Medienspiegel Online: https://antira.org/category/medienspiegel/
+++BASEL
Ausländer*innen in Basel: «In Eritrea hatte ich keine Zukunft»
Über ein Drittel der Basler Bevölkerung kann bei den Wahlen nicht mitbestimmen. Der Eritreer Million Hadish flüchtete als Jugendlicher hierher und wünscht sich, dass Geflüchtete in der Schweiz alle den gleichen Status haben.
https://bajour.ch/a/clneinlkl7381262sg1baxm25ze/der-eritreer-million-hadish-wuerde-gerne-politisch-mitbestimmen
+++LUZERN
Neue Massnahmen in Luzern: Regierung zeigt Strafen für Regelverstösse im Asylwesen auf
Der Luzerner Regierungsrat hat die Konsequenzen für die durch Personen im Asylwesen begangenen Regelverstösse aufgezeigt. Auch erklärte er, welche Massnahmen der Kanton zur Vorbeugung solcher Taten ergreift.
https://www.blick.ch/schweiz/neue-massnahmen-in-luzern-regierung-zeigt-strafen-fuer-regelverstoesse-im-asylwesen-auf-id19023462.html
+++DEUTSCHLAND
Bundesregierung forciert heimlich Abschiebungen in den Irak
Mit großer Sorge beobachten wir, dass sich die verschärfte Abschiebepolitik der Bundesregierung auch auf den Personenkreis der ausreisepflichtigen Iraker*innen ausgeweitet hat. Grund dafür scheint vor allem eine in den letzten Monaten gesteigerte Rücknahmebereitschaft des Irak zu sein.
https://www.proasyl.de/news/bundesregierung-forciert-heimlich-abschiebungen-in-den-irak/
+++FREIRÄUME
Dok-Film: Kampf um unkommerzielle Räume in Zürich
Anders als das Opernhaus und die grossen Theater erhalten alternative Kulturorte kaum finanzielle Unterstützung von der Stadt. Was bedeutet das für die betroffenen Räume? Eine Spurensuche in Zürichs Alternativszene.
https://tsri.ch/a/clnekqh1712462892scc15ceua4v/dok-film-kampf-um-unkommerzielle-raeume-in-zuerich
Occupation de la Rue Royaume, la situation huit mois plus tard
Le jeudi 9 février 2023, noux étions une vingtaine à occuper un immeuble au numéro 8 de la rue Royaume dans le quartier des Pâquis à Genève. Depuis, plus de six mois se sont écoulés et l’affaire suit son cours. Noux revenons dans cet article sur le jour de l’occupation, puis tracerons les différents événements, notamment juridiques, afin d’expliquer où noux en sommes.
https://renverse.co/infos-locales/article/occupation-de-la-rue-royaume-la-situation-huit-mois-plus-tard-4172
+++PRIVATE SICHERHEITSFIRMEN
bernerzeitung.ch 09.10.2023
Ordnungsdienst in Thun – Weil Patrouillen Namen erfragen: Stadträtin zeigt Gemeinderat an
Dass Angestellte eines Ordnungsdiensts Personen nach ihrem Namen fragen dürfen, ist SP-Stadträtin Alice Kropf ein Dorn im Auge. Sie will die Praxis umstossen.
Gabriel Berger
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie verbringen einen gemütlichen Abend in einem Restaurant in Thun. Auf dem Heimweg durch die Gassen der Altstadt unterhalten Sie sich angeregt mit Ihrer Begleitung. Eine Patrouille der Berner Hunde-Security (BHS) – welche in Thun mit dem nächtlichen Ordnungsdienst betraut ist – findet, dass Sie etwas zu ausgelassen unterwegs sind. Das BHS-Team hält Sie an und fragt nach Ihrem Namen. Wie reagieren Sie? Wüssten Sie, dass Sie nicht dazu verpflichtet sind, Ihren Namen bekannt zu geben?
