schlafstelle schuftete. Unterdessen ist er in den Iran geflohen. Die Schweiz hat einen ebenso mittel- wie papierlosen Flüchtling produziert.
Nach der Ausschaffung verhaftet und verurteilt: Sorge macht dem Bündnis «Wo Unrecht zu Recht wird, …» auch das Schicksal von K.* K., der uns noch im Juli bei der Recherche nach den Ausgeschafften vom ersten Flug unterstützt hat, hat intensiv daran gearbeitet, ein Härtefallgesuch stellen zu können. Er wurde mit dem Flug vom 21.9.2023 ausgeschafft. Auch K. wurde in Bagdad noch am Flughafen verhaftet. Während der vier Tage im Gefängnis wurde K. das bisschen Geld (rund 550 Dollar), das er von der Schweiz zwecks Heimreise erhalten hatte, abgeknöpft. Allerdings wurde K. nicht einfach nach vier Tagen freigelassen, sondern von einem Gericht wegen eines Passvergehens oder etwas ähnlichem zu einer Busse von 500 und Gerichtskosten von 600 Dollar verknurrt. Solange er das Geld nicht besorgt hat, muss er sich nun täglich auf einer Polizeistation melden und einen Fingerabdruck abliefern. Genau wie in der Schweiz droht im eine Gefängnisstrafe, falls er die Busse nicht bezahlen kann. (*) Name dem Bündnis «Wo Unrecht zu Recht wird» bekannt.
Was ist aufgefallen?
Neonazis besetzen Asylcamp in Dresden
Am Samstag, 28. Oktober hat die «Identitäre Bewegung» in Dresden eine potenzielle Unterkunft für asylsuchende Personen besetzt. Die rassistisch motivierte Aktion erinnert in Form und Ästhetik an die «Junge Tat» in der Schweiz. Es ist nicht der einzige Moment, in dem die Verbindungen verschiedener ultrarechter Strukturen sichtbar werden.
Auf einem grossen Transparent, das vom Dach der Unterkunft gehangen wurde, machte die «Identitäre Bewegung» ihre rassistische Forderung nach sog. Remigration sichtbar. Darunter versteht sich die Forderung nach der Ausschaffung von Migrant:innen in ihre Herkunftsländer. Der Begriff wird oft von der «Identitären Bewegung» und anderen ultrarechten Zusammenhängen verwendet.
Die rassistisch motivierte Besetzung reiht sich in eine Vielzahl an rassistischen Demonstrationen und Übergriffen in Dresden ein. Ende September war ein ehemaliges Schulgebäude, das ab dem kommenden Jahr für asylsuchende Personen zur Verfügung stehen soll, angegriffen worden. Unbekannte hatten brennbare Flüssigkeit an die Aussenwände geschüttet und eine Zündschnur ausgelegt.
Verbindungen zur Jungen Tat in der Schweiz: Die Aktionen erinnern in ihrer Form und Ästhetik stark an die Aktionen der Jungen Tat in der Schweiz. So hätte beispielsweise das Transparent in seiner Schrift, Inhalt und Gestaltung ebenso bei einer Aktion der Jungen Tat auftauchen können. Die Junge Tat gründete sich aus der Eisenjugend Schweiz und der Nationalistischen Jugend Schweiz. Sie lehnt sich in ihren Aktionsformen und deren Ästhetik teilweise ebenfalls stark an die «Identitäre Bewegung» an, so wie diese sich auch an der Jungen Tat orientieren. So wurde dann auch im Telegram Chat der «Identitären Bewegung» in einer News-Meldung zur rassistischen Besetzung auf die Junge Tat verwiesen.
Die Vernetzung von Rechten Strukturen in Europa ist weder neu noch erstaunlich. Gleichzeitig ist das Wissen um deren Veränderung und Entwicklung wichtig. So fand beispielsweise Ende Oktober in Brüssel eine Aktion verschiedener Neo-Nazi-Gruppierungen statt, die vor dem EU-Parlamentsgebäude ihre Forderung nach Remigration vortrugen. Videos der Aktion wurden über die neuen Kanäle von «The Action Radar Europe» verbreitet. Aus der Schweiz mit dabei war Manuel Corchia, früher Mitglied der «Eisenjugend» und Mitbegründer der «Jungen Tat».
https://taz.de/Rechter-Uebergriff-auf-Unterkunft/!5964133/
https://www.woz.ch/2250/rechtsextremismus/die-schwiegersohn-neonazis/!JJPNM2QWZACD
https://www.stura.tu-dresden.de/informationen_zur_sog_identitären_bewegung#Flyer-Download
Was nun?
