Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++BERN
Wolfisberg und Heiligenschwendi: Regierungsrat hält an geplanten Asylunterkünften fest
Trotz Widerstand aus den Gemeinden sollen in Wolfisberg und Heiligenschwendi Unterkünfte für 60 respektive 200 Asylsuchende entstehen.
https://www.derbund.ch/asylunterkuenfte-wolfisberg-und-heiligenschwendi-regierungsrat-haelt-am-plan-fest-535963123669
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/kanton-bern-will-nicht-auf-kollektivunterkuenfte-verzichten?id=12482457
-> https://www.baerntoday.ch/bern/kanton-bern/kanton-bern-haelt-an-geplanten-asylunterkuenften-fest-154655366
-> https://www.rr.be.ch/de/start/ueber-den-regierungsrat/medien/medienmitteilungen.html?newsID=31bb48fe-f915-423d-a514-5bece4533238
-> https://www.nau.ch/ort/bern/berner-regierungsrat-halt-an-geplanten-asylunterkunften-fest-66642775
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derbund.ch 03.11.2023
«Lage hat sich stabilisiert»: Der Kanton Bern braucht weit weniger zusätzliche Asylplätze
Statt 1200 zusätzliche Unterbringungen für Asylsuchende bereitet der Kanton nur deren 150 vor. Im Oberaargau bleibt es bei den 60 Plätzen in Wolfisberg.
Kathrin Holzer
Bei der Asylsituation zeichnet sich im Kanton Bern eine leichte Entspannung ab. Noch im August ging der Kanton davon aus, dass die vorhandenen Plätze in den Berner Asylunterkünften den Bedarf nicht längerfristig decken können. Die Regierungsstatthalterinnen und -statthalter wurden aufgerufen, zusätzliche Unterkünfte zu melden.
Konkret sollten kantonsweit 1200 zusätzliche Asylplätze gefunden werden. Würden die Gemeinden nicht von sich aus Hand bieten, käme es zu Verfügungen durch die zuständigen Statthalter.
Bis Ende September hatten die Gemeinden Zeit, ihre verfügbaren Objekte zu melden. Tatsächlich sei so fristgerecht eine Liste mit 1200 Unterbringungsmöglichkeiten zustande gekommen, sagt Gundekar Giebel von der kantonalen Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI).
Es habe sich inzwischen aber auch gezeigt, dass der tatsächliche Bedarf wenigstens im Moment tiefer sei als angenommen.
1000 freie Plätze
Nach wie vor kämen Asylsuchende aus den Regionen Afghanistan, Türkei, Syrien und Eritrea in die Schweiz, sagt Giebel. «Die Lage hat sich aber stabilisiert.» Zurzeit verfüge der Kanton über rund 1000 freie Plätze.
Statt der angekündigten 1200 werden daher vorerst nur 150 Plätze aus dem zusätzlichen Kontingent bereitgestellt im ganzen Kanton. Wo die Unterkünfte eröffnet werden, sagt der GSI-Sprecher nicht. Die notwendigen Prozesse seien erst am Anlaufen.
Klar ist aber: Auch im Oberaargau wird die Zahl der zusätzlichen Plätze deutlich kleiner ausfallen. Von 164 Plätzen war noch im August die Rede. Nun wird es vorläufig bei den 60 Plätzen bleiben, die derzeit im ehemaligen Hotel Alpenblick in Wolfisberg eingerichtet werden.
Ursprünglich hätte der Kanton dort eine Kollektivunterkunft für 120 Asylsuchende eröffnen wollen. Nach heftigem Widerstand aus der Bevölkerung wurde die Zahl inzwischen jedoch halbiert.
Auf eine Forderung, auf die Kollektivunterkunft in Wolfisberg gänzlich zu verzichten, tritt die Regierung hingegen nicht ein. Mit gut vier Monaten Verspätung soll die Unterkunft im Januar 2024 eröffnet werden.
Die restlichen zusätzlichen Unterbringungsplätze im Kanton würden über mehrere Verwaltungskreise verteilt, sagt Gundekar Giebel.
Theoretisch lösbar
Sollte sich die Lage wieder zuspitzen, seien weitere knapp 1000 Plätze aber vorhanden, so der GSI-Sprecher. Zumindest in der Theorie. Nicht alle infrage kommenden Objekte seien von der Struktur her geeignet. Heisst: Nicht alle verfügten über genügend Plätze für eine Kollektivunterkunft.
Kleinere Objekte mit 20 bis 30 Plätzen könnten bei späterem Bedarf aber beispielsweise für die Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen genutzt werden.
(https://www.derbund.ch/asylwesen-im-kanton-bern-weit-weniger-zusaetzliche-plaetze-noetig-503678513513)
+++AARGAU
derbund.ch 02.11.2023
Eritreer kritisiert Ungleichbehandlung durch Gemeinden bei Deutschkursen: «Sprache ist der Schlüssel für die Integration»
Nicht alle Asylsuchenden erhalten Deutschkurse auf dem gleichen Niveau. Dies erschwere die Integration, findet ein Geflüchteter aus Eritrea. Am kommenden Samstag engagiert er sich im zweiten kantonalen Flüchtlingsparlament.
David Walgis
Die Kaffeetasse vor ihm ist noch fast voll. Mulue Misgina hat in den letzten eineinhalb Stunden so viel gesprochen, dass er kaum einen Schluck genommen hat. Er hat erklärt, warum er sich im Flüchtlingsparlament engagiert. Wie sich die Situation für Geflüchtete in der Schweiz verbessern könnte. Weshalb er aus seinem Heimatland Eritrea geflohen ist. Und dann, als das Gespräch schon fast vorbei ist, betont er nochmals: «Ich bin der Schweiz unendlich dankbar.»