Kropf ortet Verstoss gegen Polizeigesetz
Es sind solche Fragen und die diesbezügliche Praxis der Thuner Behörden, die Alice Kropf jüngst zu einem aussergewöhnlichen Schritt veranlasst haben. Die langjährige SP-Stadträtin hat beim Regierungsstatthalteramt Thun eine aufsichtsrechtliche Anzeige gegen den Gemeinderat eingereicht. Kropf kreidet der Regierung an, das Erfragen von Personalien durch die BHS in der Leistungsvereinbarung zu legitimieren – obschon das Gesetz in diesem Punkt anderes vorschreibe.
Am Ursprung der Anzeige steht ein Vorstoss, den Kropf in der Fragestunde der Mai-Stadtratssitzung eingab. Weil sie selbst im Jahr zuvor beim nächtlichen Anbringen von Aufklebern in der Oberen Hauptgasse angehalten worden war, wusste die Sozialdemokratin, dass BHS-Angestellte die Personalien von Passantinnen und Passanten erfragen. Kropf wies den Gemeinderat schriftlich darauf hin, dass es Privaten gesetzlich verboten sei, bei Personenkontrollen die Identität festzustellen.
Nennung des Namens erfolgt freiwillig
Es liegt auf der Hand, dass der Gemeinderat die Ausgangslage anders beurteilt. Er beruft sich auf jenen Polizeigesetz-Artikel, wonach Gemeinden bestimmte polizeiliche Aufgaben an Private oder Organisationen übertragen dürfen. Dazu zählt zum Beispiel das Verteilen von Parkbussen, aber auch Präventionsarbeit. «Privaten Sicherheitsdiensten kommen sogenannte Jedermannsrechte zu. Namen darf jede Person erfragen», hielt der Gemeinderat in der schriftlichen Antwort auf die Frage Kropfs fest.
Gestützt auf dieses Recht könne jede Person ein strafrechtliches Verhalten zur Anzeige bringen – in diesem Fall also auch die Angestellten der BHS. Wichtig sei, dass Angehaltene darauf hingewiesen würden, dass die Namensnennung freiwillig sei.
Alice Kropf lässt die Einwände der Regierung nicht gelten: Der Verweis auf die «Jedermannsrechte» und der Fakt, dass die BHS im Jahr 2022 insgesamt 38 Namen ans städtische Polizeiinspektorat weiterleitete, zeige, «dass die Personalienerfragung systematisch geschieht», schreibt sie in ihrer Anzeige. Sie erachtet die Praxis als rechtswidrig. «Allerspätestens seit Inkrafttreten des neuen bernischen Polizeigesetzes sollte die Identitätsfeststellung durch private Sicherheitsdienste beendet werden», so Kropf. Das Gesetz ist seit dem 1. Januar 2020 in Kraft.
In Aarberg wurde Bronco-Mitarbeiter verurteilt
Rückblende: Im Jahr 2018 verurteilte das Bundesgericht einen Mitarbeiter von Broncos Security zu einer bedingten Geldstrafe. Der Mann hatte in Aarberg eine Gruppe Jugendlicher wegen Verdacht auf Littering kontrolliert, dabei von einem der Jugendlichen einen Ausweis verlangt und diesen fotografiert. Das Gericht hielt damals unter anderem fest, dass lediglich die Polizei dazu berechtigt sei, Anhaltungen und Identitätsfeststellungen vorzunehmen.
Im Zusammenhang mit dem Fall Aarberg hatte Stadträtin Kropf seinerzeit auch Kontakt mit der Berner Sektion des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB). Der bereits damals gültige Auftrag des Thuner Gemeinderats an die BHS «widerspricht sowohl den gerichtlichen Entscheiden wie auch der vom Grossen Rat verabschiedeten gesetzlichen Regelung», schrieb der VSPB damals.
Dass private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum Personen anhalten und nach ihren Personalien fragen, sei «klar nicht zulässig», folgerte der VSPB. Daran ändere auch der Hinweis nichts, dass die Angabe freiwillig sei – «da allein schon das Anhalten der Personen durch Mitarbeiter in Arbeitskleidung des Sicherheitsdienstes beim Angehaltenen den Eindruck erweckt, es handle sich um eine Amtsperson».
