Medienspiegel 19. Oktober 2023

Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/

++++GRAUBÜNDEN
Sechs Geflüchtete studieren an der Fachhochschule in Chur
Ein neues Brückenangebot ermöglicht es Geflüchteten, an der Fachhochschule Graubünden zu studieren. Diesen Herbst starteten sechs Flüchtlinge aus der Türkei und der Ukraine in einen Bachelorstudiengang. Sie besuchen dazu parallel einen akademischen Deutschkurs oder ein Modul in Mathematik.
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-ostschweiz/sechs-gefluechtete-studieren-an-der-fachhochschule-in-chur?id=12474540
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-graubuenden/fachhochschule-will-fluechtlingen-zugang-zu-studium-erleichtern?id=12474675
-> https://www.suedostschweiz.ch/sendungen/rondo-news/rondo-news-19-10-23


+++THURGAU
Integration durch Job – Simon Abdella aus Eritrea arbeitet in Arbon als Gipser
Fernab der Heimat eine Ausbildung zu machen und einen Job zu finden, ist gerade ohne Sprachkenntnisse nicht einfach. Gelungen ist es dem Eritreer Simon Abdella, der in Arbon als Gipser arbeitet. So erfolgreich sind jedoch nicht alle Geflüchteten. Wie es im Thurgau um die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt steht.
https://www.tvo-online.ch/aktuell/integration-durch-job-simon-abdella-aus-eritrea-arbeitet-in-arbon-als-gipser-154293182


+++SCHWEIZ
Schweiz plant zurzeit keine strikten Grenzkontrollen zu Italien
Aktuell will die Schweiz keine strikten Kontrollen an der Grenze zu Italien einzuführen. Das sagte Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider am Donnerstag am Rande des EU-Innenministertreffens in Luxemburg.
https://www.watson.ch/international/schweiz/483360705-schweiz-plant-zurzeit-keine-strikten-grenzkontrollen-zu-italien
-> https://www.blick.ch/politik/anders-als-deutschland-baume-schneider-will-keine-strikten-grenzkontrollen-id19055816.html


Bundesrätin Baume-Schneider am Justiz- und Innenministertreffen in Luxemburg
Bern, 19.10.2023 – Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hat am 19. Oktober 2023 am Treffen der Justiz- und Innenminister (JI-Rat) der Schengen-Staaten in Luxemburg teilgenommen. Im Zentrum der Gespräche standen die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Migration, insbesondere die Schlepperkriminalität, und die Auswirkungen der Situation im Nahen Osten auf die innere Sicherheit. Mit der deutschen Innenministerin Nancy Faeser tauschte sich die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) zudem über die Bekämpfung der Schlepperkriminalität an der gemeinsamen Grenze aus.
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-98293.html


+++MITTELMEER
EU-Agentur kritisiert Verfolgung von Seenotrettern
Staaten leiteten in sieben Jahren über 63 Verwaltungs- oder Strafverfahren ein
Die EU-Grundrechteagentur kritisiert nationale Behörden und Gerichte für die Festsetzung von privaten Rettungsschiffen. Repressalien erfolgen in Deutschland, Italien, Malta, den Niederlanden und Spanien.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1177153.repressalien-auch-in-deutschland-eu-agentur-kritisiert-verfolgung-von-seenotrettern.html


+++FREIRÄUME
hauptstadt.be 19.10.2023

Vom Gemeinschaftshaus zum Start-up?

Das Kirchgemeindehaus Johannes im Breitenrain soll neu genutzt werden. Eine Gruppe von Aktivist*innen bewirbt sich. Doch bei der Neunutzung geht es nicht nur um Ideale, sondern auch um Geld.

Von Simon Boschi (Bilder) und Lea Sidler (Text)

Kirchenräume werden oft für wenig oder kein Geld zur Verfügung gestellt: Sei es für Chöre oder örtliche Theatergruppen. Das galt bis anhin auch für das Kirchgemeindehaus Johannes im Breitenrain Quartier. Die Kirchgemeinde stellte ihre Räume unter anderem dem Klimastreik zur Verfügung, gar nationale Treffen fanden hier statt. Aber das wird sich bald ändern.

Im März haben die Kirchgemeinden Johannes und Markus einer Fusion zugestimmt. Der Grund dafür: Die beiden Kirchen im Breitenrain verlieren Mitglieder. Ab 2025 wird die fusionierte Kirchgemeinde in die Markuskirche einziehen, die bis dahin aufwändig umgebaut wird. Kirche und Kirchgemeindehaus Johannes werden aufgegeben und neuen Nutzer*innen geöffnet. Damit hat ein heikler Prozess begonnen.

Interne Immobilienfirma

Dazu muss man wissen: Die Kirchgemeindeversammlung Johannes musste zunächst der Entwidmung des Johannes-Ensemble zustimmen. Das heisst, dass die kirchlichen Gebäude ihren öffentlichen Auftrag verlieren. Sie werden zu Liegenschaften, mit denen die Kirche Geld einnehmen kann. Dafür ist die kircheninterne Immobiliengesellschaft RefBernImmo AG (RBI) zuständig.

Die RBI kann an private, gewerbliche oder staatliche Nutzer*innen vermieten oder verkaufen. Häufig überträgt sie die Liegenschaften im Baurecht: Der Boden gehört dann weiterhin der Gesamtkirchgemeinde Bern, und die Liegenschaft geht nach einer vertraglich festgelegten Zeit wieder an die Kirche zurück. Bei der Auswahl der neuen Nutzer*innen muss die RBI ethische Grundsätze einhalten: Glücksspiele etwa dürften in den Liegenschaften nicht stattfinden. Orientieren soll sie sich dabei an marktüblichen Preisen.