Free Palestine und die deutschschweizer Linke
Vielerorts finden trotz Kriminalisierung propalästinensische Kundgebungen statt. Die schweizweit bisher grösste Demo fand am Samstag 4. November in Bern statt. Um den Genozid in Gaza zu beenden, wurde dringend ein Waffenstillstand gefordert. Die GsoA und ihr Umfeld organisierte eine etwas anders gelagerte Demonstration in Zürich. Diese solidarisierte sich mit den Opfern auf beiden Seiten und verfolgte das Ziel: „Alle Konfliktparteien müssen die Gewalt unverzüglich beenden und den Bestimmungen des humanitären Völkerrechts Folge leisten.“ Ebenfalls politisch ist es zu werten, dass am antifaschistischen Abendspaziergang in Bern die Entwicklungen im Nahen Osten mit keinem Wort oder Slogan erwähnte und keine Rede zum Thema vorsah. Das Beispiel zeigt, dass in Teilen der deutschschweizer Linken weiterhin Diskussionsbedarf besteht. In der Hoffnung, die Diskussionen zu erleichtern, veröffentlichen wir Stellungnahmen verschiedener linker Organisationen in der Deutschschweiz.
Lotta: Free Gaza – Free Palestine
https://lotta.info/free-gaza-free-palestine/
BFS: Israel-Palästina: Eine sozialistische Positionierung
Teil 1: https://sozialismus.ch/international/2023/israel-palaestina-konflikt-sozialistische-position/
Teil 2: https://sozialismus.ch/international/2023/israel-palaestina-eine-sozialistische-positionierung-teil-2/
Funke: Nieder mit der Heuchelei! Für die Verteidigung von Gaza!
https://derfunke.ch/deutsch/internationale-solidaritaet/nieder-mit-der-heuchelei-fuer-die-verteidigung-von-gaza-statement-der-imt/
Einige linke und anarchist*ische Diaspora-Aktivist*innen aus dem Nahen Osten und jüdische Menschen: Stellungnahme
https://barrikade.info/article/6157
Replik auf die Stellungnahme: Free Palestine – by any means necessary
https://barrikade.info/article/6188
BDS: Jetzt mehr denn je braucht es weitere Mobilisierung, um den Völkermord zu stoppen
https://www.bds-info.ch/index.php/de/artikel/jetzt-mehr-denn-je-braucht-es-weitere-mobilisierung-um-den-voelkermord-zu-stoppen
antira.org: Antirassismus bietet Perspektiven auf den Krieg in Israel und Gaza
https://antira.org/2023/10/23/widerstand-gegen-rechte-hetze-rechtsrutsch-im-parlament-anzeige-gegen-rechte/#Antirassismus_bietet_Perspektiven_auf_den_Krieg_in_Israel_und_Gaza
PdA: Für nachhaltigen Frieden: Schluss mit der zionistischen Besatzung!
https://pda.ch/2023/10/fuer-nachhaltigen-frieden-schluss-mit-der-zionistischen-besatzung/
GsoA: Für gerechten Frieden in Israel/ Palästina: Stoppt die Gewalt!
https://gsoa.ch/fuer-gerechten-frieden-in-israel-palaestina-stoppt-die-gewalt/
Rote Hilfe: Für den palästinensischen Widerstand
https://barrikade.info/article/6187
Migrant Solidarity Network: Genozid stoppen
https://migrant-solidarity-network.ch/2023/11/04/genozid-stoppen/
Wo gabs Widerstand?
Demo: Sofortiges Ende der Iranausschaffungen, geregelten Aufenthalt für alle geflüchteten Iraner*innen
Auf dem Bundesplatz protestierten am 31. Oktober 2023 abgewiesene Iraner*innen und Unterstützer*innen gegen die aktuelle Praxis des Staatssekretariat für Migration (SEM). Trotz der desolaten Lage im Iran weist das SEM weiterhin mehr als die Hälfte der Asylgesuche von Iraner*innen ab. Auch die Ausschaffungen gehen weiter, obwohl das Mullah-Regime Flucht aus dem Iran als Verrat betrachtet.