Kropf will das Gewaltmonopol beim Staat
Sowohl die Haltung des VSPB als auch das Gerichtsurteil zum Fall Aarberg ermutigten Alice Kropf in ihrer Absicht, gegen die vom Gemeinderat gewährte Praxis vorzugehen: «Ja, ich bin zuversichtlich, sonst hätte ich die Anzeige nicht gemacht», sagt die Stadträtin. Weitere Fachleute hätten sie in ihrem Vorgehen bestärkt. Wie begegnet sie dem Argument des Gemeinderats, dass das Erfragen von Namen ein «Jedermannsrecht» sei? «Für mich ist das eine Ausrede. Da wird einfach ein in Kraft getretenes Gesetz zurechtgebogen.»
In letzter Konsequenz zielt Kropf mit ihrer Anzeige darauf ab, dass der Ordnungsdienst in der Innenstadt durch stadteigene Mitarbeitende und in Kooperation mit aufsuchender Sozial- und Jugendarbeit oder wie früher durch die Polizei zu erfolgen habe. Das erstaunt insofern, als dass Kropf in der Vergangenheit in ihrer parlamentarischen Arbeit eher polizeikritisch in Erscheinung trat. «Zentral ist für mich vor allem die Ausbildung», sagt die SP-Frau, «und dass das Gewaltmonopol beim Staat bleibt.»
In den meisten Fällen geht es ums Urinieren
Noch hat das Thuner Regierungsstatthalteramt zur Anzeige Kropfs keinen Entscheid gefällt. «Das Geschäft ist bei uns noch hängig», erklärt Statthalterin Simone Tschopp auf Anfrage. Der Gemeinderat wurde jedoch inzwischen zu einer Stellungnahme eingeladen. «Wir stellen uns auf den Standpunkt, dass die Feststellung von Identitäten sachlogisch mit einer Ausweiskontrolle verbunden ist», sagt die zuständige Gemeinderätin Eveline Salzmann (SVP). Diese erfolge so oder so immer durch die Kantonspolizei.
Die Sicherheitsdirektorin erläutert, dass es bei Anhaltungen durch die Berner Hunde-Security in den meisten Fällen um Urinieren im öffentlichen Raum gehe. «Die Patrouillen dürfen die angehaltenen Personen nicht festhalten, und diese haben auch keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten, wenn sie sich weigern, ihren Namen zu nennen», so Salzmann. Zu Kropfs Idee, den Ordnungsdienst mit stadteigenen Angestellten zu bestreiten, meint Salzmann: «Dazu hätten wir gar nicht genügend Ressourcen. Dasselbe gilt für die Kantonspolizei.»
Ganz grundsätzlich habe man in den letzten Jahren gute Erfahrungen mit der BHS gemacht. Sowohl die Stadt als auch der Thuner Innenstadt-Leist, die Bar- und Clubkommission und die Polizei würden dem privaten Anbieter ein gutes Zeugnis ausstellen. Eveline Salzmann konstatiert: «Die Patrouillen haben in der Innenstadt für eine Beruhigung gesorgt und wirken präventiv.» Abgesehen von den Einwänden von Alice Kropf habe der Ordnungsdienst bisher auch nie zu Reklamationen geführt.
«Juristisch feinteilige Diskussion»
Wie beurteilt ein unabhängiger Experte den Sachverhalt? Wir haben bei Daniel Kettiger nachgefragt. Der frühere Leiter des Rechtsdienstes der Staatskanzlei des Kantons ist seit nunmehr 20 Jahren als Anwalt, Berater und Projektbegleiter im öffentlichen Sektor tätig. Unbestritten ist gemäss Kettiger, dass private Sicherheitsdienste keinerlei Zwangsmassnahmen anwenden dürfen. Sie dürfen also niemanden anfassen, festhalten oder zur Herausgabe des Ausweises zwingen.
Insofern erachtet Daniel Kettiger die Leistungsvereinbarung zwischen der BHS und dem Thuner Gemeinderat nicht per se als problematisch. «Polizei- und strafprozessrechtlich ist dies okay. Entscheidend ist, dass die Patrouillierenden die Angehaltenen hinreichend klar darauf hinweisen, dass die Namensangabe freiwillig ist», sagt der Jurist. Ob Mitarbeitende von privaten Sicherheitsdiensten hierfür stets ausreichend ausgebildet sind, stellt Kettiger zumindest infrage.