Trotzdem findet er: Die Situation für Geflüchtete hier kann sich weiter verbessern. Eine Möglichkeit für Veränderungen sieht er im kantonalen Flüchtlingsparlament. Am kommenden Samstag, 4. November, wird es im Grossratssaal in Aarau zum zweiten Mal durchgeführt. Hinter der Session der Geflüchteten steht der Verein National Coalition Building Institute, kurz NCBI Schweiz. Die Organisation setzt sich für den Abbau von Rassismus und Diskriminierung ein. Seit September bereiten sich rund achtzig Geflüchtete aus elf Nationen in vier Kommissionen auf das Parlament vor. So auch Misgina.
Nicht alle Gemeinden beteiligen sich gleich stark an Sprachkursen
Noch dampft Misginas Kaffee. Es ist ein Mittwochmorgen wie jeder andere, im Migros-Restaurant nippen Rentnerpaare und junge Mütter an Milchkaffee oder Chai-Tee. In der Spielecke tollen Kinder herum. Misgina schüttet etwas Zucker in seine Tasse und erzählt. «Wir als Geflüchtete sehen gewisse Probleme eher, welche die Behörden vielleicht weniger erkennen.» Eines sieht er in der Ungleichbehandlung der Geflüchteten in den Gemeinden.
Er nennt ein Beispiel aus seiner eigenen Geschichte: Die Gemeinde, der Misgina zugeteilt worden ist, habe ihn bei Deutschkursen bis Niveau B2 finanziell unterstützt. Andere Gemeinden hingegen übernehmen die Kosten nur bis zu tieferen Niveaus. Dass hier Unterschiede bestehen, ist für Misgina unverständlich. «Ohne gute Deutschkenntnisse hätte ich meine Stelle nicht antreten können.»
Langfristig entstünden so höhere Kosten für die Gemeinden, vermutet Misgina. Findet eine Person aufgrund der Deutschkenntnisse lange keine Stelle, ist diese länger finanziell abhängig. Natürlich sehe er auch Asylsuchende in der Pflicht, Deutsch zu lernen. Doch gewisse kämen in einen Teufelskreis: Man spart bei den Kursen, ein Geflüchteter findet keine Stelle, verliert die Hoffnung, sein Deutsch bleibt spärlich.
Misginas Argumentation: Lieber kurzfristig mehr Geld in Deutschkurse investieren, als länger höhere Sozialhilfekosten zu zahlen. «Die Sprache ist der Schlüssel für die Integration», sagt Misgina mehrfach. Er wirkt wie der lebende Beweis für seine These. Seine Sätze sind klar, die Sprache überlegt.
Für Sprachkurse sind die Gemeinden zuständig
Für alle anerkannten Flüchtlinge mit B-Ausweis und vorläufig Aufgenommene mit Status F gilt ein gesetzlicher Auftrag zur Arbeitsmarktintegration. Dazu gehören auch Sprachkurse. Die Zuteilung erfolgt nach einem individuellen Integrationsplan. «Je nach Zielgruppe findet die Sprachförderung nicht bei allen Personen bis zum gleichen Sprachniveau statt, sondern immer bis zum nächsten zu erreichenden mittelfristigen Ziel», schreibt das Amt für Migration und Integration.
Für die Begleitung der Integration und damit auch für Sprachkurse sind die Gemeinden zuständig, in denen die Geflüchteten leben. Das Aargauer Migrationsamt steht beratend zur Verfügung, hat jedoch keine Aufsichtsfunktion. «Gemäss den bisherigen Erfahrungen nehmen die aargauischen Gemeinden den sozialdienstlichen Integrationsauftrag in unterschiedlicher Qualität und Intensität wahr», schreibt das Migrationsamt auf Anfrage.
Ein treuer Parlamentarier in den Flüchtlingssessionen
Das Flüchtlingsparlament wird bereits Misginas fünfte politische Session. Er hat an drei nationalen und der ersten kantonalen Durchführung letztes Jahr teilgenommen. Warum engagiert er sich? Er kenne viele Probleme aus eigener Erfahrung, sagt Misgina. «Und das will ich ändern.» Wer neu in der Schweiz ist, steht vor vielen Fragen: Wie funktioniert das Land? Wie bewirbt man sich? Wie sucht man eine Wohnung? Wie geht das mit der Krankenkasse? «Das ist am Anfang wirklich eine Herausforderung.»
Misgina will vor allem etwas: verstanden werden. Und Verständnis schaffen. Immer wieder stellt er im Gespräch rhetorische Fragen: Was bedeutet Flucht überhaupt? Warum flieht jemand? Warum integrieren sich manche nur schwer? Wie sieht das Leben als Geflüchteter in der Schweiz aus? «Es gibt viele Vorurteile gegenüber Geflüchteten. Doch die meisten beruhen nicht auf böser Absicht, sondern auf Unwissen», sagt Misgina. Er will gehört werden. «Es wird oft über uns gesprochen, aber nicht mit uns.»
Dies ist auch die Kernbotschaft des NCBI. Und zentrales Ziel des Flüchtlingsparlaments: Geflüchtete sollen mit der Politik in einen Dialog treten und Lösungen suchen. Regierungsrat Dieter Egli nimmt am Anlass teil. Ebenso verschiedene Grossrätinnen und Grossräte aus allen Fraktionen.
Die Flucht aus der Militärdiktatur
Der 33-Jährige Misgina ist vor zehn Jahren aus seinem Heimatland Eritrea geflohen. 23 Jahre alt war er, leistete wie jeder Eritreer Militärdienst für die Diktatur. Wie lange, ist ungewiss. Ist es ein Jahr? Sind es zwei Jahre? Drei Jahre? Gibt es ein Ende? Seit seiner Kindheit ist Misginas Vater im Militär. Und er ist es noch heute. «Ich wollte nicht enden wie mein Vater», sagt Misgina. So entschloss er sich zur Flucht.