Sozial oder marktüblich?

Jetzt sucht die RBI also eine neue Nutzerin für das Kirchenensemble Johannes. Dadurch befindet sie sich in einem Spannungsfeld: Ihr gewinnorientierter Auftrag steht zuweilen im Widerspruch zu sozialen Nutzungsformen, die finanziell nicht lukrativ sind – aber kirchliche Werte besser repräsentieren.

So zum Beispiel ein Projekt, von dem bereits bekannt ist, dass es  sich mit einer sozialen Idee für die Nutzung des Kirchgemeindehauses bewirbt: Der Verein «Das Haus der Bewegungen». Er will aus dem Kirchgemeindehaus «einen Ort des sozialen Wandels» machen. Verschiedene Gruppen, die sich für sozialpolitische Anliegen einsetzen, sollen im Kirchgemeindehaus einen Raum bekommen und sich vernetzen.

Aktivist*innen im Kirchgemeindehaus?

Célia Doloir und Hannah-Milena Elias verwenden viel Zeit dafür, dass das «Haus der Bewegungen» realisiert werden kann. Sie sind gemeinsam mit anderen Mitgliedern für die Koordination der verschiedenen Gruppen und die Medienarbeit des Vereins zuständig.

Entstanden sei die Idee, als Klimaaktivist*innen erfuhren, dass das Kirchgemeindehaus aufgegeben wird und deshalb nicht mehr für aktivistische Anliegen zur Verfügung stehen könnte. Gemeinsam mit Mitgliedern der Kirchgemeinde, des feministischen Streiks, und weiteren engagierten Personen, entschieden sie, einen Verein zu gründen, der dem Aktivismus einen festen Ort ermöglicht.

Bisher ist der Verein mit 60 möglichen Partner*innen in Kontakt, die daran interessiert sind, im «Haus der Bewegungen» mitzuwirken. Das Spektrum ist breit, es gehören etablierte Akteur*innen wie Radio RaBe oder die Klima-Allianz Schweiz sowie das «Theater und Tanzhaus für Kinder und Jugendliche» dazu. «Grössere Projekte könnten die kleineren unterstützen», meint Doloir.

Das Haus der Bewegungen ist ein Non-Profit Projekt. Und damit wohl kein optimaler Nachfolger aus Sicht der RBI, denn die Zahlungskraft könnte bei gewinnorientierten Nutzer*innen höher ausfallen. Das ist auch Doloir und Elias bewusst. Aufgeben wollen die beiden aber nicht. Und auch Mitglieder der reformierten Kirche Bern stehen positiv zum «Haus der Bewegungen».

Uneinigkeit über die Identität der Kirche

Das zeigte sich an der Sitzung der Gesamtkirchgemeinde Bern Mitte September. Als die Entwidmung des Johannes-Ensemble beschlossen wird, ergreift unter anderem Elisabeth Gerber, Pfarrerin in Bethlehem, das Wort: Sie bedauere den gewinnorientierten Umgang mit kirchlichen Gebäuden. Und sie wünsche sich, dass nicht nur marktwirtschaftlich entschieden werde. Wie auch andere Kirchenratsmitglieder befürchtet sie eine Entfernung von kirchlichen Werten. Besagte Mitglieder sprechen sich während der Sitzung deshalb für das «Haus der Bewegungen» als Nachfolgerin aus. Da es sich für Anliegen engagiere, die im Grunde tief kirchlich seien.

Die Bedürfnisse, die an der Sitzung geäussert werden, sind nicht neu. Johannes Stückelberger, Dozent für Religions- und Kirchenästhetik an der Universität Bern, schreibt in einer Hilfestellung zu Umnutzungen: Für die Kirchgemeinde sei es jeweils von Bedeutung, was mit den Gebäuden geschehe, wenn sie nicht mehr kirchlich genutzt würden. Denn sie seien nach wie vor wichtig für die Identität der Kirche. Ausserdem würden die Gebäude auch unabhängig von Religion als Orte der Öffentlichkeit wahrgenommen. Gewerbliche und vor allem private Nutzungen sollte man laut Stückelberger deshalb eher vermeiden.

Die RBI nimmt die skeptischen Äusserungen an der Sitzung zur Kenntnis. Garantieren könnten sie aber nichts, so der Sprecher der RBI. Ihr Auftrag laute schliesslich, Gewinn zu erzielen.

Und wie sieht das die Verwaltung der Gesamtkirchgemeinde? Auf Anfrage erklärt Carmen Hess, Mediensprecherin der reformierten Kirche Bern, die Situation so: Für sie drohen weniger kirchliche Werte als die praktische Arbeit der Kirche verloren zu gehen. Sie betont, die Kirche müsse sparen, um genügend Mittel für die kirchliche Arbeit freispielen zu können, zu der etwa die Alterspflege gehöre. So gesehen könne es Sinn machen, dass zum Beispiel ein Start-Up in einem ehemals kirchlichen Gebäude unterkomme.

Die Kirche in Finanznot

Das Johannesensemble ist kein Einzelfall: Kirchgemeinden, die fusionieren und ihre Gebäude aufgegeben und umnutzen, sind Teil einer Entwicklung in der reformierten Kirche in Bern. Der Mitgliederverlust bedeutet auch einen Rückgang der Einnahmen aus Kirchensteuern.

2014 hat die Gesamtkirchgemeinde Bern, zu der die zwölf reformierten Kirchgemeinden der Stadt gehören, deshalb entschieden, ihre Liegenschaftskosten einzudämmen. Verschiedene Liegenschaften werden von der RBI vermietet, seltener verkauft oder abgerissen.