Selbst wenn eine angehaltene Person ihren Namen freiwillig preisgibt, könne dessen Weitergabe von der BHS an die Polizei aus Datenschutzgründen heikel sein. «Das muss in der Leistungsvereinbarung klar geregelt sein, andernfalls wird es rechtlich problematisch.» Des Pudels Kern liegt für Daniel Kettiger in der Frage, wie man das Feststellen einer Identität genau definiere. «Das ist eine juristisch feinteilige Diskussion», findet er.
Im März 2021 hat die kantonale Sicherheitsdirektion das «Handbuch Polizeiaufgaben der Gemeinden» veröffentlicht. Es liefert zahlreiche praktische Beispiele zum konkreten Vorgehen. So heisst es etwa: «Den privaten Sicherheitsdiensten stehen bezüglich Zwangsanwendung nicht mehr Rechte als jedem anderen Privaten zu.» Zudem müssten Angestellte solcher Sicherheitsdienste alles unterlassen, «was zu ihrer Verwechslung mit Polizeiorganen führen oder die Erfüllung der Aufgaben der Polizei beeinträchtigen könnte».
(https://www.bernerzeitung.ch/ordnungsdienst-in-thun-weil-patrouillen-namen-erfragen-stadtraetin-zeigt-gemeinderat-an-673529898024)
+++POLIZEI BS
Schweizweit einzigartig – Basler Polizei betreibt erste Polizeiwissenschaft der Schweiz
Mit grossen gesellschaftlichen Herausforderungen sieht sich die Basler Polizei konfrontiert. Eine wissenschaftliche Abteilung soll helfen.
https://www.srf.ch/news/schweiz/schweizweit-einzigartig-basler-polizei-betreibt-erste-polizeiwissenschaft-der-schweiz
+++POLIZEI SH
Das neue Schaffhauser Polizei- und Sicherheitszentrum wird siebenstöckig
Bereits im Sommer 2018 hatten die Stimmberechtigten dem Bau eines Polizei- und Sicherheits¬zentrums im Herblingertal zugestimmt. Nach 5 Jahren wurde im Juli eine Baubewilligung erteilt. Doch nach Kritik am Bauprojekt könnte sich der Bau weiter verzögern. Konkret wird nun ein zusätzliches, siebtes Stockwerk gefordert.
https://www.toponline.ch/tele-top/detail/news/das-neue-schaffhauser-polizei-und-sicherheitszentrum-wird-siebenstoeckig-00222830/
+++RECHTSEXTREMISMUS
„Suworow-Denkmal in Andermatt (29.9.23) Fünfte Kolonne Putins, die gefährliche russische Motorradgang „Nachtwölfe“ – die Freiheitstrychler und sich radikalisierende SVP Verbindungen!“
(https://twitter.com/maier_lotta/status/1711451130402660727)
+++BRIAN
tagblatt.ch 09.10.2023
Neues «Sondersetting» für Brian? Warum er als einziger Häftling ständig Videos aus seiner Zelle posten kann
Eigentlich sind Handys im Gefängnis verboten. Doch für den berühmtesten Inhaftierten der Schweiz scheint diese Regel nicht zu gelten. Experten äussern sich besorgt.
Andreas Maurer
Brian Keller steht in seiner Zelle des Zürcher Bezirksgefängnisses und boxt mit zusammengekniffenen Augen in die Luft. Schweissperlen funkeln auf seinem Bizeps. Aus einem Lautsprecher erklingt Rapmusik. Manchmal erhält der 28-Jährige Besuch von anderen Insassen. Sie albern herum, Brian blickt in die Kamera und kichert. Ein anderer Häftling dreht Tabak in ein Papierlein.
-> https://www.tiktok.com/embed/v2/7285162357318225184
Es sind Szenen aus Brians Gefängnisalltag, die er auf der Social-Media-Plattform Tiktok veröffentlicht. Die kurzen Videos stossen auf wachsendes Interesse. Fast täglich erzählt er seine Reality Show mit einer neuen Episode weiter. Jeder Clip erzielt Zehntausende, manchmal Hunderttausende Aufrufe, einmal sind es sogar 1,4 Millionen Klicks.