Eritrea ist eine Militärdiktatur. Oppositionelle verschwinden in Gefängnissen. Im Land gibt es Checkpoints. Die Perspektive fehlt. Wer jung ist, flieht. Über eine halbe Million Menschen sind in den vergangenen zwanzig Jahren aus Eritrea geflohen. 3,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählt das Land heute.
Was bedeutet Flucht? Misginas rhetorische Frage füllt sich hier im Migros-Restaurant in Zofingen mit Leben. Während am Nebentisch Vermicelles mit Schlagrahm gegessen wird, erzählt er, wie andere in der Sahara ertrunken sind. Wie Frauen in Lagern vergewaltigt wurden. Wie Schlepper Flüchtlinge verkauft haben. «Was ich in solchen Momenten gedacht habe? Das macht ja auch unsere Regierung.»
Über den Sudan, Libyen, das Mittlermeer und Italien kam Misgina in die Schweiz. Eigentlich wollte er weiter nach England, in das Land, dessen Sprache er bereits etwas beherrschte. Doch die Polizei griff ihn in der Schweiz auf. Und so beantragte er 2015 hier Asyl. Mehr als zwei Jahre wartete er auf den Entscheid. Und dann, 2018, erhielt er den positiven Bescheid.
Zusammen mit seiner Frau und seinen drei Kindern im Primarschul- und Vorschulalter lebt er in Zofingen. Er arbeitet als Pflegeassistent in der Rehaklinik Schinznach Bad und macht eine Nachholbildung zum Fachmann Gesundheit. «Ich bin froh, dass ich hier gelandet bin. Erst hier konnte ich als Mensch Freiheit geniessen», sagt Misgina. Sein Kaffee ist mittlerweile kalt.
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Warum viele Geflüchtete Sozialhilfe beziehen
Die Sozialhilfequote im Flüchtlingsbereich ist hoch: Schweizweit bezogen 2021 rund 82 Prozent aller Geflüchteten Sozialhilfe. Gleichzeitig liegt jedoch auch die Erwerbsquote bei den anerkannten Flüchtlingen mit Ausweis B und den sogenannt vorläufig Aufgenommenen mit Status F knapp unter 50 Prozent. Ist dies kein Widerspruch?
Sibel Karadas, Integrationsdelegierte des Kantons Aargau, begründet dies in einem Artikel des «Blick» mit tiefen Löhnen, die Geflüchteten bezahlt würden: «Bei einer Familie mit Kindern reicht der Lohn eines Elternteils meist nicht aus.» Kurz: Bei vielen handelt es sich um sogenannte Working Poor. Gründe sieht Karadas auch in individuellen Faktoren: Wenig Schulbildung, Traumata aufgrund der Flucht.
Rund 10’700 Eritreerinnen und Eritreer bezogen 2021 Sozialhilfe. Dies entspricht rund 37,8 Prozent aller Geflüchteten. Mit knapp 30’000 Personen bildeten Eritreerinnen und Eritreer Ende 2021 aber auch die grösste Ausländergruppe aller anerkannten Flüchtlinge. (daw)
(https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/asylpolitik-eritreer-kritisiert-ungleichbehandlung-durch-gemeinden-bei-deutschkursen-sprache-ist-der-schluessel-fuer-die-integration-ld.2533639)
+++BASELLAND
„Basel-Stadt behandelt uns einmal mehr wie den kleinen armen Verwandten“ – wütende Voten aus dem Landrat, weil Basel-Stadt eine Asylunterkunft unter der „Grün 80“ in Betrieb nehmen will, ohne Absprache mit dem Landkanton
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/mehr-mitspracherecht-in-der-politik?id=12482253
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/nachbarschaftsstreit-zwischen-baselland-und-basel-stadt?id=12482565
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bzbasel.ch 03.11.2023
Nach Baselbieter Kritik an Asylzentrum in der Grün 80: Basel-Stadt bedauert die Unstimmigkeiten
Basel-Stadt macht in der Grün 80 ein Erstaufnahmezentrum für Geflüchtete bezugsbereit – ohne sich mit Baselland abzusprechen. Aus der Stadt heisst es nun, man werde bei weiteren Nutzungen so früh wie möglich kommunizieren.
Dimitri Hofer
Die nachbarschaftliche Beziehung zwischen Basel-Stadt und Baselland ist auf die Probe gestellt. Mit den Plänen, eine unterirdische Armeeliegestelle in der Grün 80 als Asylunterkunft zu nutzen, hat Basel-Stadt den Nachbarkanton vor den Kopf gestossen. Der zuständige Baselbieter Regierungsrat Anton Lauber und grosse Teile des Parlaments zeigten sich in der Landratssitzung am Donnerstag irritiert und enttäuscht über den Stadtkanton, der die Landschaft und die Standortgemeinde Münchenstein vor vollendete Tatsachen gestellt hatte.
Basel-Stadt informierte Baselland und Münchenstein, unter dessen Boden die Anlage liegt, erst vor gut einer Woche. Damals stand bereits fest, dass die Asylunterkunft, in der bis zu 90 allein reisende männliche Asylsuchende temporär untergebracht werden können, schon am kommenden Montag betriebsbereit sein wird. Wenige Tage nach der Vorinformation verschickte Basel-Stadt eine Medienmitteilung. Absprachen zwischen den beiden Kantonen und Münchenstein zum Erstaufnahmezentrum hatte es im Vorfeld keine gegeben.
Kaspar Sutter, Vorsteher des Basler Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt, rechtfertigt die fehlende Absprache: «Die Anlage in der Grün 80 wurde bereits in den Jahren 2008, 2011 und 2015 für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt, dazumal wurde der Kanton Basel-Landschaft nicht vorab informiert.» Bei den früheren Nutzungen habe es keine grösseren Probleme gegeben und auch keine politische Debatte.