Die RBI hat bisher unterschiedliche Nutzer*innen von entwidmeten Gebäuden ausgewählt. Im Steigerhubel zum Beispiel hat sie das Kirchgemeindehaus an die Stadt vermietet, die es für die Volksschule nutzt. Das Pfarrhaus wiederum wurde abgerissen. Auf dem Grundstück befindet sich ein Neubau mit Mietwohnungen.

Das «Haus der Bewegungen» wird als ein soziales Projekt im Bewerbungsverfahren voraussichtlich mit gewerblichen oder privaten Bewerber*innen konkurrieren müssen. Vorläufig hofft der Verein deshalb auf die soziale Ader der Kirche. Die RBI trifft ihre Entscheidung wohl erst 2024. Sie wird Quartier und Kirche prägen.
(https://www.hauptstadt.be/a/vom-gemeinschaftshaus-zum-start-up)


+++GASSE
Kleinbasler Drogenproblematik: Der 5-Punkte-Plan der Junkies
Wer eine offene Drogenszene verhindern will, fragt am besten die Süchtigen, was es braucht, damit sie in den dafür vorgesehenen Einrichtungen konsumieren. Bajour hat mit mehreren Drogenkonsument*innen gesprochen. Das sind ihre fünf konkreten Vorschläge, was sich ändern muss.
https://bajour.ch/a/clnvxme4312279442sg1w1plx664/was-die-suechtigen-sagen


Treffpunkt der Randständigen: Auf dem Bahnhofsplatz soll Ruhe einkehren
Der Grosse Rat will, dass die Sozialarbeit verstärkt und die Wartesituation für Busreisende auf dem Basler Centralbahnplatz verbessert wird.
https://www.bazonline.ch/treffpunkt-der-randstaendigen-auf-dem-bahnhofsplatz-soll-ruhe-einkehren-159641862496


+++DEMO/AKTION/REPRESSION
Schweizer Städte verhängen Demoverbote – Rendez-vous
Mehrere Städte in der Schweiz haben beschlossen, am Wochenende keine Kundgebungen zuzulassen. Staatsrechtlerinnen und Staatsrechtler sind allerdings skeptisch, ob das Recht auf Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit tatsächlich einfach eingeschränkt werden darf.
https://www.srf.ch/audio/rendez-vous/schweizer-staedte-verhaengen-demoverbote?partId=12474555
-> https://www.20min.ch/story/staatsrechtler-kritisieren-demo-verbot-in-schweizer-staedten-551916598262?version=1697690273268
-> https://www.blick.ch/meinung/kommentar-zum-demo-verbot-in-verschiedenen-schweizer-staedten-dieses-spiel-sollten-wir-nicht-spielen-id19057426.html
-> https://telebasel.ch/sendungen/punkt6/211744
-> Schweiz Aktuell: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/basel-demonstrationsverbot-in-der-kritik?urn=urn:srf:video:f8e042f4-3dfa-4e3e-a7da-5c63e9de5c59
-> Tagesschau: https://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/angriff-auf-israel-staatsrechtler-kritisieren-demo-verbot?urn=urn:srf:video:40cc0526-77c5-4296-be60-948751e38bb2
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/dieses-wochenende-herrscht-demoverbot-in-bern-154293597
-> https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-basel-baselland/swiss-indoors-ohne-weltnummer-zwei-dafuer-mit-baselbieter?id=12474345 (ab 02:36)
-> https://www.tachles.ch/artikel/news/alle-kundgebungen-abgesagt
-> https://www.nau.ch/politik/regional/demo-verbote-in-drei-stadten-sicherheit-geht-vor-finden-politiker-66632753
-> https://www.baseljetzt.ch/ist-es-rechtlich-ueberhaupt-moeglich-alle-demos-zu-verbieten/135876
-> https://www.baseljetzt.ch/stephanie-eymann-trotzdem-zu-demonstrieren-waere-unsolidarisch/135956
-> https://www.baseljetzt.ch/kantonspolizei-begruendet-das-demonstrationsverbot-vom-wochenende/135933


SH:
Krieg in Nahost: Stadt Schaffhausen verzichtet auf ein generelles Demo-Verbot (ab 04:20)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/smargo-kleintransporter-sind-in-zuerich-und-schaffhausen-gefragt?id=12474378


BS:
Demoverbot wirft Fragen auf
Am kommenden Wochenende dürfen in Basel keine Demonstrationen stattfinden. Am Donnerstag liefert die Polizei genauere Gründe zu ihrem Entscheid. Damit geben sich nicht alle zufrieden.
https://bajour.ch/a/clnxluwv35238822sf4vnniuc6e/demoverbot-wirft-fragen-auf


Keine Bewilligung: Verbotene Pro-Palästina-Demo zog durch Basel
Am Donnerstagabend zogen rund 600 Befürworter eines freien Palästina durch Basel. Die Kundgebung blieb friedlich, die Polizei griff trotz fehlender Bewilligung nicht ein.
https://www.20min.ch/story/trotze-verbot-pro-palaestina-demo-zog-durch-basel-225451217914
-> https://twitter.com/RaimondLueppken
-> https://www.blick.ch/ausland/hamas-ruft-weltweit-zu-protesten-auf-kommt-es-heute-zu-gewalt-demos-auf-den-strassen-id19036615.html
-> https://www.baseljetzt.ch/blaulicht-meldungen-aus-der-region-basel/3345
-> https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/blaulicht-region-basel-rund-500-palaestina-sympathisanten-demonstrieren-friedlich-im-kleinbasel-80-jaehriger-kriegt-schlag-ins-gesicht-ld.2524190
-> https://www.bazonline.ch/unbewilligte-demo-am-mittwoch-palaestina-sympathisanten-demonstrieren-auf-dem-marktplatz-508155804542
-> https://www.bazonline.ch/newsticker-region-basel-297230329650



bzbasel.ch 19.10.2023

Die Sicherheitslage hat sich verschärft: Jetzt gibt Polizei Details zum Basler Demoverbot bekannt

Das Demonstrationsverbot und Kundgebungen, denen die Bewilligung entzogen wurden in Basel, Bern und Zürich, sorgen für Kritik. Brisant: Die Sicherheitslage hat sich verschärft und die Polizei könne den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Falle gewalttätiger Ausschreitungen nicht gewährleisten, sagt sie.