Die Kamera zeigt: Über seinem Bett hat er «Brian» und «Monster» an die Wand gekritzelt. Er hat aus sich eine Kunstfigur geschaffen, die er auf Tiktok und Instagram inszeniert. Aus seiner Sicht haben die Justiz und die Medien aus ihm ein «Monster» gemacht. Nun demonstriert er, wie daraus eine selbsterfüllende Prophezeiung geworden ist.
Brian wurde vor zehn Jahren unter dem Pseudonym «Carlos» berühmt. Die Behörden wollten ihn mit einem Sondersetting auf den richtigen Weg führen. Das Programm zeigte erste Erfolge, doch die Zürcher Regierung brach es nach medialer Kritik ab. Später wurde er rückfällig.
Seit sieben Jahren sitzt Brian in unterschiedlichen Gefängnissen. Mehrmals ging er auf Aufseher los. Derzeit befindet er sich im Zürcher Bezirksgefängnis in Untersuchungshaft. Hier verhält er sich endlich ruhig. Das Geheimnis dieses Erfolges könnte darin bestehen, dass Brian wieder von einer Art Sondersetting umgeben ist. Seine Social-Media-Aktivitäten zeigen, dass er mehr Freiheiten geniesst als eigentlich erlaubt.
U-Haft wird gelockert – Handys überall
Der Fall ist von Bedeutung, weil er etwas über den Justizvollzug aussagt. Dieser muss sich im Umgang mit den schwierigsten Fällen bewähren.
Im geschlossenen Vollzug sind in der Schweiz keine Handys erlaubt. In der Untersuchungshaft geht es darum, die Insassen von der Aussenwelt abzuschirmen. Alle Kontakte nach aussen müssen deshalb kontrolliert werden.
U-Haft kann bedeuten, 23 Stunden am Tag in einer Zelle eingeschlossen zu sein. Dieses Regime war früher Standard, steht heute aber in der Kritik. In den Kantonen Zürich und Bern laufen deshalb Reformen. Die Zellen werden tagsüber geöffnet und die Inhaftierten erhalten mehr Bewegungsfreiheit. So entstehen allerdings auch mehr Möglichkeiten, geschmuggelte Gegenstände weiterzugeben.
Jérôme Endrass ist der stellvertretende Leiter des Zürcher Justizvollzugs. Er sagt: «Handys sind jene Ware, die weltweit am häufigsten in Gefängnisse geschmuggelt werden. Das können wir nicht verhindern, da unsere Kontrollen verhältnismässig sein müssen.» Tägliche Zellenkontrollen ohne fundierten Verdacht wären zum Beispiel nicht erlaubt, meint er.
Das Posten auf Social Media sei zudem nicht verboten, sondern nur der Besitz eines Handy. Ein neues Sondersetting im Fall Brian dementiert er, auch wenn er sich nur allgemein dazu äussert: «Wir behandeln und sanktionieren alle Inhaftierten nach den gleichen Kriterien.»
Ehemalige Chefbeamter kritisiert die Kommunikation
Thomas Manhart leitete bis vor vier Jahren den Zürcher Justizvollzug. Unter seiner Ägide eskalierte der Fall. Die Aufseher liessen Brian tagelang ohne Decke und Matratze auf dem Boden schlafen, gefesselt und nur mit einem Papierumhang bekleidet. Sie wussten sich nicht anders zu helfen, weil er alles kaputt schlug. Die Unterbringung war menschenunwürdig. Manhart entschuldigt sich dafür: «Hier gab es schwerwiegende Führungsfehler über alle Stufen hinweg bis zu mir.»
Eigentlich dürfte er sich heute nicht mehr zum Fall äussern. Er macht es trotzdem, weil ihn die Kommunikationspolitik von Justizdirektorin Jacqueline Fehr nicht überzeugt. Ihre Vorgabe zum Fall Brian lautet: «Scheinwerfer aus.» Dieser soll zur Ruhe kommen, indem die Kommunikation auf das Minimum beschränkt wird. Doch Brian knipst die Scheinwerfer mit seinen Social-Media-Aktivitäten selber wieder an.