In Reden wurde die existentiellen Probleme von Jugendlichen, Frauen, politisch aktiven Personen sowie Minderheiten aufgezeigt. Im Iran droht ihnen Verfolgung und in der Schweiz wird ihnen eine Zukunft verweigert. Viele riefen dazu auf, die Revolution im Iran nicht zu vergessen und sich verstärkt mit abgewiesenen geflüchteten Iraner*innen zu solidarisieren: «Wer von Ihnen ist bereit, sein Land einfach und ohne Grund zu verlassen? Wir mussten leider unser Land verlassen und standen vor äusserst schmerzhaften Nöten und Herausforderungen, damit wir vielleicht wieder ein normales Leben wie normale Menschen geniessen können. Leider sind wir nach vielen Jahren der Migration immer noch mit Problemen konfrontiert. Abgelehnte iranische Flüchtlinge befinden sich in einer unmöglichen Situation: in der Schweiz wird ihnen jede Zukunftsperspektive verwehrt. Stress und Unsicherheit führen zu gefährlichen Erkrankungen, Depressionen und Selbstmord. Wir fordern dringend einen Ausweg aus dieser Situation», sagt D.F., eine abgewiesene geflüchtete Iranerin.
Am 1. November 2023 trafen sich Vertreter*innen von Empathie und Einheit und Migrant Solidarity Network mit Claudio Martelli, dem stellvertretenden Direktor des SEM. Vor einigen Monaten hatte das SEM noch Gespräche verweigert. Schriftlich lehnte es die Forderungen der Gruppe ab. Dank der Vernetzung und dem politischen Druck kommt es nun aber erstmals zu einem Gespräch.
Was steht an?
Passbeschaffungspflicht für Eritreer*innen in der Schweiz abschaffen!
Aufruf vom Migrant Solidarity Network
In Eritrea herrscht eine der schlimmsten Diktaturen der Welt. Die Schweiz soll nicht mehr mit der eritreischen Diktatur kollaborieren. Zwangskontakt zum Regime, Zwangsabgaben an das Regime und Nötigungen durch das Botschaftspersonal des Regimes müssen endlich aufhören. Bereits über 4000 Menschen haben die Petition zur Abschaffung der Passbeschaffungspflicht für Eritreer*innen unterschrieben.
Warum sind die Petition und die Demonstration so wichtig? Eritreer*innen, die heiraten möchten, ein Härtefallgesuch einreichen oder nach fünf Jahren eine vorläufige Aufnahme (Ausweis F) in eine normale Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) umwandeln wollen, werden heute blockiert: Können sie keinen gültigen eritreischen Pass vorweisen, so weigern sich die Behörden, ihre Gesuche zu behandeln. Doch um Pässe auszustellen, stellt die Eritreische Botschaft in Genf drei unzulässige und unzumutbare Bedingungen: (1) Eritreer*innen müssen eine sogenannte «Reue-Erklärung» unterzeichnen. Dadurch müssen sie sich selbst beschuldigen, den sogenannten „nationalen Pflichten“ nicht nachgekommen zu sein, und die dafür verhängten Strafen akzeptieren. (2) Eritreer*innen müssen eine unzulässige «Diaspora-Steuer» von 2% auf bereits in der Schweiz versteuertes Einkommen bezahlen. Das ist Geld, das die Macht der Diktatur unterstützt. (3) Eritreer*innen müssen der Botschaft sensible Informationen über Angehörige, Freund*innen und Bekannte preisgeben. Jede dieser Bedingungen gefährdet Leib und Leben.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe empfiehlt den Schweizer Behörden die Praxis zu ändern. Die Behörden könnten Eritreer*innen ganz einfach einen „Pass für ausländische Personen“ ausstellen. Dies ist beispielsweise bei Afghan*innen üblich. Denn auch sie können nicht sorglos bei einer Botschaft einen Pass beschaffen.
Lesens -/Hörens -/Sehenswert
Arbeitszwang in Schweizer Asylzentren?
https://surprisetalk.podigee.io/85-arbeitszwang
EKR – Tangram 47: Koloniales Erbe in der Schweiz – eine Einordnung
Die Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) veröffentlicht die neuste Nummer der Zeitschrift Tangram. Die 47. Ausgabe befasst sich mit dem kolonialen Erbe der Schweiz, einem sensiblen, aber wichtigen Thema, will man heute bestimmte Aspekte im Zusammenhang mit Rassismus und rassistischer Diskriminierung in unserem Land verstehen.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-98271.html