Nora Bader

Der Kantonspolizei Basel-Stadt steht ein heikles Wochenende bevor. Trotz vom Kanton am Mittwoch verhängten Demonstrationsverbot von Freitag um 17 Uhr bis Sonntag um 24 Uhr haben mittlerweile auf den sozialen Medien sowohl «Mass-Voll»-Präsident Nicolas Rimoldi als auch am Donnerstag «Basel Nazifrei» angekündigt, dennoch am Samstag auf die Strasse zu gehen.

Während Staatsrechtler schweizweit das Demonstrationsverbot vom Wochenende kritisieren, begründet nun die Kantonspolizei Basel-Stadt den Entscheid. Vorab: Sie halte das Grundrecht der freien Meinungsäusserung und dessen Ausübung für ein unumstössliches Grundrecht, das in seinem Kerngehalt nicht verletzt werden dürfe.

Aber: «Aufgrund der Gewalteskalationen in den Nachbarländern vor dem Hintergrund der politischen Gesamtlage im Nahen Osten sowie der aufgeheizten Stimmung innerhalb der betroffenen Bevölkerungsgruppen und deren Sympathisantinnen und Sympathisanten im In- und Ausland hat sich die Sicherheitslage im Kanton verschärft», stellt die Kantonspolizei klar. Und verweist auf die Ankündigung der Hisbollah eines «Tags des beispiellosen Zorns» vom 18. Oktober.

Aufrufe von gewaltbereiten und gewaltbefürwortenden Gruppierungen

Die Kantonspolizei stelle derzeit vermehrt Aufrufe von gewaltbereiten und gewaltbefürwortenden Gruppierungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Lage im Nahen Osten, fest. Die Wahrscheinlichkeit für Personen- und Sachschäden während Kundgebungen, Mahnwachen und Standkundgebungen sei zurzeit sehr hoch.

Deshalb sei das Risiko für Veranstaltende, Demonstrationsteilnehmende, Passantinnen und Passanten, Polizeiangehörige und Rettungskräfte immens, so die Kantonspolizei. Man rechne damit, dass aktuell auch Kundgebungen ohne direkten Bezug zur Lage im Nahen Osten Personengruppen anziehen könnte, welche diese Plattform anschliessend nutzen, um trotzdem zu demonstrieren.

Die Sicherheitslage verschärfe sich damit wiederum. Und: «Konfrontationen, wie sie aktuell als realistisch erachtet werden, haben immer zur Folge, dass die Polizeikräfte in eine Sandwich-Situation versetzt werden, sich Gewalttätigkeiten auch gegen die Sicherheitskräfte richten und die Polizei dadurch nicht mehr in der Lage sein wird, ihrer Aufgabe nachzukommen». Die Polizei spricht von einer «veränderten sicherheitsrelevanten Lageeinschätzung» und geht von einer «konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Umfeld von Kundgebungen, Mahnwachen und Standkundgebungen durch Ausschreitungen» am kommenden Wochenende aus.

Grundrechte unbeteiligter Dritter müssen auch geschützt werden

Natürlich halte die Kantonspolizei bei ihrem Tun die Gesetze ein, so auch die in Bundesverfassung und Völkerrecht verankerten Grundrechte, wie die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit beziehungsweise die Demonstrationsfreiheit. Es gelte aber auch, die Grundrechte unbeteiligter Dritter, beispielsweise die Bewegungsfreiheit, zu schützen.

Die Polizei verweist auf einen Bundesgerichtsentscheid, nach dem die Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht bedeute, dass die Abhaltung einer Kundgebung und die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges in absoluter Weise zu garantieren sei beziehungsweise in absoluter Weise garantiert werden könne.

Weiter hält die Kantonspolizei fest, dass «die Mittel für die Gewährung eines entsprechenden Schutzes vielmehr begrenzt und deren effizienter Einsatz im Einzelfall von einer Vielzahl von konkreten Umständen abhängig» sei. «Bei der Beurteilung, welche Mittel eingesetzt werden können und was rein tatsächlich in einer gegebenen Situation (noch) garantiert werden kann, kommt nach Ansicht des Bundesgerichts den Behörden ein weiter Spielraum zu», begründet die Kantonspolizei.

Lageeinschätzung wird laufend vorgenommen

Und weiter: «Ein milderes Mittel als die Verhinderung einer Kundgebung, Mahnwache oder Standkundgebung, beispielsweise in der Form von Auflagen an die Veranstaltenden, ist vorliegend nicht geeignet, die konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beziehungsweise die Gefährdung der Kundgebungsteilnehmenden, Passantinnen und Passanten, Polizeiangehörigen und Rettungskräfte zu beseitigen». Jedoch würde laufend eine Lageeinschätzung vorgenommen.