Gemäss Manhart bedeutet die behördliche Strategie vor allem «Licht aus». Im Dunkeln verirre man sich und sehe Gespenster. Er sagt: «Alle fragen sich, wie solche Inszenierungen aus dem Gefängnis heraus überhaupt möglich sind. Antworten dazu fehlen.»
Manhart vermutet, dass die Zürcher Behörden die Regelverletzungen tolerieren würden, um unnötige Eskalationen wie in der Vergangenheit zu verhindern. Wenn man unbedingt wollte, könnten «die sehr professionellen Gefängnismitarbeitenden» solche Social-Media-Aktivitäten sofort abstellen, zum Beispiel durch tägliche Kontrollen.
Da Brian schon viel länger in Haft sitze als in vergleichbaren Fällen üblich, seien gewisse «Privilegien» für ihn aber durchaus gerechtfertigt. Manhart kann nachvollziehen, warum die Behörden hier über die Regeln hinweg sähen.
Und trotzdem sieht er darin ein Problem: «Eine solche Laissez-faire-Haltung ist im Justizvollzug schwierig und unter dem Aspekt der Gleichbehandlung aller Gefangenen nicht leicht kommunizierbar.» Auch viele Angestellte dürften sich in ihrer Arbeit desavouiert fühlen.
Justizvollzugsexperte: «Das gibt es nur in Zürich»
Benjamin Brägger ist Justizvollzugsexperte und amtete bis vor Kurzem als Sekretär des Strafvollzugskonkordats Nordwest- und Innerschweiz. Er sagt: «Ich kenne kein anderes Gefängnis in der Schweiz, in dem ein Insasse auf diese Weise Beiträge online stellen kann.» Früher sei das Haftregime viel zu streng gewesen. «Heute schlägt das Pendel in die andere Richtung. Jetzt ist es viel zu liberal.»
Brägger kritisiert: «Wenn es in einem Untersuchungsgefängnis nicht möglich ist, den Handybesitz mit systematischen Kontrollen zu verhindern, bedeutet dies eine Kapitulation.» Dann liesse sich auch der Besitz von Waffen und Drogen nicht mehr verhindern. Die Insassen könnten mit den Handys ausserdem die Sicherheitsinstallationen aufnehmen und nach aussen kommunizieren, um Gefangenenbefreiungen zu organisieren.
Brägger sagt: «In einem anderen Kanton würde die Politik wohl eingreifen. In Zürich gelten aber offenbar andere Regeln.»
-> https://www.instagram.com/brian_nr1/
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Brians Lebenslauf
– Mit 3 Jahren kommt er von einer afrikanischen Grossfamilie in Paris zu seinem Vater nach Zürich. Er ist ein hyperaktives Kind.
– Mit 10 wird er zu Unrecht der Brandstiftung verdächtigt und zum ersten Mal inhaftiert.
– Mit 12 geht er auf seinen Vater los und muss acht Monate in Einzelhaft verbringen.
– Mit 15 sticht er jemanden mit einem Messer zweimal in den Rücken. Es ist sein 34. Delikt. Er muss ins Gefängnis und in die Psychiatrie, wo er ans Bett gefesselt wird.
– Mit 17 erhält er ein Sondersetting. Ein SRF-Film macht ihn unter dem Pseudonym Carlos berühmt. Die Behörden brechen die Massnahme darauf ab. Er kommt wieder ins Gefängnis.
– Mit 21 bricht er jemandem im Tram den Unterkiefer. Seither sitzt er in Haft. Dort geht er auf Aufseher los. Dafür wird er erneut verurteilt.
– Heute ist Brian 28 Jahre alt. Der nächste Prozess wegen Delikten in Haft beginnt am 30. Oktober.
(https://www.tagblatt.ch/schweiz/tiktok-star-neues-sondersetting-fuer-brian-warum-er-als-einziger-haeftling-staendig-videos-aus-seiner-zelle-posten-kann-ld.2524783)