Wann die ersten Personen einziehen, ist unklar
Regierungsrat Sutter stellt klar: «Die Koordination und Organisation der Anlage läuft über den Kanton Basel-Stadt.» Bevor die ersten Bewohner einziehen, werde sich die Leitung der Anlage mit der Baselbieter Polizei in Verbindung setzen. Wann die ersten Personen einziehen werden, hänge davon ab, wann die überirdischen Plätze für die Erstaufnahme von Geflüchteten voll ausgelastet seien. Basel-Stadt verfügt über solche Plätze im Migrationszentrum Dreispitz und in der Wohnmodulsiedlung Erlenmatt.
«Mit der Bereitstellung der Anlage in der Grün 80 stellt der Kanton Basel-Stadt sicher, dass er ausreichend Plätze für die Erstaufnahme hat», sagt Sutter. Bei der Anlage in Münchenstein handelt es sich um keine Aussenstelle des Bundesasylzentrums Basel. Es ist somit auch keine Ersatzanlage für die Zivilschutzanlage an der Bonergasse, die Ende Jahr schliesst. Dann läuft der Mietvertrag mit dem Bund aus, der vom Kanton Basel-Stadt nicht verlängert wird.
Die Misstöne aus dem Baselbiet am Erstaufnahmezentrum in Münchenstein nimmt sich Kasper Sutter zu Herzen: «Wir bedauern die aktuellen Unstimmigkeiten bezüglich der Nutzung der Anlage in der Grün 80», erklärt er. «Bei weiteren Nutzungen werden wir so früh wie möglich kommunizieren.»
«Wir erwarten eine bessere Informationspolitik»
Mit der angedachten offensiveren Informationspolitik begegnet Sutter nicht nur der Kritik aus dem Landkanton, sondern auch jener aus der Basler Politik. Nachdem die Baselbieter Verstimmung ruchbar geworden war, meldeten sich zahlreiche Grossräte zu Wort. In einem Kommentar auf «Onlinereports» schrieb der Basler SVP-Grossrat Joël Thüring: «Tatsächlich ist es unsensibel, wenn man den Nachbarn nicht informiert.» Oliver Thommen (Grüne) erklärte auf dem Kurznachrichtendienst X: «Die schlechte Kommunikation ist wirklich ein Fauxpas.» Sein Parteikollege Jérôme Thiriet erinnerte hingegen daran, dass dieses Mal im Vergleich zu früheren Nutzungen vorinformiert worden sei.
Die verstärkte Kommunikation ist auch im Sinne des Nachbarkantons und von Münchenstein. Auch in der Agglo-Gemeinde ist man erstaunt über Basel-Stadt. «Das war nicht die richtige Vorgehensweise. Ich erwarte in Zukunft eine bessere Informationspolitik», sagt Gemeindepräsidentin Jeanne Locher. Sie ist der Meinung, ein vorgängiger Austausch mit Basel-Stadt wäre von Vorteil gewesen.
Der Kanton Baselland habe den Kommentaren vom Donnerstag nichts mehr hinzuzufügen, schreibt Martina Rupp, Leiterin Kommunikation bei der Baselbieter Finanz- und Kirchendirektion, auf Anfrage. Sie hält fest: «Eine konstruktive Informationspolitik ist aus unserer Sicht ein selbstverständlicher Teil von gutnachbarlichen Beziehungen und es wird künftig sicher ein Austausch stattfinden.»
(https://www.bzbasel.ch/basel/baselland/kommunikationspanne-nach-baselbieter-kritik-an-asylzentrum-in-der-gruen-80-basel-stadt-bedauert-die-unstimmigkeiten-ld.2537059)
+++GRAUBÜNDEN
Chur: Die Armee stellt die Kaserne für Asylsuchende zur Verfügung
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/viel-kritik-an-thursanierung-bei-wattwil?id=12482235
+++OBWALDEN
luzernerzeitung.ch 03.11.2023
Drei Mal pro Monat rückt die Polizei ins Bundesasylzentrum Glaubenberg aus – gemeldet wird aber nicht alles
Die Informationspolitik über solche Vorkommnisse soll sich bessern. Die Bevölkerung habe ein Recht auf Informationen darüber, sagen die Behörden. Wir haben nachgefragt.
Philipp Unterschütz
Bei zwei Auseinandersetzungen im Bundesasylzentrum Glaubenberg (BAZ) sind am Dienstag und Mittwoch je drei Personen leicht verletzt worden. Die Polizei musste beide Male einschreiten und nahm am Mittwoch insgesamt fünf Personen vorläufig fest. Dies teilte die Kantonspolizei Obwalden in der Nacht auf Donnerstag mit. Noch am Mittwoch hatten zuerst weder die Polizei noch das Staatssekretariat für Migration (SEM) unserer Redaktion Informationen zum Vorfall vom Dienstagabend geben wollen.
Es stellt sich daher die Frage, ob der Vorfall am Dienstag überhaupt bekannt geworden wäre, wenn sich nicht am Mittwoch noch eine zweite Auseinandersetzung ereignet hätte. Die Kommentare der Leserschaft zu unserem Bericht über den Glaubenberg zeigen ein Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den Behörden, und im Kantonsrat ist eine Interpellation zum Thema mit dem Titel «Kartell des Schweigens» hängig.
«Die Ereignisse haben sich überstürzt»
Auf unsere Nachfrage nahmen nun das SEM, der Kanton und die Polizei gemeinsam schriftlich Stellung. Dabei räumen sie ein, dass die Kommunikation nicht optimal gelaufen sei, bitten aber auch um Verständnis. Die Ereignisse im Bundesasylzentrum auf dem Glaubenberg hätten sich diese beiden Tage überstürzt.