Das Polizeigesetz verpflichte zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung. Aufgrund der dargelegten aktuellen Situation und der damit verbunden gesamtheitlichen sicherheitsrelevanten Lagebeurteilung könne der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Polizei im Falle von gewalttätigen Ausschreitungen anlässlich von Kundgebungen, Mahnwachen oder Standkundgebungen nicht gewährleistet werden. Deshalb das zeitlich begrenzte Demonstrationsverbot. Einem allfälligen Rekurs gegen diese Polizeivorschriften wird die aufschiebende Wirkung entzogen.
(https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/aufrufe-zu-gewalt-die-sicherheitslage-hat-sich-verschaerft-jetzt-gibt-polizei-details-zum-basler-demoverbot-bekannt-ld.2529988)



ZH:
Trotz Verbot: Palästina Komitee Zürich ruft zu «Spontandemo ohne Bewilligung» auf
Dies schreibt das Komitee auf Instagram. Die Kundgebung soll am Freitag um 18 Uhr auf dem Helvetiaplatz stattfinden.
https://www.zueritoday.ch/zuerich/palaestina-komitee-ruft-zu-spontandemo-ohne-bewilligung-auf-145130875?autoplay=true&mainAssetId=Asset:154138043


„Trotz Demoverbote, oder vielleicht auch gerade deswegen, gibt es morgen Freitag auch in Bern und Zürich Aufrufe zu Palästina Solidemos. In Bern bereits um 10 Uhr auf dem Bundesplatz. In Zürich vom
@PKZuerich um 18 Uhr auf dem NiUnaMenos (ehem. Helvetia-) Platz #FreePalestine“
(https://twitter.com/gegen_oben/status/1715112990339367243)


CH:
Die Schweiz und der Nahostkonflikt: Grosse Nervosität in der Deutschschweiz – Romandie bleibt gelassener
Evakuierung des Bundeshauses, Räumung am Flughafen Basel, Demoverbote: Die Deutschschweizer Behörden sind angespannt. In Lausanne dürfen Tausende auf die Strasse gehen, und auch Genf sieht keinen Grund zu Besorgnis.
https://www.derbund.ch/schweiz-nervositaet-in-der-deutschschweiz-wegen-israel-krieg-816452618974


+++RASSISMUS
Antisemitismus nimmt in der Schweiz zu – aber anders als in Deutschland
Die Terrorangriffe der Hamas und der Konflikt mit Israel haben auch in der Schweiz Konsequenzen. Der Judenhass nimmt zu. Beim Dachverband der jüdischen Gemeinden ist man besorgt, was bei einer weiteren Eskalation passieren könnte.
https://www.watson.ch/schweiz/israel/401627314-antisemitismus-nimmt-in-der-schweiz-zu-aber-anders-als-in-deutschland


Nimmt der Judenhass zu?
Schürt der Gaza-Israel-Krieg den Hass auf Juden in der Schweiz? Die jüdischen Gemeinden in der Schweiz stellen klar mehr Vorfälle fest. Schmierereien, Mails und Briefe mit übelsten antisemitischen Beschimpfungen. Die Furcht vor weiteren Eskalationen steigt. Warum triggert der schreckliche Krieg im Nahen Osten antisemitische Ressentiments? Sind die Juden in der Schweiz noch sicher oder ist alles nur Panikmache? Antworten heute live im «TalkTäglich».
https://tv.telezueri.ch/talktaeglich/nimmt-der-judenhass-zu-153744638


+++RECHTSPOPULISMUS
«Das ist primitiv»: Köppel kritisiert Glarner und widerspricht eigener Partei
Die SVP unterstützt ihren Nationalrat Andreas Glarner in seinem inzwischen verbotenen KI-Post voll. Der zurückgetretene SVP-Nationalrat Roger Köppel tanzt aus der Reihe. In seiner Sendung bezeichnet er die Aktion als billig und primitiv.
https://www.baerntoday.ch/schweiz/koeppel-kritisiert-glarner-und-widerspricht-eigener-partei-154282187?autoplay=true&mainAssetId=Asset:154284566


+++RECHTSEXTREMISMUS
Nazi-Symbole: Verbot oder Endlosschlaufe?
Der Streit um ein Schweizer Verbot von Nazi-Symbolen ist ein Trauerspiel.
https://www.tachles.ch/artikel/news/nazi-symbole-verbot-oder-endlosschlaufe


+++FUNDIS
Hamas-Financier Katar: Express-Verkauf Bürgenstock?
Rätselraten ums Abstossen des Nobelhotels zusammen mit Berner Schweizerhof und Lausanner Savoy: Scheichs schweigen zu Kaufofferte.
https://insideparadeplatz.ch/2023/10/19/hamas-financier-katar-express-verkauf-buergenstock/
-> https://www.zentralplus.ch/tourismus/erneut-geruechte-um-buergenstock-verkauf-2589248/


Kritik an der Solothurner Staatsanwaltschaft: diese schaue bei der umstrittenen Kirschblütengemeinschaft zu wenig genau hin (ab 01:07)
https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/aare-wird-immer-sauberer-den-tieren-hilft-s-bis-jetzt-kaum?id=12474696
-> https://www.telem1.ch/aktuell/aufsichtsbeschwerde-solothurner-justiz-soll-bei-kirschbluetler-therapeuten-besser-kontrollieren-154293014
-> https://www.telebaern.tv/telebaern-news/aufsichtsbeschwerde-solothurner-justiz-soll-bei-kirschbluetler-therapeuten-besser-kontrollieren-154293654
-> https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/grenzueberschreitung-aufsichtsbeschwerde-solothurner-justiz-soll-bei-kirschbluetler-therapeuten-besser-kontrollieren-ld.2530279


+++VERSCHWÖRUNGSIDEOLOGIEN
derbund.ch 19.10.2023

Unmut in Langnau und Kirchberg: Massnahmenkritiker warnen bis zum Überdruss

Sie sind gegen Impfen, 5G und vieles mehr. Das tut eine Gruppe in zwei Dörfern regelmässig kund – und strapaziert damit die Geduld von Einwohnern und Behörden.

Susanne Graf, Dölf Barben, Beat Mathys(Fotos)

Mittwochabend in Langnau: Um 19 Uhr versammeln sich ein paar Leute vor dem Bahnhofgebäude. Sie schwatzen, warten und scheinen sich auf ein gemeinsames Erlebnis zu freuen. Ab und zu stösst noch jemand dazu und wird mit kurzen Umarmungen begrüsst.

Auf einmal löst sich eine Frau aus der Gruppe, tritt an den Rand der Strasse und schreibt mit farbiger Kreide etwas auf den Boden. Als sich ein Bus nähert, tritt sie zurück, dann fährt sie fort.

Um 19.30 Uhr ist die gemischte Truppe auf gut 20 junge und ältere Frauen und Männer angewachsen. Sie setzen sich in Bewegung. Nach wenigen Metern schreibt jemand auf den Boden: «WHO + Kesb ins Klo».

«Wir schreiben die Wahrheit», ruft ein Mann in Richtung des Fotografen und der Journalistin, die das allwöchentlich stattfindende Schauspiel beobachten. «Wenn die Medien die Wahrheit nicht schreiben, müssen wir sie halt auf den Boden schreiben», fügt er hinzu.

Der Tross schlägt für einmal nicht den Weg Richtung Dorfzentrum ein, sondern strebt der Bernstrasse und danach dem Ilfiskreisel zu. Sein Ziel ist ein Gebäude, in dem das Lokalradio Neo1 eingemietet ist. Der Sender habe schlecht recherchiert, als er über sie berichtete. Deshalb die von der Gewohnheit abweichende Routenänderung.

Immer wieder bleibt jemand im Halbdunkel stehen und kritzelt Botschaften auf den Asphalt. Links und rechts der Hauptstrasse sieht man, wie sich gebückte Erwachsene mit Kreiden, die Kinder gerne benutzen, zu schaffen machen.

«Selber denken», «Serafe nicht bezahlen», «keine Bargeldabschaffung», «die Gedanken sind frei» oder «Impfung – Menschenversuch?!» säumen nun den Strassenrand.

Vor dem Neo1-Gebäude schreibt ein jüngerer Mann: «Neo1 – besser recherchieren» aufs Trottoir. «Das ist nicht beleidigend», sagt er zu sich selbst, «das ist belehrend.» Die Gruppe ist offensichtlich bemüht, sich nichts Strafbares ankreiden zu lassen. Und gegen ein «Berset lügt» auf einem Langnauer Trottoir dürfte der Gesundheitsminister ja kaum vorgehen.

Seit bald zwei Jahren

Doch welche «mediale Lüge» hat der Emmentaler Lokalsender verbreitet? Dass die Gruppe seit etwa einem Jahr Kreidebotschaften hinterlasse. «Das machen wir erst seit rund sieben Wochen», korrigiert der erwähnte junge Mann.

Vorher zeugten Flyer in den Briefkästen oder Kleber an verschiedenen Stangen vom Dorfrundgang der Schar, die sich zu allerlei Warnungen berufen fühlt. Seit November 2021 seien sie jeden Mittwochabend in Langnau unterwegs, sagt der Mann, der wie der Anführer wirkt.

Seinen Namen gibt er nicht bekannt. «Weil die Medien sowieso alles verhunzen und verdrehen.» In der ganzen Schweiz seien es rund 100 Personen, die wie er an verschiedenen Orten derlei Aktionen durchführten. Man hört denn auch verschiedene Dialekte. Eine Leiterin oder einen Wortführer gibt es nicht. «Wir wollen keine Hierarchie», lautet die Erklärung. «Wir sind ein Kollektiv aus freien Menschen.»

Am Anfang sei bei ihren Aktionen, die sie als «Mahnwachen» bezeichnen, hin und wieder jemand mit einer Glocke mitgelaufen. Aber an diesem Abend geht von der Gruppe keine offensichtliche Störung aus, weder hindert sie den Verkehr, noch macht sie Lärm.

Es brodelt im Volk

Doch ihre Botschaften und die Penetranz der allwöchentlichen Wiederholung erhitzen die Gemüter. «Ich koche innerlich», sagt ein Geschäftsmann. Er habe es satt, jeden Donnerstagmorgen vor seinem Laden «Geschmier» wegputzen zu müssen und immer öfter von Auswärtigen darauf angesprochen zu werden, «was Langnau denn da für ein Problem habe».

Ein junger Mann bläst ins gleiche Horn. Auch er gibt anonym Auskunft, «weil ich nicht abschätzen kann, was es sonst für Folgen haben könnte». Zusammen mit Kollegen macht er sich immer mal wieder zu freiwilligen Putzrunden auf. Ihn nerven die Botschaften. «Sie werfen ein schlechtes Licht auf unser Dorf, man könnte meinen, hier sei ein Verschwörungs-Brennpunkt entstanden.»

«Im Gemeinderat sind wir uns einig, dass wir etwas dagegen unternehmen möchten», sagt Thomas Gerber (Die Mitte). Er ist für die öffentliche Sicherheit verantwortlich und weiss: «Die Bürger haben die Nase voll.» Aber die rechtliche Situation sei schwierig.