Am Mittwoch seien das SEM wie auch die Kantonspolizei damit beschäftigt gewesen, die Ereignisse vom Dienstag aufzuarbeiten, die Informationen zusammenzutragen und Sofortmassnahmen zu prüfen. «Aus Sicht des SEM war relativ rasch klar, dass hier strafrechtlich relevante Vorfälle passiert waren. Deshalb hat es sich, auch aus Rücksicht auf die bereits laufenden Ermittlungen der Polizei und die anstehende Strafuntersuchung, nicht zu den Vorfällen geäussert. Dies umso mehr, als noch keine zuverlässigen Informationen über die Geschehnisse vorlagen», teilt das SEM mit. «Nachdem es am Mittwoch erneut zu Ausschreitungen auf dem Glaubenberg gekommen war, wurde das SEM am späteren Abend von der Kantonspolizei informiert, dass sie eine Medienmitteilung publizieren werde. Das SEM hat diesen Entscheid begrüsst.»
Die bisherige Praxis basiert auf den ersten Vereinbarungen zum BAZ Glaubenberg aus dem Jahr 2015 und ist zwischen dem SEM, dem VBS, dem Kanton Obwalden und der Gemeinde Sarnen abgesprochen. Es seien seit dem Vorfall diese Woche jedoch bereits Absprachen erfolgt. «Wir werden die generellen Kommunikationsabläufe und jene zum konkreten Ereignis im Rahmen einer Nachbesprechung anschauen, damit es bei einem nächsten Mal besser klappt.»
Das SEM bestreitet denn auch, dass man bei Schwierigkeiten auf dem Glaubenberg nur ungern Auskunft gebe. Es gebe keine unerwünschten Fragen. «Es gibt nur Fragen, die wir nicht beantworten können, weil wir nicht zuständig sind oder weil uns die Informationen fehlen.» Laut der Vereinbarung ist das SEM für die Information der Öffentlichkeit oder von Dritten im Zusammenhang mit dem Betrieb der Unterkunft Glaubenberg zuständig. Ein vom SEM beauftragter privater Sicherheitsdienstleister ist rund um die Uhr im Einsatz. Die Kantonspolizei wird bei Bedarf oder im Fall von Straftaten beigezogen.
Messer und Waffen wären im BAZ nicht erlaubt
Dass es im Glaubenberg oft Probleme gibt, zeigt das Ausmass dieser Einsätze. «Im Jahr 2023 kam es pro Monat durchschnittlich zu rund drei polizeilichen Unterstützungen und Interventionen auf dem Glaubenberg. In der Regel ging es dabei um Einzelpersonen mit einem Suchtverhalten, psychischen Problemen, Konflikte aufgrund unterschiedlicher kultureller Ansichten und so weiter», schreiben die Behörden.
Grundsätzlich würden alle grösseren Ereignisse mit Beteiligung der Kantonspolizei kommuniziert, «wenn das öffentliche Interesse zum Ereignis vorhanden ist und keine gesetzlichen Rahmenbedingungen gegen eine Veröffentlichung sprechen». Die Polizei könne aber ohnehin nur im niederschwelligen Bereich der Strafverfolgung informieren und habe sich bei Auskünften zum BAZ an die Vereinbarung mit dem SEM zu halten. Bisher kam es bei den Einsätzen auf dem Glaubenberg zu keiner Übernahme der Kommunikation durch die Staatsanwaltschaft. «Die Bevölkerung soll und darf wissen, welche polizeilichen Ereignisse im Kanton Obwalden geschehen. Die Kantonspolizei Obwalden hat eine aktive Kommunikation über verschiedene Informationskanäle und berichtet fast täglich über verschiedene Einsätze», heisst es weiter.
Ob bei den Ereignissen vom Dienstag und Mittwoch Messer eingesetzt wurden, sei derzeit Gegenstand der Ermittlungen, der Ereignisablauf noch nicht ganz klar. «Messer und andere Waffen sind selbstverständlich nicht erlaubt in den Bundesasylzentren. Der Sicherheitsdienst macht aus diesem Grund ja auch Eingangskontrollen, bei denen Asylsuchende auf verbotene Gegenstände untersucht werden», hält das SEM fest. «Als eine Massnahme nach den Geschehnissen prüft das SEM Umplatzierungen. In Frage kommen andere Bundesasylzentren oder das Besondere Zentrum in Les Verrières (NE), in dem besonders renitente Asylsuchende unter strengen Sicherheitsvorkehrungen untergebracht werden.»
(https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/obwalden/bundesasylzentrum-drei-mal-pro-monat-rueckt-die-polizei-ins-bundesasylzentrum-glaubenberg-aus-gemeldet-wird-aber-nicht-alles-ld.2536437)
+++ZÜRICH
Verbundaufgabe Asylwesen: Im Kanton Zürich machen alle Beteiligten ihren Job
Die Lage im Asylwesen bleibt für Kanton und Gemeinden anspruchsvoll. Regierungspräsident und Sicherheitsdirektor Mario Fehr, Kantonsrat Jörg Kündig, Präsident des Verbands der Zürcher Gemeindepräsidien, und die Chefin respektive der Chef des Kantonalen Sozialamtes und des Migrationsamtes orientierten heute über den aktuellen Stand aus Zürcher Sicht. Die Sicherheitsdirektion hat das Vergabeverfahren für den Betrieb der kantonalen Asyl-Strukturen abgeschlossen. Neu werden insgesamt drei Organisationen mit dem Betrieb von Durchgangszentren, Rückkehrzentren und Wohngruppen für unbegleitete Minderjährige beauftragt.