Immer wieder reinigen

Gemäss dem Langnauer Polizeireglement sind Kundgebungen und Demos bewilligungspflichtig. Ein entsprechendes Gesuch hat die Gruppe jedoch nie eingereicht, ihre Mitglieder stellen sich auf den Standpunkt, es handle sich bei ihrer Aktion um eine Mahnwache. «Dann müssten sie aber an einem Ort schweigend verharren und dürften keine politischen Forderungen stellen», erklärt Gemeindeschreiber Samuel Buri.

Für den Gemeinderat stellen die  Kreidebotschaften eine «Verunreinigung des öffentlichen Raums» dar. Anders als bei einem von Kinderhand gezeichneten «Haus mit einem Vögeli drauf» könne die Gemeinde bei politischen Aussagen «nicht warten, bis der nächste Regen kommt», sagt Buri. Sie müssten vorher entfernt werden.

Wären die Kundgebungen bewilligt, könnte die Gemeinde der hinter der Aktion stehenden Organisation diesen Reinigungsaufwand in Rechnung stellen. «Aber da sich niemand als Ansprechperson zu erkennen gibt, ist das Vorgehen komplizierter, da die Personalien der einzelnen ‹Schreibenden› zu erheben sind», erklärt Buri.

Noch hat der Gemeinderat das der Situation angepasste Vorgehen nicht festgelegt. Einerseits wolle er nicht «mit Kanonen auf Spatzen schiessen», sagt der Gemeindeschreiber,  andererseits seien die Kritzeleien auch in der Bevölkerung ein zu grosses Ärgernis, als dass die Gemeinde dem Treiben länger zuschauen wolle.

In Kirchberg immer montags

Montagabend in Kirchberg. Lilly Anselmetti hat sich beim Gemeindehaus eingefunden. Es ist 18 Uhr. Sie zeigt nach Westen. «Sehen Sie das?», fragt sie. Am Abendhimmel prangen zwei dicke Kondensstreifen von Verkehrsflugzeugen. «Chemtrails», sagt sie und nickt vielsagend. Wer von Chemtrails spricht, glaubt zu wissen, dass mithilfe von Düsenflugzeugen irgendwer irgendetwas Chemisches in die Atmosphäre spritzt.

«Wir treffen uns heute zum 132. Mal», sagt sie. Seit dem 12. April 2021, immer am Montagabend. Stilles Stehen nennt sich der Anlass. Im Frühling 2021 starteten an den Schulen in Kirchberg die Corona-Massentests. Das war der Auslöser. Anselmetti hat zwei Töchter; die gingen damals noch zur Schule.

In den ersten Wochen fanden sich jeweils um die 10 Personen ein. Später waren es regelmässig um die 40 Leute, einmal 57. Lilly Anselmetti hat eine Teilnehmerstatistik erstellt. Inzwischen ist die Kurve abgeflacht.

An diesem Montag sind es ein Dutzend Personen, darunter drei Frauen. Nur die halbe Gruppe will sich später fotografieren lassen. Sie treffen nach und nach ein, begrüssen einander herzlich, umarmen sich. Sie kommen zum Teil von weit her – einer ist aus dem Simmental angereist. Obschon die Corona-Massnahmen längst Vergangenheit sind, geht es im Kern immer noch darum.

«Aber hallo», sagt Lilly Anselmetti, «die Masken waren für die Kinder hochgradig gesundheitsgefährdend.» Sie zieht eine Broschüre aus ihrer Tasche. Die Illustrationen sind von ihr. Aufgelistet sind Schädigungen, die durch das Tragen von Masken hervorgerufen werden können. «Es ist der absolute Wahnsinn, was da passiert ist», sagt sie.

Achse Langnau-Kirchberg

Ein junger, adrett gekleideter Mann gesellt sich hinzu. Er wohnt in der Nähe von Langnau. Zwischen den Spaziergängen dort und der Mahnwache in Kirchberg gibt es eine Verbindung. Man kennt sich, und bei den wöchentlichen Anlässen sind meistens einzelne Leute der anderen Gruppe dabei.

Für ihn seien die Zertifikate die Initialzündung gewesen, sagt er. Der grösste gemeinsame Nenner der beiden Gruppen seien die Impfung und die Ablehnung der Corona-Massnahmen. «Von uns ist keiner gespritzt.» Bei vielen anderen Themen aber – wie Chemtrails oder 5G-Antennen – gingen die Meinungen auseinander.

Für ihn sei der Zusammenhalt in der Gruppe fast wichtiger geworden als die Themen selber, sagt der junge Emmentaler. Er habe hier eine Freundin gefunden. Allerdings sei sie bereits wieder die Ex-Freundin.

«Vögte von anno dazumal»

Der fehlende Glaube an die Politik scheint ein weiteres verbindendes Element zu sein. Eine Ausnahme bildet da Martin Winkler, der Mann mit dem auffälligen Bart. Er kandidiert auf der Liste von Aufrecht Bern für die Nationalratswahlen. Ebenso wie Lilly Anselmetti. Hauptanliegen: Aufarbeiten der Corona-Zeit.

Winkler wohnt in Fraubrunnen, ist Kaufmann und studiert an der Universität Bern Theologie. Er spricht ruhig und blickt sein Gegenüber freundlich an. Er widerspricht dem älteren Mann, der zuvor das politische System vollkommen infrage gestellt hat. In einer Demokratie brauche es keine Politiker, hatte dieser gesagt. Gefragt sei die reine Volksherrschaft.

So weit geht Winkler nicht. «Unser System ist bei weitem nicht perfekt, aber dank der direkten Demokratie wohl das Bestmögliche», sagt er. Auch er möchte einiges abschaffen, etwa die Regierungsstatthalter – «die Vögte von anno dazumal». Dafür würde er den Gemeinden mehr Gewicht geben, um die Übermacht der Städte auszugleichen.

Winkler sieht sich nicht als Impfgegner. Er sei ein Massnahmenkritiker, ein Bürgerrechtler. Bei der Corona-Impfung sei es zu schnell gegangen. Leute seien ausgeschlossen worden. Er akzeptiere andere Meinungen. Werde er aber als Schwurbler oder Covidiot beschimpft, frage er sich, wie es um die Toleranz ihm gegenüber bestellt sei.

Schon bald vor Gericht

Während der Pandemie benötigte das Stille Stehen Bewilligungen. Das kostete monatlich 50 Franken. Lilly Anselmetti spricht von Schikane. Inzwischen sind Gesuche hinfällig, weil es sich um Treffen handelt und nicht um Demonstrationen.

Beim Zweijahrjubiläum tauchten Freiheitstrychler auf. Von der Gemeinde wurde das als unbewilligte Demonstration betrachtet, und es gab eine Busse. Anselmetti hat sie angefochten. Sie habe nicht gewusst, dass die Trychler kämen. Der Fall wird vor Gericht enden. «Ich werde ein zweistündiges Plädoyer halten», sagt sie.

Der Kirchberger Gemeinderatspräsident Andreas Wyss (FDP) will sich zum laufenden Verfahren nicht äussern. Er macht aber kein Geheimnis daraus, dass für ihn der Sinn des allwöchentlichen Aufmarsches seit dem Ende der Pandemie nicht mehr nachvollziehbar ist.

Sporadisch habe er den Kontakt gesucht, sagt er. Die Gespräche seien «stets anständig, nie aggressiv» verlaufen. In der Gemeinde gebe es Leute, die sich über diese Versammlungen aufregten. Ihm sei die Meinungsäusserungsfreiheit wichtig, sagt er. Und solange es sich nicht um eine Kundgebung handle, der Treffpunktcharakter beibehalten werde und keine Eskalationsgefahr bestehe, «dann ist das halt so». Dann habe die Gemeinde auch keine Möglichkeit, das zu verbieten.

An einer Eskalation wäre Lilly Anselmetti zuletzt interessiert. Ihr war es von Anfang an wichtig, die Anlässe immer genau gleich durchzuführen: ohne Transparente, ohne Spaziergänge. Seit August wird abseits der Zusammenkünfte gelegentlich mit Kreide gearbeitet. Sie spricht von einer «neuen Ausdrucksart» und von «Al-Kreida»-Einsätzen. Die Methode ist längst in Langnau angekommen.

Botschaft für Kirchenbesucher

Angefangen hat es in Bern, wo sie mit Verbündeten zusammen Botschaften aufs Pflaster schrieb, «um damit aufzurütteln und zu informieren». Anselmetti ist der Stolz anzusehen, als sie erzählt, wie die Polizei kam, aber nichts gegen sie habe ausrichten können. Und einmal war sie des Nachts auf dem «Kirchhoger» von Kirchberg am «kreidelen». Im Blick hatte sie die Gottesdienstbesucher vom nächsten Tag.

Die Männer und Frauen harren an diesem Montag rund eine Stunde vor dem Gemeindehaus aus. Dann zieht es sie weiter. Je nach Wetter und Jahreszeit in den Rehlipark im Dorfzentrum oder in ein Restaurant. Etwas trinken und fachsimpeln und den Abend ausklingen lassen.

Sie habe unglaublich viel gelernt, sagt Lilly Anselmetti. Die wirbelige Kirchbergerin hat nicht nur Unmengen gelesen. Sie habe auch «namhafte Fachleute» eingeladen für Vorträge; einer handelte zum Beispiel darüber, wie sich das Wetter manipulieren lasse.

Doch es gibt auch die andere Seite. Viele Leute, selbst im engsten Bekanntenkreis, hätten sich von ihr abgewendet, sagt sie. Sich zu exponieren und mit der eigenen Meinung hinzustehen, sei schwierig gewesen, verbunden mit Ängsten und Furcht. «Aber weil ich da hindurchgegangen bin, hat sich für mich ein grosses Feld geöffnet», sagt Lilly Anselmetti. Sie habe neue und interessante Menschen kennen gelernt, neue Freundinnen und Freunde gewonnen und sei als Person gewachsen. «Ich habe heute ein viel höheres Selbstwertgefühl – ich fühle mich stark.»
(https://www.derbund.ch/impfen-5g-massnahmenkritiker-sorgen-im-emmental-fuer-unmut-739436581574)



Schwurbler wollen Demo-Verbot in Basel umgehen
Staats- und Massnahmenkritiker und Linksextreme wollten am Samstag in Basel demonstrieren: Jetzt gilt ein Demoverbot – das Eskalationspotenzial bleibt gross.
https://www.nau.ch/news/schweiz/schwurbler-wollen-demo-verbot-in-basel-umgehen-66631497


+++HISTORY
Die Affäre Conradi von 1923 – Ein Freispruch mit Folgen
Im Frühjahr 1923 erschüttert ein Attentat die Schweizer Öffentlichkeit. Während einer internationalen Konferenz in Lausanne erschiesst der Russlandschweizer Moritz Conradi den sowjetischen Gesandten. Der Mörder gesteht die Tat. Trotzdem wird er von einem Geschworenengericht frei gesprochen.
https://www.srf.ch/audio/zeitblende/die-affaere-conradi-von-1923-ein-freispruch-mit-folgen?id=12474195