https://www.zh.ch/de/news-uebersicht/medienmitteilungen/2023/11/verbundaufgabe-asylwesen-im-kanton-zuerich-machen-alle-beteiligten-ihren-job.html
-> https://www.nzz.ch/zuerich/news-aus-zuerich-kanton-vergibt-auftrag-im-asylbereich-neu-an-ors-und-caritas-ld.1751637
Lage im Zürcher Asylwesen bleibt angespannt
Viele Zürcher Gemeinden hätten ihre Möglichkeiten Flüchtlinge unterzubringen, nahezu ausgeschöpft, sagt der Präsident des Verbands aller Gemeindepräsidenten im Kanton Zürich. Wenn sich die Lage weiter zuspitzt, könnten Flüchtlinge vermehrt in Zivilschutzanlagen oder Armeezelten untergebracht werden.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/lage-im-zuercher-asylwesen-bleibt-angespannt?id=12482580
-> https://www.blick.ch/politik/zuercher-gemeindepraesidenten-warnen-muessen-asylsuchende-bald-in-armeezelten-schlafen-id19108199.html
-> https://www.toponline.ch/news/zuerich/detail/news/armeezelte-koennten-fuer-asylsuchende-in-zuerich-zum-thema-werden-00224677/
-> https://www.watson.ch/schweiz/z%c3%bcrich/319096041-werden-asylsuchende-in-zuerich-bald-in-armeezelten-untergebracht
-> https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/kanton-zuerich-ld.2537237
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/kanton-zuerich/armeezelte-koennten-fuer-asylsuchende-in-zuerich-zum-thema-werden-154655951?autoplay=true&mainAssetId=Asset:149698404
-> https://www.tagesanzeiger.ch/zuercher-gemeinden-warnen-wir-sind-im-asylbereich-an-der-belastungsgrenze-442136162646
+++SCHWEIZ
Lage im Asylwesen bei Bund und Kantonen weiterhin angespannt
Schweizer Behörden haben weiterhin Probleme mit Asylsuchenden. Es fehle an Unterkunftsplätzen und auch Personal.
https://www.nau.ch/news/schweiz/lage-im-asylwesen-bei-bund-und-kantonen-weiterhin-angespannt-66642950
+++DEUTSCHLAND
Migrationspolitik: SPD-Abgeordnete wollen Asylverfahren außerhalb Europas führen
Migrationszentren in sicheren Drittstaaten und Rückführungsabkommen: Drei SPD-Abgeordnete wollen Asylverfahren aus der EU verlagern. Sie führen humanitäre Gründe an.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-11/asyl-asylverfahren-europa-spd-abgeordnete-castellucci-schwabe-funke-verlagerung-debatte
+++FREIRÄUME
Die «Drucki» braucht Hilfe beim Befreien ihrer Maschine
Nach 10 Jahren hat die Druckmaschine der Druckerei in der Reitschule langsam ausgedient. Deshalb wollte das «Drucki»-Kollektiv diesen Sommer eine neue Druckmaschine anschaffen.
Die gewünschte Maschine hätte ihren Weg von Island nach Bern auch beinahe gefunden. Doch dann kam plötzlich alles anders als geplant. Die Geschäftspraktiken eines windigen Zwischenhändlers und ein paar juristische Feinheiten führten dazu, dass die Maschine auf halbem Weg in Hamburg feststeckt.
Um sie von dort weg zu bekommen, muss das «Drucki»-Kollektiv die schon bezahlte Maschine ein weiteres Mal bezahlen. Damit das gelingt, hat das Kollektiv nun eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.
https://rabe.ch/2023/11/03/die-drucki-braucht-hilfe-beim-befreien-ihrer-maschine/
+++GASSE
Offene Drogenszene in Brugg: Eine Arbeitsgruppe soll es richten (ab 02: 55)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/oltner-busbetrieb-kauft-kleine-firma-fuer-werbung?id=12482247
+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Nervosität vor nationaler Palästina-Demo
Vor der nationalen Palästina-Demo, welche am Samstag auf dem Bundesplatz geplant ist, macht sich Nervosität breit: Die amerikanische Botschaft in Bern hat eine Warnung an US-Bürgerinnen und -Bürger ausgesprochen.
https://www.bernerzeitung.ch/news-ticker-bern-region-kanton-polizei-verkehr-politik-kultur-213-290281918894
-> https://www.blick.ch/schweiz/bern/verhalten-sie-sich-unauffaellig-us-botschaft-warnt-amis-vor-berner-pro-palaestina-demo-id19109228.html
Wohnkampf in Winterthur: Mieter:innen und Hausbesetzer:innen wehren sich gegen Verdrängung
In Winterthur kämpfen Mieter:innen und Hausbesetzer:innen gemeinsam gegen ihre Verdrängung. Wir sprachen mit dem Bewohner und Aktivisten Arthur über seine Erfahrungen mit Nachbarschaftsarbeit, die kapitalistische Stadtentwicklung und linksradikale Kampftraditionen.
https://www.ajourmag.ch/winterthur/
Der Gentrifizierung den Hahn zudrehen!
In der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch den 1. November haben wir bei der Firma Viadukt Apartments an der Josefstrasse 198 in Zürich den Wasseranschluss abgedreht und danach zubetoniert.
https://barrikade.info/article/6189
Wohnungsnot hat System – Pensionskasse BVK angegriffen
Wir haben in der Nacht auf den 2. November 2023 den Hauptsitz der grössten schweizerischen Pensionskasse – der BVK – an der Obstgartenstrasse 21 in Zürich eingefärbt.
Wohnungsnot hat System – Pensionskassen angreifen – Kapitalismus zerschlagen!
https://barrikade.info/article/6191
Friedliche Demonstrationen in Zürich zum Nahostkonflikt
Gleichzeitig haben am Donnerstag in Zürich zwei Kundgebungen zum Nahostkonflikt stattgefunden. Auf dem Münsterhof sprach sich Politprominenz gegen Antisemitismus aus. Auf dem Bürkliplatz rief die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) zum Frieden auf.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/friedliche-demonstrationen-in-zuerich-zum-nahostkonflikt?id=12482265
Droit à la ville et écologie : pourquoi luttons-nous aux côtés de l’association de la Valencienne ?
Communiqué de soutien à la Valencienne rédigé par Contre-Attaque & Autonomie, une organisation qui lutte pour une écologie anticapitaliste.
https://renverse.co/infos-locales/article/droit-a-la-ville-et-ecologie-pourquoi-luttons-nous-aux-cotes-de-l-association-4204
+++POLICE FR
Neues Polizeigesetz: Der Freiburger Staatsrat will künftig mehr Hilfsmittel wie Drohnen oder Körperkameras erlauben.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-bern-freiburg-wallis/kanton-bern-will-nicht-auf-kollektivunterkuenfte-verzichten?id=12482457 (ab 02:56)
+++RASSISMUS
50 Vorfälle in einem Monat: «Das macht uns grosse Sorgen»
Hakenkreuze und Hassbotschaften: SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner spricht über die zunehmenden Antisemitismus-Fälle in Zürich und der Schweiz.
https://www.20min.ch/story/50-antisemitismus-vorfaelle-in-einem-monat-das-macht-uns-grosse-sorgen-892918972858
-> https://www.20min.ch/story/achtung-juden-erneut-antisemitische-graffitis-in-zuerich-das-macht-uns-angst-462360468286
-> https://www.tachles.ch/artikel/news/antisemitische-schmierereien-0
-> https://www.nau.ch/ort/kusnacht-zh/kusnacht-zh-wird-mit-antisemitischen-zeichen-vollgespruht-66642511
-> https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/zunahme-antisemitischer-botschaften?urn=urn:srf:video:f58f1896-104f-4f32-a36d-f1bd74f17f37
-> https://www.zueritoday.ch/zuerich/stadt-zuerich/wieder-judenfeindliche-botschaften-in-zuerich-fluntern-polizei-ermittelt-154656896
+++HISTORY
»Das Sklavenschiff«: Die schwimmende Fabrik des Kapitalismus
Marcus Rediker schreibt die Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels von dort, wo er sich zum größten Teil abspielte – auf hoher See
Der transatlantische Sklavenhandel trieb den globalen Kapitalismus voran. Marcus Rediker rekonstruiert diese Geschichte in seinem Buch »Das Sklavenschiff«.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1177482.kolonialismus-das-sklavenschiff-die-schwimmende-fabrik-des-kapitalismus.html
Georg Elser und der Tyrannenmord («Passage»)
Am 8. November 1939 verübte der Schreiner Georg Elser in München ein Bombenattentat auf Adolf Hitler. Der Tyrannenmord scheiterte knapp. Diese Woche erscheint hier eine aktuelle Ausgabe der Sendung «Passage» anstelle der Zeitblende.
https://www.srf.ch/audio/zeitblende/georg-elser-und-der-tyrannenmord-passage?id=12481983
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tagesanzeiger.ch 03.11.2023
Demonstrationen in Zürich: «Wem gehört Zürich?»: Die lange Geschichte der Zürcher Wohnungsnot-Demos
Am Samstag findet in Zürich eine Grossdemo gegen die Wohnungskrise statt. Schon vor 100 Jahren wehrte sich die Zürcher Bevölkerung gegen den überhitzten Wohnungsmarkt – der Kampf hält seither an.
David Sarasin
Für diesen Samstag mobilisieren diverse Gruppierungen für eine grosse Wohndemo in Zürich. Sie fordern «Wohnraum für alle», «Kein Profit mit Boden und Miete!» und «Selbstbestimmte Stadtentwicklung!». Die Demonstration, die um 15 Uhr auf dem Turbinenplatz starten soll, reiht sich in eine lange Tradition von solchen Demonstrationen ein.
Wer in den Geschichtsbüchern blättert, kann leicht den Eindruck gewinnen, die Wohnungsnot habe die Zürcherinnen und Zürcher seit je beschäftigt. Der Historiker Thomas Stahl schreibt in seiner Dissertation zur Geschichte der Wohnbewegungen nach 1968 in Zürich lakonisch: «Abschliessend lässt sich feststellen, dass die Wohnungsnot in regelmässigen 10-Jahres-Zyklen (…) zum existenziellen Problem für breite Bevölkerungsschichten wurde.» Kein Wunder, hatte jede grosse soziale Bewegung, seien es die Globuskrawalle 1968, die Jugendunruhen Anfang der 80er oder die erste Street Parade Anfang der 90er-Jahre, die Wohnungsnot zum Thema. Ein kleiner Rückblick auf vergangene Proteste, der sich nicht zuletzt auf Stahels Dissertation stützt.
1919: Der Landesstreik
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Der Landesstreik vom Jahr 1919 hatte die Wohnungsnot nicht explizit zum Thema gemacht. Doch nachdem 250’000 Arbeitstätige während zweier Tage im November 1919 die Arbeit niederlegten und die Schweiz kurz vor einem Bürgerkrieg stand, kamen zahlreiche Reformen, die auch die Wohnbaupolitik betrafen, ins Rollen. Die Stadt Zürich verkaufte grosse Mengen Land an damals neu gegründete Genossenschaften. Neun Jahre später erhielt die Stadt Zürich mit Emil Klöti ihren ersten sozialdemokratischen Stadtpräsidenten sowie zwischen 1928 und 1938 eine linke Mehrheit in der Regierung. In den Jahren des Roten Zürich forcierte die Stadt den städtischen Wohnungsbau.
1932: Der Mieterstreik
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Die Wohnungsnot blieb auch in den Jahren des Roten Zürich bestehen. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise stiegen sowohl die Arbeitslosigkeit als auch die Baukosten. Die Mieten hatten sich seit Ende des Ersten Weltkrieges mehr als verdoppelt, die Löhne sanken. Die Bewohnerschaft von rund drei Dutzend Häusern schloss sich im Zuge dieser Krise zum «Mieter-Aktionskomitee» zusammen. Dessen Methode war einfach: Keine Mieten mehr bezahlen. Der «Kämpfer», das Blatt der Kommunistischen Partei, rief zum Mietstreik auf. Rund 500 Personen folgten dem Aufruf. Nach Querelen in der KP kam der Mietstreik zum Erliegen. Die Politik war sich danach einig, dass sie etwas gegen die stark gestiegenen Mietpreise unternehmen musste.
1952: Die Wohnungsnot unter Arbeiterinnen und Arbeitern
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Nach 1950 waren die Wohnungen in der Stadt Zürich knapp. Zwar wurden in dieser Zeit viele Wohnungen gebaut, doch die Stadtbevölkerung wuchs proportional stärker. Im Zeitraum von 1956 bis 1970 waren in Zürich im jeweiligen Jahresdurchschnitt nur 34 (!) Wohnungen frei, der Leerwohnungsbestand lag nie über 0,2 Prozent. Man kann diesen Missstand etwa an der 1.-Mai-Demonstration im Jahr 1952 sehen. Auf einem der Transparente war zu lesen: «Die Wohnungsnot ist unserer Demokratie unwürdig». Eine vernetzte Wohnungsnot-Bewegung gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Sie entstand erst Anfang der 80er-Jahre.
1971: Die erste Besetzung in Zürich
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Auch die erste Besetzung der Stadt war eine viel beachtete Protestnote gegen die «Wohnraumzerstörung» durch «Spekulanten». An der Venedigstrasse besetzten junge Menschen drei Jahre nach den Globuskrawallen von 1968 sieben Wohnhäuser. Die zu dieser Zeit angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt entspannte sich erst im Zuge der Ölkrise im Jahr 1973 wieder, weil ein Teil der ausländischen Bevölkerung aufgrund der darauf einsetzenden Rezession Zürich verlassen musste. Doch bereits Ende 1979 lag der Leerwohnungsbestand wieder unter 0,05 Prozent.
1981: Die Wohnbewegung formiert sich
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Wohnungsnot war nur eines von vielen Themen der 80er-Bewegung, die im Mai 1980 mit der als Opernhauskrawall bekannt gewordenen Strassenschlacht national Bekanntheit erlangte. Im Zuge der Ereignisse formierte sich eine immer breiter werdende Bewegung, die vor allen Dingen aufgrund von fehlenden oder zu teuren Wohnungen und Freiräumen auf die Strasse ging. Mit Hunderten Aktionen, Demonstrationen und Besetzungen machte die vernetzte Bewegung während mehr als zehn Jahren von sich reden. «Sie war Impulsgeberin für Initiativen und Veränderungen in der Stadt, die bis heute nachwirken», sagt der Historiker Thomas Stahel. Auch das rot-grüne Zürich habe seinen Anfang in den 80er-Jahren gehabt.
1989: Die Zeit der Grossdemonstrationen
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Ende der Achtziger war der Zürcher Wohnungsmarkt erneut ausgetrocknet. Die Situation betraf mittlerweile nicht mehr nur ärmere und jüngere Menschen, sondern auch den Mittelstand. Dies zeigt eine Reportage der «Schweizer Illustrierten» aus Zürich von 1989, in der eine 44-jährige Direktionsassistentin von ihrer Wohnungssuche berichtet. Täglich durchwühlt sie den Wohnungsanzeiger, führt Dutzende Telefongespräche. «Ich kann es nicht verstehen: Ich lebe in geordneten Verhältnissen (…), habe einen einwandfreien Leumund und wurde nie betrieben», sagt sie in der Zeitschrift. 1989 fanden in Zürich zahlreiche Grossdemonstrationen statt, die auch von linken Parteien abgestützte Massenbewegung zeigte sich in diesem Jahr sehr aktionsfreudig. Die Stadt verstärkte ihre Anstrengungen, den kommunalen Wohnungsbau zu fördern.
1991: An der «Bäcki» entzündet sich der Streit
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Im Zuge der Besetzung zweier Häuser in der Bäckerstrasse 51 und 55 kam es in ganz Zürich zu zahlreichen Demonstrationen und Strassenaktionen, die sich wiederum gegen den spekulativen Hauskauf stemmten. Die Bewegung war zu diesem Zeitpunkt noch immer vernetzt und wurde durch zahlreiche kleinere oder mittelgrosse Organisationen sowie die linken Parteien getragen.
2013: Grösste Demo des neuen Jahrtausends
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Eine der wenigen Grossdemos der vergangenen 20 Jahre fand unter dem Titel «Wem gehört Zürich?» statt. Ende Oktober 2013 zogen rund 3000 Personen von der Rathausbrücke bis zum Brupbacherplatz. Die zentralen Forderungen: Bezahlbaren (Wohn-)Raum für alle, auch fürs Gewerbe und die Kultur. Einen wirksamen Mieterschutz. Gegen Verdrängung und gegen eine Stadt der Kapitalinteressen.
2023: Demo nach der Räumung des Koch-Areals
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Ausserdem gab es in Zürich durch die Jahre hindurch Dutzende immer wieder aufkeimende unbewilligte, teils gewalttätige Demonstrationen, die ebenfalls im Zeichen der Wohnungsnot standen. Die jüngste zog im Nachgang der Schliessung des Koch-Areals durch Zürichs Strassen. Demonstrierende demolierten dabei zahlreiche Geschäfte.
Der Historiker Thomas Stahel hat die Zürcher Wohnungsbewegungen beobachtet und deren Aktivitäten dokumentiert. Sein erstaunlicher Befund: «Insgesamt nahm in den 2000ern das Engagement der Zürcherinnen und Zürcher auf der Strasse ab.» Dies, obwohl die Wohnungssituation heute mindestens so prekär sei wie in den 80er-Jahren, sagt er. Eine abschliessende Erklärung für dieses Phänomen hat Stahel noch nicht. Er spekuliert: «Viele Haushalte – mit zum Beispiel Google-Angestellten – können sich eine Miete von 3500 Franken oder mehr anscheinend problemlos leisten, während sozial Schwache die Stadt verlassen mussten. Soziale Bewegungen laufen zudem immer in Wellen.»
(https://www.tagesanzeiger.ch/demonstrationen-in-zuerich-wem-gehoert-zuerich-die-lange-geschichte-der-zuercher-wohnungsnot-demos-970874320717)